Was ist Bildung?

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dmz
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Mo 6. Jun 2005, 01:18 - Beitrag #1

Was ist Bildung?

Was ist Bildung oder gar Halbbildung ?
Ehrlich gesagt: ich weiss es nicht.
Weiss es jemand im Forum hier ?
Ich waere interessiert daran, die Antwort auf diese Frage kennenzulernen.
Bildung - so sagt man - besteht aus Wissen und Koennen.
Wissen sind die Inhalte und Fakten, Koennen ist der Umgang mit dem Wissen.
Letzteres schliesst die Sprachkompetenz ein.
:::
Wenn man alle Automobilmarken oder Waschmittel kennt,
weiss man u.a. zwar auf diesen Gebieten vieles, jedoch ist man deshalb nicht gebildet.
Bildung entsteht wohl erst, wenn ein Wissensverstaendnis hergestellt werden kann,
so dass Ableitungen und Parallelverstaendnis von bekannten zu 'verwandten' Denkinhalten fuehren;
etwa: 'Haetten die Roemer 146vChr gegen die nordafrikanischen Karthager vernichtend verloren,
haette es kein Roemisches Weltreich gegeben,
und West-Europa waere vermutlich nicht lateinisch/christlich sondern slawisch,
aus dem Osten beeinflusst worden.'

Aber dieses bewusst so formulierte Beispiel wirft die Frage auf,
ob man gewisse Elemente ueberhaupt wissen muss.
Woher weiss ich, ob etwas zu wissen wichtig oder unwichtig ist ?
:::
Was muss man also alles wissen von Geschichte und Kulturwesen seiner Gesellschaft
und von der Welt, damit man einen anerkannten Bildungsstand nachweisen kann;
und wann gilt man als gebildet, halbgebildet oder ungebildet ?
Oder ist Bildung nur ein (dtsch) Mythos, der von den wichtigen Dingen des Daseins ablenkt ?
Was ist das dtsch Bildungswesen (incl.Schulbildg) wirklich wert, - ueberwiegend nur Ballast ?

Milena
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Mo 6. Jun 2005, 06:44 - Beitrag #2

na, Du stellst vielleicht Fragen..[
QUOTE]Oder ist Bildung nur ein (dtsch) Mythos, der von den wichtigen Dingen des Daseins ablenkt ?

dtsch. Mythos?
und die nichtdeutschen sind schlichtweg dumm, oder was?
der von wichtigen Dingen des Daseins ablenkt? wie z.B. der Kehrwoche?
da kann ich Dich beruhigen, die wird brav weiterhin praktiziert;)
und setze Dich selbst nicht so unter Druck, was die Bildung hierzulande angeht, ist doch ein freies Land, Du kannst Dir all das an Wissen aneignen wonach Dir ist, laut der Devise: alles kann, nichts muss.

Ipsissimus
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Mo 6. Jun 2005, 09:09 - Beitrag #3

das Thema scheint mir eng mit der Frage verknüpft "was ist Wissen", über die ja schon ein eigener Thread existiert.


Dort wie hier gehe ich davon aus, daß ein Einzeldatum, ein Faktum, aus sich selbst heraus nichts wesentliches bedeutet; seine Bedeutung erschließt sich erst über den situativen Kontext und weitergehend über die Einbettung des Kontextes in den Gesamtkontext einer Gesellschaft, einer Zeit, einer Kultur; in vielen Fällen sogar erst über seine Positionierung über verschiedene derartige Kontexte hinweg.

Um diese Einbettung des Faktums in seine verschiedenen Kontexte angemessen vornehmen zu können, bedarf es eines übergreifenden Wissens, das über jenes Wissen hinausgeht, das zum unmittelbaren Verständnis des Einzelfaktums notwendig ist.

Dieses Wissen und seine angemessene Internaliserung - so daß es als "Weltwissen" immer präsent und abrufbar ist - wird üblicherweise "Bildung" genannt. Bildung hat heute einen zunehmend schlechten Ruf; gebildete Menschen lassen sich nicht gar so einfach von den Sirenenklängen des Kommerz dazu verlocken, alles, was das Leben in irgendeiner Weise schön macht, auf dem Altar der Nützlichkeit zu opfern.

Da das Hohelied der Nützlichkeit und der Unterwerfung aller menschlichen Aspekte unter die Belange der Ökonomie aber seit vielen Jahren in den Medien praktisch ununterbrochen verbreitet wird und als einzig vernünftig mediiert wird, stehen alle Gegenkonzepte - von denen Bildung sicher eines der effektivsten ist - massiv unter Druck.


Milena, da hast du dmz falsch verstanden. Die Frage nach dem "deutschen" Mythos "Bildung" impliziert nicht die Verunglimpfung aller Nichtdeutschen; es ist vielmehr eine bestimmte Form der Beschimpfung aller Deutschen :-)

Milena
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Mo 6. Jun 2005, 10:49 - Beitrag #4

ja ipsi, ich hab´s manchmal schon schwer den Menschen an sich zu verstehen;) , aber irgendwie dachte ich auch, dass wir die ganze Chausse mit Bildung und Wissen doch schon mal hatten...und gab mir von dem her nicht sonderlich Mühe, zum Glück aber gibt´s ja noch Dich;) !!!

janw
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Mo 6. Jun 2005, 12:34 - Beitrag #5

Nun ja, Bildung ist nicht gleich Wissen, sondern geht darüber hinaus, ich würde sie als eine Art cognitive Kultiviertheit ansehen.
Insofern macht es durchaus Sinn, darüber in einem getrennten thread zu diskutieren.
Muß mir aber selber noch ein paar Gedanken dazu machen, deshalb später mehr von mir...

e-noon
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Mo 6. Jun 2005, 18:09 - Beitrag #6

@Ipsi:
alles, was das Leben in irgendeiner Weise schön macht, auf dem Altar der Nützlichkeit zu opfern.
Nützlichkeit muss keine Einschränkung der Schönheit bedeuten, im Gegenteil. Die Beziehungen zu meinen Freunden sind mir nützlich, gerade weil sie schön sind, mir Halt geben und mich glücklich machen. Wenn mein Ziel Glück und Erfülltheit sind, ist das Orientieren an der Nützlichkeit nicht mehr als das Abwägen, welche Handlung mich der inneren Zufriedenheit näherbringt und welche mich innerlich belastet und mir oder denen, die mir nahestehen, schadet. Ein solches Nützlichkeitsdenken ist es imo wert, dass ihm geopftert wird ;)

Abgesehen davon stimme ich Ipsi zu, Bildung heißt, Faktenwissen in einen Kontext einordnen und kausal, zeitlich, örtlich usw. mit anderem Wissen sowie eigener Meinung verknüpfen zu können.
Bildung ist also nicht nur ein gigantisches Wissen, sondern mehr oder weniger auch gesunder Menschenverstand.

dmz
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Mo 6. Jun 2005, 22:13 - Beitrag #7

Zu meinem Eingangsposting noch folgende Gedankensplitter:
-
Gebildet ist jemand, der über das für die derzeitige Gesellschaft notwendige Wissen verfügt.
Der Zweck des notwendigen Wissens kann sich allerdings auch darin erschöpfen,
dem 'Wissenden und Gebildeten' zu einem Status-Symbol zu verhelfen:
jedes Status-Symbol ist auch ein HerrschaftsSymbol.
Folglich gehen Wissen und Herrschen miteinander Hand in Hand.
Der Volksmund sagt bekanntlicht: 'Wissen ist Macht'.
-
Bildung ist die Kunst, mit sich selbst nicht allein zu sein.
Bildung ist der Weg zur Erkenntnis, der Einsicht, der Weisheit.
Bildung ist der Versuch auf eigenen Beinen zu stehen.
Bildung ist das Resultat von Aufklärung.
Bildung hat keine Grenzen.
Bildung ist Imponiergehabe und Balzverhalten.
Bildung ist das Leben.
Bildung hat an sich keinen Sinn.
-
Die ideale Bildung ist, - wie es Schiller sagt -,
'sich zum Menschen auszubilden':
Mitleid zu zeigen, ehrlich zu sein und es auch von anderen erwarten zu dürfen.
-
Die Bildung, wie sie sich derzeit gelegentlich wahrnehmen lässt:
einen Wust von Wissen 'unkontrolliert' in seinen Kopf zu zwingen,
um vorrangig seinen Beruf ausüben zu können.
Die Bildung zum Menschen wird leider haeufig vernachlässigt.

Milena
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Di 7. Jun 2005, 06:43 - Beitrag #8



Die ideale Bildung ist, - wie es Schiller sagt -,
'sich zum Menschen auszubilden':
Mitleid zu zeigen, ehrlich zu sein und es auch von anderen erwarten zu dürfen.

na kein Wunder, dass er es sehr schwer hatte in seinem Leben..
wem sollte mit Mitleid zeigen geholfen sein? in seiner letzten schweren Not, da gab es auch für ihn ein Stückchen Brot....Gott sei gedankt,
der wäre doch schlichtweg krepiert, hätte er sich auf sein Wunschdenken verlassen, Ehrlichkeit auch von anderen erwarten zu dürfen..
dmz, da sprichst Du eine sehr schöne, aber total veraltete Menschenbildung an..
Nichts schlimmeres für mich, als Mitleid zu zeigen und dieses auch zu empfangen.

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2005, 09:27 - Beitrag #9

Nichts schlimmeres für mich, als Mitleid zu zeigen und dieses auch zu empfangen.


Erläuterst du das bitte näher?

Milena
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Di 7. Jun 2005, 10:05 - Beitrag #10

Ipsi, ich meinte dies so, dass ich persönlich daran arbeite, den Menschen an sich zu verstehen, mich in ihn hineinzuversetzen, siehe Empathie, aber ich lehne es ab, mich in sein Leid fallen zu lassen, mit ihm zu leiden, damit ist keinem weitergeholfen, genauso wenig, wie ich es gebrauchen kann, wenn andere Menschen ihr Mitleid mir gegenüber zum Ausdruck bringen, z.B
eine ehemalige Mitschülerin: " Du tust mir ja echt leid, mit deinem vielen Unglück".danke, aber nach so viel Mitgefühl ist es mir nicht wirklich wohler zumute..

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2005, 10:13 - Beitrag #11

ich mache mal nen neuen Thread dazu auf

herempix
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Di 5. Jul 2005, 13:56 - Beitrag #12

Definition von Bildung

Ich frage mich auch, was Bildung ist, dmz.

Also für mich ist Bildung nicht nur etwas über Goethe, Schiller, Lessing, Perfekt, Plusquamperfekt, Präsens, Futur, englische Vokabeln, französische Grammatik, das große und das kleine "Latinum", Vektorberechnungen, Stochastik, Mengenlehre, Rechnen, Algebra oder Logarithmen zu wissen.
Es gehört auch die Allgemeinbildung dazu, die man über Sendungen wie "Gallileo", "Genial Daneben" (Comedy-Quizshow auf SAT1 mit dem Schwerpunkt Insider-Wissen) oder "Wer wird Millionär" erhält. Das lernt man nicht unbedingt in der Schule, weil die Lehrpläne was ganz anderes vorgeben.
Anderseits gibt es auch die Fachbildung, die man in den einzelnen Berufen wie Bäcker, Elektriker, Koch, Kaufmann/-frau usw. erlernt. Also ein Koch würde sich nicht mit Begriffen wie "Mehrfachsteckdose" oder "Schuko-Leiste" auskennen, während ein Elektriker kaum etwas mit dem Begriff "Bain-Marie" (eine Art Topf) was anfangen kann.
Dann gibt es ja noch die Studienberufe wie Arzt oder Archäologe, die wiederum in einer eigenen "Bildungs-Welt" sind. Ärzte sind übrigens noch weiter unterteilt in Zahn- Allgemein- oder Tierärzte-. Sprich, sie haben alle eine "eigene" Bildung.
Und genau daher ist es so schwierig, genau zu sagen, was denn Bildung überhaupt ist.

herempix

Ipsissimus
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Di 5. Jul 2005, 14:27 - Beitrag #13

du verwechselst im wesentlichen Wissen mit Bildung, herempix; auch die von dir genannten Fernsehsendungen (und eine ganze Menge weitere) vermitteln Wissen, nicht Bildung.

Wissen ist eine der Grundlagen von Bildung; wichtiger aber ist die Fähigkeit, übergeordnete Zusammenhänge zu erkennen, auch und gerade da, wo diese nicht offensichtlich sind. Diese Zusammenhänge sind selbst nicht schon im Wissen enthalten; ihre Kenntnis muss erarbeitet werden, wozu nicht Gedächtnisleistung, sondern im einzelnen erhebliche Transferleistungen und Mustererkennung notwendig sind. Erst das Zusammenspiel von Wissen und Kenntnis von Zusammenhängen macht Bildung aus. Das Vorliegen von Bildung ermöglicht im weiteren, neue Zusammenhänge leichter zu erkennen als dies ohne Bildung möglich ist.

Vielleicht läßt sich "Bildung" anstatt über ihre Wissensaspekte besser über die "Neigung" eines Menschen fassen, sich mit unvertrauten Strukturen solange auseinanderzusetzen, bis sie verstanden und internalisiert sind.

herempix
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Di 5. Jul 2005, 16:34 - Beitrag #14

Erstmal, ipm:

Lies es bitte einmal genauer durch. Denn für mich ist das Erlangen von Wissen "Bildung".
Und Wissen ist lt. "FAZ am Sonntag" nur dann nötig, wenn man wirklich Zusammenhänge und die Logik des ganzen Systems eines denkbaren Sachverhalts, egal ob schulisch oder wissenschaftlich. Nebenbei bemerkt: Hast du das so aus dieser Zeitung formuliert?
Ich definiere Bildung ein wenig anders als du: Bildung ist das Erlangen und Verarbeiten von Wissen. Du sagst, Bildung sei eine Verknüpfung zwischen dem einen oder dem anderen Wissen. Gut, läuft zwar aufs Gleiche hinaus, ich gehe aber den "geraden Weg".

herempix

:)

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 5. Jul 2005, 18:18 - Beitrag #15

eigentlich pflege ich Beiträge, auf die ich antworte, vorher immer zu lesen, pix :-) hmm, solche, auf die ich nicht antworte, eigentlich auch ... und das eine wie das andere mache ich, weil ich sie gelesen habe ...

äh ... ich lese die FAZ nicht, auch nicht die am Sonntag. Ich nehme an, von daher ist mühelos rückschließbar, daß ich diese Gedanken nicht der FAZ nachformuliert habe. Sei außerdem versichert, daß sie auch keiner anderen Zeitung nachformuliert sind. Ich pflege, auf eigene Verantwortung zu denken.

Im übrigen ist deine Paraphrase der FAZ-Aussage etwas unvollständig, da fehlt im 2ten Teil des Satzes genau das, worum es in dem Satz wohl gehen soll, vielleicht kannst du das noch ergänzen; es wäre dann besser verständlich, was gemeint ist, denn so knn mensch sich vieles dabei denken.

Sachlich halte ich nicht viel von Begriffsbestimmungen auf Zeitungsniveau; gerade Zeitungen sind dem Zeitgeist in einer Weise und einem Ausmaß verpflichtet, die sie als "Experten" von über Zeitgeistikeit hinausreichenden Sachverhalten schlicht ungeeignet sind. "Bildung" ist in den Darstellungen der großen Zeitungen der letzten 20 Jahre zunehmend zu etwas verkommen, was sich gefälligst dem Wirtschaftsbedarf unterzuordnen hat wie alles andere auch. Damit haben sich zwar dies Zeitungen selbst desavouiert, aber das muss zeitung ja noch lange nicht zur Kenntnis nehmen, solange ihre Redaktion über Verve und Dreistigkeit genug verfügt.

Darf ich noch auf die Darlegung im Brockhaus zur "Bildung" verweisen. Äußerst luzid und ... bildend^^:

Bildung.

Unter Bildung versteht man sowohl den Prozess, in dem der Mensch seine seelisch-geistige Gestalt gewinnt, als auch diese Gestalt selbst (»innere Bildung«). Darüber hinaus wird auch das Wissen, insbesondere das Allgemeinwissen auf traditionell geisteswissenschaftlichem Gebiet, und mittlerweile auch die berufliche Bildung (mit der Auffassung, dass diese mit ihren Kenntnissen v.a. naturwissenschaftlich-technischer Art einen gleichberechtigten Rang neben der allgemeinen Bildung einnimmt) als Bildung bezeichnet. Gleichwohl wird nach wie vor zwischen Bildung schlechthin, bei der die Freiheit zu Urteil und Kritik im Vordergrund steht, und Ausbildung, der gewissermaßen als »Makel« die Anpassung an vorgegebene Verhältnisse anhaftet, unterschieden.

Der Begriff Bildung wurde Mitte des 18.Jahrhunderts in die pädagogische Fachsprache übernommen und von der Pädagogik der Aufklärung zu einem Schlüsselwort für den Bereich der Erziehung und des Unterrichts gemacht, wobei aus der Antike und aus der jüdisch-christlichen Tradition stammende Gedanken von großem Einfluss waren. Im Anschluss an die Philosophie von G.W. Leibniz wurde Bildung als Entfaltung der der Seele von Natur aus innewohnenden Kräfte aufgefasst, eine Vorstellung, die mit anderen damaligen Strömungen, etwa der Kulturkritik J.-J. Rousseaus, eine enge Verbindung einging. Bildung wurde also zu dem Versuch, jene Zwänge, die das Menschsein beeinträchtigen, zu erfassen, über diese aufzuklären und so ihre Abschaffung zu gewährleisten.

Der deutsche Humanismus fasste mit W.von Humboldt die Ausformung der individuellen Möglichkeiten eines Menschen als »höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen« auf. Bildung wird dabei als Freisetzung des Individuums zu sich selbst, also als Selbstbestimmung, verstanden und letztlich nur als Selbstbildung für möglich gehalten. Die Behinderung der Bildung des Einzelnen wird deshalb in humanistischen Ansätzen auch zur Verletzung eines die Menschwerdung des Menschen verbürgenden Grundrechts. Bildung hat sich dabei in einer Welt zu vollziehen, die den Menschen nicht von vornherein auf bestimmte Zwecke festlegt: Sie soll rein und allgemein sein.

Im Laufe des 19.Jahrhunderts trat ein Verfall dieses humanistischen Bildungsideals ein, der in der Verdrängung humboldtscher Vorstellungen durch einen stofflich-lexikalischen Bildungsbegriff im Sinne einer Vielwisserei bei den preußischen Gymnasien sichtbar wurde. Erschwerend kam hinzu, dass durch das bestehende Bildungswesen das Bildungsprivileg der höheren Stände faktisch abgesichert wurde, womit die Bildungsideen des Neuhumanismus letztlich zur Tarnideologie verfälscht wurden. Zusammen mit der Abtrennung der bloßen Ausbildung von der eigentlichen Bildung, in der die stürmisch sich entwickelnden Naturwissenschaften und die Technik keinen Platz fanden, lösten diese Sachverhalte eine bis in die heutige Zeit andauernde vielfältige Kultur- und Bildungskritik aus.

Von K.Marx wurde dem humanistischen Bildungskonzept, das er als praxisfern und unpolitisch bezeichnete, die Idee einer polytechnischen Bildung entgegengesetzt, die er sich als Verbindung von produktiver Arbeit mit Unterricht und Gymnastik dachte. Auf dieser Grundlage entwickelte sich eine Theorie der sozialistischen Allgemeinbildung, die den Menschen zu einer allseitig gebildeten Persönlichkeit mit produktiv-praktischen, politisch-revolutionären und auch kulturschöpferischen Fähigkeiten werden lässt. Nach 1945 hat im deutschsprachigen Raum dieser Ansatz v.a. in der früheren DDR für die Gestaltung des Bildungswesens eine fundamentale Rolle gespielt.

In der Bundesrepublik Deutschland setzte sich die Diskussion um einen angemessenen Bildungsbegriff nach dem Zweiten Weltkrieg gleichfalls von den humanistischen Konzeptionen ab, wobei u.a. versucht wurde, bislang vernachlässigte Aspekte wie Arbeit, Beruf, Technik und Politik zu integrieren. In der Mitte der Sechzigerjahre wurde der Bildungsbegriff von der empirisch-analytischen Erziehungswissenschaft entweder aufgegeben oder auf die Behandlung möglichst empirisch untersuchbarer Teilaspekte beschränkt.

Ungeachtet dessen wird in manchen Konzeptionen versucht, die Umrisse eines neuen Bildungsverständnisses zu skizzieren, vielfach in Anknüpfung an die emanzipatorische Kraft des Bildungsbegriffs, was die Gegner einer solchen Auffassung jedoch oft für unzureichend halten, weil sich ein erneuertes Bildungsverständnis auf das reale Leben der Gegenwart beziehen und sogar noch darüber hinausweisen müsse. In diesem Zusammenhang werden fünf Merkmale genannt, die als Bedingungen dafür anzusehen seien, die Bildung als Selbstbildung zu ermöglichen: Gestaltbarkeit (historisch-politische Zusammenhänge aufzeigen); Durchschaubarkeit (Wissenschaftsorientierung und Erkenntniskritik fördern); Sinnlichkeit (zu Eigentätigkeit anregen und Erfahren mit Erleben verbinden); Ganzheitlichkeit (den lebenspraktischen Zusammenhang verständlich machen); Solidarität (Beschränkungen abbauen und die Schüler stärken).


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Mi 6. Jul 2005, 01:02 - Beitrag #16

Ist das ebenfalls Bildung?

Gut, zugegeben, dein Beitrag klang wohlüberlegt. Aber er erinnert mich doch ein wenig an die Seite 70 (Wissen) in der FASZ, in dem ein Professor behauptet, dass zu viel Wissen nur schade. Ich wollte in dem von dir erwähnten Satz - ipm - erwähnen, dass Wissenschaftler und Schulen ständig bemüht sind, "perfekte" Antworten auf wichtige Fragen des Lebens zu suchen. Man möchte ja den "Ungebildeten" eine bequeme Bildung ermöglichen und sagen, es sei so richtig, wie man es selbst formuliere.
Um mal auf die Tatsache zurück zu kommen, dass durch unsere Medien der Begriff "Bildung" sich ständig gewandelt hat, möchte ich sagen, dass Bildung an sich schon immer eine Be- und Verarbeitung von Wissen ist.
Und danke für den Artikel aus dem Brockhaus. Die Aussage ist noch immer aktuell, besonders der Abschnitt wo es darum geht, dass reiche Kinder eine bessere Bildung erhalten, weil die Privatschulen die fähigsten Lehrer des Landes einstellten. Schulen, die schon damals unbezahlbar waren und sich nur Adels- oder Fabrikantenfamilien leisten konnten. Damit ist bewiesen, dass wir Beide ein winzig kleines Bisschen im Unrecht sind.

Ipsissimus
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Mi 6. Jul 2005, 08:41 - Beitrag #17

nun, eine Aussage der Art, daß zuviel Wissen nur schade, würde ich nicht unterschreiben wollen. Möglicherweise ist unreflektiertes Wissen in bestimmten Situationen kontraproduktiv, das wohl. Aber als pauschale Wissenskritik möchte ich das keinesfalls verstanden haben.

Ich denke nicht, daß es um Recht oder Unrecht geht; wir vertreten einfach nur unterschiedliche Konzepte, die innerhalb ihrer eigenen Deutungshintergründe mehr oder weniger konsistent und sinnig sind.

herempix
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Mi 6. Jul 2005, 15:14 - Beitrag #18

Hi ipm, ich bin es noch einmal:

In bestimmten Bereichen schadet "Über-Wissen" wirklich. Nämlich dann, wenn es dazu führt, dass die Leute einem dann Misstrauen. Nehmen wir zum Beispiel den VW-Konzern. Vor ein paar Tagen hat der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende erzählt, dass sein Vorgesetzter Orgien und sog. "Lustreisen" an die Copa Cabana (In Brasilien)vom berühmt-berüchtigten Herrn Hartz "genehmigt "bekam. Ja, und da die Medien ihm glauben, weil sie sich auf die Seite des Arbeitnehmers stellen, ist der Aktienwert der VW-Aktien kräftigst gesunken. Zudem werden die Autos von VW boykottiert, weil man Solidarität mit den "verratenen Mitarbeitern" zeigen möchte. Klingt zwar paradox, aber auch so zeigt man Solidarität, indem man "denen da oben" indirekt Druck macht.
Aber kehren wir zum Kern der Sache zurück, ipm. Natürlich sollte jeder ein bisschen Ahnung haben, was Wissen überhaupt ist. Wenn jemand behauptet, Wissen sei gleichzusetzen mit "Logik", der irrt. Die Logik ist nur ein kleiner Teil dessen, was man unter Wissen versteht. Ich meine, dazu gehört noch "Flexibilität", um Sachverhalte verschiedener Art zu verknüpfen, Nichtwissen (Ja, das gehört auch zum Wissen!) und abstrahiertes Denken dazu.

herempix (aka "pixi")

Ipsissimus
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Mi 6. Jul 2005, 15:47 - Beitrag #19

na ja, ob es sich bei dem von dir angeführten Beispiel wirklich um einen Fall von "Über-Wissen" handelt, oder nicht vielmehr um eine wahlkampftaktische Glosse aus dem wahren Leben (die wahr sein könnte, selbst wenn sie sich nie so abgespielt hat), da sei noch dahingestellt; ich sehe den Bereich Wissen darin noch nicht einmal tangiert :-) wenn ich mir vorstelle, daß der Herr stellvertretende Betriebsratsvorsitzende hat auf seinem Dienstreiseantrag unter "Zweck" "Lustreise mit gelegentlichen Orgien" aufgeführt haben soll, dann kommt mir die Story ohnehin recht wenig realitätsbezogen vor.


Daß Nichtwissen auch zum Wissen gehört, ist eine interessante These, für die ich gerne Indizien lesen würde :-) Und würde dann analog auch Ungebildetheit zu Bildung gehören?

herempix
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Mi 6. Jul 2005, 20:17 - Beitrag #20

Bildung durch Medien

Ich möchte es allgemein anführen:
Das Problem dabei ist, dass die Medien "ihre" Wahrheit haben. Also, dass von Zeitungen und Fernsehen und Radio behauptet wird, dass es bei VW "drunter und drüber" geht.
Auch ich glaube nicht daran, denn es wurde zu viel dazu erfunden. Aber da sieht man es wieder, dass unser Wissen nur nicht mehr wert ist, als das was uns die Reporter täglich "servieren". Warum kaufen 10 Millionen Deutsche die "BILD", selbst wenn es angesehene Professoren sind. Richtig, weil diese Zeitung eine Art "Ersatzbildung" vermittelt, denn viele Medien beziehen sich auf diese Zeitung.


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