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Kavalier der alten Schule

Verfasst:
Mi 19. Okt 2005, 20:44
von Milena
...für mich eigentlich was schönes von einem Herrn die Tür aufgehalten , den Stuhl vorgeschoben , den Mantel zum hineinschlüpfen vorgehalten zu bekommen,
kleine Aufmerksamkeiten nicht nur zum Geburtstag...okay, die Rede war hier vom eigenen Freund/Ehemann...und nun kam mir zu Ohren, dass sich diese so meine geschilderte Vorstellung gewaltig mit der Emanzipation der Frau heutzutage zwickt...
schade eigentlich, wo ich doch so eine altmodische Romantikerin geblieben bin...
und ich doch daselbe jederzeit auch für meinen Liebsten machen würde....

Verfasst:
Mi 19. Okt 2005, 20:55
von AlterEgo
Ja, auch mir gefällt der Gedanke vom Kavalier der alten Schule, der alle Türen aufhält, Blumen schenkt, aufmerksam ist, wo es nach Aufmerksamkeit verlangt und sogar, wenn's dann ganz kitschig werden sollt', der holden Dame die Jacke über eine schillernde Regenpfütze legt.
Leider musste auch ich, wie du's beschreibst, Milena, erfahren, dass viele Damen eine solche Aufmerksamkeit gar nicht mehr wünschen. Sie fühlen sich bevormundet, fühlen, als würd' man sie in eine Damenrolle drängen, in eine gewisse, naive Abhängigkeit von ihrem Begleiter.
Nun, natürlich wollt' ich niemals einer Dame auf dieser Welt ein Vormund sein. Dennoch versuch' ich, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg, ein wenig vom Kavalier in mir am Leben zu erhalt'n.

Verfasst:
Mi 19. Okt 2005, 20:59
von Milena
..ja das ist schön so AlterEgo...und lasse den Kavalier in dir niemals zu Tode kommen...

Verfasst:
Mi 19. Okt 2005, 21:28
von Lykurg
Ich finde Teile davon selbstverständlich. Türen aufzuhalten ist eine Freundlichkeit, die niemandem wehtut, die dagegen meistens mit einem Lächeln oder Dankeswort quittiert wird, und das macht den Tag - wechselseitig! - doch schon viel erträglicher. In den Mantel bzw. aus dem Mantel zu helfen - wenn es sich ergibt, finde ich das natürlich. Allerdings (praktischerweise) nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch gegenüber deutlich Älteren oder aber der eigenen Begleiterin - dann allerdings ein Zeichen der Vertrautheit und des Interesses, das ebenfalls bisher nur positiv entgegnet wurde... Einen Blumenstrauß oder eine andere Aufmerksamkeit als Dank für etwa ein Essen mitzubringen, halte ich jedenfalls bei der ersten Gelegenheit nicht für verkehrt. Den eigenen Mantel über die Pfütze zu decken? Nein, das ist doch eher fromme Legende - viel wirkungsvoller fände ich es in diesem Fall, die Dame hinüberzutragen...
Tragen... würde jemand von euch seiner neben ihm gehenden Freundin nicht anbieten, ihre Reisetasche (oder die schweren Einkäufe) zu nehmen? Das ist absolut keine Bevormundung, sondern eine selbstverständliche Folgerung aus der physischen Ungleichheit von Mann und Frau (wie auch im "Frauen und so" erwähnt). Stühle zurechtzurücken - naja, das hat sich dann doch weitgehend erledigt. Aber wenn es sich anbietet - gern... Entscheidend ist doch bei all diesen Aufmerksamkeiten, daß sie von selbst geschehen. Ein Herbeispringen ist leicht an der Grenze zum Lächerlichen. Achso, noch gar nicht erwähnt: heruntergefallene Dinge aufheben (es sei denn, der Inhalt einer Handtasche hat sich über den Boden ergossen... schwieriges Thema^^) - aber sonst: immer gut.
Allerdings bin ich in dieser Hinsicht in Wien gut aufgehoben, auch und gerade unter Studenten sind die Umgangsformen hier doch deutlich traditioneller als andernorts (wie etwa an den Türen gut zu beobachten). Demgegenüber steht, daß in meinen Seminaren und Vorlesungen eine 80-90%ige Frauenquote herrscht - daher das "alle Damen vorbeilassen" obsolet ist. Aber die Mädchen, mit denen ich mich vor der Tür unterhalten habe, erhalten selbstverständlich den Vortritt.
Ach, das Türenaufhalten... neulich zu einer Hochzeit wurde eine wohl deutlich über siebzigjährige (mir unbekannte) Dame im Auto vorgefahren, es hielt fast neben mir. Selbstverständlich wollte ich ihr die Tür öffnen, aber es standen zwei junge Männer vor mir im Weg, die nicht daran dachten. Der Moment war zu kurz, um sie darauf aufmerksam zu machen (dann wurde die Dame - etwas mißbilligend - selbst aktiv), und ich ärgerte mich - und ärgere mich bis jetzt - für diese unterlassene Höflichkeit. Nein, diese Formen sind für mich notwendig.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 00:55
von Tar-Minyatur
Heydiho!
Also "Kavalier der alten Schule" hat mich vor einigen Jahren eine Klassenkameradin betitelt. Irgendwie hab ich da zum ersten Mal über gewisse Dinge nachgedacht. Geändert hat sich dadurch aber eigentlich nichts.
Wie Lykurg es ja schon gesagt hat, sind gewisse Dinge einfach selbstverständlich. Tür aufhalten ist da totaler Standard, wobei man da eigentlich ja auch nicht immer richtig liegt, da man ja beispielsweise Treppen vor der Begleiterin heruntergehen und aus Gebäuden heraus als erster gehen sollte. ;o) Diese beiden Dinge setze ich bewusst dann ein, wenn es passt. Beispielsweise bei einem Ball. Da gehört es für mich zum Flair des Abends.
Aber grundsätzlich ist es eigentlich egal, was genau man macht. Entscheidend ist eigentlich die Intention. Man kann mit den kleinsten Dingen einen positiven Eindruck machen, Menschen ein Lächeln abfordern etc. Da muss es nicht unbedingt das Zurechtrücken des Stuhls sein.
Um die zentrale Frage des Threads anzusprechen: Milena, fühlst du dich wirklich von der Meinung irgendwelcher Emanzen dazu überredet, deine Vorstellungen von Romantik, ... zu revidieren? Finde ich unsinnig. Wenn dir das gefällt, ist es doch in Ordnung. Das ist es, was zählt. Es ist auch eigentlich weniger ein Problem für dich, als vielmehr für uns. Aber der echte Gentleman trägt es auch mit Fassung, wenn sein Entgegenkommen nicht auf Freude stößt. ;o)
Ich finde einfach, dass ein Minimum an Umgangsformen Pflicht ist. Man muss wenigstens Wissen, wie es funktioniert. Da gehört übrigens auch die Fähigkeit dazu, sein Besteck richtig einzusetzen, was ich leider in letzter Zeit immer seltener sehe. ;o) Aber ich will ja nicht vom Thema abschweifen. *G*

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 01:41
von Ipsissimus
also^^: ich gehe da auf eine Tür zu, von der ich weiß, daß meine Liebste sie jeden Tag vollkommen autark und ohne meine oder eines anderen Herren Hilfe viele Male erfolgreich öffnet und durchquert ... und nun stehe ich zufällig in der Gegend herum und es ist nicht so, daß sie, die Liebste, mit Gepäck schwer beladen ist, und sie hat auch beide Hände frei ... nur daß ich dabei stehe ist der ganze Unterschied ... hmm ... sorry^^ wer zuerst da ist, macht die Tür auf^^

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 06:38
von Milena
..genau Lykurg, entscheidend bei diesen ganzen Aufmerksamkeiten ist, dass sie von selbst gern geschehen...es bringt nichts, wenn sich der Herr dabei einen abbricht und verzweifelt in Gedanken verweilt, wann er wo jetzt etwas zu machen hätte...^^
Heydiho Tar-Minyatur, du bist ja ein ganz neues Gesicht hier (für mich zumindest)...
es waren keine Emanzen, die mich von meiner Romantik abbringen wollen,
es war ein guter Freund..^^ ja, sicher Ipsi....wäre doch schade um die Tür, die einfach nicht von alleine aufgehen will....^^

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 09:32
von Tar-Minyatur
Heydiho!
@ Milena: Naja. Eigentlich ein altes Gesicht aber mit neuer Motivation. ;o) Angemeldet bin ich schon eine ganze Weile, aber bisher habe ich dann doch einen Bogen um die Matrix gemacht. ;o) Inzwischen fehlt mir aber im Internet die Anlaufstelle für ordentliche Diskussionen etc., womit die Rückbesinnung recht schnell getätigt war. *G*
Zum Thema: Ipsissimus hat das aus rationaler Sicht natürlich Recht. ;o) Es ist prinzipiell kein Problem für die Damenwelt eine Tür zu öffnen. (Mit Ausnahme einiger Feuerschutztore *Gg*) Genau weiß ich momentan auch nicht, woher eigentlich dieses Tür aufhalten kommt, aber es ist eben einfach eine Sache der Höflichkeit geworden. Man ist eben gewissermaßen "so aufmerksam, dass man die Absicht erkennt und ihr zuvorkommt" oder so. Wie gesagt, beschränkt sich ja auch nicht nur auf die Freundin/Begleiterin, sondern ist eigentlich eine generelle Sache. Ich halte auch vielen anderen die Tür auf. Es ist übrigens auch alles andere als normal, wenn man darauf wartet, dass einem die Tür aufgehalten wird. ;o) (Mal davon abgesehen, dass man dann in der heutigen Zeit ewig rumstehen würde. *g*) Wie Milena es ja gesagt hat: Es mus eine Selbstverständlichkeit sein und "nebenbei" passieren.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 09:36
von aleanjre
Ich erwarte von niemanden, dass er mir die Tür aufhält, mich über eine Pfütze trägt oder anderweitig verwöhnt.
Aber ich freue mich, wenn es denn mal geschieht. Das Tür aufhalten. Noch nie ist jemand auf die Idee gekommen, mich über eine Pfütze zu tragen. Vielleicht sollte ich mich häufiger in Anwesenheit von starken Männern auf matschigen Feldwegen aufhalten?
Höflichkeit, Respekt und Rücksichtsnahme ist für mich selbstverständlich. Wenn ich eine Schwangere in der Einkaufsreihe hinter mir habe, lasse ich sie vor. Schließlich bin ich in diesem Zustand oft genug selbst kollabiert, weil mich eben niemand vorlassen wollte. Ist so peinlich, wenn ein ganzer Supermarkt sich aufregen muss.
Älteren Herrschaften einen Sitzplatz im Bus anbieten ist genauso selbstverständlich. Einer Mutter mit Kinderwagen die Treppe hochhelfen, oder jemanden, der beide Arme vollgeladen hat die Tür aufhalten - das gehört sich doch einfach so! Auch wenn ich kein Kavalier bin.
Aber ich habe keinen Anspruch darauf. Deshalb erwarte ich nichts. Sondern genieße, was geboten wird.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 10:38
von Ipsissimus
Moment^^ Hilfe zu geben, wo Hilfe wirklich benötigt wird, ist etwas ganz anderes, als das, was hier ursprünglich besprochen wurde^^ Hilfe anzubieten ist wiederum völlig selbstversändlich für mich, aber darum geht es ja gerade nicht^^
Letztlich läuft es darauf hinaus, daß ich gelegentlich die Tür aufmache, und gelegentlich nicht^^ kommt halt darauf an, wer zuerst an der Tür ist^^ aber eine Einsicht, daß damit eine besondere Höflichkeit oder Freundlichkeit verbunden wäre, ist in mir dabei nicht vorhanden^^ es ist eher die Selbstverständlichkeit, daß eine/r die Tür ja aufmachen muss^^

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 11:01
von aleanjre
Ich weiß durchaus, was gemeint war.
Früher war es eben üblich, dass der Herr der Dame die Tür aufhält, auch wenn diese sehr gut allein in der Lage gewesen wäre, dies zu tun. Diese Sitte ist fast ausgestorben, leider aber eben auch das Höflichkeitsempfinden, die Rücksicht auf andere. Nichts anderes wollte ich sagen. Würde mir mein Mann jedes Mal vorauseilen, nur damit ich keine Türklinge mehr berühren muss, fände ich das ziemlich belustigend. Da er aber wesentlich größer ist als ich, ist er sowieso meist als Erster an der Tür - und ich wäre doch arg verblüfft, wenn er sie mir vor der Nase zuschlägt, statt sie mir aufzuhalten.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 11:13
von Ipsissimus
wir meinen also praktisch dasselbe, Alea, aber es ist in jeweils unterschiedliches Grundempfinden eingebunden^^

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 11:37
von Tar-Minyatur
Heydiho!
Ist euch eigentlich schonmal der Begriff "Kavalier der alten Schule" aufgefallen? Das impliziert ja in gewisser Weise, dass diese Verhaltensweisen überholt wären. Streng genommen mag das richtig sein. (Also betreffs Jacke über die Pfütze legen z.B. *G*) Gewisse Dinge werden heute aber mit diesen Sachen weggekehrt und das finde ich irgendwie nicht so schön.
Man kann natürlich Höflichkeit definieren, wie man will. Ipsissimus definiert die Grenzen ja beispielsweise ganz anders als ich. Meiner Meinung nach beinhaltet Höflichkeit auch ein gewisses Maß an Zuvorkommen beinhaltet. Natürlich soll niemand nen Sprint einlegen, um vor jemand anderem an der Tür zu sein. *G* Eigentlich ist es "nur" ein Nachdenken über die Menschen, die einen umgeben.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 11:56
von Milena
..ja genau...´der alten Schule´.....und jetzt sitzen Frau und Mann in einem Cafe zusammen, Frau verdient selbst ihr Geld, sprüht vor Selbstbewusstsein und neben sich ihr Mann, der für beide den Kaffee bestellt...
das ist vielleicht das, was sich heutzutage so zwickt dabei...in den Köpfen mancher.....
aber ich finde sie allemal schön.....die Kavaliere der alten Schule...
vielleicht bin ich auch nur etwas zeitversetzt geboren, oder wie heisst es:
eben zur falschen Zeit am falschen Ort...^^

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 12:11
von Padreic
Natürlich soll niemand nen Sprint einlegen, um vor jemand anderem an der Tür zu sein.
Ach, damit kann man "emanzipierte" Frauen aber wunderbar ärgern

.

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 12:11
von Aydee
Zitat von Tar-Minyatur:Meiner Meinung nach beinhaltet Höflichkeit auch ein gewisses Maß an Zuvorkommen beinhaltet. (...) Eigentlich ist es "nur" ein Nachdenken über die Menschen, die einen umgeben.
Zustimm. **es aber eher Achtsamkeit bzw Aufmerksamkeit nennen möchte**
Den/die anderen bemerken (wollen) und reagiern (wollen/können)
Bei mir in der Firma kannste fleißig Kartons und Kisten schleppen. Geholfen wird dir da erst wenn du jemanden explizit darauf ansprichst. Ansonsten geht jede/r hier seiner/ihrer Wege. Färbt ab....
Edit.
Aber Türen werden schon manchmal aufgehalten :-)

Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 12:29
von Feuerkopf
Ich freue mich, wenn jemand mir in den Mantel hilft (bei dicken Winterplünnen ist das oft wirklich nötig

), wenn jemand daran denkt, die Tür aufzuhalten oder mir auch sonst hilft. Das kann aber auch von einer Frau geleistet werden.
Ich habe auch keine Hemmungen, einem Mann die Tür aufzuhalten oder ihm in den Mantel zu helfen.
Ich habe nie meine Geschlechtsgenossinnen verstanden, die aus der männlichen Hilfe und Höflichkeit einen Akt der Unterdrückung herleiteten. Da muss das eigene Selbstbewusstsein schon arg angeknackst sein, denke ich.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Alice die Große jemals gegen das In-den-Mantel-Helfen polemisiert hätte.


Verfasst:
Do 20. Okt 2005, 16:07
von Milena
..och, ich würde mal sagen, der Klügere gibt nach Padreic...^^

Verfasst:
Mo 31. Okt 2005, 22:20
von Lykurg
Ein Fall, in dem auch nach meinem altmodischen Verständnis Frauen und Männer gleich handeln sollten, ist das Platzanbieten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich sah heute zwei Damen, beide sicher über siebzig, in der Straßenbahn stehen. Ich stand selbstverständlich auch. Aber direkt neben den beiden Damen saßen zwei Frauen Anfang/Mitte 20 - und rührten sich nicht. Die eine der beiden Damen guckte sich immer wieder - fast hektisch - um, ob nicht doch irgendjemand ihr einen Platz überlassen wolle - aber außer den beiden Mädchen waren die meisten Sitzenden mindestens mittleren Alters, und die Dame wollte offenbar nicht fragen. Schließlich setzte sie sich einer anderen gleichaltrigen Dame auf den Schoß! Die andere fand nach der nächsten Haltestelle einen Platz, und auch die Schoßsitzerin bekam einen eigenen. Aber ich fand es (abgesehen davon, daß das Bild reichlich kurios war) empörend, daß die Mädchen einfach sitzenblieben. Ich glaube nicht, daß sie wirklich nichts bemerkt hatten, und war schon kurz davor, eine Bemerkung zu machen.
Hier zeigt sich mE ein Problem der traditionellen Erziehung, die auf den Unterschied zwischen Mann und Frau größeres Gewicht legt als auf den zwischen jungen und alten Menschen. Allerdings wende ich selbst ein, daß einerseits die Dame ja auch etwas hätte sagen können, und daß andererseits jedenfalls das eine Mädchen seiner Aufmachung nach nicht völlig dem herkömmlichen Muster entsprach (wenn ich jetzt ganz altväterlich auf Tugenden wie zurückhaltende Verwendung von Kosmetika verweise

).