Nächstes Jahr beginnt ein PC-Generationenwechsel: Die Geräte kontrollieren die Nutzer - nicht mehr umgekehrt
Hamburg - Microsoft und Hewlett-Packard planen, in den USA den «HP Media Center PC» als Weihnachtsgeschenk zu empfehlen. Er hat alles, was technikbegeisterte Jugendliche sich erträumen: DVD- und CD-Spieler, CD-Brenner und TV-Empfang.
Kein Traum ohne Haken: Die geballte Rechnerkraft fesselt Mitschnitte an den Computer, sie können nicht auf andere Geräte kopiert werden. Mit dem Angebot erkunden HP und Microsoft, ob das breite Publikum die Nutzerkontrolle akzeptiert. Sie soll dank neuen Mikrochips von Intel bereits ab 2003 selbstverständlich werden. Bei den Prozessoren mit der Codebezeichnung «Lagrande» verhindern fest in die Schaltkreise eingebaute Mechanismen, dass die Konsumenten ihre PCs nach Gutdünken nutzen - also zum Beispiel Musik und Filme kopieren.
Microsoft steuert ein komplett umgebautes Windows-Betriebssystem mit dem Projektnamen «Palladium» bei. Intel sorgt dafür, dass Hacker die Software nicht manipulieren können. Die «Lagrande»-Chips prüfen ständig die Konfiguration des Rechners. Sie trauen neuen Programmen, Zusatzgeräten und Datenpaketen nur, wenn diese mit einem digitalen Schlüssel autorisiert sind.
«Wer immer die Kontrolle über diese Technik hat, wird sehr mächtig sein», sagt der britische Forscher Ross Anderson von der Universität in Cambridge. Denn der Schlüssel bestimmt, welche Programme ein Computer ausführt und welche Dokumente er zeigt. Nicht mehr die Nutzer kontrollieren ihre PCs, sondern die Computer die Nutzer. Microsoft und Intel lenken so die gesamte Informatikbranche - welche Betriebssysteme und Programme die Anwender nutzen dürfen, welche Geräte miteinander Daten tauschen können.
Hinter dem Intel-Vorstoss wird der Industrieverband TCPA vermutet, eine Allianz von 180 Computer- und Softwarefirmen, die seit drei Jahren an einem Standard für sichere Computernetze arbeiten. Konsens der Mitglieder: Daten, Musik, Bilder, Filme dürfen nicht mehr beliebig kopiert werden, Änderungen an der Konfiguration des PC blockieren das Gerät. «Wir können nicht weiter vertrauen, dass die Technik von den Konsumenten fair benutzt wird», sagt Intel-Vizepräsident Don Whiteside.
Bei dem Technikkonzern bereitet man sich auf Gegenwind vor. «Die neue Sicherheitstechnik wird abschaltbar sein», beruhigt Betriebsleiter Paul Otellini. Es gehe weder um ein Kopierschutzverfahren noch um die Fernkontrolle von PCs. Da aber neue Anwendungen nicht mehr auf alten PCs laufen und ältere Anwendungen von den neuen PCs nicht mehr akzeptiert werden, werden die Konsumenten zum Umstieg gezwungen - in kürzester Zeit.
Sven Scheffler
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