Ratzi zeigt die Zähne...?

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janw
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Mo 16. Jul 2007, 15:07 - Beitrag #21

Zitat von Padreic:? Hat Ratzinger gesagt, dass Protestanten keine Christen seien, dass sie nicht an Christus als ihren Herren glauben?

Nein, hat er nicht, aber sie eben aus der Gemeinschaft der Gefolgschaft Christi ausgeschlossen, aus der ecclesia, bzw. diesen Ausschluss - ohne jede aktuelle Not! - bekräftigt. Die Zunahme evangelikaler Zirkel, in Südamerika mit beliebig synkretischer Einbindung animistischer Vorstellungen, mag mancher vielleicht als Problem sehen, aber deshalb gleich alle Nicht-Römer und Nicht-Orthodoxen über einen Kamm scheren?!
Gut, meta-betrachtet läuft das jetzt auf die echten und die wahren Christen und die Volksfront zu Befreiung Palästinas hinaus^^

Was die exegetische Fundamentierung betrifft, sehe ich das wie Ipsi.
Allerdings gilt das Problem grundsätzlich für alle Grundlagen des christlichen Glaubens - alle Quellen basieren auf Hörensagen und dessen interessegeleiteter Redaktion und Kanonisierung.
Christsein heißt, einer eigenen Vorstellung davon zu folgen...^^

Zitat von Ipsissimus:ich fände es übrigens schön und sogar gut^^ wenn die Katholen zum alten Ritus zurückkehren würden. Die Belanglosigkeiten, die Priester bzw Pfarrer in ihren Predigten zu vermitteln belieben, interessieren ohnehin keinen Menschen mehr, aber mit der Rückkehr zu den lateinischen Ritualtexten, ergänzt um eine lateinische Predigt, würde die katholische Kirche in erheblichem Maße verlorengegangenen Boden im Bereich Mysthik wieder gut machen^^

Gut, dann ginge es also im Gottesdienst nur noch um a little magic in a noisy world...^^
Damit stünden wir an einem gründlichen Paradigmenwechsel dessen, was Kirche "will":
Die Gespräche Jesu mit seinen Jüngern wie auch seine Gebete zu Gott waren für alle Anwesenden verständlich, auf aramäisch.
Die Predigten in der Diaspora und die Gebete waren auf griechisch bzw. Latein und damit auch für alle Anwesenden verständlich.
Erst mit der Kolonisierung Mitteleuropas aka Christianisierung setzte das Nicht-Verstehen zwischen Klerus und Gemeinde im Bereich der Gebete und liturgischen Sprüche ein, die Verlagerung des Mystischen von der Handlung auf dessen sprachliche Überbringung.
Ein Bruch, der IMHO als im Widerspruch zur vom Anfang überlieferten Praxis stehend angesehen werden könnte. ->rotatio in terram^^

Und das, während all die Jahre Kirche als Quelle gewissermaßen universeller Wahrheiten galt - bis hin zur gottesdienstlichen Rechtfertigung und Gutheißung des staatlichen Handelns in der NS-Zeit, technischer, auch kontroverser, Bauvorhaben bis hin zur priesterlichen Segnung von Autobahnen, Kraftwerken etc.
Die Rückkehr zum gemeinsamen Verstehen erfolgte dann in einer Zeit (oder infolge?) zunehmend geringerer "Quellwirkung" der Kirche hinsichtlich universeller Wahrheiten

Will Kirche jetzt offensiv den Weg zur mystischen Wellnessparty gehen?

Ich will gar nicht abstreiten, daß mir das Ambiente einer lateinischen Messe auch mal durchaus zusagen würde, aber es ist für mich eben die Frage, was Kirche damit bezwecken will und wo sie ihre wirklichen Prioritäten sieht. Ham die nicht wirklich andere Probleme?

[Davon ab, mir fällt ein, daß ich eine ähnliche Diskussion kürzlich mal in einem Zen-Forum bezüglich der Verwendung japanischer Formeln gelesen habe und ihrer differenzierenden Wirkung auf Westler und Japaner]
Nur mal so ganz kurz...wie wird das so "offiziell" gesehen?

Lykurg
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Do 19. Jul 2007, 08:27 - Beitrag #22

Ich will gar nicht abstreiten, daß mir das Ambiente einer lateinischen Messe auch mal durchaus zusagen würde, aber es ist für mich eben die Frage, was Kirche damit bezwecken will und wo sie ihre wirklichen Prioritäten sieht. Ham die nicht wirklich andere Probleme?
Nur ganz kurz am Rande: Genau das ist doch auch die Absicht... Es soll wieder ermoeglicht werden, nach altem Ritus zu feiern. Er wird keinesfalls wieder verbindlich, noch nicht einmal gleichrangig, sondern darf nur dann stattfinden, wenn es am selben Tag auch noch mindestens einen Gottesdienst nach neuem Ritus (am selben Ort) gibt. Insofern laesst sich darin auch ein gewisser Pluralismus sehen, oder jedenfalls die Moeglichkeit dazu, sich die andere Form auszusuchen, wenn genuegend Glaeubige beisammen sind.

Ipsissimus
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Do 19. Jul 2007, 13:37 - Beitrag #23

jan, ich habe das gar nicht zu Ungunsten der katholischen Kirche und noch nicht mal ironisch gemeint. Rationalismus und Humanismus in allen Ehren, aber eine Religion, die sich allzusehr ihrer mythischen Elemente entäußert, erreicht nicht mehr die Herzen der Menschen. Und ich glaube, daß die allermeisten Menschen nachwievor getröstet statt aufgeklärt sein wollen, oder vielleicht besser: über der Aufklärung des Trostes nicht entbehren wollen. Der Katholizismus hat viele Praktiken gekannt, die Meditationspraktiken und magischen Ritualen nahekommen; daher finde ich wirklich, daß es ein Verlust war, die lateinische Messe aufzugeben. Meine Kritik am Katholizismus setzt nicht auf der Ebene der Rituale ein, sondern auf der Ebene der Organisation und des Dogmas.

Was die Verständlichkeit der Lehre zu Zeiten Jesu angeht, mach dir da mal keine zu große Hoffnungen. Selbst wenn Jesus als Wanderprediger in der Volkssprache gepredigt haben mag, sind die Evangelien und die Briefe überwiegend in Gebildetensprache verfasst. Und wie mit einigem Fug dargelegt werden kann, ist das heutige Christentum eine Religion, die auf Paulus zurückgeht, nicht auf Jesus.


Was die Zendiskussion angeht, glaube ich nicht, daß es eine einheitliche Auffassung seitens der Japaner gibt. Die japanische buddhistische Kirche wird den wahren Glauben auch in der Form aufrechterhalten, die Meister werden drüber lächeln, weil es gar nicht nicht um Glauben geht

janw
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Do 19. Jul 2007, 21:16 - Beitrag #24

Hm ja...so langsam überzeugt Ihr mich.
Nur habe ich irgendwie das Problem, daß für mich der alte Ritus irgendwie zu sehr mit machtvoller Aufrechterhaltung einer Distanz zwischen Priesterschaft und Gemeinde zu Zwecken von Machterhalt assoziiert ist, und ich kann mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß einige der Ultrakonservativen, für welche dieses Zugeständnis jetzt umgesetzt wurde, ganz gerne noch mehr hätten. Und da sage ich "kein Fußbreit...!"
Gut, aber das ist politische Wahrnehmung...

Ipsi, ich habe Dich schon ganz ernsthaft verstanden, und meinte es selbst auch ernsthaft, mit einigen Übertreibungen.
Das Problem ist wohl, daß ich als Lutheraner nie durch eine Reform der Liturgie mythische Elemente verloren habe, die stark wortbasierte Praxis bringt es mit sich, daß Gläubiger sich im Ablauf des Gottesdienstes und in der Bibel-Lektüre die mythischen Elemente zusammenfinden muss, es bedarf da keiner geheimnisvoll-fremden Sprache, um diese Stimmung zu erzeugen.
Insofern sehe ich in der Sprachdifferenz eher das Problem der Hierarchieabschottung, der Ent-Gemeinschaftlichung als die Segnungen eines Mittels zur Erzeugung einer mystischen Stimmung.
Was natürlich nicht heißt, daß mir so eine Messe nichts geben würde.

Was Paulus' religionskonstituierende Wirkung betrifft, hast Du recht, das hab ich im Eifer übersprungen - aber hat er nicht auch auf griechisch mit den Griechen in Ephesus usw. gebetet?

Hinsichtlich der Aufklärung bin ich gar nicht mal so ein glühender Verfechter - ich denke, da ist den Menschen einiges an mystischer "Sicherheit" abhanden gekommen, die Welt ist emotional kälter geworden, die Menschen nicht wirklich glücklicher.
Und man sieht ja, daß Menschen neuen Quellen der Mystik zustreben...ob Kirche sie mit dieser Reform zurückgewinnen kann? Ich denke, wenn Kirche noch irgendeinen Stellenwert behalten möchte für die Menschen, muss sie an anderen Punkten ansetzen. Die evangelische z.B. beim Umgang mit ihren Bediensteten, und bei der Wahrung von Standards im allgemeinen Wertewandel.
redde diem reformationis!

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