Klaus Kinski und die Facharbeiter

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Lykurg
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Fr 24. Feb 2012, 19:25 - Beitrag #21

Und weil sie ihnen, wenn sie das beides täten, auch nicht lange gehörten...
Man sieht ja, was dabei rauskommt, wenn Parlamentarier sich ihre Diäten selbst festsetzen.^^

Ipsissimus
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Sa 25. Feb 2012, 13:20 - Beitrag #22

naja, bliebe abzuwarten, ob Menschen, die sowohl produzieren würden wie auch Besitzer der Produktionsmittel wären, genauso korrupt würden wie diejenigen, die nur Besitzer der Produktionsmittel sind, aber selbst nicht produzieren. Letzteren geht vielleicht einfach nur allzu schnell das Bewusstsein dafür verloren, was "arbeiten" eigentlich bedeutet^^

ich bezweifele jedenfalls, dass echte Arbeiter auch nur annähernd so unmündig sind, als dass sie der "liebevoll" führenden Hand eines Firmenbesitzers bedürften, auch das wiederum ein Unterschied z.B. zur politischen Kaste, die allerdings der zwar liebevollen, in jedem Fall aber straffen Führung bedürfte^^

Lykurg
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Sa 25. Feb 2012, 13:33 - Beitrag #23

Ich vermute, daß das ganz wesentlich auch von der Größe des Unternehmens abhängt und davon, inwieweit der Einzelne die Produktionsabläufe und den Markt überschauen kann. Das ist allerdings jenseits handwerklicher Betriebe und kleinerer mittelständischer Unternehmen nicht zu leisten. Und dann dürfte es äußerst schwierig sein, auf dem Markt dagegen anzukommen (auch weil die Unternehmensführungen der Konkurrenz im Zweifel wenig Interesse daran hätten, daß das Beispiel Schule macht, dies aber nur als erschwerender Teilaspekt).

Ipsissimus
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Sa 25. Feb 2012, 13:45 - Beitrag #24

der Einwand ist durchaus bedenkenswert, allerdings impliziert die Notwendigkeit der Funktionsbildung mit Spezialisierung auf den Aufgabenbereich nicht automatisch die Notwendigkeit des Übergangs der Besitzverhältnisse vom Kollektiv auf Einzelne. Auch ein leitender Arbeiter kann noch Arbeiter sein, wenn er sich dem Kollektiv unverändert verpflichtet fühlt. Man muss einfach nur dafür Sorge tragen, dass die Leitung in der Arbeit anderer nicht ein Mittel nur zum eigenen Wohlstand sieht. Und die Leitung muss, wie alle anderen, von rotierenden Arbeiterräten kontrolliert werden. Das heißt, die Leitung wäre eine Leitung in der Sache, aber nicht eine Leitung in der Vorgabe von Arbeitszielen, Firmenpolitik und dergleichen.

janw
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Sa 25. Feb 2012, 14:47 - Beitrag #25

Ich fürchte nur, daß ein Rätedemokratie nicht vor solchen Vorgängen schützen würde, wie sie in einigen Gewerkschaften zu beobachten sind. Wenn sich ohne Zwang Lokführer von anderen Bahnbediensten abgrenzen, Piloten vom Bodenpersonal oder Vorfeldlotsen vom restlichen Flugsicherheitsdienst, warum sollten sich dann die Verwalter, Disponenten, Ein- und Verkäufer gegenüber den Leuten am Band oder auf der Baustelle anders verhalten?

Davon abgesehen, vermischen die beiden im Ausgangsdialog in meinen Augen zwei Dinge und verdecken damit die eigentlich ursprüngliche Frage nach Bedeutung und Notwendigkeit von Kunst und Künstlern:
Das Verhältnis zwischen Arbeitern und Angestellten in einem Unternehmen ist das Verhältnis zweier Gruppen, die beide für das Unternehmen konstitutiv und notwendig sind. Künstler stehen dagegen zu ihnen in einem jeweils gleichen Verhältnis, weil sie mit dem Unternehmen nicht mehr verbindet als mit einem anderen Unternehmen, sie stellen etwas Eigenes dar.
Die Frage nach der Bedeutung bzw. Wichtigkeit von Kunst und Künstlern bezieht sich auf ihren Stellenwert in der Gesellschaft. Unternehmen können ohne Künstler auskommen, aber die Gesellschaft...?

Ipsissimus
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Sa 25. Feb 2012, 15:22 - Beitrag #26

du kennst die Geschichte der Angestellten, Jan. Das waren ursprünglich - hinsichtlich der Klassenzugehörigkeit - ganz normale Arbeiter wie alle anderen auch. Bis irgendwann in den frühen Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts eine eigene Klasse mit eigenen Privilegien daraus gemacht wurde. Von wem? Von den Arbeitgebern. Die Angestellten durften jetzt plötzlich in den entsprechenden Werken die Firma durch einen eigenen Eingang betreten, und ihr Lohn wurde plötzlich Gehalt genannt. Sonstige Unterschiede? Vielleicht noch ein paar weitere marginale Privilegien, mit Speck fängt man Mäuse, ohne ihnen irgendwas zu geben. Der Erfolg für die Arbeitgeber? Entsolidarisierung der Arbeiter.

Ich bestreite auch nicht, dass Künstler unentbehrlich für eine Gesellschaft sind. Allerdings ist auch Armut und sind arme Menschen für eine Gesellschaft unentbehrlich; woher sollten die reichen Menschen sonst wissen, dass sie reich sind, und wem gegenüber sollten sonst ihre Privilegien definiert sein? Das bedeutet wiederum nicht, dass arme Menschen von ihrer Armut lben können. Vielleicht dahinvegetieren, das schon. Ich sehe jedenfalls nichts, was es rechtfertigt, die Exaltiertheit eines Künstlers anders zu behandeln als die Exaltiertheit eines armen Menschen.

edit/
Außerdem ziele ich damit nicht unbedingt auf eine Räterepublik. Rotierende Räte im Rahmen der Arbeiterselbstverwaltung wären imo aber schon ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung

Traitor
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So 26. Feb 2012, 00:21 - Beitrag #27

Das Konzept der Arbeiter-(und Angestellten-)Beteiligung am Firmenbesitz ist mir durchaus sehr sympathisch, ebenso eine partielle Kontrolle der Firmenspitze. Das hier
Zitat von Ipsissimus:Das heißt, die Leitung wäre eine Leitung in der Sache, aber nicht eine Leitung in der Vorgabe von Arbeitszielen, Firmenpolitik und dergleichen.
wäre aber ein ähnlich sicherer Weg in den Untergang der Firmen wie zu viel direkte Demokratie in den Untergang eines Staates. Die Fachleute an der Spitze sollten schon die Strategie ausarbeiten und nur zu mehr Rechenschaft verpflichtet und abwählbar sein.

Zurück zum Thema: ich fürchte, die beiden Kampflinien "Arbeiter vs. Elite" und "Künstler vs. Produktivgesellschaft", wobei die den Künstlern gegenübergestelte Produktivgesellschaft sowohl Arbeiter als auch praktisch orientierte Eliten umfasst, kann man kaum auf gemeinsamer Basis diskutieren. Überrascht bin ich jetzt aber ehrlich gesagt, dass du (Ipsi) gegen die Künstler bist, ich hatte eher erwartet, dass du pro ehrliche Arbeiter, pro freie Künstler und contra engstirnige Produktivelite bist. ;)

Ipsissimus
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So 26. Feb 2012, 02:41 - Beitrag #28

wer sagt denn, dass ich gegen die Künstler bin, Traitor^^ ich bin nur gegen Privilegien, an allen Fronten^^

es ist aus meiner Sicht so: angenommen, die Arbeit eines Hochofenarbeiters klassischer Provenienz sei sachlich 2000 Euro Lohn im Monat wert, dann ist die Arbeit keines Berufsstandes - inklusive Ärzte, Juristen, Journalisten, Bankern, Brokern, Firmenbesitzern, Politikern, Wissenschaftlern, Fußballern oder was auch immer - sachlich mehr als 2500 Euro im Monat wert, und soviel auch nur in begründeten Einzelfällen. Und die Arbeit von Künstlern, die nicht vom Verkauf ihrer Kunst leben können, würde ich dann bei vielleicht 1700 Euro im Monat einstufen. Das ganze würde ich dann höchstens noch mit dem Lebensalter etwas steigen lassen. Außerdem müssten natürlich die Preise strikt an die Löhne gebunden werden und dürften jenen nicht davonlaufen^^

edit/ die Zielrichtung ist das Zusammenrücken der Löhne, nicht etwa die Übertragung und Anpassung unter Beibehaltung der derzeitigen Lohnstaffelung auf einen maximalen Lohn von 2500 Euro. Die Differenz vom besten zum schlechtesten Lohn, quer über alle Berufe und Qualifikationsstufen hinweg, sollte m.E. nicht mehr als 1000 Euro betragen, bei einem mittleren Lohn von 2000 Euro. Und bei einem solchen mittleren Lohn dürfte der Mietpreis für eine Vierzimmerwohnung 500 Euro warm und inklusive aller Nebenkosten nicht übersteigen, auch nicht in bester Stadt- oder Stadtrandlage^^ /edit Ende

Die Arbeit von Arbeiterräten als Kontrollgremium über der Sachleitung einer Firma würde ich als eine Art "Verfassungsgericht" für Firmen einstufen. Die Fachleute in der Leitung sollen schon leiten, aber sie sollen keine Leute rauswerfen oder den Betrieb an Shareholder verhökern und desgleichen. Und darüber wachen die Räte. Ich sehe nicht, dass Firmen dadurch gefährdet würden. Wenn das gesamte Marktgefüge wieder gerade rücken würde, wäre es auch nicht notwendig, den weltweiten Markt zu dominieren, um mit einer Firma zu reüssieren^^

/edit
das ist alles mit ein bisschen Augenzwinkern gemeint, aber auch alles ein bisschen ernst^^

Traitor
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So 26. Feb 2012, 02:55 - Beitrag #29

angenommen, die Arbeit eines Hochofenarbeiters klassischer Provenienz sei sachlich 2000 Euro Lohn im Monat wert, dann ist die Arbeit keines keines [...] oder was auch immer sachlich mehr als 2500 Euro im Monat wer
Axiom? Oder nach welchen Kriterien?

"Verfassungsgericht" klingt ja nach sehr indirektem Einfluss, da könnten wir uns ja fast annähern.
Inhaltlich sehe ich Entlassungen aber als notwendiges Steuerungsinstrument an, persönlich bedingte sowieso, und betrieblich bedingte in manchen Situationen auch, eine Gesundschrumpfung ist manchmal die letzte Rettung in einer Krise, und die kann auch rein extern verschuldet sein. Wichtig wäre aber, Gewinnmaximierung als Kriterium hierfür auszuschließen, und bei Rettungsszenarien auch das vorherige Abhaken anderer Optionen vorauszusetzen.
Verhökerung wäre ja durch entsprechende Besitzverteilung schon effektiv verhindert.
Der Globalisierungszwang ist je nach Branche durchaus real, Computer- und Kommunikationstechnik etwa würde mit regionaler Zersplitterung sehr viel weniger Spaß machen.

Ipsissimus
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So 26. Feb 2012, 03:03 - Beitrag #30

nach dem Kriterium der von den Leuten persönlich auf sich zu nehmenden Mühsal ihrer Arbeit, selbige aufgrund meiner eigenen willkürlichen Schätzung eingestuft^^ die zweifelsohne diskutabel wäre.

Das wäre die Frage. Wenn ein Betrieb nicht darauf ausgelegt ist, den persönlichen Gewinn einiger weniger Einzelpersonen unter allen Umständen zu maximieren, ob sich dann nicht auch ein Erfolgsmodell konstruieren ließe, dem es gar nicht wichtig ist, wie massiv der Markterfolg ausfällt, solange nur die Löhne bezahlt und die Liquididät gesichert ist. Sehr viele tatsächliche Betriebe fielen und fallen Optimierungen zum Opfer lange ehe sie in eine kritische Lage geraten.

Traitor
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Mi 7. Mär 2012, 23:04 - Beitrag #31

Die Einschätzung der Arbeitsmühsal finde ich weniger diskutabel als deren Heranziehung als Primärkriterium. Wie gesagt finde ich sie nur als wohlfahrtlichen Korrekturfaktor relevant, für wichtiger halte ich Bildungs- und Innovationsanreizwirkung und Marktprinzip.

Der Markterfolg ist für Unternehmen schon essentiell, ganz unabängig von der Investorenfrage, denn wenn nur noch die eigenen Mitarbeiter die relevante Klientel sind und nicht mehr die Kunden, dann nützt das Unternehmen der Gesamtgesellschaft nur noch wenig. Letztlich ist eine Balance aus Investoreninteressen, Mitarbeiterinteressen und Marktposition am gesündesten. Und die derzeit vorherrschende Variante ist definitiv weit von diesem Modell entfernt.

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Mi 7. Mär 2012, 23:54 - Beitrag #32

Ich glaube den sogenannten "Facharbeitern" geht es gar nicht so schlecht. (Nicht gemeint sind natürlich die Leiharbeiter, die im Rahmen der Gewinnmaximierung einer deutlich höheren Mehrwert erarbeiten, dafür aber deutlich weniger verdienen.)

Besonders problematisch sind Branchen, die quasi außerhalb der eigentlichen Marktwirtschaft liegen wie z. B. die Alten- und Krankenpflege. Die seit einigen Jahren laufende Übertragung marktwirtschaftlicher Maßstäbe wirkt dort meiner Erfahrung nach für alle Beteiligten fatal, Ausnahme sind natürlich die "Kunden" - das heißt die Krankenkassen. (Patienten sind da natürlich nur Werkstücke.)

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Do 8. Mär 2012, 00:51 - Beitrag #33

aus meiner Sicht der Dinge steht halt vor allem das Leistungsprinzip als solches in Frage. Ich finde Leistung als Kriterium und/oder Voraussetzung für Status einfach menschenfeindlich. Bin mir aber im Klaren, dass ich damit auch wieder nur eine Außenseiterposition besetze^^ nichtsdestotrotz^^

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Do 8. Mär 2012, 12:23 - Beitrag #34

aus meiner Sicht der Dinge steht halt vor allem das Leistungsprinzip als solches in Frage. Ich finde Leistung als Kriterium und/oder Voraussetzung für Status einfach menschenfeindlich. Bin mir aber im Klaren, dass ich damit auch wieder nur eine Außenseiterposition besetze^^ nichtsdestotrotz^^


Tja, früher waren die Statuskriterien Herkunft und Elternhaus. Ob das besser ist?

Im Übrigen ist Leistung keineswegs das einzige Kriterium. Bildung, Manieren, Aussehen, Charakter, Lebensstil, Geschmack, Größe, Freunde etc. spielen auch mit rein.

janw
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Do 8. Mär 2012, 22:06 - Beitrag #35

Zitat von Ipsissmus:aus meiner Sicht der Dinge steht halt vor allem das Leistungsprinzip als solches in Frage. Ich finde Leistung als Kriterium und/oder Voraussetzung für Status einfach menschenfeindlich. Bin mir aber im Klaren, dass ich damit auch wieder nur eine Außenseiterposition besetze^^ nichtsdestotrotz^^

D'accord, nur denke ich, daß das Problem eher bei der Einschätzung der Leistung liegt, die Leistung des Hochofenarbeiters wird einfach geringer eingeschätzt als die des Sachbearbeiters.

Letztlich zielt diese Betrachtung auch nur auf die Beschäftigten, die Selbständigen, die teils deutlich mehr verdienen, bleiben ausgeblendet.
Und das ist in meinen Augen gerade auch hinsichtlich der Künstler relevant, die meisten sind nämlich selbständig tätig.

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Fr 9. Mär 2012, 13:21 - Beitrag #36

Die Leistungen der Hochofenarbeiter sind deutlich einfacher zu mechanisieren als die der Sachbearbeiter. Wenn man ihre Lohnkosten erhöht, werden sie wegrationalisiert, so einfach ist das - und geschieht ja schon seit über einem Jahrhundert mit großer Regelmäßigkeit.
Zitat von janw:Letztlich zielt diese Betrachtung auch nur auf die Beschäftigten, die Selbständigen, die teils deutlich mehr verdienen, bleiben ausgeblendet.
Und das ist in meinen Augen gerade auch hinsichtlich der Künstler relevant, die meisten sind nämlich selbständig tätig.
Ich hoffe, du willst aus dem Selbständigenstatus vieler Künstler nicht schließen, daß es ihnen deshalb besonders gut ginge? Bild Selbständigkeit bedeutet eben auch (wie du ja selbst weißt) erheblich höhere Ausfallrisiken bzw. schwankende Einnahmen. Und viele Selbständige verdienen letztlich weniger als vergleichbar tätige Angestellte, ist ja auch ein gern gewählter Weg für Unternehmen, Kosten auszulagern.

janw
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Fr 9. Mär 2012, 18:03 - Beitrag #37

Lykurg, da habe ich mich etwas mißverständlich ausgedrückt.
Die Abgrenzung hinsichtlich der Selbständigen bezog sich auf die Diskussion an sich - die Zuweisung, wie die Arbeit des Einzelnen zu bewerten und zu entgelten sei, ist vorrangig eine Frage innerhalb des Systems der abhängigen Beschäftigung, weil im Bereich der Selbständigen u.a. das zu erwartende Maß an anfallender Arbeit und der potentiell verfügbaren Arbeitszeit in die Preisgestaltung für die "Arbeitseinheit" einfließt.
Weil nun die Künstler, deren Arbeit im Eingangstext mit der Arbeit abhängig Beschäftigter verglichen wird, überwiegend selbständig sind, sind deren "Arbeitspreise" eben auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten, der Preis muss das Risiko der mehr oder weniger ausgedehnten Nicht-Einnahme einbeziehen.

Padreic
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Sa 10. Mär 2012, 00:28 - Beitrag #38

aus meiner Sicht der Dinge steht halt vor allem das Leistungsprinzip als solches in Frage. Ich finde Leistung als Kriterium und/oder Voraussetzung für Status einfach menschenfeindlich. Bin mir aber im Klaren, dass ich damit auch wieder nur eine Außenseiterposition besetze
Leistung ist (außer sehr weit gefasst) auch keineswegs in unserer Gesellschaft das einzige Kriterium für Status, wie e-noon schon schreibt. Leistung als Kriterium für Status aufzugeben - erstens ist das keine Entscheidung, die der Staat einfach so fällen kann; und staatliche Repressionsmaßnahmen, die das erzielen, will ich mir gar nicht vorstellen - zweitens würde die Leistung natürlich damit deutlich abnehmen. Wäre Leistung nicht auch Status gewesen, hätten wir nie nur annähernd unseren heutigen Lebensstandard. Und welchen (materiellen) Lebensstandard selbst unsere Armen verglichen mit dem, wie es mal war, haben, sollte man auch nicht vergessen...

Ich muss sagen, dass ich kein Problem damit habe, dass es Leute gibt, die Millionen und Milliarden verdienen. Als ob das im Widerspruch damit stände, dass alle Leute einen halbwegs vernünftigen Lebensstandard pflegen können... dass viele Knochenjobs zu gering bezahlt werden, da stimme ich aber ganz zu.

Ganz abgesehen von normativen Aspekten, ist es natürlich aber ein interessantes Feld, was es für Gehaltsunterschiede gibt und worauf diese beruhen.
Bezüglich des Flughafenstreiks neulich konnte man ja lernen, dass ein Vorfeldkontrolleuer (der nichtmal eine dreijährige Ausbildung braucht) genauso viel verdienen kann wie ein Professor. Von der Austauschbarkeit ist das gewissermaßen verständlich; ein streikender Vorfelkontrolleuer kann Millionen kosten - Germanistikvorlesungen, die ausfallen (wenn denn Professoren streiken könnten...) kosten kein Geld. Auch hat sicherlich der Beruf des Vorfelkontrolleurs unter Umständen Verpflichtungen, die stressiger sind als die eines Professors (der kann sich relativ stark selbst aussuchen, wie viel er arbeitet). Ein Universitätswissenschaftler hat neben den finanziell nicht unbedingt reichhaltigen Jahren des Studiums dafür aber noch einige Jahre des Nomadenlebens aufgrund befristeter Stellen, die in seinem Fachgebiet unter Umständen nur an wenigen Orten in der Welt überhaupt angeboten werden.

janw
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Sa 10. Mär 2012, 02:03 - Beitrag #39

Padreic, zu diesen besonders hohen Einkommen wäre anzumerken, daß diese im Wesentlichen ohne jede Leistung erfolgen, für Kapitaleinkünfte wird direkt nichts produziert und kein produktiver Finger gerührt.

Traitor
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Sa 10. Mär 2012, 13:36 - Beitrag #40

@Ipsi: Das Leistungsprinzip mag nicht sonderlich human sein. Die von e-noon aufgeführten anderen Hierarchieprinzipien sind aber durchgängig noch unfairer. Totale Gleichheit ist eine schöne Utopie, aber mehr halt nicht. Realistischer scheint es mir zu sein, das Leistungsprinzip als Grundsatz beizubehalten, aber mit einem möglichst weitgehenden Sicherungssystem abzufedern.

@Padreic: Interessantes Beispiel. Diese Art der kurzfristigen Austauschbarkeit meinte ich gar nicht, sondern eher "wenn ich weiß, dass mein Angestellter in Position X demnächst kündigen wird, wie lange würde es dauern, einen geeigneten Ersatz auszubilden, oder wie viele fertige Kandidaten gibt es anzuheuern?". Die kurzfristige Ersetzbarkeit ist aber, wie in deinem Beispiel ersichtlich, ein starker zusätzlicher Modifikator, da eben als Tarifstreitdruckmittel einsetzbar.

@Jan: Vermögenserben, die nur noch davon zehren oder es durch passiv verwaltete Kapitaleinkünfte erweitern, sind nochmal eine besondere Kategorie. Der Typ Finanzreiche, der hier im Leistungsvergleich relevant sein kann, ist aber eher der, der sich sein Vermögen selbst erarbeitet, und bekanntlich sind im Management und Banking ja 50-80-Stunden und entsprechende Stresslevel durchaus nicht unüblich.
Das fällt durchaus unter personenbezogene Leistungskriterien. Realwirtschaftliche Produktivität dagegen ist wieder ein externes Kriterium, das höchstens staatlich verordnet werden könnte.

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