Zitat von Ipsissimus:gerade dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie wenig Menschen sich von der Angst vor dem Tod beeinflussen lassen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, daß die Verbrechensrate in den USA bei Verbrechen, die dort mit dem Tode bestraft werden, niedriger ist als in Ländern, die ohne Todesstrafe auskommen
Einer der grundlegendsten Einwände gegen die Todesstrafe, dem ich mich so anschließe, wie ich ihn schwierig finde.
Ich meine, daß jeder reflektierende Mensch mit dem Tod etwas Einschneidendes verbindet, etwas Endgültiges, das dazu unabwendbar irgendwann kommen wird. Für jene, die ihrem Leben einen Eigenwert zumessen, negativ konnotiert, weil das Ende des irdischen Daseins bedeutend, des hiesigen Strebens und Wirkens, und weil Leid verursachend im sozialen Umfeld. Damit wird der Tod wohl von den meisten als bedrohlich und angsteinflößend empfunden werden, und mit diesem Kalkül haben noch alle Diktatoren gespielt.
Indes wird mensch im Allgemeinen den Gedanken an den Tod verdrängen, weil die stete Angst nicht gerade förderlich ist zur Meisterung alltäglicher Klippen.
Ich denke, daß die Angst vor dem Tod als einer möglichen Handlungskonsequenz in jede Handlungsabwägung mit einfließt, dabei aber skaliert werden kann im Verhältnis zur Bedeutung des zu erreichenden Ziels - bis hin zur momentanen Bedeutungslosigkeit bei triebgesteuertem oder affektivem Handeln, das dann ohne Blick auf die Konsequenzen absoluten Vorrang erhält - oder zur vermeintlichen Wahrscheinlichkeit, daß der Tod zum realen Fall wird.
Das heißt, daß politische Aktivitäten, Meinungsäußerungen und soziales Abweichen durch eine Todesbedrohung IMHO eher eingeschränkt werden als die klassischen Todesstrafdelikte - mensch wird da eher erdulden und sich mit den Verhältnissen arrangieren, sich vielleicht soziale Nischen suchen - so lange es irgendwie geht.
Mord und Totschlag sind jedoch Beziehungsdelikte, d.h. die Angst vor den Handlungskonsequenzen, gleich welcher Art, steht hier dem empfundenen "Problem" des Lebens einer bestimmten Person gegenüber, und da wird eher versucht, die Tat so zu begehen, daß der Täter unentdeckt bleibt, der universelle Traum vom perfekten Verbrechen. Bei Tötungen aus dem Affekt und triebbedingten Vergewaltigungen steht die aktuelle Handlung bzw. die Triebbefriedigung derart im Vordergrund, daß die Angst vor jeder Art von Konsequenzen erst hinterher zu Bewusstsein kommt.
Andererseits...
Mein Großvater hat nicht viel aus seiner Kriegszeit erzählt, eigentlich nur, daß einige iirc Serben in der Truppe waren, die nach seiner Darstellung die wirklich Schlimmen waren, nachts mit bloßem Messer losgezogen seien usw. Und auf meine Frage als etwa 13jähriger, warum er denn nicht versucht habe, da weg zu kommen, daß er sonst selbst...
Sollte man anstelle der Angst vor dem Tod nicht lieber von einem Überlebenstrieb sprechen?