...woraufhin sich das eigene Gewissen trefflich beruhigen läßt, indem man das Tun und Lassen anderer ganzheitlich Revue passieren läßt. Es mag sein, daß die Spende dieser Frau weniger 'wehtut', damit nicht als ein Opfer verstanden werden muß, zugleich auch eine Funktion für sie selbst hat (du hast ganz vergessen, zu erwähnen, daß sie die Spende selbstverständlich von der Steuer absetzt). Trotzdem sind die Organisationen oder Einzelpersonen, die das Geld von ihr empfangen, darauf angewiesen - und in weit größerem Maße darauf angewiesen als auf den einen Cent dessen, der nicht mehr entbehren kann.
Insofern ist es diese hier gebrandmarkte 'Doppelmoral', die einen großen Anteil daran leistet, unsere Schuld gegenüber den Bewohnern ehemaliger Kolonien abzutragen, es ist diese 'Doppelmoral', die von Naturkatastrophen und Bürgerkriegen heimgesuchten Menschen hilft, zu überleben und eine Perspektive gibt, die den Wiederaufbau ermöglicht. Mögen wir es in unserem allwissenden Großgutmenschentum 'Doppelmoral' nennen - derjenige, der die Spende empfängt, wird dafür zu danken wissen, wenn die Spenden ausbleiben, weil Spender diskreditiert werden; wenn nur noch der Arme spenden kann, weil er zweifellos ein reines Gewissen hat.
