Personenunfall - Ein Grund anzuhalten?

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e-noon
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Sa 11. Mär 2006, 16:49 - Beitrag #141

Ein Gewissen ist etwas anerzogenes - Wie Maurice beweißt, müssen Moral und Gewissen nicht zwangsläufig zusammen gehören. Sicher gibt es Menschen, die kein schlechtes Gewissen hätten, jemanden zu bestehlen, es aber aus moralischen Gründen nicht tun. Ebenso gibt es Menschen, die Moral negieren oder ablehnen, trotzdem aber ein schlechtes GEwissen verspüren, wenn sie gegen ihre eigenen Zielsetzungen verstoßen, zB. ein Stück Kuchen essen, obwohl sie abnehmen wollen. Diese Art von schlechtem Gewissen bekommt man anerzogen oder man entwickelt sie selbst, aber sie muss wie gesagt nicht mit Moral einhergehen oder aus dieser entstehen.

Ich denke aber schon, dass der größte Teil der Menschheit dann ein schlechtes Gewissen hat, wenn er gegen seine oder seiner Umgebung Moralvorstellungen handelt.

Störung
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Mo 3. Jul 2006, 21:10 - Beitrag #142

Auch wenn das Thema schon alt ist: ich habe mir einiges durchgelsen und musste mich einfach anmelden, um euch zu antworten.

Die Forderung, einfach drüber zu fahren, finde ich schon verdammt krass. Ich kenne mich mit dem Thema Züge fahren aus, warum dürft ihr drei mal raten. Ich hatte auch schon mal so ein Erlebnis (nicht als Lokführer im Dienst, aber live dabei).
Jedem dieser drüber-Fahre wünsche ich das mal: Man sitzt auf dem Führerstand, die Tachonadel hat die 175 erreicht, man beschleunigt gerade noch (200 sind vmax) und auf einmal steigt so ein Vollidiot ohne zu schauen mit mp3-Player im Kopf 50m vor dir ins Gleis, weil er zu faul ist, die Unterführung zu nehmen. Und was willst du machen? Man kann einfach nur durchreißen, man kann die 136 dB des Makrofons raushauen und man kann das Fernlicht anmachen und man muss beim Fahrdienst anrufen und eine Betriebsgefahr melden. Aber das war es, und bis die 175 abgebrmest sind, dauert das etwa Tausend Meter. Und von hinten schieben 780 Tonnen ICE an. Und noch bevor man irgendeine Bremswirkung merkt, knallt es. Aber wie: eigentlich ist es nicht laut, aber man ist förmlich gezwungen hinzuhören, weil man hofft, dass man nichts zu hören bekommt. Aber es hat gerumst und dieses Geräusch geht einem wirklich durch Mark und Bein: das ist so ein dumpfer Schlag, als haut man mit der Hand auf's Sofa. Es ist wie der Gang zum Schafott. Und wenn es knallt (Nicht schlimm aber man weiß genau, dass es passiert ist), dann ist es irgendwie still, dann hörst du erstmal garnichts mehr.
Ich war glücklicherweise nicht derjenige, der gefahren ist, wir waren zu zweit auf dem ICE. Aber es hat mir gereicht obwohl es wohl noch vom Gefühl her einen großen Unterschied machen muss, ob man selbst der Vollstrecker war oder nicht. Jedenfalls sitzt du dann da oben und weißt: Jetzt muss ich mir das auch noch ansehen. Es ist nämlich verpflichtend, dass nach dem Zusammenprall nachgeshen wird, ob noch was zu retten ist, egal wie schnell, egal wie der Unfall pasisert ist. Normalerweise macht das der Schaffner, aber da wir als Leerfahrt unterwegs waren, war außer uns niemand an Bord. Also musst wir nachsehen. Und as ist so fies, weil du innerlich da garnicht hin willst, weil du deine Ruhe willst und nicht dran denken willst. Aber du musst nachsehen. Und wenn du die Bilder im Kopf hast, wie der Kerl vor dem Zug steht und du dann sie Spuren an der Front siehst, dann realisierst du, was da gerade eben für ein rieseiger Haufen Scheiße passiert ist. Und dann kann man noch so cool sein, aber das kann keiner ab. Der Lokführer hatte gezittert und geheult, der war fertig. Ich weiß garnicht mehr, was ich gemacht habe, aber die Viertelstunde, bis Hilfe kam, kommt dir wie eine Ewigkeit vor. Und dann hockst du da und denkst: Verdammte Scheiße, musste das sein?

Es gibt Lokführer, die stecken das weg nach einiger Zeit, auch wenn das immer in Erinnerung bleiben wird. Aber es gibt welche, die bekommt man da nicht mehr rein, die krigen Schweißausbrüche und fangen das Heulen an.
Und dann will jemand "einfach drüber fahren"? :confused: :confused: :confused:

Anaeyon
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Mo 3. Jul 2006, 21:20 - Beitrag #143

Da will sicher keiner drüber Fahren, der eine Einstellung zum Leben/Töten hat, wie du. Und ich glaube nicht das Maurice, der Threadersteller, ohne mit der Wimper zu zucken drüberfahren würde.

Angenommen man hat aber diese Einstellung nicht, wo liegt das Problem? (rein psychisch, auf das bezogen was du uns hier schön detailliert geschildert hast)..

Maurice
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Mo 3. Jul 2006, 21:59 - Beitrag #144

Bevor ich wieder den Ärger der anderen auf mich ziehe, halte ich besser mal den Mund. Mit meiner Antwort wären nänmlich garantiert einige wieder nicht zufrieden. ^^*

Störung
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Mo 3. Jul 2006, 22:37 - Beitrag #145

Also auf was genau ihr rauswollt, weiß ich jetzt nicht, aber:

Angenommen, man würde mal alles psychologische rauslassen, müsste man allein schon deshalb (es würden sich noch etliche andere Gründe finden) schnellst möglich anhalten, weil ein Mensch im Gleis stellt eine Betriebsgefahr darstellt, d.h. mann muss eine Schnellbremsung einleiten und eine Streckensperrung veranlassen. Man mag es vielleicht nicht glauben, aber der Zug damals war derart beschädigt, dass er die Fahrt nicht vorstetzen konnte (Luftabsperrhahn abgerissen (--> Zug luftleer --> Bremsen fest), Frontschürze aus Kunststoff in Einzelteilen, LZB-Antennenhalterung unter dem Fahrzeug verbogen). Auch eine Streckensperrung wäre so oder so nötig gewesen, denn die Einzelteile der Kunststoffschürze lagen im Gleisbereich. Zudem muss die Staatsanwaltschaft und Polizei anrücken und kären ob Suizid, Unfall, was auch immer. Dafür ist das Anhalten des Unfallfahrzeuges natürlich notwendig und eine Streckensperrung ebenso, die Polizei kann schlecht im Gleis rumspazieren, wenn noch Zugverkehr ist.

@Maurice: Wäre ja auf deine Antwort gespannt!

Maurice
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Mo 3. Jul 2006, 23:32 - Beitrag #146

Störung die Argumente die du u.a. genannt hast, waren auch der Grund, warum ich von meiner ursprünglichen Postioon abgekommen bin. Das sind aber für mich Nützlichkeitsabwägungen, die eine Rolle spielen. Moral interessiert mich weiterhin zumindest nicht direkt.

Ok dann antworte ich trotzdem noch ein bisschen: Ich weiß natürlich nicht, ob ich ohne mit der Wimper zu zucken weiterfahren würde. Aber ich glaube, ich hätte kein Mitleid mit dem Opfer oder hätte deshalb ein schlechtes Gewissen. Ich würde mich nur ärgern, dass da son Depp meinen Zug beschädigt hat und ich den ganzen Ärger von wegen Polizeit und Zeitplan am Hals habe.

So nun stürzt euch wieder auf mich und sagt mir was für ein Unmensch ist bin! ^^

Aydee
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Di 4. Jul 2006, 10:41 - Beitrag #147

nun ja... wenn du, Maurice, deine anfänglichen Beiträge in diesem Thread mal "von der anderen Seite" (also all deine Standpunkte, Erfahrungen außen vor lassend) betrachten würdest, dann könntest du da ne Seite in deinen Beiträgen entdecken die nahezu menschenverachtend rüberkommt.....

Maurice
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Di 4. Jul 2006, 15:01 - Beitrag #148

Verachtung

Ach sag bloß! Meinst du, ich wüsste nicht, dass ich zuweilen so auf andere wirke? ;)

Zuweilen verachte ich nunmal den Menschen. Ansonsten liegt nur eine tendezielle Geringschätzung vor. Möchte man es moderater ausdrücken, könnte man von einem kritischen Menschenbild sprechen. Im Normalfall versuche ich aber so unpräzise Mengenausdrücke wie "der Mensch" zu vermeiden und beurteile nur die vorliegenden Individuun.
Ich gehe davon aus, dass meine Sicht der Dinge die richtige ist (das glaubt ja jeder von seiner Sicht), warum sollte ich also nicht aus dieser heraus, meine Beiträge schreiben?

"von der anderen Seite" (also all deine Standpunkte, Erfahrungen außen vor lassend) betrachten würdest

Verstehe ich dich richtig, dass ich einen objektiven Blick auf die Sache werfen soll? Also einen Blick vom Nirgendwo? Oder soll ich nur die Perspektive wechseln?
Ersteres halte ich für ein nicht zu realisierendes Ideal. Dass ich Letzteres zumindest Ansatzweise beherrsche, hoffe ich, spätestens mit diesem Post demonstriert zu haben.

C.G.B. Spender
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Di 4. Jul 2006, 15:06 - Beitrag #149

Hmmmm....ich tue mich etwas schwer mit dem für mich glücklicherweise nur theoretischen Gedankenexperiment, bei einem solchen Unglück dabei zu sein. Praktisch gesehen würde man sicher stärker reagieren, je nach Alter, Erfahrung und Charakter unterschiedlich.

Betrachtet man die Menschen als intelligente Tiere, so ist es manchmal seltsam, wieviel Wirbel um einen toten Menschen gemacht wird, wenn tagtäglich tausende von Tieren auf Autobahnen und Landstraßen auf ähnliche Art und Weise ihren Tod finden. Nur das sich im letzteren Fall kaum jemand dafür interessiert und die Tiere auch oft weiter plattgefahren werden. Im Bezug auf totgefahrene und bis zur Unkenntlichkeit zerfetzte Tierkadaver kann ich zumindest von pratischer Erfahrung reden, denn während verschiedener Trekkingtouren per Rad hat man diesbezüglich sehr klare Einblicke, deutlich besser als die allermeisten Autofahrer.

Bei so einem Zugunglück verstehe ich rein vom gesunden Menschenverstand her nicht, warum man hier als Lokführer Schuldgefühle irgendwelcher Art haben sollte. Vielleicht gibt es tatsächlich so etwas wie eine instinktive Nächstenliebe, eine anerzogene gibt es sicher, durch die diese Schuldgefühle entstehen. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies vollkommen sinnlos und irrational ist, denn kein Lokführer ist daran schuld, wenn sich jemand absichtlich oder unabsichtlich in Lebensgefahr begibt. In der Praxis ist das sicher leichter gesagt als getan. Trotzdem ist es sinnlos.

Menschenverachtung kann ich bis zu einem gewissen Punkt verstehen, es gibt eine Menge Heuchelei und Ungerechtigkeit in der Welt und sicher mehr Gründe zu hassen, als zu lieben. Vielleicht wären so manche "unterkühlten Menschenverachter", und damit meine ich nicht unbedingt Maurice, in der Steinzeit die besten Jäger gewesen, da unerschrocken...?

Naja, ich will nicht zu sehr abschweifen.

Maurice
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Di 4. Jul 2006, 15:23 - Beitrag #150

Bei so einem Zugunglück verstehe ich rein vom gesunden Menschenverstand her nicht, warum man hier als Lokführer Schuldgefühle irgendwelcher Art haben sollte.

Emotionen lassen sich nunmal nur kausal erklären, nicht aber mit Verstandesgründen rechtfertigen. Aber eine Erklärung gibts du im Anschluss ja selbst:

Vielleicht gibt es tatsächlich so etwas wie eine instinktive Nächstenliebe, eine anerzogene gibt es sicher, durch die diese Schuldgefühle entstehen.

Ich vermute mal beides: Natürliche Disposition zu Symphatie mit anderen Menschen (wobei "natürlich" hier ausschließlich deskriptiv gemeint ist), die durch Erziehung und Umwelt geprägt wird.
Schuldgefühle würde ich aber nicht generell darauf rückschließen, sondern in manchen Fällen auch durch eine Verletzung von verinnerlichten Regeln verursacht sehen.

Die meisten Menschen fühlen sich nunmal idR durchschnittlich zu anderen Menschen mehr hingezogen als zu Tieren. Das ist einfach so, das kann man verstandesmäßig nicht rechtfertigen. Obwohl es auch Leute gibt, die das dann versuchen und dann z.B. mit unserer angeblichen moralischen Erkenntnis argumentieren, dass ein Mensch einen höheren moralischen Wert als ein Tier oder sogar nur der Mensch einen intrinischen Wert hat, das Tier aber nicht. Der Mensch versucht eben ständig sich zu rechtfertigen...

Aydee
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Di 4. Jul 2006, 15:56 - Beitrag #151

(letzes?^^) OT:

ich weiß nicht ob du das weißt, Maurice, du vermittelst jedenfalls sehr oft hinterher einen verblüfft-überraschten Eindruck, dass du so wahrgenommen wirst. Das macht wunder ,-)

NB: imo, ein kritisches Bild von den Menschen zu haben schließt nicht unbedingt verachtend mit ein^^ das sind zwei verschiedene Schuhe^^
Und selbstverständlich gehst du dasvon aus dass deine Sicht der Dinge die richtige ist^^
Die "Empfehlung" einmal die Sichtweise zu wechseln - so dir dies möglich und Wunsch ist - würde dir einfach nur andere Sichtweisen eröffnen, von denen du zwar weißt die du aber nicht in deine Überlegungen miteinbeziehst ("warum sollte ich also nicht aus dieser heraus, meine Beiträge schreiben?" - ist ein nur eine Art Beleg deiner Herangehensweise, keine Kritik an selbiger^^)

zu deinen Fragen nach dem Zitat: Wenn du möchtest^^ wäre es sicherlich erfrischend, würdest du einmal die Perspektive wechseln. Ich weiß nicht wie begabt du in dieser Hinsicht bist - mir zB. fällt es extreeeeeem schwer in die Sichtweise eines anderen, vorallem wenn diese am völlig anderem Ende des "Spektrums" liegt als meine, zu wechseln.


Das ganze vorherige Posting von mir bezog sich eigentlich nur auf deinen Schlusssatz im Post zuvor. Und dabei poppte förmlich die Frage auf, warum du über dich so denkst und gleich auf diese Weise in "Vorarbeit" gehst ,-)



@Spender.
von zermatschen und zerfledderten Tierkadavern kann jeder Autofahrer, der schon ein paar Fahrstunden hinterhat, ein Lied singen. Selbst in Städten ist es scheinbar ein Leichtes Katzen od Eichhörnchen zu "erwischen".....

bin zu faul zum Nachlesen, aber imo bezog sich das "menschenverachtend" weniger auf die Toten (obwohl auch auf die, dann in Bezug auf deren Schicksal, was einen Menschen dazu bringt, sich umbringen zu wollen....) sondern mehr auf die die dann den Kadaver von den Schienen oder Straßen entfernen dürfen.....
(kann mich irren, wie gesagt: bin zu faul zum Nachlesen...)

Maurice
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Di 4. Jul 2006, 20:51 - Beitrag #152

Ich gehe nicht auf den ganzen Beitrag ein, weil ich es ganz schön hart finde, dass du mir unterstellst, dass ich der Perspektive der anderen keine Bachtung schenke und mich nicht in diese hineinversetzen kann. Schau mal in den Bruno-Thread, da sollte offensichtlich sein, dass ich dazu sehr wohl in der Lage bin. Dass du auf Grund von so wenigen Informationen einen falschen induktiven Schluss ziehst, den du aber als einen sicheren erscheinen lässt, finde ich sehr bedauerlich. :rolleyes:

PS: Mal ne Frage an dich: Bist DU eigentlich in der Lage, dich in MEINE Position zu versetzen? Wahrscheinlich nicht, weil du ja nicht mal, meinen letzten Post verstanden hast...

C.G.B. Spender
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Mi 5. Jul 2006, 02:04 - Beitrag #153

Zitat von Aydee:@Spender
bin zu faul zum Nachlesen, aber imo bezog sich das "menschenverachtend" weniger auf die Toten (obwohl auch auf die, dann in Bezug auf deren Schicksal, was einen Menschen dazu bringt, sich umbringen zu wollen....) sondern mehr auf die die dann den Kadaver von den Schienen oder Straßen entfernen dürfen.....
(kann mich irren, wie gesagt: bin zu faul zum Nachlesen...)
Ich sagte "bis zu einem gewissen Punkt kann ich Menschenverachtung verstehen." Der Punkt wäre überschritten, wenn es sich um Vorsatz handelt, wenn jemand bewußt menschenverachtend handelt, obwohl die handelnde Person es anders tun könnte.

Was viele Menschen zu Selbstmördern werden läßt, ist die Gleichgültigkeit der anderen Menschen, zusammen mit Ungerechtigkeit und einer großen Portion Schicksal.

Gleichgültigkeit halte ich daher in bestimmten Situationen für menschenverachtend.

Zitat von Maurice:Schuldgefühle würde ich aber nicht generell darauf rückschließen, sondern in manchen Fällen auch durch eine Verletzung von verinnerlichten Regeln verursacht sehen.
Natürlich, das ist auch wahr und auch das kann Schuldgefühle verursachen.

Aydee
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Mi 5. Jul 2006, 08:56 - Beitrag #154

Maurice, zum PS
Ich bin auf diese deine (jetzt) vorletzte post nicht eingegangen weil sie für mich erstens mit dem Thema beschäftigt (und ich wengier) und zweitens nicht an mich gerichtet hat (du hast dort auf den post von Spender reagiert, für mich war das ein "Gespräch" zwischen euch beiden wo ich mich nicht einmischen wollte)

Ich unterstelle dir nicht dass du dich nicht mit der Perspektive anderer beschäftigst. das tust du wohl. Ich rede aber nicht davon "sich damit zu beschäftigen" sondern "sie anzunehmen" zu übernehmen, sich in sie hineinfühlen zu können. Und nein, (das schrieb ich auch) mir gelingt das nur in den seltensten Fällen



"Dass du auf Grund von so wenigen Informationen einen falschen induktiven Schluss ziehst, den du aber als einen sicheren erscheinen lässt, finde ich sehr bedauerlich. http://the-web-matrix.de/images/smilies/rolleyes.gif "

Kann ich übernehmen und finde ich jetzt auch bedauerlich...
Geht's beiden also so ^^




**und tschüß** ^^

Störung
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Mi 5. Jul 2006, 14:06 - Beitrag #155

Zitat von C.G.B. Spender:
Bei so einem Zugunglück verstehe ich rein vom gesunden Menschenverstand her nicht, warum man hier als Lokführer Schuldgefühle irgendwelcher Art haben sollte. Vielleicht gibt es tatsächlich so etwas wie eine instinktive Nächstenliebe, eine anerzogene gibt es sicher, durch die diese Schuldgefühle entstehen. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies vollkommen sinnlos und irrational ist, denn kein Lokführer ist daran schuld, wenn sich jemand absichtlich oder unabsichtlich in Lebensgefahr begibt. In der Praxis ist das sicher leichter gesagt als getan. Trotzdem ist es sinnlos.


Bis zu dem Tag hätte ich auch gedacht, dass so ein Unglück einen zwar berührt aber nicht großartig verändert. Aber es ist anders. Wenn du auf so jemanden zufährst und irgendwie merkst, dass su nichts mehr tun kannst, dann fühlst du dich wie ein Vollstrecker wider Willen.
Die Schuldfrage stellt sich schon, denn man überlegt sich solche Sachen wie: "Hätte am Bahnhof davor beim Abfahren statt nur 50% Anfahrzugkraft 100% gewählt, dann wären wir ein paar Sekunden früher da gewesen und es wäre nicht passiert." usw. Ist natürlich völlig abwegig, aber so ging es dem Kollegen.

Selbst ich, wo ich doch nur da oben saß und nicht gefahren bin, habe eine Zeit lang gedacht, dass ich schlimmeres hätte vielleicht verhindern können, wenn ich mit auf die Strecke gesehen hätte statt die Fahrplananordnung zu lesen (Zur Info: Zum Fahren reicht eine Person und es ist normalerweise auch nur ein Lokführer drauf), denn vielleicht hätte ich es ja früher erkannt. ich weiß nicht wieso und weshalb, aber man überlegt sich so einen Unfug, man sucht fast nach einem Grund, um sich schuldig sprechen zu können.

C.G.B. Spender
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Mi 5. Jul 2006, 15:33 - Beitrag #156

@Störung:

Ja, das ist schon seltsam. Interessant ist in dieser Hinsicht, dass man sich so etwas manchmal auch bei positiven Dingen fragt, z.B. wenn man knapp einem Unglück entgangen ist, um bei dem Thema zu bleiben. Denn auch wenn man einem Unglück entgeht, kann es von simplen Dingen abhängen, wie einer Kurve, die man mit dem Auto oder einem anderen Fahrzeug schneller oder langsamer als sonst genommen hat, etc., aber das ist nur einer der Faktoren, die man selbst beeinflussen kann. Man agiert jedoch im Bezug auf das bald Passierende im Unwissen, es sei denn man hat so etwas wie vorhersehende Träume, aber die sind oft viel zu vage, um wirklich helfen zu können.

Vieles verläuft leider auch in sehr chaotischen Bahnen, denkt man alleine mal an das Wetter und die Genauigkeit der Vorhersagen. So sehr man sich bemüht und aufpaßt, die vollkommene Kontrolle über das eigene Schicksal hat niemand. Es gibt immer einen unberechenbaren Faktor.

Gründe zu suchen, liegt sicher in der Natur des Menschen, vor allem wenn es in der Perspektive eines Menschen große Ereignisse, wie Unglücke, sind. Genauso wie Menschen immer versuchen sich zu rechtfertigen, wie Maurice schrieb. Leider gibt es nur allzu oft Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle geschehen und u.a. nur Naturgesetzen gehorchen.

janw
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Di 18. Jul 2006, 02:01 - Beitrag #157

Ich denke, es ist nur natürlich und verständlich, daß solch ein Geschehen einen nicht unberührt läßt - letztlich hat da ein Mensch gestanden, egal, ob es seine Absicht war, dort zu stehen, oder ob es unglücklicherweise passiert ist, und das löst alle möglichen Schuldgefühle aus - man hätte es verhindern müssen, auch wenn dies real nicht möglich war, man hat es nicht früh genug erkannt, man, man...

Windsbraut
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Di 18. Jul 2006, 09:33 - Beitrag #158

Zitat von janw:... und das löst alle möglichen Schuldgefühle aus - man hätte es verhindern müssen, auch wenn dies real nicht möglich war, man hat es nicht früh genug erkannt, man, man...


Ich habe ja die Theorie, dass die Schuldgefühle entstehen, weil man sich nicht der Tatsache stellen will, dass man machtlos ist. Auch wenn ein einem nahestehender Mensch eines natürlichen Todes stirbt, fühlt man sich ja häufig schuldig - völlig irrationalerweise. Anscheinend ist es erträglicher, die Schuld auf sich zu nehmen, als sich dem Schicksal ausgeliefert zu fühlen.

janw
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Di 18. Jul 2006, 17:24 - Beitrag #159

Damit magst Du recht haben.
Es scheint da einen sehr weit verbreiteten Drang zu geben, für alles eine verantwortliche Person oder Instanz zu suchen, und für viele ist diese sie selbst.

Maurice
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Di 18. Jul 2006, 18:42 - Beitrag #160

Mich würden Strategien interessieren, mit denen man diesen Hang verringern könnte bzw. verändern könnte.
Ob es da schon helfen würde, eine naturalistische Sicht populärer zu machen?

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