Bildungsstreik

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blobbfish
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Mo 22. Jun 2009, 11:15 - Beitrag #1

Abgetrennt aus dem Wmig3 , Offtopic-Kommentare daher bitte ignorieren - Traitor

Zitat von Kati:Mich über die Bildungsstreiksumgeher wundern und mich auf einen schönen Tag freuen.


Weil meine Studiensituation erstens nicht so schlecht ist und ich zweitens nicht mit Leuten demonstrieren muss und will, die eine Hommage an 2006 - wo übereifrig gegen Studiengebühren demonstriert wurde - geplant haben, soll heißen die Stadtautobahn zu blockieren. Wie ich dann am Donnerstag dem RCDS-Flyer entnommen habe, wurde auf der Vollversammlung der Antrag auf Verzicht von Gewalt nicht aufgenommen.
Abgesehen davon hab ich einen Job an der Uni und der muss nunmal ausgeführt werden. ;)

Wmig
Mh, TeXen und dann Polytope.

Lykurg
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Mo 22. Jun 2009, 12:03 - Beitrag #2

Ebenso. Einige der Ziele kann ich unterstützen, andere nicht; einige der Methoden sind mir suspekt (z.B. die 'Konfettiparade' aus Streikzettelchen, die seit letzter Woche diverse Grünflächen rund um die Uni mit Müllbergen verschandeln), andere mehr oder weniger wirkungslos ("Hupen gegen Moni", die Uni-Präsidentin, vor dem Hauptgebäude, in dem sie gar nicht residiert) und potentiell Krawallmacherei aus Lust an derselben. Ich hatte zumindest letzte Woche zuviel zu tun, um irgendwie Anteil daran zu nehmen, und mein universitärer Arbeitgeber hätte vermutlich auch wenig Verständnis dafür.^^

Wieder mal was tun.

Amy
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Mo 22. Jun 2009, 12:26 - Beitrag #3

Solange es einen nicht selbst betrifft, ... :rolleyes:


Wmig: News aus dem Iran checken, dann mal Lani aufsuchen!

Lykurg
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Mo 22. Jun 2009, 12:54 - Beitrag #4

Amy, natürlich betrifft es auch mich. Aber ich bin nicht der Ansicht, daß die Handlungen meiner Kommilitonen der Sache nützen. Im Laufe meines nun schon ein paar Jahre dauernden Studiums habe ich mit einer Ausnahme jedes Sommersemester einen "Bildungsstreik" unterschiedlichen Ausmaßes erlebt (im Winter würde es ja auch keinen Spaß machen). Einen Großteil der Aktionen empfand und empfinde ich als unproduktiv und im Ansatz verfehlt, habe auch einmal physische Gewalt von 'Streikwachen' gegen Mitstudierende beobachten können. Ich bin nicht gewillt, Meinungen, die ich nicht teile, durch mein ohnehin fruchtloses Mitmarschieren zu unterstützen.

Als es um die Schließung eines meiner Institute ging, haben Studierende und Professoren gemeinsam an einem Strang gezogen. Die Ziele waren klar und sinnvoll, die Maßnahmen einigermaßen kreativ, öffentlich wirkungsvoll und haben keinerlei Schaden angerichtet. Ich habe gern mitgewirkt und einige Zeit investiert (übrigens u.a. Fußgängerzonenstehen im Winter), zum Glück konnte die Schließung abgewendet werden, wobei ich mir nicht sicher bin, inwieweit unser Engagement eine Rolle gespielt hat. Immerhin hatten wir ein deutlich positiveres Presseecho als die derzeitigen Proteste...

janw
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Mo 22. Jun 2009, 18:29 - Beitrag #5

e-noon, was ist weg?
Amy, was für ein Video

Milena, alles Gute für Deine Mutter! Hoffenlich ist es nichts Ernstes!

Streik...wie verhält es sich denn damit, daß wer nicht streikt den RCDS unterstützt? ;)
Und damit, daß wer nicht streikt, als Zustimmer wahrgenommen wird?
Klar, manche Methoden gefallen mir auch nicht, die Vermüllung z.B. und wer im Himmel kommt auf die Idee, über die Anwendung von Gewalt abzustimmen? :wand (Oder war das vielleicht nur falsche Propaganda, von RCDSpringer?)
Naja gut, ich versteh euch schon, wo Ihr ja auch Stunden zu erbringen habt...^^

Hm, außerdem wieder hier sein und über die vielen Beiträge staunen :wzg:

Kati
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Mo 22. Jun 2009, 18:57 - Beitrag #6

Solange es einen nicht selbst betrifft, ...

Genau das Amy.
Wenn IHR zufrieden seid, dann ist das toll für euch. Ich bin es nicht. Hier in Bremen sollen NOCH mehr Studienplätze gestrichen werden. Einhergehend damit noch weniger Dozenten an der Uni beschäftigt zu haben. Und uns fallen jetzt schon dauernd Stunden aus.
Dann der Schwachsinn mit den Master-Studiengängen. Allein in meinem Fach: 15-20 Masterplätze für 150 Bachelorstudenten. Toooolle Sache.
Der Wegfall der Mittagspause usw. usf.
Und ich weiß ehrlich nicht was ihr habt. Bei uns war der Streik sehr friedlich. Sogar einige Dozenten und Eltern sind mitmarschiert.... Nur, nichts sagen bedeutet entweder Zustimmung oder Hinnehmen. Geht garnich für mich...

Wigm: Nen schönen Tag gehabt haben. Meine erste von 6 Prüfungen mit ner eins bestanden haben, danach beim Pferd gewesen und mir nun nen schönen Abend machen =)

Lani
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Mo 22. Jun 2009, 19:04 - Beitrag #7

Solche Sachen kann man meiner Meinung nach sagen, wenn man selbst immer für andere mit demonstriert, die das für eine [nach eigenem Empfinden] gute Sache tun. Aber wenn man selbst nur für sich selbst demonstrieren geht, macht's wenig Sinn anderen Leuten Vorwürfe zu machen.

wmig: Lange Mario Kart gespielt haben und nun Krupuk knabbern.

Kati
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Mo 22. Jun 2009, 19:16 - Beitrag #8

Lani: Ich wollte dich keineswegs angreifen... du hattest wirklich andere Sorgen zu dem Zeitpunkt :) Ich gehe demonstrieren wenn mich wirklich was betrifft. Und das tut es ja. Ich bin zum Beispiel eine derjenigen die gerne ihren Master machen würde. Das aber will wohl mindestens die Hälfte meines Studienganges. Und da fängt das Problem schon an. Gut, diejenigen die dieses Jahr fertig werden oder Anderes, denen geht das Alles wohl am Allerwertesten vorbei.
Und überhaupt will ich auch Krupuk >_<

Maglor
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Mo 22. Jun 2009, 21:11 - Beitrag #9

Zitat von janw:Klar, manche Methoden gefallen mir auch nicht, die Vermüllung z.B. und wer im Himmel kommt auf die Idee, über die Anwendung von Gewalt abzustimmen? :wand (Oder war das vielleicht nur falsche Propaganda, von RCDSpringer?

Gewalt ist relativ. Eine Besetzung der Stadtautobahn ist hoch offiziell Nötigung und damit auch Gewalt. Ich gehe davon aus, dass der RCDS auf so etwas anspielt.

Lykurg
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Mo 22. Jun 2009, 22:50 - Beitrag #10

Ich sehe das Abgrundtiefböse am RCDS nicht. Vielleicht bin ich dafür einfach zu spät geboren.^^ Meines Erachtens sind deren Flugblätter nur halb so abstrus wie die der Liste Links oder des Forum Gegen Argumente, wenn auch leider die viel weniger amüsante Mensalektüre.

Und BA/MA... da läuft eindeutig einiges grundverkehrt und muß unbedingt überarbeitet werden. Nur fordern hier einige Gruppierungen, sie wieder abzuschaffen - und das ist völlig unrealistisch. Ich meine ebenfalls, daß deutlich mehr Master-Plätze erforderlich wären, kenne auch gute Leute, die gerade ihren BA machen und nur hoffen können, weitermachen zu können. Auch an den sonstigen Studienbedingungen ließe sich vieles verbessern. Nur muß man über diese Dinge offen miteinander reden, und der Konfrontationskurs, den einige fahren, bringt uns diesbezüglich nicht weiter.

janw
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Di 23. Jun 2009, 01:25 - Beitrag #11

Maglor, von struktureller Gewalt und der normativen Kraft des Faktischen nicht zu reden...letztlich besteht das Relativmaß IMHO in dem Maß an Zumutung, die mensch für sich als hinnehmbar erachtet.
Sicher sind Straßenblockaden für viele eine Zumutung, aber man sollte doch so ehrlich sein, wenn solche Aktionen beschlossen werden, eben vom Beschluss über diese konkreten Aktionen zu berichten und nicht von der Abstimmung über nicht näher beschriebene "Gewalt". Immerhin beschreibt "Gewalt" ja eine beträchtliche Spanne, von individuell empfundener Belästigung bis hin zu Angriffen auf Leib und Leben.
Aber das ist eben, worauf sich der RCDS immer gut verstanden hat, die Kriminalisierung möglichst vieler Ausdrücke von Kritik.

Lykurg, vielleicht ist der RCDS auch nicht mehr ganz so abgrundtief, ich weiß es nicht. Ich sehe nur, daß die Mitbestimmung der Studenten, die Tatsache, daß sie überhaupt in Gremien mitwirken können, nicht wegen, sondern trotz des RCDS erreicht wurde.
Daß die Mitbestimmung auch allerlei abstruse Gruppierungen hervorgebracht hat, darunter auch fachlich destruktive - ein ehemaliger Prof von mir hat mir mal Dinge erzählt... :wand: sehe ich ebenso...aber sie zwingen einen ja nicht, sie zu wählen.

Hinsichtlich des offen Redens stimme ich Dir zu, allerdings sehe ich von Seiten der Politik und der Verwaltungen keine ernst zunehmenden Anstrengungen, dies zu tun, zumindest nicht in der Weise, daß damit eine Änderung ihrer Maßnahmen oder Ziele in den Bereich der Möglichkeit gelangt.
Eher...reden, bis die Basis sich in das Unvermeidliche gefügt hat bzw. vor lauter Stress nicht mehr zum nachdenken kommt.
Ich fürchte, ganz ohne Konfrontation wird sich auch nichts ändern.

Ipsissimus
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Di 23. Jun 2009, 10:16 - Beitrag #12

es zeigen sich eben bereits zu Studentenzeiten die Fraktionen, deren Konflikte auch späterhin das Leben der Gesellschaft bestimmen, bedingt durch den kleineren Aktionsraum eben in destillierter, konzentrierter Form.

Bzgl. Ba/Ma: ich denke, diese Abschlüsse markieren das Ende des klassischen Bildungsideals und machen das Studium zu einer Ausbildung im Sinne einer völlig normalen Berufsausbildung, ähnlich den Studien auf Fachhochschulen, denen sie inhaltlich sehr viel näher stehen als dem "klassischen" Hochschulstudium mit seinen Diplom-/Magister-/Staatsexamens-/Promotions-Abschlüssen.

Insofern bedeuten Ba/Ma-Studiengänge und Abschlüsse den Sieg von Unternehmensbedürfnissen über die Bildung. Dies ist bedauerlich, aber, wie Lykurg schreibt, auch unvermeidbar. Der Staat will kein Geld mehr in so etwas überflüssiges wie Allgemeinbildung stecken, die Industrie benötigt (und drittmittel-)finanziert nur noch die Heranzucht von Extrem-Spezialisten. Oh goldene Zukunft vor unseren Toren.

Aus meiner Sicht will der Bildungsstreik "eigentlich" - von einer total veralteten, völlig unmodernen und abstrusen Warte aus betrachtet - das völlig Falsche. Sollen sie an Mitteln einsetzen, was immer sie wollen.


/edit dazu nicht ganz unpassend http://www.sueddeutsche.de/,tt5m1/jobkarriere/66/472589/text/ :

Wilfried Bos ist Professor für Bildungsforschung und Qualitätssicherung an der Universität Dortmund und leitet das Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS). Er verantwortet die Grundschulstudien Timss (Trends in International Mathematics and Science Study) und Iglu (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung).

sueddeutsche.de: Auf der einen Seite das Gymnasium mit behüteten Akademikerkindern, denen die Zukunft offensteht, auf der anderen Seite eine große Gemeinschaftsschule als "Resterampe" für Migranten und Kinder von Hartz-IV-Empfängern: Herr Bos, sieht so die Zukunft unseres Bildungssystems aus?

Wilfried Bos: Das ist natürlich sehr plakativ, aber im Prinzip wird die Zukunft aus demographischen Gründen vermutlich so aussehen, ja. Wir werden schon in zehn bis 15 Jahren ein Zwei-Säulen-Modell haben mit dem Gymnasium einerseits und einer Gemeinschaftsschule andererseits, in der Haupt-, Real- und Gesamtschule aufgehen. Allerdings wird diese Gemeinschaftsschule auch zum Abitur führen, aber nicht nach zwölf, sondern erst nach 13 Jahren. Gäbe es dieses Angebot nicht, würde der Ansturm auf das Gymnasium anhalten - und dagegen gäbe es großen Widerstand.

sueddeutsche.de: Nach Schulleistungsuntersuchungen wie Pisa steht doch immer wieder die neunjährige Gemeinschaftsschule für alle Kinder zur Diskussion, wie sie etwa auch unser großes Vorbild, der Pisa-Sieger Finnland hat. Warum ist dieses Modell in Deutschland nicht durchsetzbar?

Bos: Dagegen würde sich ein großer Teil der Eltern dieser behüteten Akademikerkinder, die Sie angesprochen haben, wehren. Wir haben in Deutschland eine schlagkräftige, sehr rührige und kampagnenfähige Mittelschicht, die alles dafür tut, dass das Gymnasium nicht abgeschafft wird. Seien wir doch ehrlich: Sie und ich würden auch alles dafür tun, dass unsere Kinder auf ein Gymnasium gehen und nicht mit den Schmuddelkindern spielen. Und eine Partei, die das Ende des Gymnasiums forderte, würde nicht wiedergewählt. Deshalb wird es dazu nie kommen, so einfach ist das.

sueddeutsche.de: Die Mittelschicht schottet sich ab?

Bos: Ja, und das können wir nicht nur an den Eltern beobachten. Sogar die Kinder haben das schon verinnerlicht. Auf den Pausenhöfen der Grundschulen kann man sehr gut beobachten, wie sich die Schüler aufteilen: Da weigern sich die späteren Gymnasiasten, mit den Hauptschülern zu spielen. Das führt zu einem extremen Druck, der auf den Grundschülern lastet und immer wieder beklagt wird. Die Kinder werden außerordentlichem Stress ausgesetzt - Hauptsache, sie schaffen es aufs Gymnasium.


und mehr

blobbfish
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Di 23. Jun 2009, 16:47 - Beitrag #13

Zitat von Maglor:Gewalt ist relativ. Eine Besetzung der Stadtautobahn ist hoch offiziell Nötigung und damit auch Gewalt. Ich gehe davon aus, dass der RCDS auf so etwas anspielt.


Unter anderem. Es wurde noch auf Vandalismus in Berlin verwiesen, wo eine jüdische Gedenkstätte oder Ausstellung zu etwas der Art verwüstet wurde. Habe ich allerdings bisher nicht nachgeprüft. RCDS hab ich im übrigens auch nur als Quelle angegeben gehabt, der Flyer lag grad in der Mensa rum (musste in der "falschen" essen, in meiner gibt es quasi keine pol. Flyer).


Bzgl. Ba/Ma: ich denke, diese Abschlüsse markieren das Ende des klassischen Bildungsideals und machen das Studium zu einer Ausbildung im Sinne einer völlig normalen Berufsausbildung, ähnlich den Studien auf Fachhochschulen, denen sie inhaltlich sehr viel näher stehen als dem "klassischen" Hochschulstudium mit seinen Diplom-/Magister-/Staatsexamens-/Promotions-Abschlüssen.


Geht zwar nicht direkt zum Thema, halte aber diese Methodik nicht für grundverkehrt. Die meisten Studenten gehen nunmal in die Wirtschaft. Fehler ist aber, dass das studieren um der Wissenschaft willen behindert oder beeinträchtigt wird. Sinnvll ist aber mMn, dass dann auch die Wirtschaft einen Teil der Kosten tragen soll. Gilt dann insbes. für Promotion. Zumindest in der Mathematik kann man aber auch ganz gut Stipendien erhalten, wenn man angewandte Mathematik mit dem Ziel in die Wirtschaft zu gehen macht.

Lykurg
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Mi 24. Jun 2009, 00:01 - Beitrag #14

Dazu zitiere ich einen Augenzeugenbericht aus einem anderen Forum:
Zitat von 12.11.2008:Vor einer Stunde habe ich die Verwüstungen in Foyer und Haupttreppenhaus der Berliner Humboldt-Universität gesehen, die am Nachmittag plötzlich aus der Masse demonstrierender Schüler heraus angegriffen, von über hundert Demonstranten zeitweilig besetzt und dabei erheblich verwüstet wurde.

Ein paar Studentinnen und Studenten berichteten mir erschüttert und noch sichtlich geschockt, was passiert war:

Dutzende von Eindringlingen zerstörten u.A. eine Gedenkausstellung im Foyer, die an die Reichsprogromnacht und die darauf folgenden Zwangsenteignungen Berliner Juden im Nationalsozialismus erinnerte.
Unter dem Grölen antiisraelischer, antijüdischer und antikapitalistischer Parolen wurden die Ausstellungstafeln zertrümmert und Teile davon im Foyer in Brand gesetzt!
Damit es besser brennt wurde aus verschiedenen Räumen zusätzlich Papier herbeigeschafft, aufgehäuft und angezündet.
Türen und Fenster wurden eingeschlagen, Feuerlöscher in Unterrichtsräumen leergesprüht, Mobiliar zerschlagen usw. ...

Studenten und Dozenten die zu verhindern versuchten, dass die Gedenkausstellung an die jüdischen NS-Opfer geschändet wird, wurden von den Randalierern (von denen etliche jenseits der 20 gewesen sein dürften) tätlich angegriffen und als "Faschos", "Nazis" (ausgerechnet!) und "Kapitalistenknechte" beschimpft!
[...]
Ein entsprechendes Video gibt es bei Spiegel Online. Bezeichnend, daß dort die Zerstörung der Ausstellung als Nebensache abgetan wird; auch sonst ist das damals kurz in den Zeitungen vermerkt, aber kaum weiter besprochen worden. Berichte über Antisemitismus der radikalen Linken sind nicht opportun. - Dazu, wie gewalttätiger Protest aussehen kann, wird jedenfalls einiges deutlich. Das Ende des Videos spricht zudem Bände über die Informiertheit der Demonstranten. Ok, das sind 'nur' Schüler - ich habe aber so meine Zweifel, daß das bei Studenten massiv anders aussähe, ich jedenfalls behaupte nicht von mir, daß ich die Entscheidungsstrukturen der akademischen Gremien überblickte, auf die meine Kommilitonen hier Druck ausüben wollen...

@Bos: Deutliche Worte zweifellos. Vorschläge hat er allerdings auch nicht - gibt nur eine quasi resignative Stellungnahme ab. Ich bin noch nicht einmal der Überzeugung, daß schulischer Erfolg (auf das Individuum und auf die Gesellschaft bezogen) wirklich eine Frage der Schulform ist. Wesentlich sind neben der Zusammensetzung der Schüler auch Betreuungssituation und Ausstattung der Schule. Bei entsprechender Konfiguration könnte vermutlich jedes System funktionieren bzw. scheitern. - Aber inwiefern ist das das 'Richtige', was der Bildungsstreik nicht will - meinst du, daß es den Streikenden letztlich um die Aufrechterhaltung von Privilegien der Mittelschicht gehe?

@Bildungsideal/Wirtschaftsorientierung: Eure Aussagen sind sich nicht ganz unähnlich^^ - Ich stimme darin überein, daß hier das Humboldtsche Bildungsideal weitgehend aufgegeben wurde zugunsten des FH-Modells. Die dahinterstehenden Zwänge wurden angesprochen; wie sich die sich verändernde Geisteslandschaft, der langfristig wegbrechende Universalismus der Fachleute auswirken mag, ist nicht absehbar.

e-noon
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Mi 24. Jun 2009, 19:03 - Beitrag #15

Also, meine Meinung zum Bildungsstreik: War nicht da, sah in Köln ganz nett aus, was in Berlin passiert ist, lehne ich ab. Die Ziele fand ich teilweise überfällig, teilweise schwachsinnig. Warum muss überall die Vernichtung des Kapitalismus mit drauf? :rolleyes:

Eine Kampagne für mehr Masterstudiengänge bei zu wenigen derselben fände ich sinnvoll. Alternativ kann man sich natürlich vor dem Studium informieren, welche Perspektiven man im jeweiligen Fach an der jeweiligen Uni hat.
Pauschal für "mehr Bildung" zu protestieren, nur weil man dafür schulfrei hat...
fragwürdig. Und wahrscheinlich kaum hilfreich.

Zu dem Video: Die Manager waren mir am sympatischsten in dem ganzen Video o_O Jemanden einfach als Schwein zu bezeichnen oder sonst in irgendeiner Weise zu beleidigen, nachdem man grade für mehr Bildung eine Uni demoliert hat, halte ich einfach nicht für unterstützenswert. Wenn man nicht behaupten will, dass das ganze Video von vorne bis hinten gefälscht war, muss man schon eingestehen, dass da viele schwachsinnige, desinteressierte und aggressive mitgelaufen sind und auch gezeigt wurden. Zur Verteidigung der Beiträge würde ich jedoch sagen, dass viele, ich eingeschlossen, im ersten Moment ihren Vornamen nicht mehr kennen, wenn man ihnen plötzlich ein Mikrofon unter die Nase hält und eine Kamera auf sie richtet. Das fand ich unfair. Wer das Feuer angezündet hat, wurde auch nicht klar, man sah nur die Leute, die es austreten wollten.
Trotzdem war das ganze eine große, teils Antikapitalistische, teils politisch unmotivierte Party und keine ernsthafte Demonstration.

janw
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Sa 11. Jul 2009, 11:50 - Beitrag #16

Zitat von Ipsissimus:Aus meiner Sicht will der Bildungsstreik "eigentlich" - von einer total veralteten, völlig unmodernen und abstrusen Warte aus betrachtet - das völlig Falsche. Sollen sie an Mitteln einsetzen, was immer sie wollen.

Meinst Du, es sollte eher auf eine fundamentale Kritik am Rückzug des Staates aus der Bildung, an der konzerngerechten Zurichtung der Studiengänge hinaus laufen? Richten sich die Studis zu sehr in den Verhältnissen ein?

e-noon, diese Zerstörung von Sachen, erst recht Gedenkstätten, und diese verbalen Übergriffe sind natürlich furchtbar, ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob die nicht von Leuten verursacht wurden, die den Protest einfach nur für ihre eigenen Zwecke mißbraucht haben. Naja, wenn der ASta gut war, wird er sich entsprechend damit auseinandergesetzt haben.
Das Problem ist IMHO, daß diese Aktionen in den Medien die Aufmerksamkeit für das eigentliche Thema verdrängen.

Ipsissimus
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Sa 11. Jul 2009, 12:20 - Beitrag #17

aus meiner Sicht ist das klassische Bildungsideal und seine Verwirklichung in möglichst vielen Individuen einer Gesellschaft eine wesentliche Voraussetzung zur Verwirklichung von Freiheit, soweit diese sich im Rahmen einer Gesellschaftsordnung überhaupt verwirklichen lässt.

Die neueren Ausbildungsschemen zielen auf die Produktion von Fachrobotern, die vielleicht als Überrest ihres menschlichen Erbes gelegentlich gerne noch mal über ihren Tellerrand schauen würden, infolge ihrer Ungebildetheit aber nicht mehr können. Weder wissen sie die richtigen Fragen zu stellen, noch wissen sie, wie die Antworten zu finden sind, sobald sie den engeren Kreis des Wissens ihrer Ausbildung verlassen müssen. Und das grundsätzliche Interesse wird nur noch auf ein reibungsloses Funktionieren, nicht mehr aber auf ein soziales Miteinander, das diesen Namen verdient, gelenkt.

Ich bekenne mich bezüglich dieser Aussagen der Überzeichnung schuldig, aber genau das sind meine Befürchtungen hinsichtlich de Perspektive, welche die neuen Ausbildungsschemen überhaupt noch offen lassen. Wir gehen auf eine hypermoderne Art und Weise zurück zu den alten Feudalverhältnissen des Mittelalters.

janw
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Sa 11. Jul 2009, 12:45 - Beitrag #18

Das sehe und befürchte ich genau so.
Furchtbare neue Welt^^

Lykurg
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So 12. Jul 2009, 11:13 - Beitrag #19

Ich stimme dir zu, Ipsissimus, mit der Ergänzung, daß die von den Universitäten gebotenen Ausbildungen darauf zu zielen scheinen, überwiegend Anwender heranzuzüchten (statt, wie bisher zumindest partiell, Entwickler). Strenge Pläne erleichtern die bürokratischen Abläufe (zumindest nominell, tatsächlich nimmt der bürokratische Aufwand zu, reduziert wird nur der Verwaltungszeitbedarf pro Student, folgerichtig kann auch die zur Verfügung stehende frei planbare Zeit der Professoren reduziert werden). Im Ergebnis wird den Studenten eine klare Linie geboten, an der sie sich festhalten können - und deren Verlassen sanktioniert wird. Bild

blobbfish
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Sa 18. Jul 2009, 15:48 - Beitrag #20

Und wieder ein tolle bescheuerte steuergeldfressende Demonstration gegen, nun, das musste ich auch erstmal nachlesen. Sagenhafte viele und toll Aufmerksamkeit erregt, die Leute, die nicht teilnahmen haben tendenziell eher mit Unverständnis reagiert (ich sah zur Zeit der Demonstration im Mocca, und habe Karten gespielt).
Muss man sowas eigentlich wirklich genehmigen?

Quelle:
(a) http://www.bildungsstreik-marburg.de/raven-gegen-krise
(b) http://www.op-marburg.de/Lokales/Marburg/300-Menschen-raven-gegen-die-Krise

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