Latein als Voraussetzung für bestimmte Studiengänge: Berechtigt oder Unsinn?

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Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 14:24 - Beitrag #1

Latein als Voraussetzung für bestimmte Studiengänge: Berechtigt oder Unsinn?

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,380494,00.html
Ich nehme diesen Spiegl-Artikel, der mir aus der Seele spricht ("Seele" in Anführungszeichen ;)), um hier mal zu fragen, was ihr von der Praxis mancher Unis halten, die Latein als Voraussetung für manche Fächer haben.

Ich zu meinen Teil muss bis zu meiner Zwischenprüfung das Latinum nachweisen, weil dies auf meiner Uni so vorgeschrieben ist, wenn man Philosophie auf L3 studiert. Damit plage ich mich jetzt schon mehrere Semester lang ab.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich schon damals in der Schule Latein hatte, aber ab einem gewissen Punkt nicht mehr mit kam und es von da an bergab ging. Frustriert und demotivert habe ich mich bezüglich Latein damals abgeschrieben, was zur Folge hatte, dass ich in meinem Abi-Zeugnis in Latein nicht die nötige Punktzahl stehen habe. Mir war das damals auch ziehmlich egal, weil ich davon ausging, dass es später e keine Rolle spielen würde, ob ich das Latinum hätte oder nicht. Ich hatte ja nicht vor Jurist oder Mediziner zu werden. Ich habe mich natürlich riesig geärgert, als ich Jahre später feststellen musste, dass ich es doch für das Studium brauche.
Da mir nun über Nacht nicht eine Gabe zum Übersetzen von Latein vom Himmel gefallen ist und ich mich schwer tue, mich für eine Sache zu begeistern, die ich eigentlich für völligsinnlos halte, mühe ich mich schon seit mehreren Semestern nur mäßig durch von der Uni angebotene Latein-Kurse. Allein wegen Latein wird sich mein Studium vorraussichtlich um mindestens 2 Semester verlängern, als wenn ich es nicht bräuchte. Die Hoffung, doch noch das Latinum zu bekommen, stirbt zuletzt, auch wenn ich die ganze Zeit über nicht von Zuversicht geprägt bin. Überhaupt sehe ich das Latinum als das größte Problem in meinem ganzen Studium an, abgesehen von möglichen zukünftigen Studiengebühren.

Aber wozu in aller Welt brauche ich das eigentlich? Ich werde nach dem Latinum nie in meinem Leben in die Situation kommen einen für mich relevanten Text zu übersetzen. Klar viele Philosophen haben Texte in der lateinischen Sprache verfasst, aber wozu gibt es deutsche Ausgaben? Wer liest schon freiwillig einen Text in einer Sprache, die ihm schwerfällt und nicht zusagt, wenn er das ganze auch auf deutsch bekommt?!

Einziger kleiner Trost ist, dass es die Studenten, die jetzt mit dieser modularisierten Scheiße anfangen, es noch schlimmer trifft als mich. Meinesgleichen sollten nach den Träumereien der Bürokraten das Latinum in drei Semestern schaffen, wobei es zu verschmerzen ist, wenn wir doch länger brauchen sollten. Dann muss man eben etwas mit der Zwischenprüfung warten. Die die jetzt mit einem modularisierten Studiengang anfangen (sprich Master & Co.) sollen das Latinum in ZWEI Semestern schaffen! Und da das bei denen ja nicht so frei zugeht, wie es noch bei den alten Studiengängen, können sie nicht einfach mal ein paar Semester dran hängen. KA wie man das schaffen soll. Das alles ist doch realitätsferner Wahnsinn, den sie die Politiker da ausgedacht haben...

Ipsissimus
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Mi 23. Nov 2005, 14:47 - Beitrag #2

na ja, im eigentlichen Sinne gemocht habe ich Latein lange Zeit auch nicht. Aber sowohl während meines Theologiestudiums (für das ich das Latinum als Voraussetzung schon mitbringen mußte und dann noch zusätzlich Graecum und Hebraicum erwarb) als auch während meines späteren Studiums in Musikwissenschaft (mit 2 weiteren Nebenfächern) konnte ich mich davon überzeugen, daß profunde Latein-Kenntnisse enorm hilfreich sind, zumindest in geisteswissenschaftlichen Fächern. Und als ich dann später hobbymäßig noch eine Ausbildung als Heilpraktiker absolvierte, bemerkte ich wieder, wie einfach sich mir durch die Kombination Latinum-Graecum manche Begriffe der medizinischen Fachsprache erschlossen, vor denen ich sonst vielleicht etwas ratlos gestanden hätte.

Hinsichtlich der abendländischen Philosophie empfinde ich Latinum (und Graecum) eigentlich als unersetzlich, zumindest wenn du den Anspruch hast, Quelltexte zu lesen. Jede Übersetzung interpretiert bereits; und auch, wenn es zu vielen Philosophen zweisprachige Ausgaben gibt, nützt dir das nichts, wenn du mit der Ursprache nichts anfangen kannst. Du bleibst immer auf die Vor-Interpretation eines anderen angewiesen. Allein das reicht imo schon aus, sich für ein solches Studium mit aller Kraft um profunde Latein- und Griechisch-Kenntnisse zu bemühen.

Ratte
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Mi 23. Nov 2005, 14:56 - Beitrag #3

Zitat von Ipsissimus:...Jede Übersetzung interpretiert bereits...


... Vor allem in einer Sprache wie Latein, wo die meisten Wörter zig Übersetzungsmöglichkeiten bieten. Natürlich weißt Du beim Übersetzen auch nicht 100%ig, welchen genauen Ausdruck der Verfasser gemeint hat, aber Du siehst beim Nachschlagen im Stowasser wenigstens gleich die Alternativen. Und befaßt Dich in dem Moment noch gründlicher mit dem Text, als wenn Du Dir nur die Übersetzung "reinziehst". Vielleicht hat der Verfasser ja auch ironisch oder verschlüsselt geschrieben, und selbst wenn die Übersetzung begrifflich einwandfrei ist, so geht Dir vielleicht DIESER Aspekt völlig durch die Lappen.

Ratte,
die sich auch mit Latein gequält hat, aber ebenso wie Ipsissimus oft merkt, dass das nicht unnütz war!

Da-Fe
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Mi 23. Nov 2005, 15:38 - Beitrag #4

Meine Eltern haben beide Medizin studiert, gerade zu dem Zeitpunkt, als das Latinum nicht mehr Plicht war.
Meine Mutter hatte Latein und absolvierte auch die Prüfung fürs große Latinum, mein Vater hat 1 Semester (Schule) Latein angetestet und es abgetan... Nun zu deren Erfahrungen:

Mutter: "Mir hat das in der Nomenklatur sehr viel genützt! Mir hats geholfen, es ist sinnvoll und erleichternd"

Vater: "Ich habs nie vermisst, finds schwachsinnig, die lateinisch-medizinischen Bezeichnungen müssen alle lernen wie Vokabeln"

Ich persönlich habe 5 Semester Latein hinter mir (zusätzlich zu Franze) und bin froh, dass ich es abgewählt habe... Ich hasse diese Sprache und werde sie vermutlich (aber das hofften anscheinend viele :rolleyes: ) nie wieder brauchen.

Im Bereich Medizin gibt es jetzt z.B. Pflichkurse für Nomenklatur.

So long...

janw
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Mi 23. Nov 2005, 16:34 - Beitrag #5

Ich habe mich auf der Schule auch mit Latein abgequält. Das quälen war dabei allerdings weniger ein Problem der Sprache, Vokabeln und Grammatik sind nun mal unverzichtbar für Sprachen aller Art, sondern hing mit meinem sonstigen Stress, sozialem Stress, in der Schule zusammen. Und mittelbar damit, daß ich mit Mathe ein sehr wichtiges Fach hatte, das ich überhaupt nicht konnte.
Insofern, Fach benötigt Zeit, Schüler hat keine Zeit, Fach läuft nicht, Fach bringt keinen Erfolg, Fach macht Frust. Doofes Fach.

Außerdem war es neben Russisch das erste Fach, in dem ich richtig etwas hätte tun müssen, nachdem mir Englisch schon zu Hause zugeflogen war und ich mir lesen halbwegs selber beigebracht hatte.

Naja, ich hab es dann aber durchgezogen und muss sagen, es war gut so.
Zum einen erleichtert es den Zugang zu wissenschaftlichen Terminologien gewaltig - Begriffe lernen sich besser, wenn sie irgendwie verknüpfbar sind, und die Möglichkeit zur direkten Übersetzung liefert gute Anknüpfungspunkte.
Zum anderen steht alle Wissenschaft für mich, die Naturwissenschaften vergessen das gelegentlich, auf einem geistigen Boden, der soetwas wie ein kollektives europäisches Kulturgut ist, dessen Sprache das Lateinische war und das Griechische. Daß einiges nur durch die Araber auf uns gelangen konnte, sei auch noch erwähnt.
Will man in der Geschichte und in der Philosophie an diese Quellen gehen, ad fontes, kommt man ohne Latein nicht aus.

Der Rückgriff auf Übersetzungen ist, wie schon gesagt wurde, nur eine Krücke, vielleicht geeignet für Journalisten, die "nur irgendwas" studiert haben, um damit dann bei einer Zeitung anheuern zu können. Die Qualität des von diesen Verzapften bekommen wir jeden Tag zu hören, zu sehen und zu lesen.

Maurice, es ist eine Frage, was Uni will. Will Uni von Anfang an spezialisierte Zweige ausbilden, den einen für eine lebenslange Lehramtskarriere vor 13-18-jährigen, den anderen eine wissenschaftliche Anwendungstätigkeit, den dritten für eine wissenschaftliche Karriere?
Oder will sie allen den Weg öffnen für den zweifellos höchsten, den dritten Weg?
Wenn Uni das will, und das erwarte ich von ihr, dann muss sie auch das sprachliche Rüstzeug voraussetzen oder notfalls nachliefern.

Feuerkopf
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Mi 23. Nov 2005, 16:35 - Beitrag #6

Für meine Berufsausbildung habe ich Latein nicht gerade gebraucht, aber es tauchen ganz häufig Wörter oder Zusammenhänge auf, die mir ohne das Latinum unverständlich wären. Das wundert mich übrigens selbst. Allein für die Herleitung unbekannter Fremdwörter ist es sehr hilfreich.

Für etliche europäische Fremdsprachen ist Latein von großer entwicklungsgeschichtlicher Bedeutung, daher bin ich der Meinung, dass man für das Studium dieser Sprachen auch das Latinum "mitbringen" sollte.
Für Studiengänge, die im weitesten Sinne mit Geschichte zu tun haben, sollte es selbstverständlich sein.

(Ich musste mich mit Statistik abquälen, sollen andere halt sich die Zähne an den Konjugationen und Deklinationen ausbeißen. :cool: )

Padreic
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Mi 23. Nov 2005, 16:55 - Beitrag #7

Ich selbst habe Latein sechs Jahre in der Schule gehabt. Eine Qual war es mir eigentlich nicht. Hab es sogar ins Abitur genommen.
Was ich immer erstaunlich fand, war aber, wie wenig Latein man eigentlich gelernt hat...es kann doch eigentlich nicht sein, dass man nach sechs Jahren Latein als bester des Kurses einen normalen Text ohne Wörterbuch nicht verstehen kann, geschweige denn übersetzen.
Aber ich weiß trotzdem, dass ich mit Wörterbuch so ziemlich jeglichen lateinischen Text übersetzen kann. In zweisprachiger Ausgabe kann ich dann sogar sinnvoll längere lateinische Texte lesen.

Insgesamt bin ich also doch durchaus froh, dass ich die Grundlagen der lateinischen Sprache beherrsche. Ich gehöre allerdings auch zu den Leuten, die aufgrund von Latein nur eine lebende Fremdsprache abbekommen haben. Gerade, dass ich keinerlei Französisch kann, stört mich immer wieder. Habe deshalb auch das Vorhaben, es neben dem Studium noch zu lernen. Französisch wird mir sicherlich schwerer fallen als Latein, aber es ist wohl den Aufwand wert. Besonders, weil so manche Fachliteratur in Mathematik nur unübersetzt französisch vorliegt...

Ich denke schon, dass, wer Philosophie und Germanistik studiert und insbesonder auch unterrichtet, möglichst schon Latein beherrschen sollte. In der Philosophie gibt es so manchen lateinischen Fachbegriff und ich halte es für vorteilhaft, den Schülern auch mal den sprachlichen Hintergrund eines solchen Begriffes erläutern zu können. Ebenso in Deutsch.
Für Philosophie würde ich aber Altgriechisch für eher noch wichtiger halten. Ich will nicht die Bedeutung der lateinischsprachigen Philosophen leugnen, aber einen Platon und besonders auch einen Aristoteles würde ich da noch ein wenig drüber stellen. Hinzu kommt noch, dass das Altgriechische wohl weiter entfernt ist von unserer Sprache als das Lateinische, was insbesondere heißt, dass bei Übersetzungen mehr verlorengeht. Ich bin froh, dass mein Philosophielehrer ein wenig Altgriechisch konnte, so dass er uns da manches erläutern konnte. 'Logos' ist ein bekanntes Beispiel eines schwer zu übersetzbaren Wort, 'eudaimonia' ein weiteres. Und solche durchziehen ja wirklich die ganze griechische Philosophie... In Griechenland liegen die Wurzeln unseres abendländischen Denkens und ich denke, man kann sie nicht wirklich verstehen, wenn man sich nicht zumindest ein wenig mit der griechischen Sprache auseinandergesetzt hat. Ganz abgesehen von ihrer Ästhetik. Altgriechisch gehört auch zu den Sprachen, die ich gerne können würde...

Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 17:29 - Beitrag #8

Erklär mir bitte einer, wann ich in der Schule als Deutsch- und Philosophie-Lehrer die Fähigkeit brauche Cicero zu übersetzen!

Ich denke schon, dass, wer Philosophie und Germanistik studiert und insbesonder auch unterrichtet, möglichst schon Latein beherrschen sollte. In der Philosophie gibt es so manchen lateinischen Fachbegriff und ich halte es für vorteilhaft, den Schülern auch mal den sprachlichen Hintergrund eines solchen Begriffes erläutern zu können. Ebenso in Deutsch.

Um einzelne Termini zu erklären, muss man das Latinum haben? Für was gibt es Lexika und Sekundärliteratur? Da werden die Begriffe ausreichend erklärt und sich das zu merken ist wohl deutlich effizenter, als sich eine ganze Sprache beizubringen.

Wenn ich daran denke, was teilweise für Lehrer rumlaufen... eigentlich sollten diese Fachleute für das Fach sein, dass sie unterrichten, aber selbst das ist oft nicht mal gegeben. Statt auf so Details wie Latein wert zu legen, die in der Schulpraxis nur alle 100ste Stunde am Rande eine Rolle spielt, sollte sich lieber auf das Wesentliche konzentriert werden und dafür gesorgt werden, dass die Leute wirklich Ahnung von ihren Fächern haben.
Das Erlernen von in der Praxis irrelevanten Sprachen ist schlicht und ergreifend Energieverschwendung. Ihr geht es nicht um effizenten Unterricht, sondern das Aufrechterhalten alter Ideale, die in der schulischen Realität ohne Belang sind.

Black_Kitten
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Mi 23. Nov 2005, 17:39 - Beitrag #9

Ich hab Latein jetzt das dritte Jahr und ich muss sagen, so komisch es klingen mag, ich mache es wirklich gerne.
Ich mag diese Sprache und sie wird mir einmal von Nützen sein genauso wie Englisch und Französisch.
Aber vielleicht kommt es gerade bei einem Fach, wie Latein, auf den Lehrer drauf an ob man Spaß an dieser Sprache hat.
Aber auch, was schon erwähnt wurde, das Latein der Grundstein der europäischen Sprachen ist ( vieler zumindest). Ich hab mit Latein angefangen und baue mit Französisch auf und es fällt einem so wirklich viel leichter.
Aber das ganze ist wohl Ansichtssache. ^^

Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 17:41 - Beitrag #10

Es soll hier nicht um die Frage gehen, ob einem Latein Spaß gemacht hat oder ob es einen später irgendwie geholfen hat, sondern ob man es für berechtigt hält es zur Voraussetzung für bestimmte Studiengänge zu machen.

Lykurg
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Mi 23. Nov 2005, 18:49 - Beitrag #11

Ich merke in meinen Fächern (Germanistik, klassische Archäologie, historische Musikwissenschaften) täglich deutlichst den Unterschied zwischen den Studenten, die Latein gelernt haben und denen, die es vor sich her schieben oder noch daran kauen. Mein Fazit daraus: Die universitären Lateinkurse sind ein miserables Feigenblatt. Lateinkenntnisse sind mE in allen drei Fächern unbedingt erforderlich.

In der Archäologie versteht es sich von selbst. Die zentralen Quellen etwa zur Architektur (Vitruv) oder zur Naturgeschichte, Baumaterialien etc. (Plinius) sind auf Latein, und wer sich da nur die Übersetzungen ansieht, kommt ziemlich schnell auf begriffliche Unstimmigkeiten. Das fällt dann im Referat schon reichlich doof auf. Noch schlimmer sind diejenigen Kommilitonen, die es noch nicht einmal schaffen, die lateinischen und griechischen Bezeichnungen für die architektonischen Elemente, für bestimmte Skulpturentypen, für Orte etc. korrekt auszusprechen und zu betonen. Das ist einfach nur peinlich. Ich habe vor einem Semester mal ein Referat von einer Studentin gehört, die unbedingt ein dreizeiliges lateinisches Zitat bringen wollte und trotz offensichtlicher Unkenntnis der Sprache vorlas - es war nicht zu verstehen! Das Zitat paßte optimal in den Zusammenhang, es war ein abgelegener Theoretiker, von dem nur eine Übersetzung aus dem 19. Jh. vorlag, und insofern war der Ansatz richtig - aber ohne die Sprachkenntnisse blamabel!

In manchen musikwissenschaftlichen Lexika (etwa dem wichtigen Handwörterbuch der musikalischen Terminologien HmT) finden sich in den entsprechenden Artikeln reichlich unübersetzte Originalzitate etwa von mittelalterlichen Theoretikern. Soll ich mir dann erst einmal die Ausgaben zusammensuchen? Außerdem beschäftigen wir uns gelegentlich auch mit liturgischer Musik. Auch hier habe ich schon verschiedentlich darunter gelitten, wenn Leute darüber sprachen, die keine Ahnung davon haben, und denen es auch sichtlich egal war. Es ist aber nicht ganz unwichtig, ob der Komponist nun das Wort Credo dreizehnmal wiederholt, oder ob er den Schwerpunkt der Vertonung auf virgine legt... :D Und das sollte man auch selbst feststellen können, ohne es aus der Sekundärliteratur zu erfahren. Schließlich gibt sie das nicht immer her.

Und zu meinem geliebten Hauptfach: Ich belege gerade ein Konversatorium über Literatur des 16.-18. Jh. Damals fand die Wende zwischen lateinischer und deutscher Literatur statt. Mir wurde innerhalb einer Woche ein Referat über Enea Silvio Piccolomini zugeteilt, einen bedeutenden (und fantastischen!)Autor, der viele Jahre im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation lebte, aber ausschließlich auf Latein schrieb. Hätte ich den etwa nur in der Übersetzung lesen sollen? Die mittelalterlichen Handschriften sind, meinte einer meiner Altgermanistik-Profs einmal, zu über 95% ausschließlich in lateinischer Sprache verfaßt. Sollen wir die einfach vergessen und wegschmeißen? Oder uns die hübschen Bilderchen ansehen? Die Autoren der Zeit haben, auch wenn sie auf Deutsch schrieben, meistens auf lateinisch vorformuliert, eine Gliederung oder eine Zusammenfassung auf Latein, weil sie in dieser Sprache besser denken konnten! Darauf muß ich zugreifen können. Und auch hier habe ich schon verschiedentlich erlebt, daß Kommilitonen nicht gut zurechtkamen. Mehrfach wurde ich um Hilfe gebeten - habe ich natürlich gerne gewährt - und ich bin ichweißnichtwieoft von Professoren für gutes Vorlesen von Hexametern gelobt worden - meist deutsche Texten, einmal auch ein lateinisches Gedicht (Pirkheimers Elegie auf den Tod Dürers). Hexameterlesen habe ich in der Schule gelernt - in den alten Sprachen. Überhaupt, Gedichtanalyse!

Und ganz allgemein: Umgang mit Fremdwörtern... Nein, Maurice, meines Erachtens ist es unverzichtbar.

Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 19:28 - Beitrag #12

Lykurg ich brauchte in meinem Studium für meine beiden Hauptfächer bisher nicht ein einziges Mal Latein und ich bin im 4. Semester. Ich bin mal ganz dreist und wende den induktiven Schluss an, dass ich in diesen Fächern auch in den übrigen Semestern kein Latein brauche.

Und es bleibt die Frage, wo in der Schulpraxis Latein dringend erforderlich sein soll, wenn man nicht Latein-Lehrer ist. Man braucht ja auch kein Italienisch um Englisch zu unterrichten.

Elbereth
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Mi 23. Nov 2005, 19:38 - Beitrag #13

Ich finde nicht, dass man Latein für Philosophie oder ähnliches braucht. Natürlich kommen in allen Fächern Fremdwörter vor, meistens lateinischer Herkunft, aber, wie es schon oft erwähnt wurde, wurden andere europäische Sprachen von Latein beeinflusst. Wenn man z.B. Französisch oder Italienisch, oder Spanisch kann, dann kann man oft auch lateinische Wörter verstehen. Aber diese Sprachen kann man auch für anderes als nur Fremdwörter übersetzen gebrauchen. Und wichtige Texte in vielen Fächer sind nunmal in anderen Sprachen verfasst, das heisst aber nicht, dass man alle Sprachen lernen muss (wobei das natürlich auch vorteilhaft wäre ;) , nur finde ich eben, dass Latein dabei nicht das "nonplusultra" im Vergleich zu anderen Sprachen ist).

Deswegen sehe ich Latein nur als Zusatzqualifikation, so wie jede andere Fremdsprache auch, und nicht als etwas notwendiges...

Feuerkopf
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Mi 23. Nov 2005, 21:07 - Beitrag #14

Maurice,
es kommt drauf an, was du von einem Studium erwartest.
Es wurden hier sehr unterschiedliche Studiengänge beschrieben, die in ihren Grundlagen offenbar Latein erfordern, wenn man etwas tiefer in die Materie eindringen will.
In meinem Studiengang waren z. B. fast alle Fachbücher und -artikel auf Englisch. Das wurde einfach vorausgesetzt. Ich konnte auch nicht auf Übersetzungen zurückgreifen.
Für Fächer mit stark historischem Bezug ist eben Latein die Lingua franca.

Möglicherweise könnte man im Rahmen der Studienneuordnung überlegen, ob bestimmte Abschlüsse bestimmte Voraussetzungen überhaupt haben müssen. Ein Lehrer für Philosophie sollte m. E. aber schon Grundkenntnisse in Latein und Altgriechisch haben. Es wäre arg peinlich, wenn er bestimmte Begriffe nicht herleiten könnte. Wenn du also mit Grundkenntnissen auskommst, okay.
Wenn du allerdings Philosophie als wissenschaftliches Fach studieren willst, dann wäre es doch wünschenswert, auch mal einen historischen Text im Original lesen zu können, wg. all der o. g. Gründe.

Noriko
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Mi 23. Nov 2005, 21:22 - Beitrag #15

Ist aber ein Latinumdas richtige dafür?
Währen fachpszifische "sprachseminare" nciht sinnvoller?
als Philolehrer rbaucht man sicher nicht die Sprache sprechen, bzw die texte aus dem Original übesetzen müssen, ein "latein für lehramtler" würde da reichen, wo man halt den wichtigen kramd en man wissen muss gelehrt bekommt.

zur sinnigkeit des latinums: ich habe mein Latinum mit 8 oder 9 punkten gemacht(obwohl ichs nichtmal brauche ^^) aber das vorallem mit Geschichtlichen Kentnissen, nciht wirklich mit sprachlichen, und ob das so sinnvoll für einen Studiengang der die Sprache wirklich braucht ist, weis ich nicht, im anchhinein wahre eine Lebendige sprache vlt besser gewesen, halt eine die man auch SPRECHEN kann.

Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 21:43 - Beitrag #16

Es wäre arg peinlich, wenn er bestimmte Begriffe nicht herleiten könnte.

Nochmal: Für was gibt es Lexika?!
Wenn ich wissen will, was es mit dem Begriff "Logos" Auf sich hat, schaue ich doch ins Lexikon und studiere nicht Griechisch. Oder wer von euch geht da anders vor?

Die ganze Sache mit dem Lernen von Latein ist allein deshalb schon sinnlos, weil man das ganze nach ein paar Jahren wieder weitgehend verlernt hat. Warum sollte man es auch imemr wieder freiwillig auffrischen, wenn man es nicht braucht?

Ich würde gerne mal wissen, wer von euch Philosophie jemals in der Schule hatte. Wenn das auf jemanden zutrifft, dann möchte ich von demjenigen Mal wissen, wann es da mal eine philologische Diskussion über ein Fremdwort gab. Mir ist sowas bisher noch nicht vorgekommen und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass sowas mal in der Schule vorkommen sollte.
Und wenn es dann doch vorkommen sollte und man spontan nicht den Begriff bis ins letzte Detail erklären kann -> Lexikon!
Es kommt nicht darauf an, alles zu wissen, sondern einen soliden Schatz an Grundwissen zu haben, diesen vermitteln zu können und zu wissen, wo man spezielle Fakten nachschlagen kann. Ein Leben reicht nämlich nicht aus, um all das zu lernen, was es alles in der Philosophie gibt.

Eure Forderung nach Latein- und Griechischkenntnissen ist einfach unvernünftig, weil die Kosten einer solchen Handlung einfach bei weiten den Nutzen überschreiten.

Feuerkopf
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Mi 23. Nov 2005, 21:46 - Beitrag #17

Das ist hier die klassische Diskussion zwischen Alt- und Neusprachlern. Zu einem Ergebnis, das beide Seiten zufriedenstellt, kann man nicht kommen, wenn ich mir die Fülle der Argumente auf beiden Seiten anschaue.

Noriko
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Mi 23. Nov 2005, 21:58 - Beitrag #18

Maurice, wenn dich ein Schüler fragt woher denn der und der begriff herkommt, währe es schon peinlich, wenn du es nciht wissen würdest ;)

Maurice
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Mi 23. Nov 2005, 22:08 - Beitrag #19

@Nuriko: Klar sollte man die wichtigen Begriffe drauf haben, das ist doch gar keine Frage. Um es mal im Ton unseres Ex-Bundeskanzlers zu sagen. ;)
Was ich absurd finde, ist jedes Wort philologisch bis ins letzte Äderchen seiner Wurzel erklären zu können. Und allein dafür braucht man die alten Sprachen.
Wenn man hingegen nur ein Begriff erklären will und nicht seinen sprachlichen Ursprung bis auf den Monat genau datieren will, dann braucht man keine der alten Sprachen.

Nun sollte sich jeder nochmal ernsthaft fragen, ob es wirklich nötig ist, dass ein Lehrer Begriffe in diesem Maße bestimmen kann oder ob der dahinter stehende Aufwand den Nutzen doch bei weiten übersteigt.
Besser ist das, was nützlicher ist und die Frage, ob es besser ist das Latinum voraus zu setzen oder nicht, kann man auch so formulieren, ob es nützlicher ist, das Latinum voraus zu setzen.
Man bedenke dabei, wieviel an sich kompente Didaktiker (und das sollten Lehrer vor allem sein und nicht nur Fachidioten), wohl nicht den Beruf ergreifen können, für den sie Talent haben, nur weil ein paar bürokratische Konservative an der Macht sind und meinen die Überreste einer humanistischen Bildungstradition am Leben erhalten zu müssen.

Noriko
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Mi 23. Nov 2005, 22:23 - Beitrag #20

Ein Lehrer soltel vorallem auf schüler gefeit sein ;)
Vielleicht ist es im Philosphischen Hauptstudium, also diplom oder wai, wirklich angebracht die texte auch im original zu lesen, wie halt bei vielen Historisch angehachten fächern, aber imho würde für lehramtler ein "Latein für Lehramtsphilisophen" oder so reichen, als nciht verplcihtende veranstaltung, bzw als nur anwensenheitspflicht.

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