Zuviel Bildung?

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aleanjre
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Do 21. Apr 2005, 23:48 - Beitrag #1

Zuviel Bildung?

Zuerst die Vorgeschichte:

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit der Klassenlehrerin meiner Langen darüber, dass so sehr viele Kinder heutzutage überhaupt keine Phantasie mehr haben. Sie klagte, weil sie den Kindern eine Geschichte vorgelesen hatte, die sollten sich ausdenken, wie es vielleicht weitergehen könne. Einige machten das ganz toll, die meisten starrten Löcher in die Luft. Auf Nachfrage waren die Luftgucker dann allesamt jene, denen zuhause nie oder nur ganz selten vorgelesen wird.

Da ich weiß, dass dies an anderen Schulen ganz normal ist, hatte ich ihr angeboten, dass ich gerne mal vorbeikommen und den Kindern einfach nett was vorlesen würde. Egal, ob nun nachmittags als Sonderaktion oder im Unterricht. Sie war direkt Feuer und Flamme, besprach sich mit dem Kollegium. Alle fanden das toll.
Sie stellte die Idee auf dem nächsten Elternsprechtag vor. Es war auch im Gespräch, dass ich mit den Kindern Lese- und Textverständnisübungen machen könnte (was die Zustimmung aller Eltern verlangt hätte), das aber auch nur, wenn sich noch weitere Eltern fänden. Dabei wurde von einigen Eltern spontan geblockt: "Was soll denn der Schwachsinn jetzt, ICH lese meinem Kind immer vor!"
Es fanden sich keine weiteren Eltern, die dazu bereit waren. Die Übungsidee fiel komplett unter den Tisch. Dafür wurde die Idee in der Parallelklasse und der 2. Klasse aufgegriffen, da waren die Eltern alle begeistert.

Nun denn. Mittlerweile war ich ein paar Mal da, in der Förderstunde. Ich lese Pipi Langstrumpf, von 19 Kindern kennen 5 diese Geschichte. Die Kurzen sind absolut begeistert, gehen mit, lachen sich kaputt über die Lügenmärchen, die da erzählt werden. Nach etwa 25 Minuten muss Schluss sein, da sie dann zu unruhig werden und nicht mehr still sitzen können, aber das finde ich für Erstklässler wirklich okay, denn in dieser Zeit lauschen sie 100% konzentriert.
Die Lehrerin nimmt in dieser Zeit immer eines von zwei Problemkindern mit raus, da ist ein Junge, der kaum Deutsch spricht, und ein anderer, der große Probleme beim Lesen hat. Mit denen übt sie dann ganz besonders intensiv.

Gestern war Elternstammtisch. Da mein Mann auf Lehrgang ist, konnte ich nicht teilnehmen. Die Lehrerin hatte darum gebeten, dass noch einmal besprochen werden sollte, ob nicht doch noch Eltern bereit wären, an der Vorleseaktion mitzuwirken.

Eben war ich im Kiga. Die stellvertretende Klassenpflegschaftsvorsitzende hat ebenfalls ein Kind in dieser Gruppe und stürmte nun wie eine Furie auf mich los!
Sie: "SAG MAL, WAS SOLL DIESER SCHEIß MIT DEM VORLESEN EIGENTLICH!!!"
Ich: Blubb.
Sie: "WIR HABEN UNS JA GESTERN DARÜBER UNTERHALTEN UND SIND NICHT DAHINTERGEKOMMEN, WARUM MACHST DU DAS???"
Ich: Um den Kindern eine schöne Geschichte vorzulesen, damit sie mal eine halbe Stunde am Stück einfach nur still sitzen und sich intensiv mit einer Sache auseinandersetzen. Es werden Fragen gestellt und sich mit dem Text beschäftigt. Die Phantasie soll angeregt werden.
Sie: Aha. UND DIE LEHRERIN SITZT DABEI UND TRINKT KAFFEE? WIR HABEN ECHT DAS GEFÜHL, DAS SOLL EINE ELTERLICHE ENTLASTUNGSAKTION FÜR FAULE LEHRER SEIN."
Ich: Nein, die Lehrerin geht in dieser Zeit mit lernschwachen Kindern raus und betreut diese intensiv.
Sie: Aha. IST TROTZDEM QUATSCH, WIR LESEN UNSEREN KINDERN ZUHAUSE SCHON GENUG VOR!"
Ich: (denke mir: ach, daher kennt dein Töcherchen all die feinen Ausdrücke, und deshalb ist dein Söhnchen so aggressiv und verhaltensauffällig): "Nun, es gibt in dieser Klasse Kinder, denen nicht vorgelesen wird."
Sie: Dreht sich wortlos um und stürmt hinaus.

Und ich fühle mich jetzt angekotzt und weiß nicht, was das soll.
Ich würde gerne damit weitermachen. Die Kinder freuen sich wie verrückt, wenn ich komme, sie sind total dankbar für die Lesezeit. Die Lehrerin kann die Zeit sehr, sehr sinnvoll nutzen.
Aber wenn das so schon abgelaufen wäre, bevor ich das 1. Mal gelesen hätte, dann hätte ich die Sache abgeblasen. Und ich habe auch Sorge, dass die blöde Tussi die anderen Eltern aufstachelt und die Klassenlehrerin gezwungen wird, dass so etwas nicht mehr stattfinden darf.

*****

Nun, dass es sinnvoll ist, Kindern vorzulesen, durchaus auch mehrmals am Tag, durchaus von nicht pädagogisch gebildeten Helfern, braucht gar nicht diskutiert zu werden. Das eine personell unterbesetzte Schule mit einem recht hohen Anteil Russlanddeutscher Kinder, die kaum ein Wort Deutsch sprechen, Hilfe gebrauchen kann, um die Lernschwachen und Fremdsprachigen zu fördern, auch nicht.

Für mich interessant ist die Frage:
Woher kommt diese Blockadehaltung? Was bewegt Eltern, ihre Kinder von jedem Funken Bildung zuviel fernzuhalten? Warum diese Aggression? Es wurde keinem Elternteil vorgeworfen, sie würden sich nicht um ihre Kurzen kümmern und deshalb käme jetzt eine Sonderaktion.
Ich verstehe es einfach nicht. :(

jaiden
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Fr 22. Apr 2005, 00:00 - Beitrag #2

naja, die Antwort auf die Frage ist meiner Meinung nach nicht so sonderlich schwer:

Sie fühlt sich auf den Schlips getreten.

Vielleicht ist ihre Tochter freudestrahlend von deinem Vorlesen nach Hause gekommen und hat davon geschwärmt. Evtl. wird ihr zu Hause doch nicht, ähm, "gar so oft" vorgelesen, wie die Mutter behauptet. Letztere wird das dann wohl als persönlichen Angriff gewertet haben, vielleicht hat sie auch einfach nur ein schlechtes Gewissen.

Also ich finde das durchaus nachvollziehbar...

jaiden

Feuerkopf
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Fr 22. Apr 2005, 01:06 - Beitrag #3

Alea,
ich bin Lesepatin der hiesigen Bibliothek. Seit Monaten erkläre ich immer wieder, dass ich gern bereit bin, auch in den umliegenden Grundschulen und Kindergärten oder Betreuungseinrichtungen vorzulesen. Ich kann das richtig gut.
Es kommt einfach keine Resonanz von dort!
Manche Lehrer oder Betreuer fühlen sich nämlich auch auf den Schlips getreten.

Andere Lesepaten, die auch in Schulen vorlesen, erzählen, wie mies sie dort behandelt werden. Unglaublich!

Diese Mutter, die dich so angemacht hat, hat schlicht ein Rad ab. Damit muss man immer mal rechnen. Lass dich von einer solchen dummen Nuss bloß nicht ins Bockshorn jagen! Du erlebst, wie sehr die Kinder das Vorlesen genießen; ich erlebe es, wenn ich den Kleinen in der Bibliothek vorlese. DAS ist richtig!

Soll die Frau doch ein schlechtes Gewissen entwickeln. Vielleicht liest sie ja dann ihrer Kleinen doch mal wieder vor.

Milena
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Fr 22. Apr 2005, 06:53 - Beitrag #4

also ich habe nie eine Geschichte von meiner Mutter vorgelesen bekommen und gebe zu, es nicht allzu häufig bei meinen Kindern praktiziert zu haben, finde es aber klasse, wenn andere Mütter es können und dies auch ausüben.
ich denke, diese eine Mutter fühlt sich in ihrer Mutterrolle durch Dein Vorlesen und der begeisterten Anteilnahme ihres Kindes stark gekränkt und zurückgesetzt. Wie wäre es, wenn Du sie und andere Mütter einfach dazu
einladen würdest nur dabei zu sein, damit sie selbst sehen,
dass Du sie nicht um ihre Mutterliebe beraubst? klingt vielleicht überzogen,
aber ich denke, dass das Vorlesen seinem Kinde gegenüber schon etwas persönliches ist und intimes hat,
siehe Geborgenheit, Kuscheln und Vertrauen schenken und vielleicht weniger mit Bildung und Förderung von Konzentration und Abbau von Verhaltensstörungen etc.
die pädagogische Bildung bekommen die Kinder automatisch zu jeder Stunde in der Schule eingetrichtert, aber Vorlesen von Geschichten, Märchen ist eine alte traditionelle, eben eine völlig andere Rubrik.

Feuerkopf
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Fr 22. Apr 2005, 08:19 - Beitrag #5

Milena,
ich hatte mit dem ersten Unmut der selbst Betroffenen reagiert.

Es ist bestimmt was dran, an dem, was Du vermutest: Die Mutter hat eifersüchtig reagiert.
Wenn ich überlege, wie sehr Kinder sich freuen, sich öffnen, wenn man ihnen vorliest, dann kann das stimmen.
Eigentlich schade, wenn Eltern freiwillig auf diese Form der Nähe und Zuwendung verzichten.
Dennoch war die Reaktion dieser Mutter gegenüber Alea schon reichlich überzogen, denn wenn schon über das Vorlesen gesprochen wurde, dann hätte ihr klar sein müssen, welchen weiterreichenden Wert es für die Kinder hat.

aleanjre
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Fr 22. Apr 2005, 09:24 - Beitrag #6

Nun ja, die fragliche Mutter hat tatsächlich ein Rad ab. Sie betreibt "Kleiderhakenerziehung", sprich, kümmert sich nach Möglichkeit überhaupt nicht um ihre drei Kinder, die allesamt sehr auffällig sind. Das sie überhaupt etwas anderes vorliest als die Fernsehzeitung, ist nicht zu erwarten. Und das sie sich schämt, dies öffentlich zuzugeben, ist noch als positives Zeichen zu werten.
Aber sie war ja nicht die einzige, die so vehement blockiert hat, dass den Kindern Phantasie, Textverständnis und Liebe zur Literatur angeregt werden soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass all diese Eltern lediglich auf Grund von schlechtem Gewissen handeln.
Und Eifersucht? Nun ja - es ist nicht möglich, mit 19 Kindern gleichzeitig zu kuscheln. :P Die sitzen brav im Stuhlkreis. Oder auch schon mal weniger brav. Die Klassenlehrerin liest auch schon mal ein bisschen was vor, aber die muss sich zuerst um ihren Lehrauftrag kümmern. Im Kiga wird hingegen viel vorgelesen, und die Kinder sitzen oft auf dem Schoß der Erzieherin und erzählen freudestrahlend alle Familiengeheimnisse. Darauf ist niemand eifersüchtig.
Ich gestehe: ich verstehe es immer noch nicht.

@Milena: Wenn man nicht gut vorlesen kann, ist es weise, darauf zu verzichten, denn die Kinder hören dann nicht zu. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, sich um ein Kind zu bemühen, Lesen ist nur eine davon.

@Feuerkopf: Ich erwarte weder Lob noch Dankbarkeit von den anderen Eltern. Sollen sie ruhig schweigen! Aber wenn noch wenigstens einer mitmachen würde, könnte man die Gruppen aufteilen und wesentlich zielgerichteter vorgehen. Vielleicht könnte man dann Texte auswählen, um speziell Jungen anzusprechen!
Ich habe wirklich Sorge, dass Madame stellv. Klassenpflegsschaftsvorsitzende so lange auf die meinungslose Mehrheit einbrüllt, bis sie erreicht, dass die Lesungen verboten werden. :(
Nun denn. Gestern hab ich sowohl mit der führenden Vorsitzenden als auch mit der Klassenlehrerin telefoniert. Mal abwarten, was dabei noch erreicht wird.

Feuerkopf
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Fr 22. Apr 2005, 09:57 - Beitrag #7

Zitat von aleanjre:@Feuerkopf: Ich erwarte weder Lob noch Dankbarkeit von den anderen Eltern. Sollen sie ruhig schweigen! Aber wenn noch wenigstens einer mitmachen würde, könnte man die Gruppen aufteilen und wesentlich zielgerichteter vorgehen. Vielleicht könnte man dann Texte auswählen, um speziell Jungen anzusprechen!
Ich habe wirklich Sorge, dass Madame stellv. Klassenpflegsschaftsvorsitzende so lange auf die meinungslose Mehrheit einbrüllt, bis sie erreicht, dass die Lesungen verboten werden. :(


Man sollte es echt nicht glauben: Da macht - trotzt Pisa, die deutschen Schülern mangelnde Lesekompetenz bescheinigt - ein Elternteil mobil gegen das Vorlesen!
Alea, da drücke ich dir sämtliche Daumen, damit sich die anderen nicht von diesem Ignoranten-Virus anstecken lassen.

Argumentationshilfen und Materialien findest du hier, bei der Stiftung Lesen.
In meinen Augen gibt es KEIN Argument gegen das Vorlesen.

Traitor
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Fr 22. Apr 2005, 13:52 - Beitrag #8

Zwei mögliche Antriebe dieser Frau wurden schon genannt:
1. Fühlt sich bloßgestellt
2. Eifersucht
Ein dritter fällt mir spontan noch ein:
3. Sie will nicht, dass ihr Kind intelligenter und gebildeter wird als sie selbst. Was scheinbar sehr leicht passieren kann.

Ich habe wirklich Sorge, dass Madame stellv. Klassenpflegsschaftsvorsitzende so lange auf die meinungslose Mehrheit einbrüllt, bis sie erreicht, dass die Lesungen verboten werden.
Sowas sind die Menschen, die Fahrenheit 451 in greifbare Nähe rücken :wand:

@Milena: Vorlesen sollte doch trainierbar sein, oder? Auch, wenn es sicher nicht der eine entscheidende Punkt bei der Erziehung ist, denke ich doch, dass man es jedem Kind gönnen sollte, auch, wenn man dafür etwas über sich hinauswachsen muss - wozu man als Eltern vermutlich eh stets gezwungen ist.

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Fr 22. Apr 2005, 14:09 - Beitrag #9

Weia!
Da muß diese Frau ja einen enormen Problemdruck gehabt haben, daß sie so auf alea losgestürmt ist, sie hätte ihre Frage ja auch durchaus anders stellen können...
Wobei ich inhaltlich alea und Feuerkopf voll zustimme, wir haben einen erkennbaren Mangel an Lesefähigkeit und Sprachverständnis unter den Kindern und Jugendlichen -Defizite, die grundlegend die Chancen der betroffenen Schüler im Leben vermindern. Und das Vorlesen ist eine wesentliche Voraussetzung, um Sprache richtig verstehen zu lernen.
Die Entwicklung von Phantasie ist eine weitere Sache, die immer weiter in den Hintergrund gerät, leider wohl nicht in der PISA-Studie gemessen - und ebenso eigentlich nur durch Vorlesen und später selber Lesen zu fördern.

Aber viele Eltern denken scheinbar, daß der große Bilderkasten diese Aufgabe übernehmen kann - auch, wenn dort kein vernünftiges Deutsch gesprochen wird, es keine Zuwendung gibt, und die Verbilderung jede eigene Phantasie im Keime erstickt. Aber woher sollen Eltern diese Erkenntnis nehmen, die selber nicht mehr vorgelesen bekommen haben?
Meine ersten Schuljahre verbrachte ich auf einer Waldorfschule, auf der das Fernsehen sehr, sehr kritisch gesehen wurde - eben genau aus den genannten Gründen. Mittlerweile denke ich fast, die Schule hatte recht und der Kasten sollte einen Jugendschutzstempel frei ab 16 o.ä. bekommen, aber das führt hier zu weit.

Vielleicht hat diese Mutter aber tatsächlich so etwas wie Schuldgefühle, den Eindruck, eigentlich mehr machen zu müssen, als sie mit ihren Kindern macht oder auch machen kann - gezwungenermaßen berufstätig?
Sie ist stellv. Klassenpflegschaftsvorsitzende - aus Engagement oder aus Ehrgeiz? Vielleicht fühlt sie sich in einem Ehrgeiz verletzt.

Was den Funken Bildung betrifft, wird diese scheinbar von Elern sehr unterschiedlich definiert. Jemand in meiner Umgebung bietet Englisch für Kinder an, und immer wieder mal wird dies von Eltern ausfallen gelassen, weil Sohnemann da zum Fußball muß :(
Bildung wird allgemein viel zu sehr als reines Faktenwissen definiert und wenn dieses fehlt, tun es auch ein paar Tore. Daß es aber grundlegender Kompetenzen wie Sprachverständnis, Lesekompetenz, Phantasie bedarf, um mit den Fakten etwas anfangen zu können - das fehlt in den Köpfen.

alea, ich denke, die Motive der Frau liegen in ihrem persönlichen Bereich. Sie kann vielleicht jetzt versuchen, andere für sich zu gewinnen, aber ich denke, daß genug Eltern dafür klare Gründe hören möchten, die sie wohl schwerlich liefern kann. Und ihre Steuerung durch eigene Probleme wird, denke ich, genügend anderen Eltern auffallen.

Laß Du Dich nicht dadurch von Deinem Weg abbringen! Viel Glück und Kraft!

Diavolous
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Fr 22. Apr 2005, 14:29 - Beitrag #10

Zwei mögliche Antriebe dieser Frau wurden schon genannt:
1. Fühlt sich bloßgestellt
2. Eifersucht
Ein dritter fällt mir spontan noch ein:
3. Sie will nicht, dass ihr Kind intelligenter und gebildeter wird als sie selbst. Was scheinbar sehr leicht passieren kann.

Eins und zwei halte ich auch für die Hauptgründe, dem dritten kann ich nicht viel abgewinnen. Glaubst du wirklich, Traitor, eine Mutter will nicht, dass ihr eigenes Kind intelligenter wird als sie selbst? Dann wäre sie wirklich abgrundtief bösartig oder eine zum Himmel schreiende Blödheit hätte sich ihrer bemächtigt. Oder beides.

Imo ein vierter Grund:
Die Klassenlehrerin liest auch schon mal ein bisschen was vor, aber die muss sich zuerst um ihren Lehrauftrag kümmern. Im Kiga wird hingegen viel vorgelesen, und die Kinder sitzen oft auf dem Schoß der Erzieherin und erzählen freudestrahlend alle Familiengeheimnisse. Darauf ist niemand eifersüchtig.
Ich gestehe: ich verstehe es immer noch nicht.

Einige, ich hoffe sehr wenige, Eltern sind der Ansicht, in der Schule muss ihr Kind "vernünftige Sachen" lernen, und nicht mehr so Kleinkind-Kram machen wie Vorlesen.
Im Kindergarten ist das natürlich ok, ist er für viele Eltern wohl meistens eine Art Ersatz-Elternteil. Das Kind ist sehr jung, für kleine Kinder ist Vorlesen etwas sehr schönes, hat viele schon genannte Gründe, und die Eltern freuen sich, dass es ihrem Kind gefällt. Kommt nun das Kind in die Schule wollen die Eltern aber auch, dass ihr Kind etwas lernt und zwar, wie schon erwähnt, "richtige" Sachen, die es ihrer Ansicht nach fürs Leben braucht und die man also in der Schule lernen muss. Vorlesen zählt hier nicht dazu. Der Ernst des Lebens hat praktisch mit der 1. Klasse begonnen.
Daran, das die Kinder vor ein paar Wochen noch im Kiga waren, wird wohl nicht mehr gedacht.
Ich hoffe es wird klar was ich meine. Leider ist mir bis jetzt eine solche Denkweise schon ein paar mal begegnet (...in meinen jungen Jahren... ;) ).

Edit: Lese grad Jans Post und finde, folgendes passt gut zu "meinem" Grund:
Daß es aber grundlegender Kompetenzen wie Sprachverständnis, Lesekompetenz, Phantasie bedarf, um mit den Fakten etwas anfangen zu können - das fehlt in den Köpfen.

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Fr 22. Apr 2005, 15:05 - Beitrag #11

Ja, das glaube ich wirklich. Das Motiv "Mein Sohn geht nicht in die Stadt, um zu studieren, mein Sohn wird Bauer wie ich!" ist doch altbekannt. Bild
Eigentlich sollte man zwar meinen, dass alle Eltern wollen, dass ihre Kinder soviel erreichen wie nur möglich, eigentlich sogar gerade mehr als sie selbst, sind Kinder doch ein ideales Vehikel, die eigenen Träume fortzusetzen. Aber leider gibt es auch diese unsäglich beschränkten Menschen, die nach obigem Muster "denken".

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Fr 22. Apr 2005, 15:39 - Beitrag #12

Eigentlich bestätigt das nur wieder die Ergebnisse von PISA: Die Kinder aus dem Bildungsbürgertum werden deutlich mehr gefördert als die anderen Kinder und werden deshalb wahrscheinlich auch eher beruflich erfolgreich sein.

Ich hätte nur nicht erwartet, dass jemand gegen das Vorlesen in die Ketten geht. :boah:

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Sa 23. Apr 2005, 17:57 - Beitrag #13

Den Aspekt, den Diavolous angesprochen hat, kenne ich auch nur zu gut. Kinder sollen Mathe, Grammatik und Rechtschreibung lernen. Alles andere ist Unfug. Genauso wie Kunst und Musik zählt das Lesen von Geschichten zu den unnötigeren Fächern.

Die Folge einer solchen Erziehung ist, dass sich diese Kinder im Erwachsenenalter kaum für´s Lesen von Büchern interessieren. Alea, lass dies bloss nicht zu!
Auch wenn die Eltern Deinen Einsatz nicht anerkennen, dafür werden Dir die Kinder aber umso dankbarer sein.

aleanjre
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Sa 23. Apr 2005, 19:20 - Beitrag #14

Aufgeben werde ich bestimmt nicht freiwillig! Irgendwie muss man diesen Eltern klar machen, was für eine Chance das für die Kinder ist, wenn man sie zur Liebe an die Bücher erziehen kann.

Mittlerweile hatte ich noch ein Gespräch mit der Kindergartenleiterin. Jene suspekte Mutter war dort im vergangenen Jahr im Elternrat. Meinung der Leiterin: Diese Frau will auf jeden Fall immer dabei sein, um bloß keinen Funken Tratsch zu verpassen. Sie spielt sich gerne auf, will in jede Entscheidung eingebunden werden. Informiert man sie zu spät über irgendeinen nebensächlichen Sachverhalt, wird sie ausfallend. Sie reißt sich um jede Aufgabe, erklärt groß, was sie alles zu tun gedenkt und macht dann schlicht gar nichts. Damit blockiert sie dann jeglichen Fortschritt in allen Projekten.
Mein Fehler war, dass ich dieses Projekt ohne sie angeleiert habe. Hätte ich sie und die führende Pflegschaftsvorsitzende zuerst angesprochen und Madame die Chance gegeben das ganze so im Kopf zu drehen, dass sie es als ihre eigene Idee der Lehrerin hätte präsentieren können, hätte ich jede Unterstützung der Welt erhalten. :rolleyes: Es geht also überhaupt nicht um das Wohl der Kinder in egal welchem Sinne, sondern um Egopflege einer vom Leben frustrierten Zicke. :wand:

Mal nächste Woche abwarten. Die Klassenlehrerin, die völlig über den Verlauf der Dinge entsetzt ist, hat einen Rundbrief an alle Eltern geschickt, und alles noch mal so fein erklärt, was erreicht werden sollte, dass jeder Nicht - Troll es verstehen muss. Ich hoffe mal, dass die Anzahl der Trolle in der Elternschaft begrenzt ist.


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