Utà¸ya / Oslo

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Maglor
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So 31. Jul 2011, 15:06 - Beitrag #41

Geert Wilders Urteil ist vernichtend:
[INDENT]In the statement, Wilders says he is repulsed that the gunman ‘refers to me and the PVV in his manifesto’.
Breivik is misusing the battle against Islam and his actions are ‘a slap in the face for the worldwide anti-Islam movement,’ Wilders said.
‘He wants to work together with Al Qaida, he longs to blow up cities, dreams of knights who mutilate themselves and meeting his hero Karadzic.’[/INDENT]

Tatsächlich vertrat Breivik eine radikal proserbische Position beim Thema Jugoslawien. Überhaupt führte die Islamophobie zu merkwürdigen Allianzen.
[url=his xenophobic worldview, which includes support for varying degrees of cultural conservatism, right-wing populism, ultranationalism, Islamophobia, far-right Zionism and Serbian paramilitarism]Wikipdia[/url] zu Breiviks Ansichten: his xenophobic worldview, which includes support for varying degrees of cultural conservatism, right-wing populism, ultranationalism, Islamophobia, far-right Zionism and Serbian paramilitarism
Breivik war also so ein taffer Islamophobiker, dass er auch noch Zionist wurde. Das kommt zwar durchaus öfter bei Erzkonservativen vor, für das, was man in Deutschland unter rechtsextrem, im Sinne von neonazistisch versteht, ist das natürlich absolut untypisch.

Seine Religiösität scheint im ganzen nicht sehr ausgeprägt. Zuletzt trat er der katholischen Kirche bei. Im scheint es mehr um ein kulturelles Christentum gegangen zu sein, ähnlich dem CDU-Schlagwort der Leitkultur - eben ein moderner Kreuzritter im Kampf der Kulturen - gegen Marxismus und Islam.
Sogesehen ist er ideologisch der Zwilling von Geert Wilders.

Lykurg
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So 31. Jul 2011, 17:21 - Beitrag #42

Ich sehe in der Absicht, ihn zum 'christlichen' Fundamentalisten zu stilisieren, eher eine Absicht als irgendetwas anderes. ;) Insbesondere die Forderung, die Kirchen sollten sich von ihm distanzieren, ist obskur. Sein Handeln völlig entgegengesetzt den auf Versöhnung und interreligiösen Dialog ausgerichteten Positionen der heutigen Massenkirchen, überall im Land wird in Gottesdiensten (vielleicht mal einen besuchen, um sich ein Bild zu machen?) der Opfer gedacht (z.T. auch unter gesonderter Erwähnung muslimischer Opfer) und die Gewalt verurteilt, teilweise auch auf eben diesen Deckmantel verwiesen, das hängt natürlich vom lokalen Geistlichen ab; ich kann nicht verstehen, was dich auf die Idee bringen konnte, hier funktioniere tatsächlich eine Vereinnahmung. Die von ihm vertretene Ideologie ist nicht 'christlicher' als die der IRA, das sollte angesichts von Liebesgebot, Tötungsverbot etc. auf der Hand liegen. Eine Stellungnahme des Vatikan... und ansonsten Anschluß an Maglor.

Wobei ich grundsätzlich Ipsissimus darin zustimme, daß der Täter seiner Sache insgesamt geschadet haben dürfte - das wurde übrigens auch auf rechtsaußen befindlichen Seiten sofort so gesehen, vergleiche die taz.^^

janw
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So 31. Jul 2011, 21:23 - Beitrag #43

Lykurg, ob man Breivik als christlichen Fundamentalisten einstuft oder als etwas anderes, ist IMHO eine Frage im Rahmen der größeren Frage, wie man mit seinem in dem von ihm zusammengestellten Pamphlet dargestellten Weltbild umgehen möchte - wirres copy&paste-Geschreibsel oder verfestigter Satz politisch-weltanschaulicher Überzeugungen? Ich neige dazu, das ernst zu nehmen - schon um ihn nicht vollständig pathologisieren zu müssen - und dann muss er wohl oder übel zu dem breiten Strom der Vertreter christradikaler Positionen gerechnet werden. Manche nennen sich Christen, für manche ist es nur weltanschaulicher Aufhänger, macht das einen wesentlichen Unterschied?

Meine Überlegung bezüglich eines Vorgehens der Kirchen bezog sich nicht auf Breivik selbst, sondern auf das Gedankengut, auf das er sich bezog und das vielfach in rechten Kreisen vertreten wird. So war vor einigen Tagen Herr Goppel von der CSU zu vernehmen, es gebe eigentlich keinen christlichen Fundamentalismus:
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35205/1.html
Die kulturelle Prägung in Europa durch das Christentum wurde bereits einmal beansprucht, um Menschen anderen Glaubens und teilweise anderer Kultur auszugrenzen, als "wesensfremd", "schädlich" und anderes zu kennzeichnen, und wesentliche Teile der Kirchen haben sich daran beteiligt...

Wobei natürlich das, was uns zu pluralistischen Gesellschaften macht, aus der Aufklärung stammt. Der rechte Sumpf ist insofern vor allem ein Angriff auf das Erbe da Vincis, Kants und anderer, nur daß die Aufklärung keine institutionellen Sachwalter ihrer geistigen Grundlagen hat.

Lykurg
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So 31. Jul 2011, 21:37 - Beitrag #44

"Einmal"? Viele Male. Das ist aber kein Grund, jeden weiteren Versuch, sich in deren geistige Nachfolge zu stellen, auch gleich der Institution anzulasten. Breivik bezeichnet sich in seinem Manifest als 'kulturellen', nicht als religiös praktizierenden Christen, und das Problem der Begrifflichkeit ist, daß die Unterscheidung unter den Tisch fällt. Sein Handeln steht in eklatantem Widerspruch zu den christlichen Normen der Gegenwart, unabhängig davon, ob es ihm gefällt, sich als Teil dessen zu sehen; genausogut könnte man sein Outing als WoW-Fan als Aussage über die Spielerschaft verstehen. ;) Mohammed Atta trank Alkohol und besuchte Prostituierte, entsprechend fiele seine Einschätzung als islamistischer Fundamentalist (nicht nur) Muslimen vermutlich eher schwer, wohingegen die kulturelle Zugehörigkeit als Kampfbegriff sicher auch in seinen Augen Gültigkeit gehabt hätte.

janw
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So 31. Jul 2011, 23:16 - Beitrag #45

Mit "einmal" meinte ich so etwas wie "in einer historischen Epoche", nämlich der Nazizeit, und wenn Vertreter wichtiger Parteien wie Herr Goppel auch in diesem Fahrwasser schwimmen, könnte das schon mal ein vernehmliches Räuspern hervorrufen.
Ich laste nichts der Institution an, aber Du weißt doch, wie unsere Mediokratie funktioniert, wer schweigt, stimmt zu^^

Aber natürlich ist Dein Hinweis berechtigt, daß sich Breivik und der rechte Diskurs auf eine "christliche Kultur" beziehen - allerdings hilft das IMHO der Sache nicht ganz ab, da als Gegner nicht die "islamische Kultur", sondern der Islam ganz konkret benannt wird. Damit könnte es dann doch wieder zur Sache der Glaubensvereinigungen werden.

Gut, aber letztlich wäre es vielleicht treffender, dieses rechte Gedankengut als Angriff auf unsere Kultur und auf die Grundlagen unserer Gesellschaft wahrzunehmen - wobei dann die Frage zu klären wäre, wie diese beschaffen sei/n solle, wie weit religiös charakterisiert ("christliche Leitkultur") und wie weit, oder ob überhaupt nicht überhaupt vor allem aufgeklärt und pluralistisch.

Leute wie Wilders stören sich nur an der Methode, Jugendliche umzubringen, aber im Grunde wollen sie nichts anderes, als alle "Nichtihrigen" auszugrenzen, auszuweisen, wenn nicht Weitergehendes.
Wie damit umgehen?


Andererseits die Überlegung, die Ipsi ja schon eingebracht hat, die Taten Breiviks als Menschen mögliches Böses zu bewerten.
Wozu führt das, was folgt daraus? Vielleicht ganz einfach, daß sich derlei jederzeit wiederholen kann, wird, weil es immer irgendwie Traumatisierte oder sonst emotional Belastete geben wird, von denen vielleicht Einzelne ähnliches tun werden? Sind wir dem damit "ausgeliefert", wie einer Naturgewalt?

Ipsissimus
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Mo 1. Aug 2011, 12:16 - Beitrag #46

meiner Ansicht nach sind die Begriffe "Kultur" und "Religion" im Kontext der Erklärung des Phänomens "Terrorismus" weitgehend gegenstandslos, weil es offenbar nicht auf eine konkrete Kultur und nicht auf eine konkrete Religion ankommt. Wir finden Taten, die wir uns als "Terrorismus" zu bezeichnen angewöhnt haben, auf allen Seiten, in allen möglichen Nationen und allen möglichen Religionen. Man könnte Terrorismus beinahe für eine Form von Entropie halten^^ tatsächlich ist es eine Form der Auseinandersetzung nichtdomestizierter Menschen und Gruppen mit dem Gehalt lokaler, nationaler oder seit einiger Zeit auch internationaler Politik und Machtverhältnisse, und als solche ein Jahrtausende altes menschheitsweites Phänomen. Ebenso alt dürfte das Gegenphänomen, die Verunglimpfung dieser Form der Auseinandersetzung, sein.

Ein Problem bei der Aufarbeitung und des Verstehens des Phänomens besteht in den Gründen. Man hat sich angewöhnt, so zu tun, als seien Gründe ein rechtfertigender Faktor, und als ändere Rechtfertigung etwas an den Taten. Also werden auf beiden Seiten Gründe aufgefahren, was das Zeug hält. Die eigenen Gründe sind dabei natürlich die einzig angemessenen, die der anderen Seite per se suspekt.

Und erst hier, erst auf der Ebene der Propaganda, kommen Kulturen und Religionen ins Spiel, und da das alles uneigentliche Ursachen sind, kann man sie beliebig an die Bedürfnisse der Darstellung anpassen^^

Problematisch sind Einzeltäter, angebliche oder tatsächliche. Es ist nicht so klar, dass sie sich propagandistisch vereinnahmen lassen. John Kaczynski z.B. hat einen IQ von geschätzten 165 bis 170, und sein Rechtfertigungsmanifest, aus dem auch Breivik paraphrasiert, strotzt vor eloquenter Sprache, glasklarer Darlegung und messerscharfer Logik, die bis heute sachlich unwiderlegt ist. Und trotzdem gegenstandslos, spielt angesichts der Morde keine Rolle.

Für die Bewertung der Morde darf das auch keine Rolle spielen. Aber die darin aufgeworfenen Probleme und Fragestellungen haben eine sachliche Dimension. Und vergehen nicht, nur weil sie von der falschen Person mit den falschen Mitteln aufgegriffen wurde. Klar, Breivik, Kaczynski und wie sie alle heißen, gehören in den Knast oder die Klapse, denn man muss diese Probleme nicht notwendigerweise und unumgänglich in dieser gewalttätigen Weise kommunizieren, es gibt Alternativen. Aber ihre Thesen und die dahinter liegenden Probleme müssen auf einer sachlichen Ebene beantwortet werden, denn wenn sie ignoriert werden, wird es Nachfolger aus Überzeugung geben. Und hier schließt sich dann wieder der Kreis vom überzeugten Einzeltäter zum organisierten Terroristen.

Amy
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Mo 1. Aug 2011, 14:23 - Beitrag #47

Ich war letzte Woche ebenfalls - aus Forschungszwecken - in einem Ferienlager auf einer kleinen Insel, wenn auch in Deutschland. Aus der Vogelperspektive ist sie zumindest mit Utoya nahezu identisch, was mir immer wieder vor Augen gerufen wird, wenn ich an einem Zeitungsstand die aktuelle Ausgabe des Sterns sehe.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit bei Abreise eher gering war, dass uns ein ähnliches Schicksal durch einen Trittbrettfahrer ereilt, waren die Bilder und die Gewissheit der Tat in Norwegen einfach nach wie vor im Kopf und krallten sich als ungutes Gefühl fest. Dieses "Was wäre wenn"-Denken ist in solchen Momenten wie ein Virus und lässt sich kaum aus den eigenen Gedanken verjagen.

Abends sprach ich zusammen mit einigen Kommilitonen, so wie einem unserer Dozenten, der im Laufe des Gesprächs dazukam, über Utoya.
Und war da erst einmal verwundert, als ich die Info bekam, dass Breiviks Manifest scheinbar schon längere Zeit im Internet vorhanden war - ich dachte bis zu diesem Augenblick, dass er sie erst kurz vor der Tat online gestellt hätte.
Natürlich sprachen wir auch über sein Facebook-Profil, das ich nach wie vor lächerlich finde - lächerlich in dem Sinne, dass zig Redakteure daraus ein Täterprofil erstellen wollen. Als Cineastin bekam ich das große Grausen, als kurz nach der Tat in Utoya auf einem Nachrichtensender mit unheilvoller Stimme verkündet wurde, dass der Täter laut seinem Profil Fan von "300" und "Dogville" war. - Und weiter? Die Filme stehen auch in meinem Regal und trotzdem laufe ich nicht herum, brülle "This is Sparta!" und töte willkürlich Menschen. Leider hat mich das eher wieder an Columbine erinnert und wie man damals Marilyn Manson und "Matrix" die Schuld in die Schuhe schieben wollte (wobei Manson diesbezüglich damals eine der schlichtesten, aber besten Antworten abgab, als Michael Moore ihn fragte, was er zu den Mördern von Columbine sagen würde).

Mein Dozent, der selbst lange Zeit solche Camps leitete und noch immer gerne mit seinen Kindern daran teilnimmt, empfindet den Vorfall in Utoya als einzige Katastrophe. Nicht nur in Bezug auf die vielen unschuldigen, jungen Menschen, die an diesem Tag ihr Leben verloren haben, sondern auch für die gesamte Ferienlager-Kultur. Aber vielleicht gibt es diesbezüglich nun wichtige Vorkehrungen, die vorher nicht existieren.
Ich bin zumindest letzte Woche des öfteren die Insel abgelaufen und habe festgestellt, dass man bei einem Amoklauf wirklich in der Falle säße, was nach Utoya ein beklemmendes Gefühl hinterlässt und erst deutlich macht, wie schrecklich diese letzten Momente für die Opfer sein mussten.

Dadurch, dass ich die letzte Woche eben weg von Zivilisation war und das Wochenende mit Klausurvorbereitungen beschäftigt war, bin ich im Fall Breivik gar nicht auf dem aktuellen Stand, was ich gleich nachholen werde.
In jedem Fall wünsche ich mir, dass man diesen Mann wegsperrt, für immer. Denn jegliche Präsentation in der Öffentlichkeit gibt ihm das Gefühl, der Held zu sein, als welcher er sich selbst sieht und gibt ihm Aufmerksamkeit, die er nicht verdient hat. Alleine wenn ich ständig diese Model-Fotos von ihm sehe ... schrecklich. Der Mann hat sich durch und durch auf seinen Auftritt in der Öffentlichkeit nach der Tat vorbereitet und eben deswegen sollte er nie wieder auch nur ansatzweise mit ihr in Kontakt kommen.
Aber wie gesagt: ich bin nicht auf dem neusten Stand, vielleicht wurde mittlerweile ja eine gerechte Strafe ausgesprochen.
Zu milde sollte es bei einem Mann, der lacht und Gefallen daran findet, auf verletzte Schüler am Boden zu schießen, nicht ausfallen. Ich spreche mich selten für die Todesstrafe aus, aber ... bei solchen Fällen wäre ich dafür. Denn wenn ein Mensch so eiskalt und mit Spaß mordet - auch noch unschuldige, unbewaffnete Kinder - ist das für mich eigentlich kein Mensch mehr. Vielleicht würde das auch etwaigen Trittbrettfahrern deutlich machen, dass sie nicht die Plattform erhalten, die sie sich vielleicht erhoffen.

janw
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Mo 1. Aug 2011, 17:28 - Beitrag #48

Ipsi, ich habe den Text von Breivik nicht gelesen, war mir aber auch nicht sicher, ob er wirklich etwas von Bedeutung enthält. Ist da wirklich etwas Bedenkenswertes enthalten, spricht er Sachverhalte als Probleme an, die wirklich als Probleme einzustufen sind?

Ipsissimus
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Mo 1. Aug 2011, 18:00 - Beitrag #49

er spricht Dinge an, die von manchen Menschen, und sei es noch so irrig, als Probleme empfunden werden. Das zumindest ist ein reales Problem

janw
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Mo 1. Aug 2011, 19:56 - Beitrag #50

Gut, ok, es gibt Menschen, die meinen, daß Menschen unterschiedlicher Kultur getrennt gehören, Nichtmehrheitskulturelle oder nicht im Lande Geborene ausgewiesen werden oder in abgetrennten Gebieten leben sollten, manche gehen von der biologischen Überlegenheit ihrer Gruppe aus und sprechen von daher anderen gleiche Möglichkeiten, zur Gesellschaft beizutragen, ab.
Wie sollte damit umgegangen werden?

Es gibt Menschen, die anderen Menschen, die vom Gegenteil überzeugt sind, "Gutmenschentum" vorwerfen, und sie gleich mit ausgrenzen möchten oder "umerziehen".

Oder geht es darum, daß die etablierte Politik Situationen wie in Neukölln ignoriert und nicht als Problem erkannt habe, nur um den Rechten nicht Recht geben zu müssen, daß da ein Problem bestehe?
Selbstrechtfertigung selbst ernannter "Politisch inkorrekter" á la Broder, einerseits Mahner zu sein und in ihrem Mahnen wiederum unerwünscht?

Wie sollte damit umgegangen werden?
Broder hat ein ständiges Publikationsfeld in einer großen Zeitung, kürzlich durfte er seine Ansichten sogar in einer abendlichen Fernsehserie darstellen.
Auch ein Sarraazin kann seine Ansichten in Büchern veröffentlichen und dann in talkshows vertreten, einschließlich der Selbstdarstellung als Opfer "politischer correctness".

Natürlich gibt es in diesem Lande Probleme, mir fielen z.B. noch Brennpunkte sozialer Entmischung wie Bad Homburg, Königstein, Grünwald oder die Elbchaussee ein ;) aber wie der große Genosse schon sagte: "...kein Mensch, keine Probleme"^^

Ich weiß nicht so recht, wie mit einem Wilders oder Leuten von der JF konstruktiv umzugehen wäre.

janw
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Mo 1. Aug 2011, 22:28 - Beitrag #51

Hm, oder ist es andersrum - ist der Punkt der, daß Sachverhalte wie z.B. verbreitete Sprachprobleme bei manchen Zuwanderern in bestimmten Gebieten mutmaßlich von der Politik über längere Zeit nicht wahrgenommen seien, unterstelltermaßen, um dem politischen Gegner keine Munition zu liefern, Multikulti habe als funktionierend zu erscheinen, so wahr der Kaiser Kleider anhabe?^^

Mein Problem damit ist, daß es den Rechten IMHO nicht eigentlich um diese Sachverhalte=Probleme geht, daß sie diese in Wirklichkeit nur vorschieben, aber selbst ohne diese nach Ausgrenzung welch immer Gruppen streben würden.
Ich fürchte, daß etwas an der Liedzeile dran ist, die da lautet "deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, deine Springerstiefel sehen sich nach Zärtlichkeit. Du brauchst deinen Selbsthass nicht auf andre projizieren, damit niemand merkt, was für ein lieber Kerl du bist..."

Ipsissimus
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Di 2. Aug 2011, 10:33 - Beitrag #52

janw, ich meine damit nicht, dass die Gründe islamophober Personen für ihre Islamophobie das sachliche Problem sind, sondern dass die Existenz der Islamophobie das sachliche Problem ist. Nicht die Gründe Rechtsradikaler für ihren Fremdenhass sind das Problem, sondern die Existenz des Fremdenhasses ist das Problem. In dieser Hinsicht schreit Breivik - und ihm selbst anscheinend völlig unbewusst - "Seht her, es gibt das alles". Darin sehe ich die Chance. In unseren öffentlichen Medien wird ja gerne so getan, als gäbe es das nicht in signifikantem Ausmaß, oder wenn doch, sei es ein Randphänomen. Das zu behaupten ist nach Breivik nicht mehr so ohne Weiteres möglich; ich sehe darin auch den Hauptgrund dafür, dass er in der öffentlichen Deutung sehr schnell zum isolierten verrückten Einzeltäter gemacht wird. Was meinst du, was los gewesen wäre, er wäre tatsächlich ein "Islamist" und Terrorist im Auftrag der Al-Qaida? Da hättest du von isoliertem Einzeltäter nichts gelesen, und Leute wie Broder würden sich nicht gegen den Vorwurf der geistigen Wegbereiterschaft wehren, sondern abermals den Islam in toto verteufeln, natürlich auf hochintellektueller Basis.

Amy, dass ist gut nachvollziehbar, wie mensch da ins Grübeln kommt, wenn die Situationen Ähnlichkeiten aufweisen. Aber kannst du dir - deine Darlegungen zu "300" und "Dogville" lassen es möglich erscheinen - jetzt vorstellen, wie einem WoW- oder CS-Spieler zumute ist, wenn er liest, dass er eine potentielle Gefahr darstellt?

Amy
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Di 2. Aug 2011, 11:23 - Beitrag #53

Zitat von Ipsissimus:Aber kannst du dir - deine Darlegungen zu "300" und "Dogville" lassen es möglich erscheinen - jetzt vorstellen, wie einem WoW- oder CS-Spieler zumute ist, wenn er liest, dass er eine potentielle Gefahr darstellt?

Natürlich kann ich das. Und ohne, dass ich solche Spieler in irgendeiner Art und Weise verurteile und als künftige Täter abstempeln will, sehe ich dennoch noch einen Unterschied zwischen z.B. CS und einem Film wie "Dogville". Schlicht wegen der Tatsache, dass ich bei der einen Sache passiv als Beobachter agiere und bei der anderen aktiv am (Spiel-)Geschehen teilnehme und dabei bewusst eine Rolle einnehme. Weswegen ich es eben noch unsinniger finde, derartigen Filmen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Bei irgendwelchen Metzel-Filmen hätte ich das kindische Aufstöhnen der Presse noch einen Deut nachvollziehen können, aber ... "Dogville"? Bitte.

(Und WoW lasse ich bei solchen Diskussionen immer ganz aus dem Spiel; ich habe es zwar nie gespielt, aber hin und wieder "Guild Wars", was in die gleiche Richtung läuft und mir fehlt der Zusammenhang zwischen einem Fantasy-Spiel und realen Amok-Läufen.)

Ipsissimus
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Di 2. Aug 2011, 11:54 - Beitrag #54

ich hätte jetzt eher "WoW" auf "Dogville" und Counterstrike auf "300" bezogen, dann würde diese Differenz möglicherweise gar nicht mal so dramatisch ausfallen^^ und wenn man gelegentlich miterlebt, wie vor allem Kinder mit Gewaltfilmen innerlich "mitgehen", vielleicht auch ohnehin nicht

Ipsissimus
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Di 2. Aug 2011, 15:42 - Beitrag #55


Milena
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Di 2. Aug 2011, 16:16 - Beitrag #56

...gefällt mir gut...
v.a der allerletzte satz...^^

Ipsissimus
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Di 2. Aug 2011, 16:24 - Beitrag #57

ja, fand ich auch beeindruckend, aber nicht nur den letzten Absatz^^

Lykurg
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Di 2. Aug 2011, 17:18 - Beitrag #58

Spannend, ja, darin steckt viel Vernunft, man könnte Sagen, Mankell versteht etwas von Gewalt, gerade vom Entstehen von Gewalt. Bezogen auf die Notwendigkeit von offener Diskussion stimme ich ihm ohnehin zu; auch wenn es eklig ist, sich mit Vereinigungen wie der NPD auseinandersetzen zu müssen, wird es - solange sie sich an grundsätzliche Standards halten - keine andere Möglichkeit geben, als sie unter genauer Beobachtung zu dulden, ansonsten kommt es nur zu Ausweichbewegungen, die wenig besser machen.

Amy, ich kann dein extremes Unbehagen auch angesichts deines Insel-Besuches verstehen. Allerdings sollte uns auch die Monstrosität des Verbrechens nicht zu illegitimem Handeln bewegen. Die Werte, die wir verteidigen wollen, beruhen darauf, daß wier sie auch bei ihrer Verteidigung weiterhin achten, ansonsten hätte er sein Ziel erreicht. Dazu gehört dann auch das Einhalten der normalen Mechanismen zur Aufklärung und gerichtlichen Verhandlung des Verbrechens, auch wenn das noch eine ganze Zeit dauern wird, bis es zum Urteil kommen kann. Und die Todesstrafe ist auch keine Lösung, damit schafft man Märtyrer ihrer Sache, und davor haben ja gerade eher wenig Skrupel (Breivik ist als Überlebender einer solchen Tat eher die Ausnahme). Im Gefängnis versauern lassen, ja, aber da dürften auch 30 Jahre einiges bewirken, und wenn nicht und er weiterhin eine Gefahr darstellt, muß man sich etwas anderes einfalllen lassen.

Katinka3
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Di 2. Aug 2011, 23:28 - Beitrag #59

Diesen Breivic müsste man eigentlich quälen, so das es ihn so richtig schlecht geht. Damit er merkt an seinem eigenen Körper, wie elend es einem gehen kann. Vielleicht käme er so zu Vernunft, das das was er getan hat nicht ok war. Und über OK hinaus noch viel schlimmer war. So Leuten kann es gar nicht schlecht genug gehen, sie müssen dafür (bezahlen) mit dem was sie schlimmes gemacht haben.

Lykurg
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Di 2. Aug 2011, 23:43 - Beitrag #60

Genau das nicht, Katinka3. Auch wenn es gräßlich ist, was solche Menschen tun*, dürfen wir gerade das nicht zum Anlaß nehmen, unsere ethischen Maßstäbe so weit aufzuweichen, hier spontan eine Vergeltungsstrafe zu verhängen. Auch Breivik ist trotz allem, was er getan hat, ein Mensch. Würde man ihn nicht als solchen und nach dem geltenden Recht behandeln, wäre der ideelle Schaden an der Gesellschaft größer als jeder andere, den er selbst ihr hätte zufügen können.
_________
* (wobei man sich hier schon fragen kann, warum der Mensch, der an einem Tag 80 Wehrlose tötet, wirklich schlimmer sein sollte als etwa einer, der über Jahrzehnte verteilt ebensoviele schändet und fürs Leben schwerstens schädigt)

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