"Denken der Zukunft"

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henryN
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So 19. Aug 2007, 00:46 - Beitrag #1

"Denken der Zukunft"

wollte nur ein bischen über kreative Formen des Denkens googlen aber bei der Begrifflichkeit "Denken der Zukunft" stosse ich immer auf die gleichen komischen Dinge wie hier:

" "Zukunft zu denken" war immer wichtig. Angesichts eines schnelleren und komplexeren sozialen Wandels wird "Zukunft denken" aber essenzieller als zuvor: für Unternehmen, die verlässlich kalkulieren müssen, für Individuen, die ihre Erwerbsbiographien linear und konstant planen wollen, für staatliche und gesellschaftliche Institutionen, die die grundlegenden Ziele von Wohlstand und Sicherheit, von sozialem Ausgleich und gesellschaftlicher Gerechtigkeit garantieren sollen."

??????

janw
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So 19. Aug 2007, 03:15 - Beitrag #2

Manche Menschen leben eben lieber in den Wolken, als zu merken, wie der Boden unter ihnen schwankt, sehen sich im Dann und Dort, ohne das Hier und Jetzt zu würdigen, und bei hinreichend Einfluss machen sie diese Sicht zum allgemeinen Maßstab.
Sind sie nicht irgendwie süß?^^

Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 20. Aug 2007, 10:40 - Beitrag #3

"Zukunft zu Denken" ist aus meiner Sicht in erster Linie eine plakative ideologische Aufforderung aus dem Bereich des Neoliberalismus; das von dir gebrachte Zitat, Henry, zeigt das ganz hübsch. Als solche würde ich den Ausdruck in die Kategorie "Politiker-/Geschäftsleute-Geschwafel" stecken, da er die übliche Methodik unterstützt, wie man den Leuten Geld u.dg. aus der Tasche ziehen kann: mit erhöhtem jetzigen Leid wird zukünftiges angeblich geringeres Leid erkauft - da in einigen Jahren der Gedanke wiederholt wird, verschiebt sich das geringere Leid auf den St. Nimmerleinstag

janw
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Mo 20. Aug 2007, 11:09 - Beitrag #4

Heiße Luft, im wörtlichen Sinne...denn zum einen geht die Bodenhaftung verloren, der Blick für das Mögliche, Nötige, wird das Sein gegenüber dem Haben abgewertet; zum anderen kostet alles dies Unnötige etwas, und es wird zum Schuldenmachen angereizt. Ergebnis ist ein riesiger Schuldenberg, wohin das führen kann, sieht man in usa.
Eine riesige Luftblase also. Dank "Zukunft denken".

Maglor
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Mo 20. Aug 2007, 12:39 - Beitrag #5

Warum geben Maoisten nicht einfach zu, dass sie Maoisten sind. :rolleyes:

henryN
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Di 21. Aug 2007, 12:13 - Beitrag #6

noch ein anderes Beispiel:

http://www.vonmutius.de/


insgesamt verstehe ich euren Bewertungsansatz, aber irgendwie scheint mir das nicht hinreichend.

Jeder soziale Organismus, der den Anspruch erhebt, nicht nur im Jetzt sondern auch in Zukunft existieren zu wollen, (Familie, Beziehung, Gesellschaft, Unternehmen...) haben ein Zukunfts
bzw. Vorhersageproblem.

Ist die Zukunft determiniert oder nicht, "kann ich etwas dafür tun?".
In irgendeiner Form findet immer eine Vorwegnahme des "Zukünftigen" im Jetzt statt. Das fängt mit so einfachen "banalen" Dingen an wie, "die Milch ist alle, ich muß morgen neue besorgen, da ich sonst keinen Milchkaffee machen kann..." Und nur die Gewißheit, dass sie jederzeit im Supermarkt gegenüber erwerbbar ist, gibt uns die notwendige Ruhe und Zeit, uns anderen "wichtigen" Dingen widmen zu können.

Wäre es ohne diese Form der Selbstwahrnehmung möglich, soetwas komplexes und aufwendiges zu bauen, wie z.b. das neue CERN ?
Oder kann man sich einfach darauf zurückziehen, das dieses uns nicht weiterbringt, eigentlich nicht mehr nützt, als das was wir jetzt haben?

Worüber ich bei obengenannten Beispielen stolpere, ist die Fixierung auf Sicherheit, "Führungskräfte" und "Wirtschaft und Gesellschaft". Neoliberalismus drängt sich als bewertende Kategorie leichtfertig auf. Aber ignorieren kann man diese Problematik auf diese Weise nicht.

Interessant fand ich einen Artikel (GEO) über die Arbeitsweise und Organisationsform beim Bau des neuen Teilchenbeschleunigers. Soweit ich es verstand, basiert das ganze auf dem Prinzip der Selbstorganisation. Und das bei einem solch komplexen Bauwerk! Aber es scheint die bestfunktionierendste Variante zu sein.

Gibt es eine Modelle, "Zeit" anders zu denken, als die Differenz zwischen Zeitpunkt A und B?

Würde der Ansatz helfen, auf ähnliche Weise Zukunft zu gestalten, wie bei der Neugeburt eines Kindes? Wir setzen es in die Welt, begleiten es auf die Welt, aber Denken und Entdecken tut es von selbst? Gibt es selbstorganisierte Grenzziehung? Oder ist es unausweichlich, das ein "Organismus" immer bis an die Grenzen seiner Selbstentfaltung gehen muss?
Gibt es Gegenbeispiele, und warum?

Wie läßt sich glaubhaft vermitteln, dass der "Antrieb" zu "großen" Taten (Alexander der Große, Humboldt, Kolumbus, Amundsen...), kein Traum, oder ein Wille, sondern "systeminterne" Notwendigkeit bzw. banale Neugier ist?

Eine Frage, findet im Jetzt statt aber verweist ebenso auf "zukünftiges" wie ein ausgeklügelter Plan.

Eine Lösung dieser Problematik, würde eventuell auch dazu beitragen das ökonomische Problem von Wachstum und Stagnation zu lösen......

janw
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Di 21. Aug 2007, 13:33 - Beitrag #7

Zitat von henryN:Ist die Zukunft determiniert oder nicht, "kann ich etwas dafür tun?".
In irgendeiner Form findet immer eine Vorwegnahme des "Zukünftigen" im Jetzt statt. Das fängt mit so einfachen "banalen" Dingen an wie, "die Milch ist alle, ich muß morgen neue besorgen, da ich sonst keinen Milchkaffee machen kann..." Und nur die Gewißheit, dass sie jederzeit im Supermarkt gegenüber erwerbbar ist, gibt uns die notwendige Ruhe und Zeit, uns anderen "wichtigen" Dingen widmen zu können.

Die Zukunft ist zukünftige Gegenwart und von daher nicht anders als diese, was ihre Entstehung betrifft. Kontingenz beschreibt diese IMHO am besten.
Natürlich beeinflusst gegenwärtiges Handeln die Zukunft, aber sein Beitrag zur Zukunft ist nur einer von vielen.
Damit wird jede auf die Zukunft gerichtete Gewissheit zur Farce: Jederzeit kann es ein Ereignis geben, das unsere Stromversorgung zusammenbrechen lässt, und wir bleiben bei kaltem Kaffee solo. Jederzeit kann uns ein Ereignis aus der Bahn werfen, in jeder beliebigen Tiefe.
Ich denke, es ist ein Zugeständnis an die Funktionsfähigkeit im Alltag, daß das Bewusstsein hiervon im Alltag runterreguliert wird, das permanent schwebende Damoklesschwert ist eine redundante Information, weil es eh immer und überall schwebt und weil es Denk- und Aufmerksamkeitskapazität blockiert, ohne die wir nicht lebensfähig wären.
Deshalb beeinträchtigt eine Angsterkrankung einen Menschen ja auch so grundlegend in seiner Alltagstauglichkeit.

Wie läßt sich glaubhaft vermitteln, dass der "Antrieb" zu "großen" Taten (Alexander der Große, Humboldt, Kolumbus, Amundsen...), kein Traum, oder ein Wille, sondern "systeminterne" Notwendigkeit bzw. banale Neugier ist?

...in Verbindung mit materiellen und sozialen Möglichkeiten.
Ich denke, Menschen sind mehr oder auch weniger neugierig, streben mehr oder auch weniger nach Horizonterweiterung und Entdeckung neuer Welten.
Dieses jeweilige mehr oder weniger könnte man vielleicht eine persönlichkeitsinterne Notwendigkeit nennen, die sich in Träumen äußert und zu Willen führt.

henryN
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Di 21. Aug 2007, 18:11 - Beitrag #8

Zitat von janw:Damit wird jede auf die Zukunft gerichtete Gewissheit zur Farce: Jederzeit kann es ein Ereignis geben, das unsere Stromversorgung zusammenbrechen lässt, und wir bleiben bei kaltem Kaffee solo.


das stimmt so nicht ganz. Zumindest sind wir schon soweit über komplexe bzw. chaotische Systeme informiert, dass wir wissen, dass es Dämpfungs- und Rückkopplungssysteme gibt. Wenn ich immer einen Fallschirm dabei habe, ist es mir egal ob das Flugzeug abstürzt oder nicht. Ich kann abspringen. Adäquat: Notstromversorgung, paralelle Sicherungs- und Notsysteme, Ampeln, Verkehrsregeln...etc.
Wenn ich 10 gute Freunde habe kann ich sicherer sein, dass immer jemand da ist.

Dennoch, und darin gebe ich Dir natürlich Recht, ist Zeit, die linear verläuft, von jetzt zu einem zukünftigen Zustand, unüberwindbar. Unser allgemeines Denken basiert in vielerlei Hinsicht auf dieser Wahrnehmungsmethode. Zwischen 8 und 16 Uhr vergehen 8h.
Aber z.b. langsamer oder schneller? Oder haben wir nur dieses grundlegende Problem, weil wir u.a. den Begriff "Zeit" falsch verstehen? Gibt es einen wissenschaftlichen oder philosophischen Ansatz, der Zeit als Weg beschreibt?

Gibt es kein "Denken der Zukunft" weil nicht mal die Gegenwart komplex denkbar ist, sondern nur Zustände beschrieben werden?

Ist die Idee, "ich will Sicherheit, um planen (handeln) zu können", eben jene "linieare" problematische Sichtweise, die zu dieser Art Diskussion erst führt?
Ziele sind relativ leicht zu formulieren. Auch dessen Abwesenheit.
Aber Wege? Verläufe?

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 23. Aug 2007, 13:25 - Beitrag #9

Ist die Zukunft determiniert oder nicht, "kann ich etwas dafür tun?".

In irgendeiner Form findet immer eine Vorwegnahme des "Zukünftigen" im Jetzt statt. Das fängt mit so einfachen "banalen" Dingen an wie, "die Milch ist alle, ich muß morgen neue besorgen, da ich sonst keinen Milchkaffee machen kann..." Und nur die Gewißheit, dass sie jederzeit im Supermarkt gegenüber erwerbbar ist, gibt uns die notwendige Ruhe und Zeit, uns anderen "wichtigen" Dingen widmen zu können.


und da bin ich gerade über die Straße zum Supermarkt gelaufen, weil ich ohne Milch keinen Kaffee genießen kann, und da hat mich doch glatt ein Auto erwischt, und deswegen liege ich jetzt hier im Leichenschauhaus. Ach so, und ja, meinen Fallschirm hatte ich dabei^^

Sicherheit ist immer eine Farce. Das einzige, was beim Sturz in einen nahezu unendlich tiefen Abgrund wirklich nützt, ist die Fähigkeit, sich jederzeit grundlos zu entspannen. Der Aufschlag kommt immer im falschen Moment, ob du entspannt bist oder nicht, aber die Zeit bis zum Aufschlag vergeht anders, in Abhängigkeit davon, ob du entspannt bist oder nicht.

Neoliberalismus, Kapitalismus und vergleichbare Auffassungen leben wesentlich davon, dass man Deppen vorgaukelt, sie könnten zu den Siegern eines Systems gehören, welches so gebaut ist, dass nur die Bauherren Sieger sein können. Eines der Mittel, die jenes Vorgaukeln so effektiv macht, ist gerade die Verstärkung und Bekräftigung dieses Sicherheitsbedürfnisses.

Die gesamte Kapazität der Menschheit reicht nicht im Geringsten, um zu antizipieren, was Kontingenz mit einem Fingerschnippen gegen jede Sicherheitsmaßnahme aufbieten kann

Gibt es eine Modelle, "Zeit" anders zu denken, als die Differenz zwischen Zeitpunkt A und B?


ja, aber die sind für Angehörige von Industrienationen nur dann wenigstens im Ansatz verständlich, wenn sie mit ihren fundamentalen kulturellen Konditionierungen brechen. Das macht niemand "einfach so", dazu gehört lebenslange Anstrengung, ohne dass Sicherheit^^ besteht, überhaupt irgendwo anzugelangen

Würde der Ansatz helfen, auf ähnliche Weise Zukunft zu gestalten, wie bei der Neugeburt eines Kindes?


"Zukunft" ist ein Konzept des menschlichen Geistes, und auf die 5 Prozent, die das Kind aus eigenem Antrieb entdeckt, kommen 95 Prozent, die ihm sozial vermittelt, um nicht zu sagen aufgezwungen werden

Wie läßt sich glaubhaft vermitteln, dass der "Antrieb" zu "großen" Taten (Alexander der Große, Humboldt, Kolumbus, Amundsen...), kein Traum, oder ein Wille, sondern "systeminterne" Notwendigkeit bzw. banale Neugier ist?


warum sollte ich so etwas vermitteln wollen, wenn ich davon überzeugt bin, dass der Antrieb aus Machtgier bzw. merkantilen Interessen stammt?

Eine Lösung dieser Problematik, würde eventuell auch dazu beitragen das ökonomische Problem von Wachstum und Stagnation zu lösen......


ich habe bisher nichts gelesen, was mich zu dieser Hoffnung führen würde. Die Fähigkeit und die Gier von Haien, zu fressen, ist unerschöpflich, und mehr Wachstum würde nur auf noch mehr Reichtum des üblichen Pesonenkreises hinauslaufen.

Gibt es einen wissenschaftlichen oder philosophischen Ansatz, der Zeit als Weg beschreibt?


Zen


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