Korrelation, Kausalität, Vorurteil

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e-noon
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Mo 8. Mär 2010, 13:38 - Beitrag #21

Genau, Gott bewahre, dass wir irgendjemanden so deutlich auf seine Fehler hinweisen, dass er es auch versteht!

Es gibt Menschen, mit denen ist jede Diskussion Verschwendung, weil sie ausschließlich ihre eigenen Argumente hören. Solche Leute gibt es gleichermaßen unter Atheisten wie unter Religiösen. Gut, auch meiner Erfahrung nach häufiger unter Religiösen, vor allem in der fundamentalistischen Variante. Aber der atheistische Bereich ist bei weitem nicht frei von ihnen. Cross-Over-Diskussionen machen imo nur Sinn, wenn alle Beteiligten ein gehöriges Maß an innerer Distanz zu ihren eigenen Ansichten aufbringen. Ansonsten ist der Verlauf einer solchen Diskussion ziemlich sicher vorhersagbar.

Es kommt sicher auch auf das Thema an. Auch ein Fundamentalreligiöser (oder Fundamentalatheist :D ) wird sich eventuell durch Argumente von der richtigen Lösung eines Computerproblems etc. überzeugen lassen, nur eben in einem bestimmten Bereich keine Argumente hören wollen. Oder sie hören, aber so überzeugt sein, dass sie automatisch an der Plausibilität und Evidenz der eigenen Meinung abprallen. Iirc sagte z.B. Makeda einmal, die Existenz Gottes sei für sie ein Axiom, so wie "die Außenwelt existiert" oder ähnliches.

In den seltensten Fällen kann man im Alltag eine Kalibrierfunktion nachweisen, behaupte ich mal.

Aber wie passen diese beiden Aussagen jetzt zusammen:
Gut, auch meiner Erfahrung nach häufiger unter Religiösen, vor allem in der fundamentalistischen Variante.


Die Feststellung einer Korrelation ist meines Erachtens zunächst mal die implizite Offenbarung einer Absicht. Im Rahmen einer Absicht entstehen nämlich Bezüge, die von sich aus, sachlich gar nicht gegeben sind (außer unter extremer Beanspruchung von Chaostheorien). Das Ganze gerät damit meines Erachtens zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.


Für mich ist die "Erfahrung, dass Fundamentalisten weniger offen gegenüber Argumenten sind" gleichbedeutend mit einer persönlich in einer Stichprobe festgestellten Korrelation. Natürlich weniger sicher, weil auch psychische Faktoren hinzukommen (z.B. könnten die argumentresistenten Fundamentalisten stärker in der Erinnerung bleiben), aber wenn man es mal zahlenmäßig am näheren Bekanntenkreis festmacht, stellt es sich so dar. Heißt das nun, man muss diese festgestellte Korrelation so lange als Zufall betrachten, wie man nicht a) die gesamte Weltbevölkerung kennt und b) eine Kalibrierfunktion erstellt hat... oder verstehe ich das falsch? (Müssen im hypothetischen Sinne, "um ein möglichst genaues Abbild der Wirklichkeit zu erhalten...").

Ipsissimus
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Mo 8. Mär 2010, 14:27 - Beitrag #22

betrifft das mich, Lykurg und e-noon? Falls mir etwas entgangen ist, bitte deutlicher hinweisen, ich stehe anscheinend auf dem Schlauch


natürlich meine ich das im Rahmen eines Kontextes, e-noon. Wobei allerdings gerade der weltanschauliche Kontext eine implizite Tendenz aufweist, seinen Kontext zu überschreiten

Kalibrierfunktionen brauchst du ja auch nur bei der Arbeit mit Korrelationen im wissenschaftlichen oder ingenieurstechnischen Bereich. Im Alltag liefern gesunder Menschenverstand oder Bildung ausreichende Kalibrierung. Nur da, wo ein definierter Zustand erwartet wird oder notwendig ist, muss man bei Korrelationen eben äußerst vorsichtig sein. Unterhalb einer Güte der Korrelation von 0,9 wird kaum ein Wissenschaftler oder Ingenieur eine Aussage tätigen, wenn deren Belastung zu erwarten ist.

Das Wesentliche an einer Korrelation besteht darin, dass sie mit Vorsicht zu genießen ist. Wir - das Institut, in dem ich arbeite - baut wissenschaftliche Messgeräte, deren Funktion teilweise auf Korrelationen zwischen Messgrößen und Gebrauchseigenschaften beruhen (Amplitude des magnetischen Barkhausenrauschens versus Härte einer Härtungsschicht, z.B.). Diese Geräte werden üblicherweise erst ab einer Korrelationsgüte von 0,998 ausgeliefert, aber selbst mit dieser Güte sind signifikante Fehlmessungen möglich, vor allem dann, wenn die Kalibrierfunktion aufgrund ungenauer Charakterisierung der Anwendungssituation nicht auf alle auftretenden Parameter hin optimiert werden kann.

Im Alltag ist das viel weniger problematisch. Zum einen können die meisten Menschen mit einer gewissen Fehlerbreite leben. Die statistischen Ausreißer von Erwartungserfüllungen irritieren vielleicht kurzfristig, bewegen aber normalerweise nicht zu einer konzeptuellen Änderung des Weltbildes. Zum anderen ist "Korrelation" ein sehr technischer und statistischer Begriff, der sich nicht mit dem trifft, was Menschen gestalthaft tun, nämlich Abwägen von Inhalten anhand inhaltlicher Kriterien (und nicht Vergleich zweier Zahlenreihen) . Diese aus beiden Umständen resultierende Unschärfe sorgt letztlich dafür, dass im Alltag eine 0,50-Korrelation schon mal als erfülltes Gebet durchgeht, und wir uns bei einer 0,75-Korrelation der Wettervorhersage keine großen Fragen stellen, ob es morgen tatsächlich regnet oder nicht.

e-noon
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Mo 8. Mär 2010, 14:49 - Beitrag #23

Ich denke, Lykurg meinte mich mit irgendwas, aber ich stehe auch auf dem Schlauch. Ich meinte demgemäß Lykurg.

Natürlich, ich kann sehr wohl damit leben und würde mich sogar freuen, auf diskutierfreudige Gläubige zu treffen, die bereit sind, ihre eigenen Axiome und Überzeugungen in Frage zu stellen. Ich habe sogar schon auf Studivz eine Person getroffen, die das in gewissem Maße getan hat (die Diskussion endete damit, dass er die Menschen auch von Jesus überzeugen würde, wenn er wüsste, dass es ihn nicht gibt, weil er meint, dass das gut für die Menschen wäre). Dennoch stehen damit zwei Gläubige, die diskutiert haben (Makeda und Studivz-Mensch), mindestens 20 Gläubigen gegenüber, die ich länger persönlich kenne und die dem diskutieren darüber abgeneigt sind, versus ca. 25 Atheisten, die gerne diskutieren, und 2 Atheisten, die nicht gerne darüber nachdenken (weil sie depressiv sind und der Gedanke sie weiter deprimiert).

Also... was passiert, wenn ich mich irre? Nichts... und diese Meinung verstärkt ja nur meinen Wunsch, mehr Theisten zu finden, die auch mal qualifiziert über Religion (und andere Themen) reden...

Ipsissimus
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Mo 8. Mär 2010, 14:55 - Beitrag #24

ich empfehle dir das Forum von jesus.de^^ dort bekomst du geballte fundamentalistische Diskussionsfreudigkeit, bist du nicht mehr die geringste Lust hast^^

e-noon
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Mo 8. Mär 2010, 14:57 - Beitrag #25

Da bin ich ja mal gespannt :D

e-noon
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Do 1. Apr 2010, 15:50 - Beitrag #26

So. Vorläufiger Stand:

- Lykurgs unterschwellige Kritik wartet immer noch auf Ausformulierung

- In Jesus.de wird weniger diskutiert als vielmehr Meinungen ausgetauscht, selten mal geändert (mir noch nicht untergekommen). Die Beiträge werden mit nervigen "Das Heil Gottes sei mit dir" und ähnlichem unterzeichnet, deswegen und aufgrund persönlicher Paranoia habe ich mich wieder abgemeldet. Die "Sex vor der Ehe - ja - nein ?" threads waren deutlich besser besucht als die theologischen, in denen zum Teil auch Fundamentalreligiöse diversester Ableger des Christentums reinschneiten und ihre Ideen verbreiteten (oder eher verkündeten). Einige bestätigten mir, direkten Kontakt sowohl zu Gott als auch zum Teufel zu haben, was sie gut fanden, denn die Qualen und Versuchungen des Teufels dienten ja nur dazu, den Glauben zu stärken (dass kein Christ jemals Mitleid mit der unfreien, verfluchten Kreatur namens Satan hat, finde ich bezeichnend).

- Wenn ich Ipsi richtig verstehe, sieht er Korrelation als etwas, das mehr in den technisch-wissenschaftlichen Bereich gehört, als in den allgemeinen Erfahrungsbereich. Dem würde ich prinzipiell zustimmen.

Was aber nun, wenn beides zusammenkommt? Wenn also von 100 Statistiken 98 einen negativen Zusammenhang zwischen Religion und Intelligenz und/oder Religion und Bildung bestätigen, ich gleichzeitig die oben genannten Erfahrungen mache, dabei im Kopf behalte, dass es nur um Wahrscheinlichkeiten geht und nicht um a priori-Aussagen über unbekannte Individuen, und dabei zu dem Schluss komme, dass eine Unterhaltung mit einem Atheisten auf mich intelligenter, aufgeschlossener und interessanter wirken wird als eine mit einem (/stark) Gläubigen - ist es dann ein Vorurteil? :confused: Und wenn ja, ist es ein schlechtes?

Lykurg
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Do 1. Apr 2010, 19:27 - Beitrag #27

Ich glaube, die Moderation würde es bevorzugen, wenn ich meine Antwort auf deine Frage als PN verschicke. Ich habe aber keine Lust dazu und unterlasse es lieber ganz - denn wenn du einen Gedankenaustausch mit mir und meinesgleichen als höchstwahrscheinlich uninteressant, weil per se unreflektiert, einschätzen zu können meinst, besteht auch kein Bedürfnis meinerseits, dich damit zu belästigen. Ich sehe auch keine Gesprächsgrundlage, da ich die entsprechenden Schlüsse ziehen muß und längst gezogen habe.

---

Richtig, jesus.de ist auch meines Erachtens ein bißchen neben der Schiene. Aus einer Innenperspektive stellt sich das sicherlich anders dar, und ähnliches könnten sicherlich auch weit genug Außenstehende, etwa der andernorts erwähnte Indianerstamm, über uns hier denken. Aber daß wir Recht haben, liegt auf der Hand.
Wenn [...] ich gleichzeitig die oben genannten Erfahrungen mache, im Kopf behalte, [...] dass eine Unterhaltung mit einem Atheisten auf mich intelligenter, aufgeschlossener und interessanter wirken wird als eine mit einem (/stark) Gläubigen - ist es dann ein Vorurteil?
Nein, dann ist es eine selbsterfüllende Prophezeiung. Das ist für ein Vorurteil schon mal nicht schlecht, es bestätigt erfolgreich die vorgefaßte Meinung.

e-noon
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Do 1. Apr 2010, 21:04 - Beitrag #28

denn wenn du einen Gedankenaustausch mit mir und meinesgleichen als höchstwahrscheinlich uninteressant, weil per se unreflektiert,

Falsch - erstens schätze ich dich (wie zum Beispiel auch Makeda) als nicht besonders gläubig ein. Die Stärke der Gläubigkeit (messbar z.B., aber nicht nur, an Missionstätigkeit, Kirchenbesuch, Bibelzitatkenntnissen) ist direkt negativ korreliert (omg dieses Wort) mit Intelligenz/Bildung. Ich halte dich maximal für diffus gläubig, ohne Festhalten an irgendwelchen Dogmen, erst recht nicht denen, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen (Jungfrauengeburt, leibliche Auferstehung etc.).
Gleichzeitig steht in meinem Post:

[...] dabei im Kopf behalte, dass es nur um Wahrscheinlichkeiten geht und nicht um a priori-Aussagen über unbekannte Individuen

Erst Recht nicht über bekannte Individuen, könnte ich hinzufügen. Und auch bei unbekannten Individuen mag es hochintelligente Gläubige geben (Ratzinger eventuell, sicher auch andere in den Führungsriegen diverser Religionen) - aber dass mit diesen ein für mich interessantes Gespräch möglich ist, sofern sie extrem gläubig sind, halte ich für unwahrscheinlich.
Nein, dann ist es eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Ach ja? Wenn ich ein interessantes Gespräch erwarte, krieg ich eins? :rolleyes: Schön wär's.

Lykurg
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Do 1. Apr 2010, 22:29 - Beitrag #29

Nö, weder in den genannten Prämissen noch im Ergebnis. Glaube ist schlecht meßbar. Die gängige Maßeinheit dafür sind Senfkörner - irgendwo im Lukasevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern: "Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, könntet ihr zu diesem Feigenbaum sagen: 'Reiß deine Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer', und er würde euch gehorchen." - Ob jemand nun 0,06 oder 0,14 Sk Glauben hat, ist schwer zu beurteilen, ich bin mir auch nicht so recht sicher, ob hier die Hirnforschung irgendwann einmal weiterhilft.

Daß ich das Gleichnis ungefähr auswendig kann (wie auch z.B. den Großteil des Passionsberichts nach Johannes und diverse Psalmen), liegt nicht unbedingt an einer besonders tief verwurzelten Religiosität, eher daran, daß ich es als Kind mal verlesen mußte bzw. die Texte mir dank ihrer Vertonungen sehr präsent sind. Übrigens kenne ich aus meinen Kirchenchören auch Leute mit Senfkorngröße 0, denen das partiell ähnlich geht. Deine wöchentlichen Kirchenbesuche in jüngeren Jahren haben dich nicht unbedingt zu einer guten Katholikin gemacht, wenn auch zu einer Fanatikerin mit erheblichem Missionierungsdrang (nebenbei bemerkt vielleicht der penetranteste, der mir bislang begegnet ist, einschließlich ein paar Zeugen Jehovas). Missionseifer fehlt aber einigen mir bekannten und wohl eher stark gläubigen Leuten (~0,2 Sk) völlig.
dass mit diesen ein für mich interessantes Gespräch möglich ist, sofern sie extrem gläubig sind, halte ich für unwahrscheinlich.
Das mag mit genannter Fixierung zusammenhängen. Unter Umständen ist es selbst mit Menschen mit >0,25 Sk möglich, über etwas anderes als ihren Glauben zu sprechen. Es kann allerdings sein, daß sie mit einem darüber sprechen, wenn man davon anfängt. Allerdings ist man dann auch irgendwo selbst dafür verantwortlich, selbst wenn das Risiko nicht auf dem Beipackzettel stand.

Nebenbei bemerkt weiß ich nicht, ob du hier ein interessantes Gespräch erhoffst, ich finde es jedenfalls nicht sonderlich zielführend.

e-noon
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Do 1. Apr 2010, 23:16 - Beitrag #30

Zitat von Lykurg:Nö, weder in den genannten Prämissen noch im Ergebnis. Glaube ist schlecht meßbar.

Messbar ebenso wenig wie Glück oder Zufriedenheit. Trotzdem wird beides in Studien gängigerweise durch Selbsteinschätzung (in einigen Fällen auch Peer groups) abgefragt.

Hier unter SAT s gibt es das Beispiel einer Abstufung der Gläubigkeit bzw. Ungläubigkeit und der Korrelation mit durchschnittlichen Werten in einem standardisierten Collegetest. Ich sauge mir das mit der abgestuften Religiösität also nicht aus den Fingern.

Daß ich das Gleichnis ungefähr auswendig kann (wie auch z.B. den Großteil des Passionsberichts nach Johannes und diverse Psalmen), liegt nicht unbedingt an einer besonders tief verwurzelten Religiosität,

Ich sollte vielleicht einen Disclaimer voranschicken: Aufzählungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bibelkenntnisse sind eins unter vielen möglichen Indizien für die Stärke der Religiösität, das denkbar unsicherste, da viele Atheisten sich intensiv mit der Bibel beschäftigen, jedoch seltener in die Kirche gehen oder beten.

Deine wöchentlichen Kirchenbesuche in jüngeren Jahren haben dich nicht unbedingt zu einer guten Katholikin gemacht,
Zum Zeitpunkt meiner wöchentlichen Kirchenbesuche war ich eine recht gute Katholikin. Als ich das nicht mehr war, hat die Zahl meiner Kirchenbesuche dramatisch abgenommen. In Bezug auf mein Leben ist es also ein Recht guter Indikator für die Gläubigkeit zum jeweiligen Zeitpunkt.

wenn auch zu einer Fanatikerin mit erheblichem Missionierungsdrang

Fanatismus [...] durch das unbedingte Fürwahrhalten der betreffenden Vorstellung und meistens durch Intoleranz gegenüber jeder abweichenden Meinung gekennzeichnet. Der Fanatiker will häufig andere von seinen Ansichten überzeugen („missionarischer Eifer“), lässt jedoch seinerseits keinerlei Zweifel an der Richtigkeit und dem besonderen Wert seiner Überzeugungen zu. Vielmehr verteidigt er sie vehement gegen jede Infragestellung und ist dabei einer vernünftigen, rationalen Argumentation nicht zugänglich.

Missionierungsdrang sicherlich.

Intoleranz? Keinesfalls. Ich toleriere alle Meinungen, auch wenn ich nicht alle Meinungen für gleich durchdacht halte (und einige sogar für lächerlich und absurd).

Zweifel an der Richtigkeit meiner Überzeugungen habe ich durchaus. Ich halte es für den größten Vorteil der Gläubigen, dass sie nie erfahren werden, wenn sie falsch lagen, ich jedoch schon, wenn ich falsch liege, und es andernfalls nie erfahren werde. Ich behaupte nicht, zu wissen](nebenbei bemerkt vielleicht der penetranteste, der mir bislang begegnet ist, einschließlich ein paar Zeugen Jehovas).[/QUOTE] Das mag stimmen, wenn die Eröffnung mehrerer Threads zu ähnlichen Themen dir penetranter erscheint, als an anderer Leute Türen zu klopfen und um Einlass zu bitten.
Tatsächlich? Würdest du mich als weniger penetrant empfinden, wenn ich meine Forenbeiträge in Türenklingeln umwandeln würde? Es nähme mich wunder.

Missionseifer fehlt aber einigen mir bekannten und wohl eher stark gläubigen Leuten (~0,2 Sk) völlig.
Gut für dich.

Unter Umständen ist es selbst mit Menschen mit >0,25 Sk möglich, über etwas anderes als ihren Glauben zu sprechen.
Davon ist auszugehen. Es ist nicht nötig, dass ich auf die Liste meiner hier im Forum geposteten Beiträge verweise; es ist klar, dass auch Atheisten im allgemeinen und ich im besonderen andere Gesprächsthemen kenne.

Es kann allerdings sein, daß sie mit einem darüber sprechen, wenn man davon anfängt. Allerdings ist man dann auch irgendwo selbst dafür verantwortlich, selbst wenn das Risiko nicht auf dem Beipackzettel stand.
Dass sie darüber sprechen, passiert mir des öfteren; dass sie eine gegenteilige Meinung hören wollen, selten. Gerade daran wäre ich aber interessiert: Eine logische, mir zugängliche Erklärung, warum man sich einer Religion zuwendet. Anaeyon hat es geschafft, religiöses Erleben und naturalistisches Weltbild in Einklang zu bringen; das kann ich verstehen. Milena denke ich ebenfalls größtenteils zu verstehen. Padreic dagegen ist mir diesbezüglich völlig schleierhaft. Daher liegt mein Ehrgeiz z.B. darin, Padreic zu verstehen und die Menschen, die intelligent und selbstreflektiert sind und trotzdem an Gott glauben. Denn meiner Meinung nach ist das ein Widerspruch.

Ipsissimus
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Di 6. Apr 2010, 17:26 - Beitrag #31

Daher liegt mein Ehrgeiz z.B. darin, Padreic zu verstehen und die Menschen, die intelligent und selbstreflektiert sind und trotzdem an Gott glauben. Denn meiner Meinung nach ist das ein Widerspruch.


Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Selbstreflektion kann genauso gut auf der Grundlage humanistischer wie religiöser Prämissen erfolgen; eine tiefergehende Selbstreflektion wird in beiden Fällen irgendwann auf Unhinterfragbarkeiten treffen, einfach deswegen, weil der betreffende Mensch ohne selbige buchstäblich ins Nichts starrt, oder ins Rauschen, eine mehr als verstörende Erfahrung. Ein religiös basierter Mensch geht bestimmte Risiken ein, sein Leben auf die Grundlage eines Glaubens zu stellen; ein humanistisch basierter Mensch geht andere Risiken ein, sein Leben auf die Grundlage von humanistischer Rationalität zu stellen. Letzten Endes sagt es nichts über die Emanzipiertheit eines Menschen von seinen Unhinterfragbarkeiten aus, welcher Basis diese Unhinterfragbarkeiten entspringen; über ihren Schatten springt keiner der beiden (dazu bedarf es Mittel, die weder Glaube noch Humanismus/Rationalität zur Verfügung stellen).

e-noon
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Di 6. Apr 2010, 18:02 - Beitrag #32

Selbstreflektion kann genauso gut auf der Grundlage humanistischer wie religiöser Prämissen erfolgen; eine tiefergehende Selbstreflektion wird in beiden Fällen irgendwann auf Unhinterfragbarkeiten treffen

Zustimmung.
Ich würde auch nicht behaupten, dass religiöse Menschen zur Selbstreflektion nicht fähig sind oder dass Atheisten über Axiome verfügen würden, die nicht weiter hinterfragt werden können oder müssen. Dennoch geht es nicht nur um Selbstreflektion (was genau verstehst du darunter?), sondern auch um das Verständnis der Welt. Natürlich kann ich ein religiöses Weltbild ebenso wenig widerlegen wie ein solipsistisches.

Trotzdem ist ein religiöses Weltbild häufig inkonsistenter als ein atheistisches, zumindest nach meiner Erfahrung. Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist; es gibt also keinen logischen Grund, aus dem Lebewesen NICHT leiden sollten. Leid erfüllt seinen Sinn in der Evolution; Leidvermeidung vergrößert die Chancen auf Überleben.

Ein Gläubiger könnte (gegenüber sich selbst) in Erklärungsnot geraten, warum ein perfekter, liebender Gott es zulässt, bzw. aktiv durch Erschaffung der Welt daran beteiligt ist, dass Leid entsteht, und zwar übelst großes Leid in allen Ecken der uns bekannten Welt. Die üblichen zwei Theorien sind "Prüfung" und "freier Wille", die jedoch, im Gegensatz zu "blinde Evolution" mehr Fragen aufwerfen, als sie klären; damit im Grunde nichts klären.

Außerdem haben Religionen die Tendenz, aus dem Nichts Fakten zu schaffen; das ist mit einem wissenschaftlichen Weltbild nicht vereinbar und muss demnach in den allermeisten Fällen mit diesem im Widerspruch stehen.
Vor kurzem hat Ratzinger den Limbus abgeschafft. Es wurde also ein unsichtbarer Raum, von dem kaum jemand etwas wusste, für den es auch nie Belege gab, auf Grundlage einer persönlichen Gefühlsentscheidung abgeschafft. Wen das nicht stutzen lässt... :confused:

Ähnliche Probleme bereiten Dogmen wie:
Zitat von wiki:- Transsubstantiation (Eucharistie-Verständnis)
- Unbefleckte Empfängnis Mariens
- Unfehlbarkeit des Papstes
- Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel


Für den Islam wäre es die Unfehlbarkeit des Koran, die Gläubige dazu "zwingt", vage Aussagen über "Berge, die wie Wolken vorbeiziehen" auf die Plattentektonik zu beziehen, und ähnliche Scherze. Ein intelligenter Mensch, der darin ein Problem sieht, könnte Gottes Wort natürlich zur Metapher erklären und sich selbst aussuchen, was wörtlich zu verstehen ist und was nicht; damit ist er aber nach meinem Verständnis weniger religiös als jemand, der sich so gut es geht an den Wortlaut hält und auch Fakten seiner Bibel unterordnet. Ein Biologe, der an unbefleckte Empfängnis glaubt, wäre für mich ein Beispiel für einen sehr starken Glauben. Meines Wissens ist der Fall jedoch eher selten.

Natürlich kann man solche Sachen wie die Ablehnung der Evolution, die Abstammung der amerikanischen Ureinwohner vom 13. Stamme Israels, Die Wunder des Korans oder unbefleckte Empfängnis und leibliche Auferstehung, sprechende Schlangen etc. als unerheblich verwerfen - schließlich hat es auf das praktische Leben kaum einen Einfluss, ob ich an die Evolution "glaube" oder nicht. Trotzdem denke ich, dass sich hier Abgründe auftun, die zwar von den Gläubigen meist streng auf das Gebiet des (eigenen) Glaubens beschränkt werden (Glaubenssätze anderer werden oft auch von Gläubigen belächelt), dennoch in der ein oder anderen Weise auch sein/ihr Weltbild und damit den Umgang mit Informationen jeglicher Art beeinflussen werden.

Padreic
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Di 6. Apr 2010, 22:18 - Beitrag #33

@e-noon: ich möchte - zum wiederholten Male - darauf hinweisen, dass ich nicht an Gott glaube, zumindest nicht im engeren Sinne. Allerdings habe ich einen großen Respekt und eine gewisse Zuneigung zum christlichen Glauben, insbesondere dem katholischen. Das ist zum Teil eine emotionale Sache, die rationale Argumente ignoriert, zum Teil ist es aus der Überzeugung heraus, dass die christliche Religion viel Wahrheit beinhaltet. Ich gehe davon aus, dass andere Religionen wie Buddhismus und Hinduismus, aber auch Judentum und Islam und auch sicher verschiedenste Naturreligionen einiges an Wahrheit enthalten. Das Christentum ist mir aber vom kulturellen Hintergrund am nächsten, ich kenne es am besten und dessen Aussageweise ist mir am verständlichsten. Dieselbe Wahrheit kann in scheinbar diametralen Äußerungen enthalten sein.

Was der Fall ist, ist, dass ich einmal an Gott geglaubt habe. Wenn es erlaubt ist, so persönlich zu werden, will ich die genauen Umstände ein wenig ausführen. Der Zeitraum, in dem ich an Gott gedacht habe, war in etwa von der Mitte meines 15. bis zum Ende meines 17. Lebensjahres. Ich bin keinesfalls christlich, wenn auch nicht direkt atheistisch erzogen worden. Wenn ich mich recht entsinne, hatte ich schon in früherer Jugend eine gewisse Vorliebe für den Gottesglauben, bin aber nicht so weit fortgeschritten. Der konkrete Anlass für mein Konvertieren zum Gottesglauben war meine Lektüre über mittelalterliche Philosophie in der Philosophiegeschichte von Hirschberger, insbesondere die fünf Wege zu Gott des Thomas von Aquin. Es war mir natürlich auch damals vollkommen bewusst, dass es keine zwingenden Beweise waren; aber für mich waren es damals ausreichende Hinweise. Dies war natürlich zum Teil meiner emotionalen Verfassung geschuldet, dem Suchen nach Halt und dergleichen, aber ich möchte zugleich darauf hinweisen, dass es primär erstmal eine intellektuelle Entscheidung war und unsere Emotionen immer unsere Einschätzung von der Stichhaltigkeit von Argumenten (insbesondere in einem Raum, der nicht direkt von der Erfahrung überprüft werden kann) beeinflusst.
Sehr wichtig war dann für mich, auch eine emotionale Bindung zum Glauben zu bekommen. Das geschah, nachdem jemand, dem ich von einigen persönlichen Problemen erzählt hatte, zu mir sagte, dass er für mich beten würde; diesem Beispiel folgend fing ich dann auch an zu beten, zunächst sporadisch, dann jeden Abend im Bett Vater Unser, Psalm 23, das Sanctus und einige Fürbitten (auch wenn ich manchmal zwischendurch schon einschlief). Lektüre von Guardini und Kierkegaard haben dann das existentielle an meinem Glauben vertieft.
Gegen Ende meines 17. Lebensjahres verschob sich dann mein emotionales Gefüge, wohl primär wegen einer unglücklichen Verliebtheit (oder vielmehr dem Eingestehen des Gescheitertseins derselben), ein wenig und dann mit dem Katalysator einer Nietzsche-Lektüre (die aber letztlich im Vergleich nicht allzu viel Gewicht hatte, schätze ich) habe ich den Glauben wieder aufgegeben. Auch wenn ich das beten auch heute noch manchmal nicht sein lassen kann (obwohl ich mich ob der darin enthaltenen Lüge "Gott gegenüber" (so merkwürdig das klingen mag) etwas unwohl fühle).
Ich will noch hinzufügen, dass ich zwar zwischendurch dem christlichen Glauben sehr nahe war, aber nie so recht Christ war. Interessanterweise fiel mir mit am schwersten zu akzeptieren, dass ich nach meinem Tode fortleben würde (weil ich das einfach nicht wünschte), obgleich ich einsehen musste, dass das integraler Bestandteil des christlichen Glaubens ist, da es mehr oder minder aus der leiblichen Auferstehung Christi folgt. Wirklich viel an meinem täglichen Leben hatte der Glauben sicherlich nie geändert.

Was ich hier noch einmal betonen möchte, ist das Gottesglauben keine Unreflektiertheit sein muss, sondern er vielmehr auf unterschiedlichen emotionalen und existentiellen Verfassungen beruht (oder beruhen kann), die verschiedene Argumente unterschiedlich beurteilen lässt. Für die Korrektheit eines wissenschaftlichen Weltbildes (in einem Sinne, wie e-noon es aufzufassen scheint, wo es z. B. der Transsubstantiation widerspricht, obgleich sich ja die Wissenschaft erstmal nur mit den Akzidentien beschäftigt...) gibt es keine stichhaltigen Beweise.

Eine allgemeine (negative) Korrelation zwischen Intelligenz und Gläubigkeit widerspricht durchaus nicht meinen Erfahrungen. In meinem engeren Bekanntenkreis, wo ich einige recht intelligente Leute verorten würde, würde ich schätzen, sind die meisten Atheisten. Ich glaube aber nicht, dass die meisten von ihnen besonders reflektierte Atheisten sind, sie sind es mehr per Defaultmodus, da es für sie einfach keinen Grund gibt, an Gott zu glauben. Eine durchaus verständliche Einstellung, die ich aber nicht im besonderen Teile. Daneben muss ich sagen, dass einer der reflektiertesten Menschen, die mir wohl in meinem Leben untergekommen sind, gläubiger Katholik ist. Ich muss aber sagen, dass ich mich mit den meisten meiner Bekannten nicht ernsthaft über Religion unterhalte, so lange sie das Gespräch darüber nicht suchen - ganz allgemein suche ich nicht im besonderen ernsthafte und persönliche Gespräche, obwohl ich mit bestimmten Personen doch sehr mag.

Mit "Das Heil Gottes sei mit dir" zu unterzeichnen, finde ich im christlichen Kontext übrigens als eher freundlich. Das ich doch eine nette Sache, die dir jemand wünschen kann! Oder fändest du es auch nervig, wenn dir jemand, nachdem ihm vielleicht von gewissen Problemen erzählt hast, dir sagen würde "Ich weiß es nicht, ob es dir etwas bedeutet, aber ich wünsche dir, dass Gottes Segen mit dir sein wird."?

Ipsissimus
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Di 6. Apr 2010, 23:54 - Beitrag #34

Zitat von e-noon:Trotzdem ist ein religiöses Weltbild häufig inkonsistenter als ein atheistisches


es ist in den Fällen, in denen es inkonsistent ist, anders inkonsistent als atheistische Weltbilder in den Fällen, in denen sie inkonsistent sind^^ wie die Häufigkeitsverteilung dieser Inkonsistenzen aussieht, müsste noch mal untersucht werden, sobald wir gemeinsam akzeptierte Kriterien für diesbezügliche Inkonsistenz haben. Bis dahin bleiben derartige Aussagen Gruppen-Ideologie.

[quote]Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist]

ist das jetzt echte Teleologie und somit ein teleologischer Fehlschluss, ist es Tautologie oder einfach nur metaphorische Sprache? Vermutlich von allem ein bisschen^^ Und es gibt immer noch keinen Sinn in der Evolution. Sinn deklarieren wir - weil wir die Kontingenz nicht ertragen - nicht aber die Evolution oder das Universum. Der letzte zitierte Satz hat es allerdings in sich. Leidensdruck-Ideologie?

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Mi 7. Apr 2010, 00:31 - Beitrag #35

Vielen Dank für deine Erläuterungen, Padreic :)
ich möchte - zum wiederholten Male - darauf hinweisen, dass ich nicht an Gott glaube, zumindest nicht im engeren Sinne.
Das "nicht im engeren Sinne" hatte ich durchaus noch in Erinnerung. Somit im weiteren Sinne? Wenn ja, dann mehr im Einstein'schen Sinne* - als Metapher für Harmonie des Universums - oder im esoterischen Sinne - als "Energie" des Kosmos oder ähnliches - oder im deistischen Sinne?
aber ich möchte zugleich darauf hinweisen, dass es primär erstmal eine intellektuelle Entscheidung war und unsere Emotionen immer unsere Einschätzung von der Stichhaltigkeit von Argumenten (insbesondere in einem Raum, der nicht direkt von der Erfahrung überprüft werden kann) beeinflusst.
Das ist, denke ich, der Knackpunkt des Ganzen. Wie lächerlich etwas auch von außen scheinen mag - von Schamanen, die auf Bananenblättern zur ihren Dschungeltreffen reiten, bis hin zu 600 Seiten schweren Abhandlungen über die tatsächlichen Wesenseigenschaften der Dreieinigkeit - man kann es selten von innen UND außen betrachten, sondern entweder/oder, und es wird einem anderen Individuum nur so plausibel oder hanebüchen vorkommen, wie dessen Emotionen es zulassen.
Dennoch gibt es dann aber den (von mir beobachteten und hier angezweifelten) Umstand, dass unter den Reflektiertesten und Gebildetsten eher eine größere Tendenz zur Übereinstimmung zumindest hinsichtlich der Gottesfrage zu geben scheint (vorsichtig genug formuliert? ^^).

Sehr wichtig war dann für mich, auch eine emotionale Bindung zum Glauben zu bekommen. Das geschah, nachdem jemand, dem ich von einigen persönlichen Problemen erzählt hatte, zu mir sagte, dass er für mich beten würde; diesem Beispiel folgend fing ich dann auch an zu beten, zunächst sporadisch, dann jeden Abend im Bett Vater Unser, Psalm 23, das Sanctus und einige Fürbitten (auch wenn ich manchmal zwischendurch schon einschlief).

Dazu würde mich natürlich brennend interessieren:
- Hat es dir genutzt, zu beten?
- Hat es dir genutzt, dass jemand für dich gebetet hat?

Lektüre von Guardini und Kierkegaard haben dann das existentielle an meinem Glauben vertieft.
Ein weiterer Knackpunkt: Der Gläubige wird (dies eindeutig im Gegensatz zum Atheisten) zumindest in seiner peer group und in der Wahl seiner Lektüre imo seltener mit anderen Standpunkten konfrontiert. Die Lektüre eines Imams wird wohl seltener ein Buch eines Richard Dawkins beinhalten, als die eines überzeugten Atheisten die Bibel/den Koran/etc. Somit stabiliert das Glaubenssystem (egal welches) sich selbst über die peer group (tatsächliches Umfeld und evtl. intellektuelle Beschäftigung); irgendwann denkt man nur noch darüber nach, was es heißt, dass die Hostie dem Wesen nach gewandelt wird, und nicht mehr darüber, wie man eigentlich darauf gekommen ist. Als Gläubiger merkt man imo seltener, um eine genannte Metapher aufzugreifen, dass das eigene Weltbild auf Sand gebaut ist; dabei wäre gerade das eine befreiende Erkenntnis. Dagegen habe ich das Gefühl und kann zumindest für mich selbst behaupten, dass ich in erster Linie Skeptiker bin und erst in zweiter (oder dritter) Linie Atheist.
Eine allgemeine (negative) Korrelation zwischen Intelligenz und Gläubigkeit widerspricht durchaus nicht meinen Erfahrungen. In meinem engeren Bekanntenkreis, wo ich einige recht intelligente Leute verorten würde, würde ich schätzen, sind die meisten Atheisten. Ich glaube aber nicht, dass die meisten von ihnen besonders reflektierte Atheisten sind, sie sind es mehr per Defaultmodus, da es für sie einfach keinen Grund gibt, an Gott zu glauben.
Das reicht doch. Wenn alle Menschen aufhören würden, an Dinge zu glauben, für die sie keinen Grund (Evidenz, Anhaltspunkt; Beweise, die über "der da hat's mir erzählt" hinausgehen) haben... :cool:
Wie siehst du hier das Verhältnis von (gefühlter) Korrelation/Erfahrung, Kausalität und Vorurteil?


@Ipsi:
Zitat von e-noon:Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist]

ist das jetzt echte Teleologie und somit ein teleologischer Fehlschluss, ist es Tautologie oder einfach nur metaphorische Sprache? Vermutlich von allem ein bisschen^^ Und es gibt immer noch keinen Sinn in der Evolution. Den Sinn deklarieren wir, weil wir die Kontingenz nicht ertragen, nicht die Evolution und nicht das Universum. Der letzte zitierte Satz hat es allerdings in sich. Leidensdruck-Ideologie?
Sonst beschwerst du dich immer, wenn es entweder-oder-Fragen gibt ^^ soll ich einfach mal mit "ja" antworten?
Teleologie - keinesfalls, wo siehst du die? "Leid erfüllt seinen Sinn" heißt nichts anderes als "ich denke, Individuen einer gewissen Komplexität, die Schmerz als unangenehm empfinden und ihm ausweichen, hatten in der Vergangenheit größere Überlebenschancen als Individuum, die lächelnd im brennenden Feuer stehenbleiben, bis sie zu Aschehaufen wurden" (zum Beispiel). Aschehaufen haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, sich fortzupflanzen, als schmerzempfindliche Individuen, daher sind wir als deren Nachkommen schmerzempfindliche Individuen. Das war jetzt auch noch verkürzt und teilweise metaphorisch, aber vielleicht wird ja so klarer, was gemeint war. Was ich nur sagen wollte: Evolution als Theorie gerät selten in Erklärungsnot: Evolution ist nicht zielgerichtet, daher kann etwas schlechtes ebenso dabei herauskommen wie etwas gutes. Schöpfung ist zielgerichtet, und wenn ebensoviel schlechtes dabei herauskommt, wie gutes, ist die Theorie vom allliebenden allmächtigen Schöpfer in Erklärungsnot. Tautologisch mag es für Evolutionisten klingen, aber davon gibt es dann leider doch zu wenige, als dass ich es gänzlich als Tautologie abtun würde.
es ist in den Fällen, in denen es inkonsistent ist, anders inkonsistent als atheistische Weltbilder in den Fällen, in denen sie inkonsistent sind

Joa, so könnte man es formulieren :D Aber für mich ist "menschlicher Körper erhebt sich durch pure Flowerpower und fährt in ein unsichtbares Reich, das wir aus einem 2000 Jahre alten Buch kennen" irgendwie... gröber inkonsistent als "ich sollte keine Schokolade essen, aber ich tue es".
Vielleicht kein gutes Beispiel, kannst du mir ein paar Beispiele für Inkonsistenzen in atheistischen Weltbildern aufzeigen?

_________
*Über Einstein habe ich keine Nachforschungen angestellt, das war nur meine erste Interpretation eines Zitats, über das ich vor Monaten gestolpert bin.

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Mi 7. Apr 2010, 00:40 - Beitrag #36

Zitat von e-noon:Vielleicht kein gutes Beispiel, kannst du mir ein paar Beispiele für Inkonsistenzen in atheistischen Weltbildern aufzeigen?

Lei Feng ist da ein gutes Beispiel.
Genosse Lei Feng, eine ahistorische Person, die ihr kurzes Leben allein der großen Vorsitzenden Mao und der Revolution widmete und dies mit seinem fiktiven Leben bezahlte, wurde zum Vorbild eines ganzen, betont gottlosen Volkes. Lernt von Genosse Lei Feng!
Zitat von Lei Feng:Ich tue alles, was der Vorsitzende Mao befiehlt. Mein einziger Wunsch ist, der Partei, dem Sozialismus und dem Kommunismus zu dienen.

Fazit: Auch Gott ist ersetzbar. ;)

Ich würde diesen Gott nicht überbewerten. Auf das Denken oder Nicht-Denken der meisten Menschen hat er nur geringen Einfluss. Wichtiger erscheint mir die Unterscheidung von unaufgeklärten und aufgeklärten Denken und Denkern. Aufklärung, durchau im Sinne Kants mit "Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit".
Darum sind sich ja auch ein aufgeklärter Theismus und ein aufgeklärter Atheismus so änlich, oder auch ein ungeklärter Theismus und ein unaufgeklärter Atheismus. Entscheidend ist inwieweit man sein Denken und Handeln einer Sache unterordnet, sei es Gott oder eine andere Person, eine Schrift wie die Bibel, das Grundgesetz... Also inwieweit man dogmatisch denkt oder handelt und inwieweit diese Dogmen hausgemacht oder übernommen sind.

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Mi 7. Apr 2010, 00:55 - Beitrag #37

Das hast du sehr schön gesagt ;)

Genosse Lei Feng hat die Entscheidung getroffen, sein Leben Mao zu widmen. Das ist eine aus der Außensicht fragwürdige, aber noch nicht inkonsistente Entscheidung. Inkonsistent wäre es, wenn er als erklärter Atheist Mao nach seinem Tod als Fürsprecher anrufen würde. :crazy:

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Mi 7. Apr 2010, 11:20 - Beitrag #38

Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist

das, zum Beispiel, ist eine Inkonsistenz^^



Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden ... es gibt also keinen logischen Grund, aus dem Lebewesen NICHT leiden sollten

das ist Teleologie am Rande zur Tautologie,



Aschehaufen haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, sich fortzupflanzen, als schmerzempfindliche Individuen, daher sind wir als deren Nachkommen schmerzempfindliche Individuen

vor allem wenn man noch die Aschehaufen dazunimmt^^ warum SOLLTE sich denn überhaupt etwas fortpflanzen? Es ist völlig unerheblich, ob sich etwas fortpflanzt^^

e-noon
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Mi 7. Apr 2010, 11:54 - Beitrag #39

Aschehaufen haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, sich fortzupflanzen, als schmerzempfindliche Individuen, daher sind wir als deren Nachkommen schmerzempfindliche Individuen
warum SOLLTE sich denn überhaupt etwas fortpflanzen?

Was hat hier "sollte" zu suchen? :confused:
Ich habe lediglich erklärt, dass Merkmale sich durchsetzen (dh: vermehrt auftreten, gar in einer gesamten Population), wenn deren Merkmalsträger sich fortpflanzen.

Es ist völlig unerheblich, ob sich etwas fortpflanzt^^
Für das Universum, natürlich; für einen möglichen späteren Zustand ist es dagegen sehr wohl erheblich, wer oder was sich mit welchen Merkmalen fortgepflanzt hat. Hätten sich unsere Großeltern nicht fortgepflanzt, wären wir nicht; insofern hat die Fortpflanzungsvergangenheit der Menschheit einen erheblichen Einfluss auf den späteren Zustand der Menschheit. So egal das dem Universum auch ist.

Für mich ist es zum Beispiel eine Tatsache, dass Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist
das, zum Beispiel, ist eine Inkonsistenz^^

Da ich bereits erwähnte, dass ich hierin keine Inkonsistenz sehe, ist es nicht hilfreich, ohne jede Begründung zu widersprechen. Was ist daran inkonsequent, wenn ich sage, dass menschliches Leid eine natürliche Folge der Evolution ist? Natürlich nicht das inhärente Ziel; nicht die zwanghafte Folge; einfach nur die Folge. Hätten wir uns nicht über die Amöbe hinaus entwickelt, könnten wir nicht so leiden, wie wir es tun. Hätten wir uns nicht über die ersten Fischlein hinausentwickelt, könnten wir keine Angst vor dem Tod haben. Hätten unsere Großeltern eine Vorliebe dafür gehabt, vor der Zeugung unserer Eltern als brennende Fackeln herumzulaufen, könnten wir jetzt nicht beim Anblick einer Spinne Ekel empfinden.
Es hätte natürlich alles ganz anders kommen können, ist es aber nicht. Und das ist imo Folge der Evolution. Hände und Füße haben sich für unsere Vorfahren als nützlich erwiesen, ergo haben wir Hände und Füße (nicht zwangsläufig, aber die Wahrscheinlichkeit war doch recht groß). Es mag für dich tautologisch klingen, aber solange Menschen die Evolution abstreiten, ist es ganz und gar nicht tautologisch, zu sagen "Ein Merkmal existiert, weil es nicht ausgestorben ist". Ein Gläubiger könnte nämlich entgegnen "Quatsch, Leid ist Teil von Gottes Plan, das hätte gar nicht aussterben können" oder was auch immer.

Aschehaufen haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, sich fortzupflanzen, als schmerzempfindliche Individuen, daher sind wir als deren Nachkommen schmerzempfindliche Individuen

Ist daran sachlich etwas falsch? Oder sind es nur Implikationen, die du mir unterstellst, die hier aber nicht zum Ausdruck kommen?

Ipsissimus
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Mi 7. Apr 2010, 12:25 - Beitrag #40

die Inkonsistenz besteht in der Verknüpfung einer moralischen Kategorie ("Unschuldige") mit kontingenten Entstehungsprozessen


das "SOLLTE" bezieht sich - zusammen mit dem warum? - auf die grundlegende Kontingenz der Entstehungsprozesse und weist in dieser Bezugnahme Konzepte wie "Leid erfüllt seinen Sinn" zurück, welche versuchen, Kontingenz in Teleologie zu bannen.

"Leid erfüllt seinen Sinn" ist eben nicht dasselbe wie
ich denke, Individuen einer gewissen Komplexität, die Schmerz als unangenehm empfinden und ihm ausweichen, hatten in der Vergangenheit größere Überlebenschancen als Individuum, die lächelnd im brennenden Feuer stehenbleiben, bis sie zu Aschehaufen wurden


dass es diese Lebewesen gibt, zeigt, dass sie kompatibel zu den Rahmenparametern sind. Es ist also nicht verwunderlich, wenn sie Naturgesetzen unterliegen, ist aber nicht Ergebnis irgendeiner Form von Zielgerichtetheit, die du z.B. mit
... Unschuldige leiden, weil das Universum und damit auch wir in einem Zufallsprozess entstanden ist; es gibt also keinen logischen Grund, aus dem Lebewesen NICHT leiden sollten.
andeutest

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