Vorschriftswahn oder Vorsorge?

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e-noon
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So 2. Mai 2010, 23:11 - Beitrag #21

Für viele Menschen würde aber eine weniger schlanke Schaufensterpuppe tatsächlich bedeuten, dass sie das Gefühl haben, durch deren Kleidung dicker zu wirken als schlanker. Nehme ich zumindest an. Natürlich würden die Schaufensterpuppen dann kein Übergewicht haben (welches ja genauso ungesund ist und wahrscheinlich, wenn man Folgeerkrankungen bedenkt, ebenso viele oder mehr Menschen tötet als Magersucht). Mir persönlich wäre es wahrscheinlich auch egal, würde mein Einkaufsverhalten auch nicht groß umstellen, aber der zweifelhafte Nutzen bei diesem doch Recht großen Eingriff in die Rechte der Verkäufer und Ladenbesitzer überzeugt mich nicht.

Traitor
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Mo 3. Mai 2010, 00:11 - Beitrag #22

blobbfish, meinetwegen, fishgröße. Dein Punkt "figurbetont" relativiert das allerdings, ich ging bei Männern vom in meinem Umfeld vorherrschenden Fall aus, dass eher etwas luftiger getragen wird, und da nehmen die meisten mit dir vergleichbaren Figuren L.

e-noon, Materialmehrkosten dürften relativ vernachlässigbar sein, solange nicht jemand ernsthaft die Einstampfung und Ersetzung aller bisher verwendeten Modelle verlangt. Das Konzept mit dem dick und dünn machen brauchst du einem Mann auch gar nicht erst zu erklären versuchen. ;) Und wenn schon, dann macht es doch dick, wenn jemand zu kleine Kleidung trägt, die jede Rundung überbetont oder gar rausdrückt. Siehe außerdem fish.

Mit dem Eingriff in eine Nicht-Zwangssituation hast du allerdings Recht, was meine Kritik an unpassenden Vergleichen aber eher ausweitet als widerlegt.

Lykurg
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Mo 3. Mai 2010, 00:38 - Beitrag #23

Das sehe ich genauso, e-noon. Wenn entsprechende Studien absichern würden, daß tatsächlich Schaufensterpuppen eine nennenswerte Rolle für das persönliche Wohlbefinden/Schlankheit spielen, könnte man im Verbund mit weiteren dahingehenden Maßnahmen, zum Beispiel wirksamen Arbeitsschutz-Vorschriften für Models, auch über eine solche Regelung nachdenken (die auch nicht über ein Gesetz laufen müßte, freiwillige Absprachen der Handelsverbände könnten auch einiges bewirken).

Traitor, ich sehe in dieser Form der Überzeichnung - bei allem Verständnis für dein Unbehagen - eine sehr typische und effiziente Argumentationsstrategie, die in Teilen auch eine Notwehrreaktion ist. Schließlich sind wir tatsächlich umgeben von einer Vielzahl von Normen und Gesetzen, die in Dinge des Alltags massiv eingreifen - ein Großteil davon sicher hilfreich bis notwendig, manches aber auch überflüssig und hinderlich, wenn etwa bestimmte Vorschriften zur Milchproduktverarbeitung dazu führen, daß traditionelle slowakische Käsesorten nicht mehr hergestellt werden können. Ohne Überspitzung ist es schwieriger, genügend Aufmerksamkeit zu erreichen, um eine ungewollte Veränderung zu verhindern.

Ja zum Ruf nach übersichtlichen und standardisierten Maßeinheiten!

blobbfish
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Mo 3. Mai 2010, 11:41 - Beitrag #24

In der Galeria Memberus kannst du zwei Gegenstände der Größe M an mir betrachten. Explizit weite Kleidung mag ich nicht sonderlich, allzu eng muss auch nicht sein. Immerhin passe ich aber auch oft in die Größe S. Einigermaßen meint hier, dass man eben nicht direkt die Kontur drunter erkennt, oder negativ abgegrenzt, die Kleidung rumschlabbert. Iggs bäh.

Lykurg
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Mo 3. Mai 2010, 13:33 - Beitrag #25

Dann doch schon eher in der Galeria membrarum (auch wenn sich e-noon darüber vmtl. zu weiteren Fragen veranlaßt fühlt) Bild

Tja, das ist bei mir nicht so einfach zu erreichen. Kleidungsstücke, die gut anliegen, sind meist zu kurz, die Synthese aus M und XL-Arm gibt es eben nicht überall, und zusätzliche Xe bedeuten meist mehr Weite, aber nicht oder kaum mehr Länge. Blöd sowas.

Traitor
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Mo 3. Mai 2010, 18:59 - Beitrag #26

In der Tat, das Problem ist meist nicht die Gesamtgröße, sondern das Verhältnis aus Länge und Weite. Effekte hinsichtlich Über-/Untergewichtswahrnehmungsumerziehung hätte die mir genehme Umgestaltung der Größen daher wohl keine.

Lykurg, ich unterstelle ja nicht, dass es diese nennenswerte Rolle gäbe, und lehne die Regelungsidee daher wegen des übertriebenen Aufwandes ebenfalls ab. Ein reines "es ist eine Regelung und damit absurd" hilft aber eben nicht weiter, das Aufwands-Nutzen-Kalkül muss man schon aufstellen.

Typisch finde ich die Überzeichnung auch, effizient keineswegs, oder höchstens, wenn man als Effizienzkriterium stammtischgemäßes Niederschreien einer Idee in kürzestmöglicher Zeit heranzieht. Leicht überzeichnende Vergleiche, gerne, aber nicht völlig, und insbesondere nicht zu Vergleichsvorgängen, die völlig anderen Zusammenhängen unterliegen.

Padreic
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Di 4. Mai 2010, 09:24 - Beitrag #27

Völlige Zustimmung zu Traitor. 500 Tote im Jahr sind keine Lapalie. Was werden für Millionen für Brandschutz in öffentlichen Gebäuden ausgegeben...und wie viele Leute sterben jedes Jahr in Deutschland bei Bränden in öffentlichen Gebäuden? Ich denke, deutlich weniger als 500.

Ich denke mal, dass die vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung von Magersucht auch keine wesentlich größere "Todverhinderungseffizienz" hat; aber das sollte man zumindest prüfen. Allgemein wäre es schön, wenn man sich mehr Gedanken darüber machen würde, welche Maßnahmen, welche Effizienz haben, und weniger, welche Maßnahmen wie öffentlichen Protesten entgegenwirken. [über ähnliches habe ich mich schon vor Jahren aufgeregt: http://matrix.hotlein.de/showthread.php?t=4371 ]

Ipsissimus
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Di 4. Mai 2010, 10:31 - Beitrag #28

entschuldigt, ich finde diese ganze Diskussion in der Tat absurd, ähnlich absurd wie die Schweinegrippenhysterie. Es gibt weiß der Kuckuck wirklich dringendere Probleme und übrigens auch vielfältige, flächendeckende und drastische Zumutungen an die Gesundheit von sehr sehr vielen Menschen, bei denen kein Hahn kräht. Letztlich läuft eine gesetzliche Regelung dieser spezifischen Frage darauf hinaus, dass der persönliche krankhafte Tick einiger weniger Leute, die dringend in eine Therapie gehören, statt zu einer Therapie zu einem Gesetz führen soll. Das ist ungefähr so, als wolle ich Wundstarrkrampf dadurch behandeln, indem ich in der Schule keinen Biologieunterricht mehr anbieten lasse, weil mensch da ja was über Tetanusbakterien erfahren könnte.

Und etwas, das wirklich gegen die Schaufensterpuppen spricht, die ästhetische Geschmacklosigkeit ihrer Gestaltung, die optische Zumutung dieser Androgynität, bleibt völlig außen vor^^

Padreic, die Brandverhinderung ist nur zu einem geringen Teil von der Verhinderung menschlicher Todesopfer motiviert. Viel wichtiger ist den entsprechenden Geldgebern die Verhinderung des Werteverlustes ihrer Geldanlagen. Ein abgefackeltes Hochhaus kostet sehr viel mehr als die Beerdigungskosten aller darin Umgekommenen zusammen. Du darfst mich gerne Zyniker schelten, aber ich bin hinsichtlich menschlicher Motivationslagen einfach kein Idealist mehr.

Und was den "Tod in großen Zahlen" angeht: alle diese Menschen sterben für sich alleine, bei allen spielt eine persönliche Geschichte die zentrale Rolle für ihren Leidensweg. Und diese Geschichte hat im Falle todesmagerer Frauen fast immer mit der krankhaften Ablehnung der biologischen Aspekte ihrer Rolle als Frau zu tun, also mit der Ablehnung der körperlichen Veränderungen in der Pubertät. Schlimmstenfalls finden diese Frauen in Magermodels oder Schaufensterpuppen eine falsche Bestätigung dafür, dass sie nicht irre sind, aber meine Güte, mach ein System narrensicher und du wirst sehen, dass ausgemachte Narren immer noch Wege zu katastrophalen Anwendungsmöglichkeiten finden werden.

Lykurg
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Di 4. Mai 2010, 13:56 - Beitrag #29

Ich bin hier völlig einer Meinung mit Ipsissimus. Die Körpermaße von Schaufensterpuppen aufgrund von möglicher Wirkung auf Magersüchtige gesetzlich regeln zu wollen, ist bis zur Aufstellung einer Untersuchung, die meßbare Auswirkungen belegt, hysterischer Aktivismus und bildet, wenn auch in weit kleinerem Maßstab, das Spektakel zur Schweinegrippe ab. Viel wesentlicher als das Aussehen der Puppen dürften z.B. die Maße von Kleidungsstücken sein, Vorbilder in den Medien, aber in jedem Fall ganz zentral das Verhalten der Einzelnen bzw. das Selbstbild der Betroffenen. Eine Krankheit - und darum handelt es sich bei Bulimie - läßt sich nicht mit Gesetzen bekämpfen. Diabetes (die jeweils für ein Vielfaches an Verbreitung, medizinischen Kosten und jährlichen Todesfällen verantwortlich ist) führt auch nicht dazu, daß Zuckerersatzstoffe gesetzlich vorgeschrieben würden - obwohl dies in einem direkten Zusammenhang mit der Krankheit steht.
Zitat von Traitor:Lykurg, ich unterstelle ja nicht, dass es diese nennenswerte Rolle gäbe, und lehne die Regelungsidee daher wegen des übertriebenen Aufwandes ebenfalls ab. Ein reines "es ist eine Regelung und damit absurd" hilft aber eben nicht weiter, das Aufwands-Nutzen-Kalkül muss man schon aufstellen.

Typisch finde ich die Überzeichnung auch, effizient keineswegs, oder höchstens, wenn man als Effizienzkriterium stammtischgemäßes Niederschreien einer Idee in kürzestmöglicher Zeit heranzieht. Leicht überzeichnende Vergleiche, gerne, aber nicht völlig, und insbesondere nicht zu Vergleichsvorgängen, die völlig anderen Zusammenhängen unterliegen.
Ich bin beileibe nicht der Meinung, daß gesetzliche Regelungen per se absurd wären - bin insofern nicht der einzige, der sich einer gewissen Polemik bedient. ]mit wenigen Worten vorgebrachten unsinnigen Vorschlag [/i]mit ebenfalls wenigen Worten überzeugend als unsinnig darzustellen, nenne ich das effizienter als eine seitenlange Erörterung. Der vorschlagenden Seite steht selbstverständlich frei, mit besseren Argumenten und wortreicher zu kontern, aber alles andere wäre ein unangemessener Aufwand. Mit Stammtisch hat das in meinen Augen wenig bis nichts zu tun.
Zitat von Padreic: Völlige Zustimmung zu Traitor. 500 Tote im Jahr sind keine Lapalie. Was werden für Millionen für Brandschutz in öffentlichen Gebäuden ausgegeben...und wie viele Leute sterben jedes Jahr in Deutschland bei Bränden in öffentlichen Gebäuden? Ich denke, deutlich weniger als 500.
Wie bereits gesagt, ist Bulimie als solche ernstzunehmen, das geschieht aber nicht durch eine entsprechende Regelung für Schaufensterpuppen. Die Opferzahl hierfür heranzuziehen, ist daher unangemessen - abgesehen davon hat Ipsissimus bereits ausgeführt, daß Brandvermeidung nicht nur zum Schutz der Menschen erfolgt. Ich halte es für sehr sinnvoll, zusammenhängende Maßnahmen gegen Bulimie einzuführen, unter anderem bessere Aufklärung, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten. [quote]Ich denke mal, dass die vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung von Magersucht auch keine wesentlich größere "Todverhinderungseffizienz" hat] Öffentliche Proteste kommen nicht von ungefähr, sondern sind ein Merkmal von Unbehagen bzw. Ablehnung gegenüber Eingriffen in die Selbständigkeit des mündigen Bürgers. Ich fände es ebenfalls besorgniserregend, wenn bei Gesetzesvorhaben darauf geachtet würde, wie man etwas beschließen muß, damit es dem Bürger nicht störend auffällt. Jenseits von kurzfristigen Hysterismen und unter Vorbehalt langfristiger Planungssicherheiten darf der Bürgerwille gelegentlich ruhig zur Kenntnis genommen werden.

e-noon
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Di 4. Mai 2010, 15:07 - Beitrag #30

Etwas Neues über Parallelen zu Bekanntem verstehen zu wollen, ist ja noch nicht verkehrt, solange man darüber die Unterschiede nicht vergisst.

Der Vergleich Computerspiele/Amokläufe bietet sich an. Gesetzt den Fall, Computerspiele würden bei bereits in diese Richtung inklinierten Individuen die Wahrscheinlichkeit zum Amoklauf erhöhen - würden wir sie verbieten? Zur Freizeitgestaltung gehören das eine wie das andere.

Würde man im Anschluss daran Modelcastingshows verbieten? Die Parallelen sind klar - beide Shows machen Geld mit dem Wunsch nach einem perfekten, dünnen Körper; beide erregen oder verstärken den in gewissen Frauen schon vorhandenen Wunsch, den Idolen/Puppen nachzueifern; beide wirken auf die meisten Leute harmlos, können auf einige vorbelastete Personen aber niederschmetternd wirken.

Inwieweit darf man Menschen verbieten, sich selbst zu schaden? Inwieweit darf man Erwachsenen den Umgang mit Dingen verbieten, die eine bereits vorhandene psychische Erkrankung eventuell leicht verstärken?

Den Vergleich mit den Hochhäusern und dem Geld, das pro Person ausgegeben wird, finde ich nur bedingt hilfreich; niemand will ein unsicheres Hochhaus betreten, da es für jeden höchstwahrscheinlich tödlich wäre, wenn das Hochhaus über ihm zusammenkracht. Dahingegen liegt bei der Schaufensterpuppe die Gefahr nicht in der Puppe; sie kann ein kleiner Auslöser von vielen sein, aber die Gefahr liegt im Menschen selbst.

Folgerichtig sollte man den Menschen abschaffen oder aber diesen ändern und nicht seine komplette Umgebung. Aufklärung in den Schulen oder Zuhause kann da wesentlich mehr leisten (bei geringerem Aufwand und weniger Kosten) als dickere Schaufensterpuppen.

Padreic
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Di 4. Mai 2010, 19:05 - Beitrag #31

Zur Klarstellung: mit Brandschutz meinte ich Maßnahmen zum Schutz von Personen - a la größere zweite Fluchtweg usw. Nach geltenen Regeln ist es wohl so, dass man bei Renovierungen die neuen, deutlich schärferen Schutzbestimmungen einhalten muss. Was u. a. den Effekt hat, dass bestimmte Schulgebäude einfach nicht renoviert werden.
Mit öffentlichen Protesten meine ich das typische Phänomen: irgendwo wird ein Kind von einem Hund totgebissen, irgendwo gibt es einen Brand in einem Gebäude und schon schreien alle Leute auf, dass dieses Problem dringend behoben werden müsste. Und dann werden irgendwelche Regelungen beschlossen. Ich mag diese Art von Demokratie nicht sonderlich... dass ein unhysterischer, unter Berücksichtigung der Fakten gewonnener Bürgerwille zur Kenntnis genommen und nicht nur zu Kenntnis genommen werden sollte, steht aber natürlich außer Frage.

@Ipsissimus:
entschuldigt, ich finde diese ganze Diskussion in der Tat absurd, ähnlich absurd wie die Schweinegrippenhysterie. Es gibt weiß der Kuckuck wirklich dringendere Probleme und übrigens auch vielfältige, flächendeckende und drastische Zumutungen an die Gesundheit von sehr sehr vielen Menschen, bei denen kein Hahn kräht. Letztlich läuft eine gesetzliche Regelung dieser spezifischen Frage darauf hinaus, dass der persönliche krankhafte Tick einiger weniger Leute, die dringend in eine Therapie gehören, statt zu einer Therapie zu einem Gesetz führen soll. Das ist ungefähr so, als wolle ich Wundstarrkrampf dadurch behandeln, indem ich in der Schule keinen Biologieunterricht mehr anbieten lasse, weil mensch da ja was über Tetanusbakterien erfahren könnte.
Den Vergleich mit Tetanus verstehe ich leider überhaupt nicht - davon abgesehen zur Schweinegrippe: hysterisch im engeren Sinne waren sicherlich ein Haufen Privatpersonen. Wie jede Hysterie ist das natürlich nicht sinnvoll. Was staatliche Stellen gemacht haben, ist, nach heutigen Erkenntnissen, dass sie überreagiert haben. Man muss sich natürlich auch fragen, inwieweit dort schon klar war, dass es eine Überreaktion war (eine Aussage der Form: "mir war das schon damals klar" ist natürlich da kein Argument). Vermutlich hatte es aber auch gewisse hysterische Züge. Was aber mein Punkt ist: das war keinesfalls a priori klar, dass überreagiert wurde. Grippewellen können sehr schlimm ausfallen. Man muss Untersuchungen etc. heranziehen und sorgfältig abwägen.
Niemand in diesem Thread hat gefordert, Maßevorschriften für Schaufensterpuppen einzuführen. Es ging nur darum, ob man über solche Maßnahmen überhaupt nachdenken sollte...

Es ginge ja auch gar nicht darum, ein System narrenfrei zu machen. Es ginge, würde man tatsächlich solche Maßnahmen anwenden, darum, als Teil einer umfassenderen Strategie, die natürlich auch Therapiemaßnahmen etc. umfasst, die Grundlagen von Magersucht einzudämmen. Dass man Magersucht und andere psychische Krankheiten damit nicht abschaffen kann, versteht sich von selbst.

@e-noon:
Den Vergleich mit den Hochhäusern und dem Geld, das pro Person ausgegeben wird, finde ich nur bedingt hilfreich; niemand will ein unsicheres Hochhaus betreten, da es für jeden höchstwahrscheinlich tödlich wäre, wenn das Hochhaus über ihm zusammenkracht. Dahingegen liegt bei der Schaufensterpuppe die Gefahr nicht in der Puppe; sie kann ein kleiner Auslöser von vielen sein, aber die Gefahr liegt im Menschen selbst.
Es ging mir nicht um Fälle, die im landläufigen Sprachgebrauch wahrscheinlich sind. Eher um eine Änderung von einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 1000000 zu einer von 1 : 1500000.

e-noon
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Di 4. Mai 2010, 19:18 - Beitrag #32

@Pad: Insbesondere deinen letzten Absatz verstehe ich nicht. Auch ohne strengste Sicherheitsvorschriften ist es ja nicht so wahrscheinlich, dass laufend Hochhäuser zusammenkrachen.
Niemand in diesem Thread hat gefordert, Maßevorschriften für Schaufensterpuppen einzuführen. Es ging nur darum, ob man über solche Maßnahmen überhaupt nachdenken sollte...
In diesem Thread wurde das vielleicht nicht explizit gefordert, aber das ist die These, für oder gegen die zur Zeit argumentiert wird, scheint mir.

Nach einer umfassenden schulischen Aufklärung durch Lehrer, einer Kampagne für die Eltern, Bildunterschriften im Fernsehen und in Zeitschriften a la "das übermäßige Betrachten dieses retouchierten Bildes kann bei Personen mit geringem Selbstwertgefühl zu Magersucht führen" wäre das ein zu bedenkender nächster Schritt. Dennoch fände ich eine allgemeine Öffnung gegenüber Schulpsychologen und intensiverer Betreuung (wo gewünscht oder gebraucht) einen besseren, da allgemeineren und wirksameren Schritt.

Padreic
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Di 4. Mai 2010, 20:35 - Beitrag #33

@e-noon: ich wollte nur sagen, dass die Wahrscheinlichkeiten nicht in einem Bereich sind, so dass niemand mehr dieses Gebäude betreten wollte. Es stimmt vielleicht, dass das nicht der wesentliche Punkt ist. Aber ich verstehe auch dein Argument nicht ganz. Abgesehen davon, dass die Maßnahme mit den Schaufensterpuppen vermutlich nicht die allereffizienteste ist, was aber auch keiner in diesem Thread behauptet, ist da dein Argument, dass es wichtiger ist, Dinge zu verhindern, die jeden mit einer sehr niedrigen Wahrscheinlichkeit treffen können als Dinge, die manche mit einer recht hohen treffen können?

e-noon
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Di 4. Mai 2010, 20:51 - Beitrag #34

Das von dir Zitierte sollte darauf hinauslaufen, dass ein Hochhauseinsturz eine konkrete, objektive Gefahr ist, Wahrscheinlichkeit hin oder her. Jeder, den ich mit mehr als 100 Tonnen Stahl und Beton treffe, ist tot. Und dagegen kann man nichts machen.
Dagegen lässt sich gegen die Tatsache, dass einige wenige sich (das mal vorausgesetzt) von Schaufensterpuppen in eine tödliche Magersucht treiben lassen, gezielt etwas tun. Es ist hier weit effektiver, an der Person anzusetzen, die Person zu stärken, als alle sie beeinträchtigenden (jedoch objektiv harmlosen) Außenfaktoren auszuschalten. Mit anderen Worten: Bei einem Hochhauszusammensturz hilft keine Therapie, bei Magersucht schon. Daher sollte man, statt alle eventuell die Magersucht verstärkenden Faktoren aus der Öffentlichkeit auszufiltern, gezielt auf die wenigen zugehen, die Magersucht haben, und diese so stärken, dass Schaufenster- oder Barbiepuppen sie nicht mehr an den Rand des Grabes bringen.

Edit: Nochmal allgemein: Bei objektiven (= für jeden Menschen gesundheitsbeeinträchtigenden) Gefahren sollte man so gut es geht versuchen, die Gefahr selbst zu beseitigen: Abgase eindämmen, Hochhäuser sicher bauen, Gurtpflicht, nicht besoffen Auto fahren, Rauchverbote, Impfungen bei Epidemien.

Bei sehr individuellen und seltenen Gefahren, die nur bei einer bestimmten Vorbelastung einige Menschen treffen, sollte man nicht die äußeren Faktoren, sondern den Menschen zum Zentrum der Maßnahme machen: Quarantäne bei ansteckenden Krankheiten oder Immunschwächen (statt alle Menschen aus der Stadt zu entfernen, wird einer eingesperrt), Nasenspray statt Baumverbot bei Allergien, Mordverbot statt Messerverbot, Therapie statt Streichung sämtlicher gefährdender Zeitschriften, Filme, Schaufensterpuppen etc. bei Magersucht.

PS: Ja, die Beispiele der zweiten Gruppe sind alle etwas dämlich, wer bessere findet, kann sie ja erwähnen.

Traitor
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Di 4. Mai 2010, 22:13 - Beitrag #35

Ipsissimus, wie gesagt, in der Sache kann niemand etwas mit dem Vorschlag anfangen. Da er dennoch eine ganz geringe Grundlage hat, halte ich ihn jedoch für erörterungswürdig. Die mangelnde Vorbereitung des Vorschlages (keine Untersuchungsergebnisse oder gar Beweise) muss man dabei nicht als grundlegende Disqualifikation für aufwendige Widerlegungen ansehen, dass du das tust, erkenne ich jedoch als Argument vollstens an, stärker als die zuvor gebrachten Vergleiche.

Lykurg, den Stammtisch wollte ich dir übrigens nicht persönlich unterstellen, sondern ihn lediglich als theoretisches "Optimum" des meines erachtens fehlgeleiteten Effizienzkriteriums herausstellen. Einen Vorschlag "überzeugend als unsinnig darzustellen" wird meines Erachtens aber durch übertriebene Vergleiche eben nicht geleistet, sondern dazu bedarf es der, inzwischen erfolgten, Analyse der Ineffizienz und falschen Ansatzpunktwahl.

Zitat von e-noon:In diesem Thread wurde das vielleicht nicht explizit gefordert, aber das ist die These, für oder gegen die zur Zeit argumentiert wird, scheint mir.
Nein, eben nicht. ;) Padreics und meine Argumentation war nicht für die These, sondern gegen die vorschnelle Ablehnung der These.
Das erinnert mich an die Debatte im Rhetorik-Seminar, als wir die Gegenpartei erfolgreich verwirrten, indem wir Partei "gegen Antiamerikanismus" ergriffen, und sie völlig unpassende Gegengegenantiargumente brachten, weil sie glaubten, wir wären pro Amerika. :D
(PS zur Klarstellung: "wir" = Teile meiner Schulklasse, nicht = Padreic und ich)

e-noon
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Di 4. Mai 2010, 22:35 - Beitrag #36

Aha :D Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben.

Dann also zum Thema, so wie es Traitor und Padreic verstehen:
Man muss die These nicht vorschnell abtun. Es spricht nichts dagegen, einige Wochen darüber zu diskutieren, bis auf die Tatsache, dass (für mich) ziemlich schnell ersichtlich ist:
- Kosten und Nutzen sind unausgeglichen
- es ist ein übertriebener, nicht gerechtfertigter Eingriff in Persönlichkeitsrechte
- Tausend sinnvollere politische Maßnahmen kommen in Betracht, bevor man sich eventuell dem Aussehen von Schaufensterpuppen widmen sollte...

...und ich daher weder als Politiker noch als Privatperson meine Lebenszeit darauf verschwenden würde ^^

Wenn jedoch nicht die konkrete Maßnahme, sondern eine allgemeine Abwägung von Maßnahmen, die wenigen viel nützen und vielen wenig schaden, Inhalt der Diskussion sein soll - warum nicht ^^

Lykurg
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Di 4. Mai 2010, 22:47 - Beitrag #37

Gegen Untersuchungen habe ich, so gesehen, auch nichts einzuwenden, wohl aber gegen breite Diskussion auf schmaler Wissensbasis. ;) Und da wir uns - wie immer - in Wahlkampfzeiten befinden, ist zu befürchten, daß aus einem skurrilen Vorschlag im Handumdrehen ein überflüssiges Gesetz wird, bevor man auch nur anfangen könnte, den Vorgang zu überprüfen. Davon wiederum hielte ich wenig.

Ipsissimus
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Mi 5. Mai 2010, 10:37 - Beitrag #38

der Begriff der "Überregulierung" beschreibt ein gerade in Deutschland nicht völlig unbekanntes Phänomen^^ Regulieren bis zur Disfunktionalität^^

wenn es eindeutige Hinweise, wenigstens eine hinreichend starke Korrelation, und zusätzlich eine genügend große Gruppe Betroffener gäbe, könnte mensch über gesetzliche Maßnahmen nachdenken. Solange das nicht der Fall ist, sehe ich tatsächlich nicht ein, das zur Rede stehende Phänomen als Problem der Gesamtheit aufzufassen. Und dazu komme ich sogar ohne den Verweis auf die Willkürlichkeit von Gesetzgebungen^^

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