Ein Hitler im Landtag

Alle Kunstformen, die nicht von anderen Foren abgedeckt sind (Literatur, Musik, Film...), also z.B. Malerei, Bildhauerei und Architektur.
Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 16. Jan 2014, 11:36 - Beitrag #1

Ein Hitler im Landtag

SpOn: Umstrittene Kunstaktion: Warum ein Hitler im Landtag hängt
Und ich dachte erst, es ginge um ein von ihm gemaltes Bild...

Die Kritik erscheint mal wieder reflexhaft, überzogen und unspezifisch. Etwas mehr Kontextpräsentation hätte man sich von den Ausstellern aber wohl zumindest wünschen können.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 16. Jan 2014, 12:19 - Beitrag #2

Ich hatte vom TItel her auch zuerst ein Gemälde von ihm vermutet. Vielleicht wäre das der brandenburgischen CDU-Fraktion auch lieber?
Zitat von Abgeordneter:Eine Ausstellung zum Land Brandenburg mit seiner Kultur und seinen Landschaften wäre passender
- leider hat er wohl vor allem die Alpen gemalt, und Berliner Architekturphantasien, wird also eher nichts damit (und nein, ich werde an diesem Rechner jetzt nicht nach passenden Gemälden googlen.^^)

Aber ja, ich denke auch, daß die Kritik überzogen ist; eben die Zusammenstellung von Kunstwerken zeigen sollte, daß eben eine Auseinandersetzung erfolgt ist bzw. erfolgen soll. Wie und ob die Ausstellung kommentiert ist, geht aus dem Artikel ja nicht hervor. Kurios aber das Detail mit dem abgehängten Ulbricht-Bild - da wird schonmal was kommentiert, und dann ist es denen auch nicht recht...

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 16. Jan 2014, 13:29 - Beitrag #3

Der erste Google-Vorschlag zu "hitler brandenburg landschaft", der nicht entweder nur Hitler oder nur Brandenburg ist, nichts mit dieser Ausstellung zu tun hat und ein Gemälde ist, wäre dieser Albert Gleizes, der aber Paris zeigen soll und von Hitler nur geplündert wurde.

Da sehe ich keinerlei Kommentierung oder Kontextualisierung:
Bild
Es sei denn, der Text unten auf den Bildern selbst enthält etwas, sieht mir aber eher nur nach Daten und Namen aus.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 16. Jan 2014, 14:30 - Beitrag #4

ein Stalin und ein Lenin sollen ja auch daneben hängen

Ist jedenfalls eine merkwürdige Brechung. Land- und Bundestage thronen doch eher in Repräsentationsbauten. Die Vermutung, Diktatoren-Portraits würden dort zwecks Anstiftung zum Nachdenken über die Segnungen einer pro forma-Demokratie hängen, drängt sich jedenfalls nicht gerade auf. Und dann stiftet die Stilisierung der Figuren auch nicht gerade Klarheit über die Absichten. Vielleicht gibt es ja sowas wie einen Ausstellungskatalog mit Erläuterungen zu den einzelnen Abbildungen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 16. Jan 2014, 14:42 - Beitrag #5

Später mal gucken, ob sich mit einer etwas aufwendigeren Suche mehr zutagefördern läßt.

Danke für das hier verlinkte Ausstellungsfoto! Der Text unten auf den Bildern enthält nichts dergleichen, sondern es handelt sich offenbar um mit den Portraits übermalte Plakate, Titel "Dom und Petrikapelle Brandenburg"; vermutlich zu einer (zurückliegenden?) Ausstellung, entsprechend werden unten deren Öffnungszeiten stehen, ich glaube, die letzte Zeile fängt an mit "Mo - Fr 10 - 18 Uhr" (o.ä.).
Aber guck mal ans rechte Ende der Bilderstrecke, links von der Tür - da scheint mir ein ziemlich langer gedruckter Text zu hängen. Denkbar wäre auch, daß in ähnlichem Abstand links einer hängt; oder daß die Ausstellung insgesamt - die ja noch wesentlich umfangreicher ist - einen kommentierenden Text an zentraler Stelle hat; möglich wäre auch ein fotokopierter Handzettel oder ein gedrucktes Heftchen. (Oder, wie Ipsissimus zu Recht vorschlägt, und sehr viel wahrscheinlicher, ein Katalog; denkbar wäre auch ein Einführungsartikel im Parlamentsblatt, der dann natürlich die Öffentlichkeit nicht erreicht, oder angebotene Führungen.) - Darüber hinaus sind wir es nun einmal gewohnt, daß im öffentlichen Raum Kunstwerke auch unkommentiert herumstehen können, siehe etwa die Wilhelm-II-Reiterstatuen an diversen Orten, sicherlich ebenfalls keine Vergangenheit, auf die man allzu stolz sein kann; eine gewisse Fähigkeit, sich selbst Gedanken zu machen, scheint aber demnach vom mündigen Bürger erwartet zu werden.

Der Gleize wurde sicherlich (das Jahr bestätigt es auch) als "Entartete Kunst" beschlagnahmt, eventuell in München ausgestellt, später vermutlich verkauft oder vernichtet. Mal den netten Herrn Gurlitt danach fragen?

blobbfish
Listenkandidat
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3022
Registriert: 26.01.2003
Do 16. Jan 2014, 21:12 - Beitrag #6

Beim Tag der offenen Tür im neuen Landtagsgebäude sollen schnell verfasste Erklärtexte die Besucher durch die Ausstellung leiten und die Gemälde einordnen.

Es soll also schon Erklärungen dazu geben, insofern als keine einsame Kaiser-Wilhelm-Statue irgendwo in der Landschaft. Die unterschiedet sich von unkommentierten zeitgenössischen Kunstwerken eben dadurch, dass sie, als sie errichtet wurde, kein Infotäfelchen benötigte. Stellte man heute eine Statue Gaucks irgenwo auf, verlangt sicher auch keiner eine Erklärung, die Ursache liegt aber eben darin, dass es an ihm derzeit nicht so richtig viel auszusetzen gibt, würde man heute Kaiser-Wilhelm-Statuen aufstellen, verlangt man da schon eine Erklärung (nicht, dass ich sie nicht für etwas weit hergeholt halten würde...).

Ob in diesem Fall tatsächlich eine Auseinandersetzung entsteht, wage ich allerdings auch zu bezweifeln und wenn ist sie sicherlich sehr schwarz-weiß und ohne historischen Kontext.

Warum aber der Walter Ulbricht, mit dem sich ja offenbar auseinandergesetzt wurde ;), gehen musste, ist mir allerdings schon schleierhaft. Gerade diese offenkundige Diffamation lässt sich wunderbar nutzen, Details zu erläutern, sei es die Frage, wieviel er mordete (bzw. ließ), warum, wen, wann und wie der Vorwurf zu verstehen ist.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Do 16. Jan 2014, 21:23 - Beitrag #7

Hitler ist die letzte Provokation neben toten Katzenbabys.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 16. Jan 2014, 21:53 - Beitrag #8

Zitat von Ipsissimus:Diktatoren-Portraits [..] zwecks Anstiftung zum Nachdenken über die Segnungen einer pro forma-Demokratie
Man beachte, dass viele Diktatoren durch besonders direkte Volksmitwirkungsprozesse an die Macht gekommen sind...

Dein Hinweis auf Repräsentationszwecke ist für mich der entscheidende, um zu klären, warum das hier überhaupt eine Problematik ist. Ein Hitler-Portrait ist ja nun nicht gerade ein Schockbild oder auf sonstige Weise ein evidenter Skandal. Schwierig wird es durch die Konnotation "Porträt in Amtsgebäude = Verehrung und Identifizierung mit historischem Vorbild", die sich aufgrund der Tradition solcher Deko doch sehr übermächtig aufdrängt.

@I+L: Ein Katalog ist wenig hilfreich zur Kontextklarstellung. Es ist ja keine Museumsausstellung, die man gezielt besucht, sondern Wandbehang in einem relativ öffentlichen Nutzbau, sodass kaum ein überraschter Betrachter einen Katalog zur Hand haben wird.

@Lykurg: Stimmt, die Plakatübermalung war mir (im nichtgezoomten Zustand der SpOn-Bildeinbindung) nicht korrekt aufgefallen. Seltsames Stilmittel. Rechts hinten könnte in der Tat eine Texttafel sein.
Wilhelms-Statuen haben den Vorteil, vom historisch unbedarften Passanten heutzutage nicht mal mehr unbedingt als Wilhelm erkannt oder gar mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Ob da jetzt ein Wilhelm, Ernst August oder Marc Aurel über den Marktplatz reitet, macht nur bei genauerem Nachdenken einen Unterschied; im Gegensatz zu Hitler ist die wilhelminische Epoche schon tief weghistorisiert. Erklärungstafeln bräuchte es da eher, um überhaupt ein Bewusstsein für historische Relevanz zu schaffen, nicht wie bei AH, um einer automatischen Überinterpretation zu begegnen.
Unkommentierte Nazi-Hinterlassenschaften im öffentlichen Raum sind wieder etwas anderes; ich habe etwa gerade kürzlich erst daran gedacht, mir mal die Bestätigung anzulesen, dass die faschistoiden Sportlerfiguren am Maschsee tatsächlich faschistisch sind.

Den Gleizes hat Google sich aus dem interessant umgangssprachlich lemmatisierten enWP-Artikel "Nazi plunder" geangelt. Anscheinend ist er schon seit 1937 verschollen, scheint es nicht bis München geschafft zu haben, zumindest nicht auf offiziellen Kanälen.

@blobbfish: Interessant vor allem, dass der Zettelkleber die Mordbilanz von Ulbricht für bemerkenswerter hielt als die von Hitler oder Stalin.

@Maglor: Die letzte überlieferte vielleicht. Aber es gibt zig moderne politische Unkorrektheiten, die mehr Aufschrei erregen als ein Hitler.

blobbfish
Listenkandidat
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 3022
Registriert: 26.01.2003
Fr 17. Jan 2014, 09:19 - Beitrag #9

Zitat von Donna Traitoria:@blobbfish: Interessant vor allem, dass der Zettelkleber die Mordbilanz von Ulbricht für bemerkenswerter hielt als die von Hitler oder Stalin.

Muss er ja nicht getan haben. Eventuell hat er aber auch darauf hinweisen wollen, dass man die Mordbilanz Ulbrichts bitte nicht vergisst, nur weil die Hitlers oder Stalin höher ausfällt.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 17. Jan 2014, 13:30 - Beitrag #10

Man beachte, dass viele Diktatoren durch besonders direkte Volksmitwirkungsprozesse an die Macht gekommen sind...

Demagogie war schon immer eine der beliebteren Waffen der Macht.


Zurück zu Kunst

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron