Hab grad im Email-Fach die Nachricht gefunden, dass hier wieder was geschrieben wurde...
Als ich mich damals (Juli oder wann das war) das erste mal zu Wort gemeldet habe, war das ja der erste Personenunfall, den ich vom Führerstand aus miterleben musste, und damals war ich auch nur Beimann, habe denjenigen also nicht selbst überfahren.
Inwischen ist es mir perönlich schon zwei mal selbst passiert, dass mir jemand reingerumpelt ist – und irgendwie hat sich meine Einstellung dazu verändert.
Vor dem allerersten Personenunfall war es immer so, dass mir etwas mulmig wurde, wenn etwa jemand zu nah an der Bahnsteigkante stand, während ich mit dem Zug durchfuhr (Es gibt ja offenbar genug Jugendliche, die nix besseres zu tun haben, als Nachts um 23 Uhr an der Bahnsteigkante von irgendeinem Dorfbahnhof zu zechen). Hab dann immer schon die Hand am Bremshebel gehabt und vorsichtshalber mal die Tröte betätigt. Irgendwie hatte ich Schiss da dran vorbei zu fahren, aber es ging ja nicht anders (allein schon vom Bremsweg her wäre das physikalsich unmöglich noch anzuhalten

)
Nachdem ich damals dabei war, als mein Kollegen einen unvorsichtigen Gleislatscher "abgeschossen" hatte, war mir allein schon mulmig, wenn ich überhaupt auf das Fahrzeug steig. Das war aber nur die ersten Wochen so, danach ging es.
Etwa vier Monate nach dem Zwischenfall hatte ich selbst einen Personenunfall, diesmal Suizid. Als ich die Frau da im Gleis stehen sah, hab ich natürlich alles gemacht, was die Vorschriften vorschreiben, aber gelangt hat es trotzdem nicht, wie auch. Jedenfalls hab ich keine Erinnerungen mehr an die Zeit zwischen Erkennen der Gefahr und dem Unfall (das waren so etwa 5-8 Sekunden), außer eine: das Gesicht von derjenigen. Die hat mich mit einem Blick fixiert, dass mir immer noch ganz komsich wird, wenn ich dran denke. Die hat mir direkt in die Augen geschaut, das Bild bring ich absolut nicht aus meinem Kopf.
Nach dem Unfall dachte ich zuerst, dass ich wieder ziemlich Schiss haben werde, wenn ich wieder Arbeiten muss, so wie nach dem ersten Personenunfall. Aber irgendwie war das ganz anders, ich war zwar aufgeregt, als ich das erste mal wieder nach dem Unfall fuhr, aber es ging mir nicht so komisch wie nach dem ersten Unfall. Da habe ich mich relativ schnell von erholt, nur dieses Gesicht eben, da denke ich noch ziemlich oft dran.
Jedenfalls hat sich durch diese zwei Unfälle mein Verhalten auf dem Fahrzeug etwas verändert. Früher, wie oben geschreiben, hatte ich immer schon fast Schweißausbrüche, wenn z. B. jemand zu nah an der Bahnsteigkante steht und ich dran vorbeifahren muss. Heute habe ich da irgendwie kein Problem mehr damit, warum weiß ich nicht. Ich denke mir nur: Wenn einer von euch gleich drin hängt, ist das euer Problem. Ich tröte zwar immer noch, wenn die so einen Scheiß am Bahnsteig machen, aber jetzt eher zum Schutz derer und nicht zu meinem Schutz, wie damals. Insgesamt arbeitet es sich jetzt entspannter, man hat nicht dauernd so eine Anspannung im Körper.
Ja, und vor zwei einhalb Monaten war's wieder so weit, da hatte ich wieder einen Selbstmörder. Diesmal war ich aber irgendwie im Affekt so schlau, und hab sofort die Sonnenschutzrollos runter gezogen, sodass ich denjenigen nicht gesehen sondern bloß seinen Einschlag gehört habe. Ich hab mich in dem Moment zwar wieder ziemlich kacke gefühlt, weil das einfach eine Kacksituation für alle Beteiligten ist. Irgendwie ist man dann immer kurz vom Kotzen, auch wenn man die Unfallspuren garnicht gesehen hat, da reicht wohl schon aus, zu wissen, was für eine krasse Sache da gerade abgelaufen ist.
Aber der Unfall jetzt hat mich nicht so lange verfolgt wie die anderen beiden Unfälle davor. Das war eigentlich alles recht bald "vergessen" (naja, vergessen tut nach sowas nicht, verdrängt wäre wohl das bessere Wort).
Jedenfalls mischt sich bei meinen letzten beiden Unfällen, die ja beide Selbstmorde waren, neben die ganzen Scheißgefühle auch so ein bisschen "Zufriedenheit" (finde kein Wort für das Gefühl, aber Zufriedenheit passt am ehesten). Irgendwie weiß man, dass man jemandem seinen letzten Wusch erfüllt hat. Auch wenn einem lieber gewesen wäre, dass man es nicht tun muss.