Zitat von Ipsissimus:vielleicht gibt es diesbezüglich wirklich 2 Phänotypen des Menschen, solche, die Lust daran haben, zeitweise andere Persönlichkeiten anzuziehen, und solche, die nur sich selbst spielen können
Hättest Du denn wenigstens Lust dazu?
Zitat von Maurice:Ich halte nicht viel von diesem Ansatz [daß das Subjekt sich nur aus situativen Masken konstituiert], weil man ja selbst dann eine Rolle spielen müsste, wenn gar kein Publikum da ist und das finde ich völlig unplausibel. Man könnte höchstens diskutieren, ob wir immer eine Rolle spielen, sobald Leute um uns herum sind. Dass man aber nur aus Rollen besteht, finde ich aus dem erwähnten Grund auf jeden Fall übertrieben.
Wie Ipsi denke ich auch, daß wir wohl kaum je nicht eine Rolle leben. Auch wenn wir alleine sind, verhalten wir uns nicht völlig unbestimmt, ich denke, ein heimlicher Beobachter würde immer einen Maurice, janw oder Ipsi erkennen.
Das Bild von der Zwiebel drückt es dabei für mich recht gut aus: Ihre "Mitte" ist der Zwiebelboden, eine kleine Gewebsplatte am Grunde der Zwiebel, welche aus undifferenzierten Zellen, sog. Meristemzellen, besteht. Ob aus ihnen Wurzel- oder Sproßzellen hervorgehen, entscheidet sich erst, wenn sie nach unten oder oben abgedrängt werden.
Die Leere besteht also darin, daß sie noch undifferenziert sind, noch kein Entwicklungs-Vektor existiert, bzw. die Summe der Potentiale für beide Richtungen noch 0 ergibt.
Insofern denke ich, daß das Selbst als Tiefstrangiges, Maximalpotentielles vielleicht nur dann erreichbar wäre, wenn wir auf das Differenziertheitsniveau des Neugeborenen zurückfallen würden.
Zitat von C.G.B.Spender:Natürlich ist es schwer damit umzugehen. Allerdings kenne ich ein gutes Mittel dagegen: Naturbeobachtung & Meditation und die Leere füllt sich mit wundervollen Dingen.
Neneneh, verirr dich mal bei Nebel im Wattenmeer, und Du weißt, die Zeit läuft ab...oder fahr Dich in der Steppe fest, oder oder...
Das Adrenalin hilft Dir, vor dem Löwen auf die dornige Akazie zu flüchten, und wenn Du gut bist, dann schaust Du dem Leitbullen der Büffelherde so scharf in die Augen, daß er von selbst abzieht, aber nach, sagen wir, ner halben Stunde wird Dir klar, daß die Zeit abläuft, wirklich...tick, tack...wieviel Wasser hast du noch?
Gut, warum die Angst? Kommt sie nicht vielleicht einfach, weil wir einfach unserer selbst bewusst sind und uns in der Ausweglosigkeit dieser Situation wahrnehmen? Oder würde ein Zen-Meister oder ein Lama keine Angst empfinden, weil der Tod für ihn eben nur der Übergang zwischen zwei Zuständen ist, hoffentlich das letzte Mal...?
Zitat von Maurice:Wenn das gesammte Ich nur eine Sammlung an Rollen ist, dann ist das wahre Selbst die Menge an Rollen, die den Rollen am besten gefällt?
Ich denke, das Ich und unsere Rollen sind zweierlei, das Ich gewissermaßen ein semivariables Betriebssystem, eine Matrix, welche den Rahmen liefert für die möglichen Ausprägungen unserer Rollen. Rollen, welche wir spielen, weil wir unserer selbst bewusst sind, die wir dabei so spielen, wie es der Summe unserer Prägungen, "Verhaltensvektoren", nach möglich ist.
Letztlich liefert das Ich direkt auch unsere "default-Rolle", welche in den Vordergrund tritt, wenn in Extremsituationen alle bewährten Verhaltensmuster versagen - jenes Verhaltenskonglomerat, an das alle Personalleiter herankommen wollen, wenn sie Kandidaten auf Extremtouren schicken.
Zitat von Ipsissimus:mir käme es gar nicht so absurd vor, diese ganzen Rollen als rekursive Schleifen aufzufassen, wobei die "Selbst-Schleife" dadurch ausgezeichnet sein könnte, daß ihr kein Abbruchkriterium innewohnt, während die üblichen Rollen recht schnell ihre Abbruchtiefe erreichen. Letztlich sind das aber auch nur bildhafte Vorstellungen von etwas bis dato Unbeschreibbarem.
Bzw. würde ich sagen, daß auch die Selbst-Schleife ein Abbruchkriterium besitzt, nur ist dies situativ bedingt mit sehr großen Freiheitsgraden oder es wird im "Regelbetrieb" durch Selbstaffirmation overridden.
Gut, mein Modell würde etwas haken bei der freudschen Trennung von Ich und Über-Ich, aber vielleicht ist das Ich(=Selbst?) eben jene vektornullige offene Weite, mit der wir auf die Welt kommen, von welcher dann eine Kopie angelegt wird, die zeitlebens mal mehr, mal weniger geformt wird, vielleicht mit Speicherschritten, in welchen bestimmte einschneidende Erfahrungen festgehalten werden.