Opium in der Schule - Eine polemische Rede

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Maglor
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Mo 2. Jan 2006, 15:47 - Beitrag #41

Angemerkt sei: Nein, Religion ist nicht Opium für's Volks, sondern Opium des Volkes!
Der springende Punkt ist, dass Karl Marx die Religion nicht als Werkzeug der Unterdrückung sondern als Werkzeug des Volkes sah.
Sprich die Religion hatte ihren eigentlichen Zweck als Trostspender vom Proletariat und ihren Vorgängern erhalten.
Die Religion ist daher, folgt man Marx und nicht Lenin, nicht per se schlecht, sondern in einer Klassen- oder Ständegesellschaft schlicht notwendig. In einer klassenlosen Gesellschaft wäre sie natürlich genau wie das Staatswesen keineswegs notwendig.
Die Verklärung der Religion (insbesondere der christlichen) als Mittel der Unterdrückung, liegt vor allem in einer Verwechslung von Kirche und Klerus mit Religion begründet.
MfG Maglor

Maurice
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Do 5. Jan 2006, 18:56 - Beitrag #42

Zitat von Lykurg:ganz zu schweigen von den ein bis zwei Anlässen im Leben, die auch Längstausgetretene irgendwie doch in der Kirche stattfinden lassen wollen: Hochzeit und Trauerfeier.

Ich bin zwar kein Ausgetrener, weil ich nie Mitglied war, aber wenns nach mir ginge, würde ich auf eine kirchliche Heirat verzichten.
Und auch wenn sich ein paar Ansichten in den letzten Jahren geändert haben, so nicht in Hinblick auf die sterblichen Überreste nach meinem Tod, mit denen immer noch nach belieben verfahren werden kann. Man kann sie beerdigen, verbrennen, zu Forschungszwecke verwenden, ins Museum stellen oder an die Schweine verfüttern. Was mit mir passiert, wenn die Lichter endgültig ausgegangen ist, kann mich dann nicht mehr interessieren, weil ich dann nicht mehr bin.

@Rede:
Nun komme ich auch endlich dazu, was zu dem Thema zu schreiben. ^^
Es ist gar nicht lange her, da hätte ich dem Wahrheitsanspruch der Rede sofort zugestimmt. Habe ich doch damals noch von den Wissenschaften als Beschaffer der einzig wahren Erkenntnis geschwärmt. Seit einiger Zeit bin ich da deutlich skeptischer.
Aus der einen Perspektive (der Korrspondenztheorie von Wahrheit*) sage ich nun, dass wir nichts wissen können. Und nicht mal das. Aus der anderer Perspektive (der Kohärenztheorie von Wahrheit*) besitzen nicht nur die Wissenschaftler Wissen, sondern alle diejenigen, deren eigene Thesen ein bestimmtes Maß an Plausibilität besitzt. Da kann es auch zu so Konstellationen kommen, dass Person A weiß, dass einen Gott gibt und Person B weiß, dass es keinen Gott gibt.
Will ich nun nicht alltagsprachlich sondern kritisch die Rede beurteilen, dann muss ich einwenden, dass der Naturwissenschaftler nicht mehr über die Welt weiß als die Oma, die auf der Straße den Wachturm zur Schau stellt.

Aus der Unfähigkeit etwas zu wissen, folgt für mich aber nicht, dass es verboten ist, anderen in ihrem Weldbild zu manipulieren. An sich ist nichts verboten. Verbote schafft sich der Mensch erst selbst. Welche Verbote gelten, wird von den Menschen bestimmt.
Wenn nun Da-Fe oder Ana den religösen Glauben mancher Leute erschüttern wollen, dann können sie das gerne machen. Dieser Versuch entspricht meiner Interessenslage und wird deshalb von mir gutgeheißen.

Sie sollten dabei aber beachten, dass auch ihre Meinung nicht mit Sicherheit wahr sind. Da ihre Einstellung zur Religion meinen Interessen entspricht, sollen sie aber ruhig weiter versuchen, ihr Weltbild zu verbreiten.

Also Jungs haut rein und viel Erfolg noch! :pro:

PS: Und erzählt ab und zu von euren Erlebnissen. Ich finde nämlich interessant, was ihr schreibt. :)


*Da dieses Thema nicht in der Philo-Sektion steht, versuche ich mich allgemein verständlich auszudrücken. Die Bemerkungen sind für die gedacht, die es interessiert. Wer nichts mit den Begriffen anzufangen weiß, kann sie ja nachschlagen oder im Forum nachlesen.

Maurice
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Do 12. Jan 2006, 13:36 - Beitrag #43

Warum schreibt niemand mehr was? :confused:
Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Diskussion erschöpft gewesen wäre. Ihr wart doch gerade mittendrin. *wunder*

Da-Fe
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Do 12. Jan 2006, 16:51 - Beitrag #44

[quote="Lykurg"]...und nutze christliche Kindergärten, Schulen, Obdachlosenheime, Diakoniestationen, Altenheime, und Krankenhäuser]

Sehr richtig Lykurg! Die Kirche hat überall viel zu viel Macht. Die o.g. Institutionen könnten auch alle privat unterhalten werden... Man bedenke, dass Kinder schon im Kindergarten, wenn sie noch nichtmal das nötige Verständnis dafür haben, anfangen müssen Lieder über den gnädigen Gott und den lieben Jesus singen... Man sieht ja wozu das führt :rolleyes:

@ Maurice: äh ja... ^^

janw
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Do 12. Jan 2006, 17:12 - Beitrag #45

Da-Fe, d e n hatte ich mir zwar für einen anderen thread aufgespart^^, aber wat solls...bei aller Skepsis, die man als Heranwachsender und Erwachsener gegenüber religiösen setzungen haben kann (und sollte), ist es wohl doch richtig und wichtig, Kinder in einem bestimmten Alter mit diesen Angelegenheiten zu konfrontieren.
Wir haben, als neuere Entdeckung der Hirnforscher, ein Hirnareal, das bei "religiösen" Handlungen, und sei es Meditation, selektiv verstärkt aktiv ist, ein Gott-Modul würde blöd es wohl nennen^^
Ich denke, daß es wie beim sprechen lernen auch für religiöse Kategorien ein Zeitfenster gibt, in dem solche Inhalte besonders gut aufgenommen werden können, was dann die Voraussetzung dafür ist, daß wir später darüber kritisch nachdenken können, daß wir nicht alles aus der Werbung als Religions-Ersatz nehmen, und daß andere Funktionen, die auf diese Inhalte zugreifen, richtig funktionieren.
Der Mensch ist ein soziales, hochkommunikatives, zeitbewußtes,...und religiöses Wesen.

Anaeyon
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Do 12. Jan 2006, 17:27 - Beitrag #46

Ja, aber kein misantrophisch-moralisch-christliches. Den Kids Religion nahezulegen ist wunderbar, sie zu missionieren ist krankhaft. Und das ist Missionierung, da Kinder nicht im Ansatz Gegenargumente finden könnten, wenn doch selbst die meisten Eltern den gleichen Mi... reden.

Klar, es fördert eine herrlich radikale Hinterfragungsphase, wenn man von Kind auf unnötig christlich erzogen wurde, aber muss das sein? Kanns nicht auch friedlicher und gleich mit Niveau anfangen, das hinterfragen? So wie das in Deutschland leider ziemlich oft läuft ist dann erstmal 1-2 Jahre Feindbildsuche dran, bevor man anfängt zu denken..

janw
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Do 12. Jan 2006, 19:30 - Beitrag #47

Da hast Du allerdings vollkommen recht, Religionsunterricht ist allzuoft und vor allem Unterricht in Regelkunde, erschöpft sich zu oft darin, bloße Dogmen zu verkaufen, anstatt ihre Hintergründe zu beleuchten, entfernt damit letztlich vom Göttlichen, wo er doch Interesse daran, Verständnis dafür wecken sollte.

Der Katholizismus als ganzes verfehlt in meinen Augen die Essenz der Lehre Jesu.
Aber schreib das mal einem Relilehrer an die Tafel^^

Lykurg
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Do 12. Jan 2006, 22:01 - Beitrag #48

Es gibt auch vernünftige Katholiken, ich kenne sogar welche. Über ihre Konfession sagt das natürlich nicht allzuviel aus, weitere Äußerungen erspare ich mir daher lieber. - Religionsunterricht muß selbstverständlich ein Nachdenken über Religion beinhalten, und nicht ein Nachbeten.

Anaeyon, irgendwo ist die ganze Sache ziemlich unauflösbar: Die Richtungsbestimmung hinsichtlich religiöser Erziehung der Kinder ist Sache ihrer Eltern. Und ihr habt natürlich Recht: Wer als Kind nicht daran herangeführt wird, entwickelt es nicht in derselben Weise aus sich heraus. Er sucht sich im Zweifelsfall Ersatzreligionen, wenn es ihm danach ist. Das kann man als freie Persönlichkeitsentfaltung verstehen - oder aber als Hilflosigkeit. Wer sein Leben zum Teil über seinen Glauben definiert, so selbstverständlich wie für ihn auch seine Fähigkeit zum Lesen und Schreiben ist, der wird es als so falsch ansehen, dem noch orientierungslosen Kind die Hand nicht geboten zu haben, wie es falsch wäre, ihm Lesen und Schreiben nicht beizubringen - soll es doch selbst entscheiden, ob es das will.^^

Da-Fe, die Qualitätsunterschiede zwischen kirchlichen und weltlichen Schulen, die ich aus den Erzählungen von Freunden kenne, sind ein deutlicher Hinweis, das Schulwesen auf keinen Fall komplett zu verstaatlichen. Und ich meine hierbei nicht das Absingen von Liedern, sondern, daß 'dort' zT eine ein wenig heilere Welt gegeben ist, in der nicht ganz so viele Dinge die Schüler vom eigentlichen Sinn der Schule als Geistesschmiede ablenken. Konfrontation mit den Problemen der Welt muß natürlich sein, findet ohnehin statt, aber es ist mE schon vorteilhaft genug, wenn auf dem Schulhof nicht gedealt wird (das gab es auch an meiner traditionsreich-'elitären', aber weltlichen Schule zur Genüge), und ein paar Streitereien weniger gewaltsam ausgehen. Im Wesentlichen meine ich mit den Qualitätsunterschieden aber Lehre und Lernen...

Ipsissimus
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Fr 13. Jan 2006, 10:18 - Beitrag #49

ist die Frage, ob die heilere Welt dort wirklich gegeben ist, ob einfach mehr Druck auf die SchülerInnen ausgeübt wird oder ob schlicht mehr geheuchelt wird. Bei uns im Städtchen hat es 2 katholische Gymnasien, die in offiziellen Verlautbarungen sehr für ihre Zucht und Ordnung gelobt werden. Daß die Kids bessere Leistungen bringen, ist nicht belegt. Scheint also eher für Bewußtsein und Renommé der Eltern gut zu sein, als den Kids wirklich was zu bringen

janw
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Fr 13. Jan 2006, 13:13 - Beitrag #50

Das läuft auf die langbärtige Diskussion über die Frage des Einflusses von Schule auf Bildung und Nutzung geistiger Potentiale hinaus... Ihn sehr hoch anzusehen hieße, die Verantwortlichkeit der Eltern zu schmälern, was IMHO ein Fehler wäre. Viele Weichen werden bereits vor der Schule gelegt, und auch die Frage, wie Schule familiär bewältigt wird, trägt erheblich zur Wirkung von Schule bei.

Am ehesten würde ich einen Effekt dahin gehend erwarten, daß durch weniger Gewalt und dergleichen das untere Leistungssegment etwas geringer ausfallen würde, daß jene, die leicht vom lernen abzubringen sind, weniger abgelenkt werden. Wer wirklich lernen will, der schafft das überall, naja fast...

Ipsissimus
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Fr 13. Jan 2006, 13:22 - Beitrag #51

wenn körperliche Gewalt unter Schülern ausbleibt, hat das fast immer mit dem sozialen Zugehörigkeit zu tun. Kinder aus höheren Schichten lernen früher, daß sublimere Formen von Gewalt effektiver sind - da dann die direkte körperliche Gewalt ausbleibt, wirkt das ganze optisch friedlicher, ohne es zu sein

Lykurg
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Fr 13. Jan 2006, 23:53 - Beitrag #52

Zitat von janw:Am ehesten würde ich einen Effekt dahin gehend erwarten, daß durch weniger Gewalt und dergleichen das untere Leistungssegment etwas geringer ausfallen würde, daß jene, die leicht vom lernen abzubringen sind, weniger abgelenkt werden. Wer wirklich lernen will, der schafft das überall, naja fast...
Der erste Satz ist ganz meine Meinung, der zweite - weniger. Jedenfalls handelt es sich bei nicht verhinderten Dauerkonflikten gewaltsamer Art um Verschwendung von Energien, Ressourcen und letztlich Chancen. Und natürlich gibt es soziale Aufsteiger, aber mE zuwenige, weil es eine doppelte Verhinderung gibt: Gegendruck von Besitzstandswahrern von oben einerseits, die destruktiven Neider oder Dummen auf gleicher Höhe andererseits. (Wobei man mir vermutlich übelnehmen wird, daß ich hier Dinge beim Namen nenne...)
Zitat von Ipsissimus:Kinder aus höheren Schichten lernen früher, daß sublimere Formen von Gewalt effektiver sind - da dann die direkte körperliche Gewalt ausbleibt, wirkt das ganze optisch friedlicher, ohne es zu sein
Selbst wenn ich das anerkenne, zum Teil auch aus eigener Erfahrung anerkennen muß, erscheint es mir als die deutlich bessere Lösung als Gewalt. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, wenn ich das als kulturell höherstehend, als sozial nützlicher empfinde. Du lehnst die Heuchelei darin ab, wenn der Zustand als Frieden empfunden wird und die Kinder sich alle lieb umarmen und fürs Foto lächeln sollen. Das paßt mir natürlich auch nicht. Zum sich entwickelnden Empfinden gehört eben auch das Wissen darum, daß die Abwesenheit von physischer Gewalt noch lange keinen Frieden bedeutet.

Und während die weiterentwickelten Kinder bereits begreifen, daß es dort verdeckte Konflikte gibt (wie im späteren Leben überall), und wie sie damit umgehen können, haben diejenigen, die noch nicht so weit sind, die Illusion einer Ruhe, die ihnen vergleichsweise ungestörtes Lernen ermöglicht. In einer Atmosphäre der physischen Gewalt geht das nicht, da kriegen alle es mit, und nur die brutalsten Kinder haben Chancen - jedenfalls kurzfristig.

Traitor
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Do 19. Jan 2006, 12:05 - Beitrag #53

Ich habe in den letzten 6 Jahren meiner Schullaufbahn selbst eine Schule in christlicher Trägerschaft besucht. Von dieser kann ich durchaus berichten, dass es dort eine deutlich angenehmere Atmosphäre und auch weniger Gewalt gab, als ich es von meinem vorigen staatlichen Gymnasium und aus Erzählungen von anderen kenne.
Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass diese positiven Effekte nicht oder nur im allergeringsten Maße durch die christliche Ausrichtung erzielt wurden. Viel eher kamen sie durch die starke Selektion der Schüler und Lehrer zustande, ein Luxus, den sich staatliche Schulen eben nicht leisten können und dürfen. Wenn man eine im Schnitt deutlich intelligentere, leistungswilligere und aus bildungsnäheren Schichten stammende Schülerschaft hat (obwohl selbst dort noch reichlich dummes Volk mitgeschleift wurde), dann entsteht eben ein angenehmeres soziales Klima.

Wie Nazgul in seinem inzwischen abgetrennten Beitrag (siehe für die letzten paar allgemein den Oberstufen-Thread), möchte auch ich meinen Reliunterricht an dieser Schule, zumindest in den letzten 4 Jahren, lobend erwähnen - obwohl bei einem anderen Lehrer. Die Diskussionen beschränkten sich zwar ebenfalls auf den Lehrer und eine Handvoll Schüler, waren aber sinnvoll, inhaltsreich und spannend, und auch als Atheist hatte man keine Probleme - außer natürlich der erbitterten Gegenmeinung des Lehrers, aber dadurch wird's ja erst richtig interessant.

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