//déjà vu^^// Eine wesentliche Komponente der Unglaubwürdigkeit im Netz diskutierter Verschwörungstheorien sind Anonymität und daraus resultierendes Abschreibertum, das einem kursierenden Text durch Vervielfachung Glaubwürdigkeit zu verleihen sucht, die von Menschen mit wissenschaftlicherem Anspruch allein schon aus diesem Grund abgelehnt werden. Das Internet hat durch seine unbegrenzten Möglichkeiten^^ mit der Verschwörungstheoretik ein altes Phänomen zur neuen Blüte gebracht. Die Nutzerschaft ist vielfältig, es finden sich ja auch eine Reihe von Büchern mit konspirativistischen Inhalten auf den Bestsellerlisten (als Beispiel die Illuminatus-Trilogie), über die entsprechenden Fernsehsendungen wird ein Millionenpublikum erreicht. In diesem Zusammenhang haben die Sachbücher mit den letzten Wahrheiten über das Dritte Reich einen ganz besonderen Stellenwert, der kalte Schauder, der diesem Genre anhaftet, macht seinen Erfolg aus.
Anerkannte Wissenschaftler sehen den Ruf ihrer Disziplinen durch die Vorgehensweise von Kollegen oder nichtakademischen Konkurrenten im Kampf um die Deutungshoheit in Gefahr. Auch diese Gegenwehr kann, wie von Ipsissimus dargestellt, scharf ausfallen und ihre Konsequenzen haben: Wie Erforscher paranormaler Erscheinungen beklagen, reicht der einmalige Vorwurf der Verschwörungstheoretik aus, um bei der Verteilung von Forschungsgeldern, Vorträgen, dem Abdruck von Fachaufsätzen usw. dauerhaft stark benachteiligt zu werden. Damit entsteht bei den so Verschmähten andererseits wieder ein Märtyrerempfinden, die Betroffenen erhalten den Eindruck, ihre Erkenntnis werde aufgrund etwa kommerzieller Interessen oder geistiger Unbeweglichkeit der herrschenden Lehrmeinung bewußt unterdrückt.
Moderne Verschwörungstheorien befassen sich sehr oft mit den Umständen unserer technisierten Welt - das Unverstandene wird mystifiziert, das ungelöste Problem zum Symptom des Scheiterns der Forschung erklärt, schwer vermittelbare Inhalte auch wort- und bildreich widerlegt. Beachtenswert übrigens, daß möglicherweise aus Vorsicht, bloß nicht in den Ruch der Verschwörungstheoretik zu geraten, Vertreter des Kreationismus mW nur in den seltensten Fällen ihren Gegnern unlautere Motive und Geheimbündelei unterstellen.
Übliche Zielgruppen von Verschwörungstheorien früherer Jahrhunderte, die sich aber auch in heutigen Konstrukten regelmäßig wiederfinden, sind Randgruppen aller Art, die ein mysteriöses Moment aufweisen. (Heute weitestgehend erledigt hat sich in diesem Zusammenhang das Mysterium Frau; unverstandene Monatsblutung und Kindgeburt ließen darin Magie erkennen, heilkundliche Kenntnisse und ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Erwartung konnten schnell auf den Scheiterhaufen führen.) Bei den Opfern späterer Verschwörungstheorien handelte es sich oftmals um in der Minderheit befindliche religiöse Gruppierungen, deren Rituale einer Mehrheit unbekannt oder unverständlich und damit in regelmäßiger Konsequenz unheimlich bzw. 'böse' erschienen. Die Gruppe, auf die das mit der historisch größten Regelmäßigkeit zutraf und -trifft, sind 'die' Juden; Geschichten über Schändung blutender Hostien, Entführung und Verzehr christlicher Säuglinge etc. haben (in starker Abwandlung) ihren Weg bis in Tageszeitungen der heutigen arabischen Welt geschafft. Für religiöse Geheimbünde und Sekten wie Freimaurer, Illuminatenorden, Jesuiten, Templer, Katharer uvm. war das Mysteriöse gewissermaßen prinzipbildend, hier ergaben sich die entsprechenden Verschwörungstheorien fast zwingend aus dem Widerstreit mit der katholischen Kirche, deren vatikanische Strukturen ihrerseits zu vielen Vermutungen Anlaß gaben.
Die Abkehr von vielen der letzteren Punkte in Teilen der westlichen Welt liegt in ihren schmerzvollen Erfahrungen begründet, die sorgsam konserviert und dem laufenden Betrieb zugeführt werden (müssen,
über dieses ambige Müssen ließen sich wohl ganze Abhandlungen schreiben^^), um den gärenden Widerspruch ruhigzustellen. Das kann mit einer gewissen Zwangsläufigkeit dazu führen, gegenwartsbezogene Verschwörungstheoretik mit dem Blick auf die historisierende auszublenden. Diese Vorgehensweise ist zwangsläufig wenig fundiert, mit einer ähnlichen Argumentation ließe sich auch jeglicher wissenschaftliche Fortschritt leugnen.
Andere Widerlegungsversuche scheitern (systematisch bedingt) an der immunisierenden Skepsis von 'Konspirativisten', finden aber den Zuspruch derjenigen, die ohnehin nie an die jeweilige Theorie glauben wollten, verschärfen die Gegensätze also nur. Insofern stellt sich mir die Frage nach einer anderen Vorgehensweise - unabhängig von der Frage nach zutreffender oder ablehnender Bewertung. Vollständiger Dissens bei gegenseitiger Unterstellung böser Absichten kann nur den Zweck haben, die jeweilige Gegenseite durch Aussitzen totzukriegen, ist aber letztlich unproduktiv.
Sind wir nicht alle auf
Wahrheitssuche?^^