Bildungschancen von der sozialen Herkunft abhängig?

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Wie ist das Verhältnis zwischen euren Bildungsabschlüssen und denen eurer Eltern?

Meine Eltern haben einen höheren Abschluss.
1
5%
Ich habe oder erreiche den gleichen Abschluss wie meine Eltern.
8
36%
Ich habe bereits einen höheren Abschluss als mein Eltern.
13
59%
 
Abstimmungen insgesamt : 22

Maglor
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Di 8. Nov 2005, 17:35 - Beitrag #1

Bildungschancen von der sozialen Herkunft abhängig?

Zitat von ":nsgesamt ist der Wissensvorsprung der 15-jährigen Schüler aus der so genannten Oberschicht (Akademiker, Führungskräfte) laut der neuen Pisa-Unterschung gegenüber dem ersten Test im Jahr 2000 noch deutlich gewachsen. In Mathematik und Naturwissenschaften sind diese Schüler inzwischen Gleichaltrigen aus so genannten Arbeiterfamilien im Bundesdurchschnitt über 100-Pisa-Punkte voraus - was einem Lernfortschritt von deutlich mehr als zwei Schuljahren entspricht. Die Kultusminister wollen den Bericht an diesem Donnerstag in Berlin vorstellen.
Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer, sagte der "Tageszeitung", die Kultusminister bevorzugten offenbar bei ihren Schulreformen zu sehr "die gehobenen Schichten" am Gymnasium. "Was nutzt es uns, wenn die Leistungsergebnisse der Gymnasiasten besser werden und wir gleichzeitig die Hauptschüler weiter abhängen?"
Bereits der erste Pisa-Test hatte belegt, dass in keinem anderen Industriestaat der Welt das Schulsystem bei der Förderung von Arbeiter- und auch Migrantenkindern so sehr versagt wie in Deutschland. In Bayern ist die Chancenungleichheit auf dem Weg zum Abitur besonders stark ausgeprägt. Kinder aus der Oberschicht haben dort eine 6,65 Mal größere Chance, das Gymnasium zu besuchen und die Reifeprüfung abzulegen, als Schüler aus einem Facharbeiterhaushalt.


"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin; ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus den Sinn." Heinrich Heine

Anbei befindet sich eine unrepräsentative Umfrage zur Klärung der Frage.

MfG Maglor :|

Elbereth
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Di 8. Nov 2005, 18:26 - Beitrag #2

Sind damit sowohl Schul- als auch Hochschulabschlüsse gemeint? Was ist denn mit zahlreichen eher jungen Leuten hier, in der zweiten Option steht zwar "Ich habe oder erreiche...", aber das klingt so definitiv, man kann es ja nie wissen, wie wäre es mit einer Option wie "Ich strebe an..." oder so? ;)

Maglor
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Di 8. Nov 2005, 18:31 - Beitrag #3

Ich meine sowohl Schul- als auch Hochschulabschlüsse. Jeder sei sich selbst Prophet. ;)
MfG Maglor

Anadyr
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Di 8. Nov 2005, 21:00 - Beitrag #4

Momentan habe ich schon noch den selben Abschluss wie mein Vater. Am Ende meiner Ausbildung (ich habe im Sinn Recht zu studieren) wird meine Ausbildung jedoch höher sein, als die meiner beiden Eltern. Aber die Lage in der Schweiz ist wahrscheinlich sowieso nicht ganz die gleiche wie in Deutschland.

Fr.Doktor
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Sa 12. Nov 2005, 08:30 - Beitrag #5

Es ist aber doch interessant, dass das Umfrageergebnis hier in der Matrix eine andere Sprache spricht als die Unkenrufe in der Politik vermuten lassen würden.
Die meisten haben einen höheren Schulabschluss als ihre Eltern.

Aber ich erachte es dennoch als richtig. Bildung ist schichtabhängig.
Wenn ich mich in meinem Brennpunkt umschaue, dann ist der höchste Abschluss, i.d.R., der Hauptschulabschluss, kanpp gefolgt von einem Sonderschulabschluss oder gar keinem Abschluss.

Liegt das daran, dass die Leute dort dümmer sind?

Feuerkopf
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Sa 12. Nov 2005, 09:33 - Beitrag #6

Fr. Doc,
ich glaube, der Euphemismus für "dumm" ist derzeit "bildungsfern". :cool:

nils.ri
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Sa 12. Nov 2005, 13:05 - Beitrag #7

Erstens gehe ich mal davon aus, dass hier in der Matrix sowieso die etwas besser gebildete Schicht vertreten ist, weswegen unsere Ergebnisse wohl nicht unbedingt repräsentativ sind.
Außerdem denke ich, dass der Bildungserfolg eher vom sozialen Umfeld abhängt als vom Schulabschluss der Eltern.
Auch Eltern mit relativ schlechtem Abschluss können es zu etwas bringen, und ebenso können Eltern mit gutem Abschluss ganz schön weit abrutschen.

e-noon
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Sa 12. Nov 2005, 13:23 - Beitrag #8

Bei mir ist es so, dass mein Vater Gymnasiallehrer war (=Abitur + erfolgreiches Studium), meine Mutter einen Hauptschulabschluss hat. Das liegt vornehmlich daran, dass ihre Eltern nicht einsahen und nicht das Geld hatten, sie weiter zur Schule gehen zu lassen, sie fing dann eine Lehre an.

Ich bin ziemlich erfolgreich in der Schule, mein etwas jüngerer Bruder mittelmäßig, jüngster Bruder kommt ohne dauernden Ansporn und Hilfe fast gar nicht klar. Ich denke nicht, dass er dumm ist, aber er kann sich kaum einmal eine Minute konzentrieren und hat infolgedessen einfach keine Grundlagen zB. in Mathe.

Da wir alle die selben Eltern haben, aber so unterschiedlich sind, könnte man fast glauben, es hängt nicht soo stark vom sozialen Umfeld ab ^^

Ich denke aber, dass es schon eine Rolle spielt, wer zu Hause geschlagen wird und sich sein Zimmer mit drei HipHopfans teilen muss, während er Hausaufgaben macht, hat andere Probleme als seine nächste Klausur.

Traurig, aber wahr, und laut einigen Statistiken können Ganztagsschulen auch keine wirkliche Hilfe leisten.

Jatrix
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Sa 12. Nov 2005, 14:31 - Beitrag #9

Bei mir ists ähnlich, meine Eltern haben beide kein Abi, was daran liegt dass das Geld für eine weiterführende Schule einfach gefehlt hat. Aber sie halten beide das Abitur für wichtig, weshalb ich das jetzt machen kann, obwohls schon sehr teuer ist. Denn so Schulbücher für zwei Kinder sind echt richtig teuer, wir kamen in Spitzenjahren auf 400€, weil ständig die Bücher gewechselt wurden man nichts mehr gebraucht kaufen konnte. In der Schule meines Bruders ist das immer noch ein Problem, denn die wechseln da fast jedes Jahr den Verlag. Wenn unser Bundesland (RLP) die Bücher selbst finanzieren müsste, würde das definitiv nicht so gemacht werden.

Gerade bei der Grundschule meines Bruders ist mir aber aufgefallen, wie schnell die Kinder abgehakt werden. Wenn ein Kind dort Probleme hat, die mit etwas Zeitaufwand aber zu beheben wären, kam von der Lehrerin schon der Spruch: "Darum kann ich mich aber jetzt nicht kümmern, es gibt Eltern die wollen das ihre Kinder schneller voran kommen." Dort wird sich um die Kinder, die Anfangs Probleme haben, gar nicht mehr richtig gekümmert und die Chance aufs Abi wird da schon in der Grundschule versaut, einfach nur weil die Lehrer (zumindest in dieser Schule) gar keine Lust haben, sich um diese Kinder zu kümmern. Das ist aber nicht schichtabhängig, also wohl eher ein generelles Problem.

janw
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Sa 12. Nov 2005, 14:32 - Beitrag #10

Hm, die Statistik kenne ich, aber ihre Interpretation machen viele sich etwas zu einfach, in meinen Augen. Es handelt sich eben doch um ein multifaktorielles Faktorengeflecht...oder so :rolleyes:

Aber erstmal...zu e-noon:
Zitat von e-noon:Da wir alle die selben Eltern haben, aber so unterschiedlich sind, könnte man fast glauben, es hängt nicht soo stark vom sozialen Umfeld ab ^^

Wenn dem man so wäre! Eltern werden anders dadurch, daß sie Eltern sind und dadurch, daß sie älter werden, und so bekommt das Zweitkind etwas andere Eltern als das Erstkind...
Und die Eltern nur für sich zu haben ist eine andere Welt, als sie und das Zimmer von Anfang an mit jemandem anderen, jüngeren teilen zu dürfen/müssen.

Ich kann das an mir und meiner Schwester sehen. Wir sind beide Wassermänner, aber sehr verschieden. U d ein Jahr auseinander.
Ich bin, sagen wir, etwas chaotisch, zielstrebig in viele Dingen gleichzeitig, was nicht immer gut gehen kann, Autodidakt in viele Dingen, immer schon viel für mich allein gewesen, verkopft ein wenig, und lange Zeit ein absoluter Mathe-Versager gewesen. Und wenn ich etwas mache, dann sehr penibel, womit ich mich dann leicht übernehme und das Wesentliche aus den Augen verliere.
Sie ist zielstrebig, muss sich aber auch viel erarbeiten, ist sportlich, ehrgeizig ein wenig, ordentlich, gründlich, aber eben nicht penibel.

Letztlich haben wir es beide ähnlich weit gebracht mit der Schulbildung - abgeschlossenes Studium und arbeiten in den Bereichen. Wenn man Jura und Wirtschaft für wichtiger hält als Biologie, dann hat sie es sogar etwas weiter gebracht.
Man mag über Anlagen spekulieren, ich denke aber, daß das soziale setting schon viel beeinflußt hat. Sie mußte sich von Anfang an - subjektiv betrachtet - mehr durchkämpfen als ich.

aleanjre
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Sa 12. Nov 2005, 15:04 - Beitrag #11

e-noon: Wenn dein jüngster Bruder solche massiven Probleme hat, warum wird das nicht mal ärztlich abgeklärt? Es kann persönliche Hintergründe haben, soziale, aber es könnte auch ADHS oder eine andere behandlungsfähige Störung dahinterstecken.

Was ich bei meinen Nachhilfeschülern sehe: Sie gehören alle samt und sonders zur Kategorie: normal begabt, nie gefördert. Ich hatte erst einmal eine Schülerin, die gerne und viel gelesen hat, und die hatte auch wirklich nur mit der französischen Grammatik Probleme, war ansonsten eine 1er - Schülerin auf dem Gymnasium (sehr reiche Eltern, jüngstes Kind, gut gefördert). Alle anderen besitzen keine oder nur wenige Bücher. Bekamen nie vorgelesen, finden lesen doof. Sind meist erfolgreich im Sport. Meine neueste Schülerin hat ein eigenes Pferd, ein anderer Schüler schwimmt bei Meisterschaften. Sport ist nicht negativ, aber wenn darauf die gesamte Freizeit gewichtet wird, bleibt die BIldung gerne schon mal auf der Strecke. Die Eltern sind wohlhabend - klar, Nachhilfeunterricht ist teuer. Was bedeutet: reichere Eltern können ihre Kinder genauso vernachlässigen wie die ärmeren Schichten. Sie haben nur das Geld, diesen Fehler im Nachhinein ausbügeln zu lassen.

Fr.Doktor
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Sa 12. Nov 2005, 17:27 - Beitrag #12

Ich persönlich denke, dass es eine wichtige Voraussetzung darstellt, welchen WErt die Eltern der Bildung zuschreiben.

In sozial sehr schwachen Familie besitzt Bildung oft keinerlei WErtigkeit, sie wird nicht als zu erreichendes Gut betrachtet und die Förderung fällt dementsprechend flach.
Oft finden sich überaus konservative Strukturen, in denen z.B. Mädchen, selbst wenn sie die Möglichkeit hätten schulisch weiterzukommen, gehindert werden. Sie sollen dereinst Mutter werden, das schließt einen Beruf aus.
Das zweite Problem sehe ich darin, dass die entsprechende Förderung zuhause völlig weg fällt.
Wenn meine Eltern gerade mal einen Sonderschulabschluss geschafft haben, wie sollen sie mir die entsprechende Freude am Lernen und an der Bildung vermitteln.

Das ist weder böse noch zynisch gemeint.
Das ist der Kreislauf, den ich sehe und der sich in der gängigen Brennpunktforschung darstellt.

In diesem Sinne besteht durchaus eine Verbindung zwischen dem Bildungsgrad der Eltern und dem der Kinder.

Buddha
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Sa 12. Nov 2005, 18:05 - Beitrag #13

Ich werde nächstes Jahr den selben Abschluss machen und danach wohl höher Ziele anstreben wie vielleicht das Informationstechnische Gymnasium.

Allerdings steht diese Entscheidung sehr wackelig fest.

Maglor
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Mo 14. Nov 2005, 15:37 - Beitrag #14

Bildungsfern und arm sind keineswegs Synonym. Wie oben bereits genannt bringt Reichtum keineswegs Bildungsnähe mit sich. Es hängt mit Sicherheit stark mit den Prioritäten der Eltern zusammen, inwieweit sie die Kinder "fordern und fördern", wie man so schön sagt.
Ich selbst stammte wohl sicherlich aus bildungsfernem Hause. Mein Vater hat einen Hauptschulabschluß und Lehre im Handwerk gemacht und neigt zur Legasthenie. Damit hat er aber immer noch einen der besten Abschlüsse in seiner Familie. Meine Mutter hat ein Abschluss auf einer Fachschule gemacht, der der mitteleren Reife gleichkommt, aber auch keine ist.
Tatsächlich bin ich der erste Abturient und Student in beiden Linien. :crazy:
MfG Maglor :rolleyes:

Maglor
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Mi 16. Nov 2005, 20:23 - Beitrag #15

Obwohl ich nun gewissermaßen die Durchlässigkeit des Bildungssystem bewiesen habe, scheint mir das doch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich kam es mir in der Oberstufe schon sonderbar vor, dass ich der einzige war, dessen Vater am Fließband arbeitete. Merkwürdig auch, dass aus dem bäuerlichen Milieu meiner Kindheit, keiner meines Jahrgangs auf das Gymnasium gefolgt ist. Und nun im Studium: Unter Lehrerkindern...? :crazy:
Was soll ich sagen... Ein ehemaliger Mitbewohner meinte einmal, dass er schon ganz schön aus der Art schlage, seine Eltern seien Geisteswissenschaftler und er studiere Chemie. Selbstverständlich kam mir diese Aussage doch arg merkwürdig vor.
Versagt ein Schüler auf dem Gymnasium, so legt man ihm nahe es doch auf der Realschule zu versuchen, wenn er aus sogenanntem "Arbeiterhaus"stammt. Dem versagenden Akademikerkind wird jedoch eine Chance gegeben, schließlich haben die Eltern Abitur; es existiert eine Erwartungshaltung.
In vorigen Beiträgen wurde von folgendem berichtet: Nachhilfeschüler, die Reiten aber nicht Vokabeln lernen, hätten Eltern, die auf Bildung keinen Wert legen. Allein die Tatsache, dass sie ihnen Nachhilfeunterricht verordnen, widerspricht diesem.
Ich selbst war immer sehr erstaunt, dass einige meiner Klassenkameraden regelmäßig Nachilfe bekamen... allein die Idee schien mir supekt und unwirklich.
MfG Maglor :rolleyes:

aleanjre
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Do 17. Nov 2005, 01:53 - Beitrag #16

STOPP!
Nur ganz kurz: das ist falsch angekommen, Maglor! :boah:
Natürlich haben die Eltern meiner Schülerin Interesse an Bildung. Sie sind sogar ausgesprochen daran interessiert, das Töchterchen verdammt gute Noten bekommt. Sie waren lediglich nicht bereit, für dieses ehrbare Ziel selbst die Arbeit zu investieren. Sprich: Schon im Kleinkindalter die Liebe zum Buch zu wecken, vorzulesen, sich ausgiebig mit dem Kind zu beschäftigen. Sondern sie lösen das Problem - Tochter erbringt die gewünschte Leistung nicht selbstständig - mit Geld.
Eltern aus ärmeren Schichten haben oft genug den Wunsch, aber nicht die Möglichkeit, dem Kind Zugang zu Wissen zu vermitteln - und wenn es in der späteren Schulkarriere Probleme gibt, nicht das Geld für Nachhilfe.

Was genau erscheint dir an Nachhilfe suspekt? Es gibt nun mal genug Schüler, die Probleme in der Schule haben (selbst solche, die bemühte Eltern und drei Regale voll Bücher besitzen). Ich hatte schon sehr viele Schüler, deren Problem weniger der Stoff, sondern unerkanntes ADS war, andere haben Teilleistungsschwächen in bestimmten Bereichen. Andere wiederum haben weder mit der Schule noch mit der Hirnchemie ein Problem, sondern schlicht mit der Pubertät. Oder auch mit einem bestimmten Lehrer: meine Nichte hatte mal einen Englischlehrer, der den Stoff einfach nicht erklären konnte. Als ich es ihr noch mal nachgelegt hatte, war die Arbeit danach 1. Es gibt so viele Gründe, warum es mal nicht klappt und man Hilfe braucht.

Maglor
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Fr 18. Nov 2005, 12:22 - Beitrag #17

Nun ob bei ADS-Schülern einfache Nachhilfe durch Laien wirklich weiterhilft oder besser zielgerichtetes Verhaltenstraining.
Meine Äußerungen bezogen sich vor allem auf etwaige Oberstufenschüler...
Mir war schon die Idee suspekt, dass zusätzliche Unterricht zur Schule notwendig wäre. Und auch Hausaufgabenhilfen...
Ich habe meine Hausaufgaben immer allein (naja sagen wir besser ohne die Hilfe bezahlter und unbezahlter Erwachsener) gemacht oder gar nicht. Eine andere Praxis wäre wohl auch kaum möglich gewesen, da es den übrigen Familienmitgliedern an Zeit und Englischkenntnissen etc (von Latein will ich gar nicht erst reden) fehlte.
MfG Maglor

Lykurg
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So 20. Nov 2005, 00:50 - Beitrag #18

Ich sehe das Nachhilfswesen ebenfalls recht kritisch. Natürlich gibt es einerseits (und das zuhauf) Schüler mit mangelnder Begabung für notwendige Einzelfächer (typischerweise im Grundschulalter die Rechtschreibung; bei älteren Schülern eine Fremdsprache, Mathematik oder Naturwissenschaft). In diesen Fällen ist eine dauerhafte Förderung sicherlich sinnvoll, wenn die überdurchschnittlichen Leistungen in anderen Bereichen zeigen, daß die Person für ihre Schulform tatsächlich geeignet ist. Außerdem gibt es die Durchhängephasen, die jedem mal passieren können - egal ob hormonell / psychisch oder durch äußere Einflüsse (familiäres etc.) motiviert. Auch hier ist Nachhilfe gut und sinnvoll.

Aber andererseits sind da die Kinder mit den ehrgeizigen Eltern, die in drei, vier, fünf Fächern über Jahre hinweg Nachhilfeunterricht haben, um grade noch ihre Versetzung zu schaffen - und dann wird es doch irgendwo zum Krampf. In diesen Fällen ist es mE auch für das Kind besser, in den Erwartungen ein bißchen zurückzustecken und die angemessenere Schulform zu wählen. Schließlich handelt es sich - neben dem finanziellen Aufwand - auch um enorme Mengen Zeit, Kraft und Nerven, gekoppelt mit dem ständigen "Ich schaff das nur gerade eben so, weil ich massive Hilfe bekomme, die anderen können das so"-Minderwertigkeitsgefühl.

Abgesehen davon ist elterliche und geschwisterliche Hilfe mE sowieso durch nichts zu ersetzen - was vielleicht der maßgeblichste Vorteil eines Akademikerkindes ist. Meine Familie weiß eben am besten, wie mir zu helfen ist; z.B. indem man mir Integralfunktionen so erklärte, daß ich nicht nur abnickte, sondern auch teilweise verstand.^^ Und damit zum Thema - ich habe mit 'gleichhoch' geantwortet: Meine Mutter hat ihr Studium abgeschlossen, mein Vater seines 'auf den letzten Metern' abgebrochen und eine kaufmännische Lehre gemacht. Ich hoffe doch sehr, daß ich den Schnitt aufrunden werde.^^

aleanjre
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So 20. Nov 2005, 01:25 - Beitrag #19

Maglor: Die Betonung lag hier auf "unerkanntes" ADS. Ich hatte schon mehrfach Schüler, die auf Grund höherer Begabung ihre Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten kompensieren konnten, bis Pubertät und gestiegene Schulanforderungen sie zur Strecke brachten. Wenn ich nun also einen jungen Menschen vor mir habe, der zu Beginn der Übung brilliert, nach fünf Minuten schwächelt, nach zehn Minuten stark einbricht und nach zwanzig Minuten seinen eigenen Namen nicht mehr buchstabieren kann, liegt die Vermutung nahe, das er entweder einen extrem schlechten Tag oder ein grundsätzliches Problem hat, denn die Brillanz am Anfang zeigt, das es nicht an Unfähigkeit liegen kann. Wiederholt sich dieses Muster über mehrere Nachhilfestunden, führe ich freundliche Gespräche mit den Eltern, ob es nicht sinnvoll wäre, mal eine studierte Fachkompetenz aufzusuchen. Bis jetzt hat mein Verdacht sich noch jedes Mal bestätigt. :rolleyes:

Lykurg: Ich stimme dir zu: Kinder, die zwanghaft auf der höheren Schulform gehalten werden, obwohl sie es einfach nicht mitbringen, werden systematisch kaputt gemacht. Ihr Selbstwertgefühl untergraben, sie leben ständig in der Gewissheit, die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllen zu können. Das ist ganz bestimmt nichts, das ich unterstützen würde!
Solche Schüler hatte ich bis jetzt Gott sei Dank noch nicht. Es beschränkt sie tatsächlich auf unerkanntes ADS, Pubertätsdurchhänger oder Geschwächel in einem Einzelfach. Wobei ich einen Schüler habe, den ich inzwischen seit 1 1/2 Jahren begleite und in Englisch nun noch durch die 10. Klasse steuern muss: Er hat massiv ADS, ist aber an ein schwarzes Schaf von Kinderpsychologen geraten. :( Zitat: Tja, der Junge zündet keine Häuser an, schlägt niemanden tot und versucht nicht das Auto der Eltern zu schrotten - wozu also Ritalin?
Nach dieser Erfahrung weigert der junge Mann sich, einem Weißkittel noch mal zu nahe zu kommen. Seine weit überdurchschnittliche, wenn auch schlecht geförderte Begabung bringt ihn in den anderen Fächern durch.

Zum Thema Lernen mit Eltern: Es ist wunderbar, quasi der Idealfall, wenn das möglich ist. Vielfach aber bringen Eltern das nötige Fachwissen nicht mit, sei es, das sie nie eine solch hohe Schulform besuchten oder englische Grammatik und mathematische Formeln nach Schulabschluss aus ihrem Leben verdrängten. Oder aber, noch häufiger: die Eltern haben die Kompetenz, aber die pubertierenden Kinder hören nicht darauf, und die gutgemeinten Erklärungsversuche enden in Zank und Stress.

Die Maschine
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Mi 7. Dez 2005, 23:02 - Beitrag #20

Zitat von aleanjre:Zum Thema Lernen mit Eltern: Es ist wunderbar, quasi der Idealfall, wenn das möglich ist. Vielfach aber bringen Eltern das nötige Fachwissen nicht mit, sei es, das sie nie eine solch hohe Schulform besuchten oder englische Grammatik und mathematische Formeln nach Schulabschluss aus ihrem Leben verdrängten. Oder aber, noch häufiger: die Eltern haben die Kompetenz, aber die pubertierenden Kinder hören nicht darauf, und die gutgemeinten Erklärungsversuche enden in Zank und Stress.


Schon Erfahrungen gesammelt??

Also bei mir ist das so gewesen, dass mir meine Eltern bis zur 6. Klasse helfen konnten... das beschränkte sich aber eher auf Mathe und Deutsch, obwohl Mathe echt nur der Ausnahmefall war, wenn ich überhaupt nicht weiterkam.

Aber du hast Recht, i.d.R. ist es so, dass ab einem gewissen Alter die Eltern nix mehr machen können, und das spiegelt sich auch in der Stichprobe, die hier gemacht wurde, wider...

Bei einem aus meiner Jgst. (13.) ist es so, dass die Mutter Mathe und Physik-Lehrerin an unserer Schule ist (Vater ist Arzt). Ihr Sohn und ich haben den gleichen Mathematik Leistungskurs und obwohl er viel Wissen wohl von ihr hat, was ich annehme, hat er letztes Jahr die Klausuren allesamt im 2- bis 5+ Bereich geschrieben....
von daher glaube ich doch noch, dass nicht alles vom sozialen Standard in den man reingeboren wird, abhängt.

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