Bewerben mit Behinderung

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Malte279
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Mi 6. Feb 2013, 22:35 - Beitrag #1

Bewerben mit Behinderung

Hallo,
zur Zeit muss ich eine wichtige Entscheidung treffen und ich würde mich freuen wenn ich von euch Meinungen und gegebenenfalls Erfahrungsberichte bekommen könnte. Ich bin seit meinem neunten Lebensjahr Typ I Diabetiker. Meistens hat der Diabetes für mich kaum eine Belastung dargestellt. Bis zu meinem 16 Geburtstag hatte ich einen Schwerbehindertenausweis und musste mich dann entscheiden ob ich den Ausweis weiterhin behalten also die Verlängerung des Status als Schwerbehinderter beantragen wollte oder nicht. Mir wurde damals gesagt, dass der Besitz eines Schwerbehindertenausweises später unter Umständen die Chancen bei der Bewerbung um einen Job vermindern würde und ich entschied mich dagegen den Ausweis zu behalten.
Seit dem Abschluss meines Geschichts- und Anglistikstudiums 2009 bewerbe ich mich jetzt um Stellen, habe bislang aber noch keinen Sozialversicherungspflichtigen Job bekommen und schlage mich mehr schlecht als recht mit Stellen als Dozent an Volkshochschulen durch. Diese Arbeit macht mir zwar sehr viel Freude und ich bin voller Elan dabei, aber ein sicheres Einkommen hat man mit diesen teilnehmerzahlabhängigen, nicht sozialversicherungspflichtigen, auf die Spätnachmittags- und Abendstunden beschränkten Provisionsjob nicht. Viele meiner Bewerbungen sind Initiativbewerbungen, da wenige Stellen für Historiker ausgeschrieben werden. Aber bei den Stellen die ausgeschrieben werden findet sich fast immer der Vermerk das Frauen und Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden. Mir gefällt der Gedanke eigentlich nicht besonders mir durch den Diabetes einen Vorteil verschaffen zu wollen aber andererseits gibt es ja auch eine Reihe von Nachteilen (z.B. hat gerade diese Woche ein Gericht geurteilt das Diabetes bei Lehrern (ich studiere nebenher noch auf Lehramt, in der Hoffnung da vielleicht endlich unterzukommen) ein ausreichender Grund ist um ihnen den Beamtenstatus auf Grund des hohen Risikos von Folgeerkrankungen zu verweigern). Jedenfalls überlege ich jetzt sehr ernsthaft einen Antrag darauf zu stellen wieder als Schwerbehindert geführt zu werden, ein Antrag von dem mein Diabetologe meint dass er sicherlich durchkommen würde zumal ich leider in den vergangenen Jahren mit einer gewissen regelmäßigkeit schwere Unterzuckerungen mit Koma hatte.
Jetzt überlege ich allerdings auch wie man in einem Bewerbungsschreiben als Antwort auf eine Ausschreibung mit dem Vermerk das Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt behandelt werden angibt dass man Schwerbehindert ist. Im Internet finden sich unmengen an Tipps und Hinweisen wann man Behinderungen nicht angeben muss bzw. wann der Arbeitgeber kein recht hat dannach zu fragen und so weiter, aber nirgendwo habe ich irgendetwas dazu gefunden wie man eine Behinderung sozusagen als "positives Auswahlkriterium" in einem Bewerbungsschreiben erwähnen kann. Ist von euch vielleicht schon mal jemand in der Situation gewesen oder kennt Berichte von anderen die in der Situation waren?

009
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Mi 6. Feb 2013, 23:00 - Beitrag #2

Konkrete HIlfereichung kann ich nicht bieten, meine Idee wäre auch Internet, ggf. behinderte Blogger recherchieren, die etwas entsprechendes berichteten oder auf Nachfrage vielleicht helfen können.

Gibt es möglicherweise behindertenbeauftragte/-verbände, die guten Rat haben?

Was ich aber noch sagen möchte: der Gedanke, Du würdest Dir möglicherweise aufgrund Deines Diabetes einen Vorteil verschaffen, ist grundfalsch. Zudem erscheint er mir absurd.

Diabetes mit den von Dir beschriebenen Folgen ist ein klarer Nachteil. Das Schwerbehindertenrecht versucht lediglich, die durch Behinderung entstehenden Nachteile zu beseitigen, also den Menschen sozusagen zu normalisieren.

Es geht nicht um Vorteilsname oder um Almosen, sondern schlicht um die speziellen Regelungen, die Inhaber eines Ausweises schon von Verfassung wegen und von den Grund- und Menschenrechten her zustehen.

Für Arbeitgeber sind die IIRC höhreren Urlaubsansprüche Behinderter zunächst nachteilig, aber dafür sparen sie sich so ggf. die Abgabe, die sie zahlen müssen, wenn sie zuwenig Schwerbehinderte beschäftigen. Zudem bekommen sie, so meine ich es aus Mitarbeiterzeitungen eines Automobilherstellers zu erinnern, vom IIRC Landschaftsverbang ggf. Zuschüsse zur individuellen Anpassung des Arbeitsplatzes (gut, das trifft wohl eher auf Körperbehinderte zu, weniger bei Diabetikern).

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 7. Feb 2013, 11:05 - Beitrag #3

dieses Gerichtsurteil würde vom Bundesverfassungsgericht mit Sicherheit einkassiert werden, wenn jemand dagegen klagt.

Viel nützen wird das aber nicht. Dieser Satz, demnach bei gleicher Eignung Frauen und gehandikapte Menschen bevorzugt eingestellt werden, ist in der Praxis bezüglich gehandikapter Personen das Papier nicht wert, auf dem er steht. Fromme Willensbekundung bei gleichzeitig völlig abwesender Absicht, die Bekundung auch nur andeutungsweise umzusetzen. Man wird es halt nicht mit der Behinderung begründen, das ist alles. Da dir in der Regel die Einsicht in die Unterlagen anderer Bewerber fehlt, hast du damit auch keine juristischer Handhabe.

Malte279
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Do 7. Feb 2013, 11:28 - Beitrag #4

Naja, der Diabetes ist ja insofern eine Art "Luxusbehinderung" für die Arbeitgeber bei denen ich mich bewerbe als dass es keine Behinderung ist die mich bei der Ausübung meiner Tätigkeiten einschränkt (habe auch in über zweieinhalb Jahren VHS Kursen kein einziges mal eine Veranstaltung wegen Diabetes ausfallen lassen müssen), ich aber trotzdem für die "Quote" gelistet werden kann wo ein bestimmter Anteil an Schwerbehinderten gefordert wird. Nur wie bringt man das ins Bewerbungsschreiben ein. Es gibt überall im Netz nur Tipps dazu wie man es vermeidet das einzubringen, aber nirgendwo Vorschläge dazu wie man es formuliert wenn man gerade wegen der angekündigten Bevorzugung gerne möchte dass der Arbeitgeber Bescheid weiß ohne dass es sich nach irgendeinem Mitleidsgejammer anhört.

Lykurg
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Do 7. Feb 2013, 11:59 - Beitrag #5

Du kannst in einem Bewerbungsbrief einfach darauf hinweisen, daß deine Behinderung - Diabetes - keine Einschränkung für deine tatsächliche Arbeitsfähigkeit bedeutet. Du solltest sie dann auch im tabellarischen Lebenslauf angeben und die Ausweiskopie beilegen. Wenn die Ausschreibung ausdrücklich Schwerbehinderte bevorzugt, dann muß das meines Erachtens reichen - denn die grundsätzliche Frage, ob der Arbeitgeber den Satz (und seine gesetzliche Pflicht, siehe Quoten) auch ernstnimmt, kann man im Voraus nicht beantworten, damit tust du aber mE deinerseits das Nötige, ohne zu 'jammern'. Viel Erfolg! Bild

Maglor
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Do 7. Feb 2013, 20:53 - Beitrag #6

Wie Lykurg schrieb, solltest du es so ausdrücken, dass dich die Schwerbehinderung bei deiner Tätigkeit nicht einschränken wird. Mehr würde ich nie schreiben, schon gar nicht das Kind beim Namen nennen - auch dann nicht, wen es sich um eine "Luxusbehinderung" handelt.
Eine Kopie der Schwerbehindertenausweises solltest auf jeden Fall zur
Bewerbung, ansonsten würde sie ohnehin nachgefordert.
So habe ich mich jedenfalls beworben, mit eher mäßigem Erfolg.

Ohne Schwerbehindertenausweis ist die Schwerbehinderung nicht amtlich und bringt nichts. Nachteile entstehen hierdurch keine. Seine Existenz kann eigentlich immer und überall (anders als die Schwerbehinderung selbst) verschwiegen oder geleugnet werden.

Der sogenannte Staat fährt an der Stelle irgendwie in zwei Richtungen.
Auf der anderen Seite werden Schwerbehinderte bevorzugt, auf der anderen Seite oft vom Beamtenstatus ausgeschlossen. (Auch wenn es hier nicht so weit ist: Die Schwerbehinderung als Beamtenanwärter zu verschweigen hilft rein gar nichts, da der kommende Beamte ohnehin zum gläsernen Menschen wird und alle innerlichen Äußerlichkeiten offenlegen muss. Da ist es völlig egal, ob du einen Schwerbehindertenausweis hast oder nicht, den Diabetes werden sie ohnehin herausfinden.)
Bei ausgeschriebenen Stellen laden die meisten Ämter generell alle schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch - einfach wegen der Sicherheit. :rolleyes:

Bei Bewerbungen in der Privatwirtschaft ist es merkwürdiger.
Eine Firma kann Bewerber wegen ihrer Schwerbehinderung ablehnen, wenn sie den Grund nicht nennt. Von daher ist ein gewisses Restrisiko vorhanden. :rolleyes:
Einen echten Anreiz gibt es eigentlich nur größere Betriebe mit Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung.
Wenn dir natürlich einer schreibt, deine Bewerbung könne aufgrund der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden, hast du gute Chancen beim Arbeitsgericht. ;)


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