Zitat von Anaeyon:- Ich bin der Meinung, dass es mehr Leid als Freude gibt. Zumindest in meinem Leben, insofern sind für mich soziale Bindungen eher ein Hindernis, aufs Leben konsequent mit dem Sterben zu reagieren. Meine Werte (Moral?) beziehe ich soweit möglich nur aus der Natur, Psychologie, Wissenschaft, usw., deshalb kann ich niemandem das Recht zu sterben absprechen wollen.
Das Problem: Selbst wenn es mehr Leid als Freude gibt, heißt das nicht, dass das für dich auch so sein muss. Da es in Teilen der Welt deutlich mehr Leid gibt als hier, gibt es hier schon mal deutlich weniger (achtung Tautologie, versucht nicht, mir zu widersprechen).
Das größte Hindernis ist wohl eher der Selbsterhaltungstrieb, aber natürlich auch soziale Bindungen.
Wenn du jedoch deine Werte aus Natur und Psychologie holst: Wie willst du dann entscheiden, ob jemand mündig den Tod wählt oder in einer Psychose gefangen ist, die ihm das Leben unnötig schwer erscheinen lässt? Und ob er möglicherweise nach Beendigung der Psychose ein supertolles Leben hätte haben können? (Und ja, das könnte auch auf dich zutreffen. Oder mich. Oder Ipsi. Wer weiß das schon?)
Meiner Meinung nach muss man erst die gegebenen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor man eine irreversible Entscheidung trifft. Das heißt, bevor man sich das LEben nimmt, weil die Schule eine endlose Quälerei ist und danach kommt die Suche nach Arbeit und acht Stunden am Tag und hat man das erst überstanden, ist man alt... bevor einen das aus den Socken haut (kann verstehn, dass es das tut) sollte man lieber auf die Bahamas auswandern, oder Bettelmönch werden, oder seinen Eltern auf der Tasche liegen, die Schule abbrechen und nur noch tun, was einem Spaß macht. Außerdem sollte man es mit Psychopharmaka versuchen, wenn eine Therapie nichts bringen (denn Abhängigkeit von Psychopharmaka ist wohl kaum gefährlicher als Sprung von der Brücke), als letztes Mittel könnte man sogar leichte Drogen ausprobieren. Wenn man nach alledem immer noch der Meinung ist, das Leben sei es nicht Wert, dann kann man wenigstens einigermaßen sicher sein und hat noch ein bisschen was erlebt vorher.
Ein Beispiel: Bis vor weniger Zeit fand ich das Leben deutlich schwerer. Im Wortsinne. Ich fand es schwer, morgens aufzustehen, schwer, mich zu duschen, schwer, zu sitzen statt zu liegen, sogar anstrengend, zu atmen. Ich habe das trotzdem alles gemacht (hab ein tolles Überich) und dachte, das wäre normal so. Dann wurde eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt, seitdem bekomme ich Tabletten und das Leben ist eine ganze Ecke leichter. Ich höre nicht ständig meinen Herzschlag in den Ohren, ich muss keine bewusste Mühe aufbringen, um zu Atmen, ich erwäge nicht gleich, von der Brücke zu springen, nur weil ich mich nach langem Sitzen erheben muss, etc.
Wenn man sich körperlich komplett wohlfühlt, ist es viel leichter, das Leben als etwas positives zu sehen. Und das ist jetzt ein sehr physisches Beispiel, es gibt bestimmt psychische Veränderungen, die den Blick auf die Wirklichkeit noch drastischer ändern können.