Ich kann Lykurg nur zustimmen...und Windy nicht widersprechen^^
Insofern, als er ihr offenbar mehrfach glaubhaft versichert hat, er würde sich im Fall ihrer Flucht umbringen, war diese wahrscheinliche Folge Teil ihrer Handlungskalkulation und ist als eingetretene Folge Teil ihrer Handlungsreflektion. Man kann also durchaus von Verantwortung für seinen Tod sprechen - wobei diese hier aber im Verhältnis steht zur Verantwortung für sich selbst.
Daß sie sich selbst befreien wollte, ist völlig verständlich, gleichfalls, daß es geboten war in der Situation. Letztlich muss nämlich auch die Möglichkeit berücksichtigt werden, daß er irgendwann, nach Erkenntnis der Sinnlosigkeit seines Tuns, final Schluss gemacht hätte. Vielleicht sogar recht bald...
Ich habe ihren Ausdruck auch durchaus so empfunden, daß sie das Empfinden der eigenen Verantwortlichkeit durchaus auch innerlich nicht unberührt lässt - bemerkenswert allerdings, daß sie gleichzeitig auch den Zugschaffner zum Mittäter werden lässt, das erinnert etwas an die Selbstvorwürfe von Zugführern angesichts von Selbstmorden auf Bahngleisen.
Ihr Gefühl für die Verantwortlichkeit für das Geschehene äußert sich auch recht deutlich in ihren Aussagen bezüglich der Mutter des Mannes, konkret darin, daß diese nun nicht nur ihr Weltbild und den Glauben an die Welt, sondern auch noch ihren Sohn verloren hat.
Alles in allem Verantwortlichkeit, aber keine Schuld im moralischen Sinne - denn sie hatte letztlich keine andere Wahl.
Zitat von Maurice:Wahrscheinlich, aber können wir uns dessen sicher sein? Da fehlt uns einfach die Innenperspektive des Entführers oder zumindest Aussagen von ihm. Die meisten oder zumindest sehr viele werden ihn ja als "geistig krank" bezeichnen und wenn er sich aus dem Gefühl des Zwanges umgebracht hat, inwieweit kann man dann noch von einer willensfreien Handlung sprechen? Und angenommen er hätte sich aus einem inneren Zwang heraus selbst umgebracht, würde das seine Tat in ein anderes Licht rücken?
In den Äußerungen der Frau Kampusch sind genügend Hinweise enthalten, die mit etwas Einfühlungsvermögen und Lebenserfahrung eine Skizze dessen ergeben, was in dem Mann wohl vorgegangen ist.
Sicher eine schwere Persönlichkeitsstörung, die er aber wohl in der Lage war zu kaschieren - sich eben als der "nette hilfsbereite junge Mann" zu geben.
Dabei wohl Bewusstheit um diesen Sachverhalt, insofern Verantwortlichkeit und willensfreies Handeln. Da klingt für mich nichts an von wirklicher Persönlichkeitsspaltung oder spontanem Kontrollverlust - möglich schon eher eine gewisse Angst vor so etwas.
Daß sicher viele ihn als "geistig krank" bezeichnen werden, ändert für mich nichts an der Falschheit und Gefährlichkeit dieser Zuweisung - letztlich liegt darin für mich eine gewisse Verhamlosung, weil damit IMHO ausgeblendet wird, wie nahe am Abgrund das "Normale" steht. Das Böse ist banal, in gewisser Weise...
"Sperrt die Bestie weg!" würden viele schreien, wenn er noch lebte.
Was wäre eigentlich, wenn er sich eine 16 jährige aus Thailand geholt hätte?