Bilderkennungs-Amoklauf

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Traitor
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So 19. Jul 2015, 10:53 - Beitrag #1

Bilderkennungs-Amoklauf

Vor ein paar Wochen ging die Nachricht von einem äußerst amüsanten Amoklauf eines zu "kreativ" eingestellten Google-Bilderkennungs-Programms durch die Medien, siehe u.a. die SpOn-Galerie und das später nachgelieferte Video.

Der Dalí-Eindruck wird vermutlich auch stark von der (nachträglich festgelegten?) Farbskala gesteuert, mit einem düsteren Filter wären die Ergebnisse wohl deutlich boschiger.

Interessant wäre noch, wie die Ergebnisse aussehen, wenn man nicht eine kleine Anzahl von Suchmustern (Hunde, Pavillions, ...) vorgibt, sondern einen richtig großen Korpus.

Es fragt sich auch, wie lange es dauert, bis ein Geheimdienst ausversehen seine Überwachungsprogramme derartig überscharf einstellt und plötzlich 42 Milliarden Zombie-Bin-Ladens an allen Flughäfen der Welt gleichzeitig sichtet. ;) Oder, deutlich problematischer, eine glaubwürdig kleine Handvoll Unschuldiger in kompromittierenden Zusammenhängen...

Lykurg
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Mo 20. Jul 2015, 10:16 - Beitrag #2

Sehr spannend, das hatte ich verpaßt - und tatsächlich bemerkenswerte Bilder, die dabei herauskommen. Allerdings sind die Vorgaben sehr erkennbar und gerade deren harmonische Auswahl macht es in meinen Augen schön durch stilistische Einheitlichkeit etwa der genutzten Architektur. Ein größerer Korpus würde sicherlich chaotischere Gebäudetypen etc. zur Folge haben, solange das Netzwerk nicht imstande ist, die Ordnungssysteme seiner Quellen zu verstehen (z.B. die Unterscheidung von grashüttenartigen und von pagodenhaften Bauten sowie der romanischen Bögen in dem einen Bild) - dies beizubringen dürfte komplexer sein als das bloße 'Wiedererkennen' von Strukturen in einem Foto.

Bemerkenswert finde ich am Rande auch deine Einsortierung als Software und nicht als Kunst - denn meines Erachtens handelt es sich durchaus um Kunst, bei der der Computer als ein schon ziemlich eigenständiges Hilfsmittel eingesetzt wird, der Mensch aber durch Foto und Vergleichsbild-Korpus die wesentlichen Parameter setzt. Nicht klar ist mir allerdings (und wichtig für diese Beurteilung), ob die Fantasiewesen frei aus mehreren Korpusbildern kombiniert sind oder der Computer dazu ermuntert wurde, zu kombinieren oder gar derartige Vorlagen hatte.

Traitor
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Sa 25. Jul 2015, 12:22 - Beitrag #3

Die Kunst-oder-Software-Frage passt genau zu deiner Einordnung der erkennbaren Auswahl der Vorgaben als positiven Aspekt, während ich sie als überarbeitungswürdigen Makel auf dem Weg zu einem noch interessanteren Projekt sehe. Du siehst also die Software als neues Malwerkzeug für eine neue Kunstrichtung, ich die Kunst als hübsches Nebenprodukt einer interessanten neuen Softwarerichtung.

Vielleicht haben sich ja auch in den frühen 50ern mal ein Kunstfreund und ein Physiker darüber unterhalten, was an Pollocks Werk interessanter ist: dass das ulkige Farbtropfen zu echter Kunst führt, oder dass die Bilder nur ein hübscher Nebeneffekt sind, während die Hydrodynamik der Farbtropfen eine nähere Analyse wert wäre... ;)

Etwas alberner Vergleich, aber prinzipiell sehe ich durchaus eine Verbindung zwischen diesen Formen "indirekter Kunst". Und in beiden Fällen ist das Erkennen von Struktur in eigentlich strukturlosen Mustern wesentlicher Bestandteil des Kunstwerdungsprozesses - bei Pollock allerdings erst im Auge des Betrachters, bei Google schon im Werkzeug.

Hm, hat schon jemand dieses Programm auf abstrakte Gemälde angesetzt...? Aber vermutlich haben die zu wenig Pixel-zu-Pixel-Variation, um spannende Ergebnisse zu produzieren.

Nicht klar ist mir allerdings (und wichtig für diese Beurteilung), ob die Fantasiewesen frei aus mehreren Korpusbildern kombiniert sind oder der Computer dazu ermuntert wurde, zu kombinieren oder gar derartige Vorlagen hatte.

Ich bin auch nicht über die Sekundärquellen hinausgegangen, vermute aber stark:
  • ob die Fantasiewesen frei aus mehreren Korpusbildern kombiniert sind - ja
  • oder der Computer dazu ermuntert wurde, zu kombinieren - ja
  • oder gar derartige Vorlagen hatte - nein
Wie eigentlich immer bei komplexen, vielparametrigen Programmen wird da eine Menge nachträgliches Justieren bei sein, um zu ansehnlichen Ergebnissen zu kommen.

Lykurg
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Mo 27. Jul 2015, 10:28 - Beitrag #4

Nein, positiv ist das nicht unbedingt - die künstliche Intelligenz als eigenständiger Schöpfer von Kunst wäre auch für mich ein noch interessanterer nächster Schritt. Die Frage wäre dabei halt, wie innovativ sie ist, wieweit sie sich von ihren gegebenen Parametern entfernen und weiterentwickeln kann. Ich habe dabei, eigentlich auf der Suche nach abstrakten Vorlagen von Inceptionism'-Bildern (Ergebnis: nein, anscheinend noch nicht, wohl aber auf Grundlage von weißem Rauschen [unpraktisch, der Begriff scheint im Englischen auch für Graphik gebräuchlich zu sein, im Deutschen eigentlich nicht?]) auf artnet eine Reinterpretation des Schreis und eines Seurat gefunden, darüber hinaus aber einen Artikel über automatische Kreativitätsbewertung. Kombiniert damit könnte das Programm schon deutlich selbständiger werden...


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