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Unreligöse Sekte

BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2004, 18:26
von Maurice
Durch mehrere Threads hier im Forum kam ich auf die Idee, ob man eine "Sekte ohne Religion" gründen könnte, und wie so eine aussehen würde. Als erstes soll es darum gehen ob der Begriff "Sekte" Religion zwangläufig mit sich führt oder ob es eben auch solche "nicht-religösen Sekten" geben könnte. Naja wenn man an die Definition von "Religion" eines gewissen jemands aus der Philo-Sektion denkt, dann ist ja jedes Denk- und Wertesystem schon Religion. :D
Aber diese Definition soll hier nicht gemeint werden, sondern zum "religösen" muss nach mir der Glauben an ein (oder mehrere) göttliches Wesen dabei sein.
Was charakterisiert also eine Sekte und ist sie von naturaus (aus unserer Sicht) schlecht? Gibt es etwas vergleichbares auf atheistischer Ebene die einer Religion oder Sekte gleichkommen würde?

Das ist ein ernstgemeinter Thread, komtm also nciht auf die Idee das ins Smalltalk zu stecken. Wenn es verschoben wird, dann wenn überhaupt unter Phlosophie, wenn ihr den Thread da für passender haltet. ;)

BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2004, 19:04
von Wombat
Eine Sekte ist eine Gemeinschaft, die Freiheiten raubt.
Somit für mich ein negativer Begriff.
Ich glaube es gibt gar nicht DIE Definition. Aber man kann dennoch bestimmte Merkmale beobachten:

1. Es gibt immer ein Oberhaupt, dem es gilt zu gehorchen und nicht zu hinterfragen.
2. Alle Bereiche des Lebens der Mitglieder werden überwacht und reguliert.
3. Die Gruppe selber ist von der Aussenwelt abgehoben. Sie hält sich für etwas besseres.
4. Zum Teil werden die Mitglieder auch finanziell auseinander genommen.

Bei Sekten wird der Glaube an eine bestimmte Sache ausgenutzt. Ich denke, dass es auch nicht religiöse Sekten gibt. Man denke da z.B. an Studentenverbindungen, die zum Teil auch die Merkmale besitzen.

BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2004, 19:55
von janw
ttt, da hast du vollkommen recht. Bei Studentenverbindungen kommt noch hinzu, daß sie oft genug sexuell diskriminieren, indem nur Männer aufgenommen werden (soweit ich weiß) und daß sie korruptionsartige Systeme begründen, indem bei Einstellungen in mnachen Berufen Personen aus einer Verbindung bevorzugt werden, in welcher auch andere Mitarbeiter der Firma früher waren. Man nennt soetwas eine "Seilschaft". Seilschaften sind eine deutsche Krankheit, wie die Mafia in Italien.

Aber sei beruhigt: Die Bruderschaft des handschuhs ist keine Sekte! :D

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 16:31
von judithschl
Insbesondere Punkt 1 und 3 von ttt find ich bezeichnend für Sekten.
Meine letzte Begegnung mit derlei war ein Treffen der B.U.N.D-Jugend.
Der Gruppenleiter hockte da wie eine Art "Guru" und der Rest der Gruppe tat so erhaben und die Wände waren vollgekleistert mit Bildern von Kernreaktoren und sowas ==.o
Naja, kanns nicht so gut beschreiben, hab mich auf jeden Fall sehr unwohl gefühlt...und toleriert wurde ich auch nicht wirklich .(

Aber so Sektenbildung in solchen Öko-Bereichen ist ja mittlerweile rückläufig.
Dafür bilden sich viel solche Dinge in Künstlerkreisen find ich.
Die bilden ja auch ihre eigenen *kommunen*-artige Gebilde .

Zumindest seh ich das auch als Sekte ;-)
Also das auch die Weltanschauung dazu führen kann völlig unabbhängig von religiösen Belangen -obwohl die sicherlich auch eine Art Ersatzfunktion ausüben können- solange ein *charismatischer Rattenfänger* an der Spitze fungiert und die gruppierung noch nicht die *Weltherrschaft* errungen hat ;-)

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 16:59
von janw
Hm, judithschl, das war aber eine komische BUND-Jugendgruppe...das sah bei uns damals doch deutlich anders aus!
Hoffentlich hat das Erlebnis Dein Interesse an Natur und so nicht gleich mit zerstört!

Aber ob soetwas rückläufig ist...ich denke, eher die basisdemokratische Orientierung meiner (80er Jahre) Zeit ist rückläufig, leider.

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 17:52
von Rheuma-Kai
Also ich empfinde "Sekte" als falsches Wort. Sekten sind für mich so Leute wie die Zeugen Jehovas sind. Diese Typen kann ich ja überhaupt nich ab. ich weiß zwar nich wirklich wieso, denn mir haben sie noch nichts getan^^, aber nach allem was man so über die hört...
P.S.: was haltet ihr von Bruderschaft o.ä. ??

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 18:26
von janw
Also, wenn Du von DER Bruderschaft sprichst...das ist keine Sekte!

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 19:44
von Wombat
Ja, das behaupten sie am Anfang allle, weil sie nicht mit so einem negativen Wort verbunden werden möchten! ;)

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 20:10
von Maurice
Sie nennen sich lieber "Freikirche". ^^

BeitragVerfasst: Fr 30. Jul 2004, 23:29
von janw
Die Bruderschaft des handschuhs ist eine Bruderschaft für Brüder und Schwestern, keine Sekte, und Freikirche...wer hat das so genannt??!

Nun, aber um mal wieder zum Thema zu kommen:

Sekte kommt von Sectio, sinngemäß etwa Abschnitt, Abgliederung und bezeichnet so etwa eine von einem Hauptstrom abweichende Splittergruppe, eine Gruppe von Abweichlern. Der Begriff kommt vor allem aus dem religiösen Bereich, könnte aber letztlich auch im politischen Bereich verwandt werden, für eine Splittergruppe z.B. in einer Partei, die sich aber noch nicht als eigenständige Partei formiert hat.

Insofern kann es durchaus "Sekten" geben, die nicht religiös sein müssen. Wobei es aber letztlich auch im politischen Bereich um Weltanschauungen geht, und die Grenze zum Religiösen ist dort IMHO fließend. Die Staatsdoktrin im Stalinismus hatte durchaus pseudoreligiöse Züge, wie auch der Glaube an die heilenden Kräfte des Marktes bei vielen Wirtschaftspolitikern nicht gerade faktenbasiert ist.

BeitragVerfasst: So 1. Aug 2004, 14:10
von Maglor
Um mal alle ein wenig zu verwirren:
Im Gegensatz zur Kriche ist die Sekte keine Körperschaft des öffentlichen Rechtes.
Die Sekte unterscheidet sich von urtümlichen Religionen (Buddhismus, Christentum...) durch ihr geringes Alter ab. Meistens sind die Propheten noch recht lebendig oder noch nicht lange tot. :D

MfG Maglor

BeitragVerfasst: So 1. Aug 2004, 19:29
von Wombat
@Maglor
Was daran verwirrend sein soll, weiß ich nicht. Klingt doch ziemlich logisch!

BeitragVerfasst: So 1. Aug 2004, 20:13
von janw
Wobei prinzipiell eine Sekte Körperschaft des öffentlichen Rechts werden könnte.
Geringes Alter...nun, dann wären alle Religionen irgendwann mal Sekten gewesen. Beim Christentum könnte man dies postulieren, die Frage der Abgrenzung zum Judentum, (gehört man noch dazu, muß man Jude gewesen sein, um Christ werden zu können?) war ein wichtiges Streitthema unter den ersten Christen. Der Islam war hingegen eine ziemliche Neuschöpfung, explizit bezeichnet als neue Offenbarung Gottes, wobei die älteren Offenbarungen damit als überholt gelten.

Das Christentum eine Sekte?

BeitragVerfasst: Mo 2. Aug 2004, 15:09
von Wombat
Wenn jetzt ein Jesus aufkreuzen würde und behaupten würde, er sei der Messias, würde Dein erster Gedanke nicht auch sein: Was für ein Scharlatan?
Die damaligen Hohepriestern haben ihn ja auch verhöhnt. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich es bestimmt auch getan, wenn ich zu der Zeit gelebt hätte.

Bei jeder Religion muss es doch einen Anfang gegeben haben, der sich durch Abgrenzung einer Minderheit von anderen Glauben unterscheidet. Jede Religion fängt klein an, mt einer kleinen Gruppe. Und dies könnte man doch auch als Sekte bezeichnen, oder nicht?

BeitragVerfasst: Mo 2. Aug 2004, 16:00
von janw
Genau das wollte ich ausdrücken, ttt! :s1:

Die Gruppe der Jünger und weiteren Anhänger konnte sicher als eine Art Sekte erscheinen aus der Sicht der Juden damals.

Wobei die Frage ist, wie Jesus das fand. Wollte er wirklich eine Art Gegenbewegung, eine grundsätzliche Konfliktposition aufbauen, oder nur bestimmte krasse Fehlentwicklungen angreifen? (Opfertiervermarktung mit Gewinnmaximierungsanspruch, Hilfeverweigerung am Sabbat und gegenüber Kranken...)

Ich denke fast, letzteres.

Man muß aber auch berücksichtigen, daß Jesus damals nicht alleine war. Es gab eine ganze Reihe von Strömungen und "Guru"-geführten Gruppen im damaligen Judentum. Also letztlich ein ganzes Sekten-Potential.

BeitragVerfasst: Mo 2. Aug 2004, 16:05
von Maurice
Ich stimme Taboo zu, dass eine neue Religion, nach der Definition die uns Jan gegeben hat, immer erst eine Sekte sein muss.
Dieser Gebrauch des Wortes "Sekte" ist aber in diesem Fall ein neutraler, warum aber ist für uns "Sekte" wenn wir den Begriff hören sonst immer erstmal etwas negatives? Das liegt wohl daran, dass wir über die Organisationen die wir hier als "Sekten" bezeichen ein sehr schlechtes Bild haben.
Bezeichnen sich solche Organisationen (z.B. Jeugen Jehovas) eigentlich auch selbst als Sekten, aber eben nicht als einen negative Begriff, oder vermeiden sie diesen Ausdruck bei sich selbst auch? Ok klar gegenüber Nicht-Gläubigen wohl auf keinen Fall, weil für die "Sekte" ja etwas negatives heißt, ich meine damit sozusagen unter sich.

BeitragVerfasst: Mo 2. Aug 2004, 16:24
von janw
Naja, Maurice, beim Islam sähe das schon anders aus: Zu der Zeit hingen die Menschen auf der arabischen Halbinsel verschiedenen polytheistischen Religionen an, der Islam hatte dazu keinen Bezug. Das als Unterschied zu den anderen "Sekten", die eigentlich immer einen Bezug zu einer etablierten Hauptreligion haben, von der sie in mehr oder weniger deutlichen Nuancen abweichen.

Man kann also nicht sagen, daß der Islam aus dem Judentum oder dem Christentum hervorgegangen ist, sondern er basiert auf einer neuen Offenbarung Gottes, die sozusagen ersetzend neben die älteren Offenbarungen (Moses Gesetze, Überlieferte Jesusworte) treten.

Dies wird im Koran auch explizit erwähnt, das Judentum und das Christentum sind ausdrücklich vom Vorwurf des Irrglaubens ausgenommen.

BeitragVerfasst: Mi 4. Aug 2004, 15:33
von Wombat
Original geschrieben von janw
Dies wird im Koran auch explizit erwähnt, das Judentum und das Christentum sind ausdrücklich vom Vorwurf des Irrglaubens ausgenommen.


Was genau meinst Du damit? :confused:

BeitragVerfasst: Mi 4. Aug 2004, 20:26
von janw
ttt, ich meine damit folgendes:
Es gibt im Islam, zwar weniger weniger extrem ausgedrückt als im Christentum, eine Art Missionsbefehl. D.h. ein Moslem ist dazu aufgerufen, andersgläubigen seinen Glauben zu vermitteln, und militantere Kreise interpretieren das auch gelegentlich in dem Sinne Glaub oder stirb.

Dies gilt eben für alle andersgläubigen, aber ausdrücklich nicht für Juden und Christen, da sie ja schon an den einen Gott glauben, der sich Mose offenbart hat, und Mose gilt im Islam als Prophet.

Historisch hat sich das darin gezeigt, daß die Mauren (Araber) zwar in Spanien geherrscht, aber den Christen ihren Glauben gelassen haben. Solange diese nur ihre Steuern an den Sultan zahlten, hatten sie alle Freiheiten.

Ganz im Gegenteil dazu wie die Christen später mit den Mauren umgingen...

BeitragVerfasst: Sa 28. Aug 2004, 01:31
von Traitor
Ein Thread, der es nicht verdient, so sang- und klanglos zu entschlummern...

Eurem bisherigen Fazit stimme ich zu: Der Begriff Sekte ist etymologisch eigentlich neutral, wurde aber im Laufe der Zeit stark negativ und religiös konnotiert.

Beim Lesen des Threads ist mir noch der Gedanke zu einer interessanten Theorie gekommen: Zeiten steigender Sektenanzahl gehen einer großen Religionserneuerung / - Spaltung voran.
Um die Zeitenwende gab es im Judentum viele Splittergruppen, Strömungen und Richtungen. Aus diesem Nährboden ging das Christentum hervor.
Im ausgehenden Mittelalter gab es eine große "Ketzer"bewegung nach der anderen und unzählige kleine. Schließlich kam es zum Protestantismus.
In den letzten Jahrzehnten nehmen christliche Sekten wieder inflationsartig zu und ...
Die These ist natürlich kein Versuch einer monokausalen Deutung, die der Komplexität der Thematik völlig unangemessen wäre, aber ich finde, es ist ein interessanter Zusammenhang.

PS: Diese neue Erneuerungsreligion wird dann vermutlich die Bruderschaft des Handschuhs sein...