We feed the World

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Ipsissimus
Dämmerung
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Di 2. Mai 2006, 12:35 - Beitrag #1

We feed the World

ist der Titel eines Dokumentarfilmes des österreichischen Filmemachers Erwin Wagenhofer, über den Oliver Voß im Spiegel berichtet (http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,413281,00.html). Nur ein paar Zitate daraus

"Täglich wird in Wien so viel Brot vernichtet wie Graz verbraucht."

"Den Handel interessiert der Preis, Geschmack ist kein Kriterium", erklärt ein Geflügelzüchter. Für viele Verbraucher gilt das auch.

"Wasser ist ein Lebensmittel, und so wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben", sagt der Chef des weltgrößten Nahrungsmittelherstellers, Peter Brabeck. [gemeint ist Nestlé]


Die gesamte Reportage ist noch viel netter^^

Lykurg
[ohne Titel]
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Di 2. Mai 2006, 13:02 - Beitrag #2

Davon hatte ich noch nichts mitbekommen - dabei gehe ich fast täglich an einem stadtbekannten kritischen Kino vorbei... merkwürdig.
Der Tonfall dieser ORF-Rezension ist etwas weniger reißerisch. Jedenfalls nach dem Interviewausschnitt hat der Spiegel-Autor die Intention des Films ein bißchen überinterpretiert.^^
... Streusplit kostet heute mehr als der Weizen, den einheimische Bauern produzieren. Das Hühnerfleisch auf den Tellern europäischer Konsumenten wird mit der Rodung lateinamerikanischer Regenwälder, an deren Stelle Soja als Futtermittel angebaut wird, bezahlt. Mais wird vielfach nur mehr als Brennstoff angebaut.

Schon nach einigen Minuten des österreichische Dokumentarfilms "We feed the World" beschleicht den Kinozuseher ein beklemmendes Gefühl: In der heutigen Nahrungsmittelproduktion sind so manche Dinge gewaltig aus dem Lot geraten.

Verantwortung des Konsumenten

Mit aufrüttelnden Fakten und globalen Verbindungen versucht der österreichische Regisseur Erwin Wagenhofer, ein Bewusstsein für Zusammenhänge im weltweiten Kreislauf von Herstellung und Verbrauch von Nahrung zu schaffen. Allein mit dem Filmtitel verweist Wagenhofer auf die kollektive und in der Folge individuelle Rolle des Endverbrauchers: "Wir alle sind Teil des Systems und müssen daher lernen die Verantwortung für die Dinge, die auf dieser Welt passieren, zu übernehmen. Das ist eine etwas negative Aussage des Films, die positive ist allerdings, dass wir es auch können."

Quantität statt Qualität

Anhand von verschiedenen Beispielen zeigt der Film die fragwürdigen Herstellungsbedingungen von Nahrung, etwa auf einer österreichischen Hühnerfarm, beim Fischfang in Frankreich, beim Gemüseanbau auf riesigen Plantagen in Südspanien. Quantität statt Qualität schafft auch eine Überproduktion, die nicht zuletzt weltweit soziale Probleme verschärft.

Der Schweizer Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, gibt dafür im Film ein Beispiel aus dem afrikanischen Dakar: "Gemüse und Früchte aus Europa sind auf dem dortigen Großmarkt zu einem Drittel des hiesigen Preises zu kaufen, d. h. der senegalesische Bauer hat selbst bei größter Anstrengung aus eigener kraft heraus überhaupt keine Chance mehr."

Forderungen an die Politik
"We Feed The World" richtet sich aber nicht nur an das Bewusstsein der Konsumenten, sondern auch an die Politik. Gefordert sind Rückschritte in der Gestaltung grundlegender Rahmenbedingungen - Rückschritte, die den eigentlichen Fortschritt bedeuten würden.

Ceitlyn
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Di 2. Mai 2006, 14:54 - Beitrag #3

Das alles ist nicht wirklich neu, nicht wahr?
Nur einmal wieder versucht den Menschen ins Bewusstsein zu rufen

Das erste Mal dass ich hiervon hörte war vor ca 10-12 Jahren, als in den USA Unmengen an Mais vernichtet wurden und zeitgleich Hilfsaktionen für das hungernde Afrika liefen

Nicht wirklich neu
Nicht wirklich überraschend.

Ob es was bringt...?
Ob sich was ändert....?


Als ich meine letzte Wasserrechnung in den Händen hielt, fragte ich mich warum ich für Wasser, das von niemandem hergestellt wird, bezahlen muss.
(und komme mir jetzt niemand mit Aufbereitung & co. - ich habe es nicht so schmutzig werden lassen.... das würde mir in 10000 Jahren nicht gelingen)

janw
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Di 2. Mai 2006, 15:02 - Beitrag #4

Die Sache ist tatsächlich mehr als nur interessant, die Ernährungswirtschaft ist IMHO ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis der sozialen Probleme der ärmeren Länder und der daraus folgenden politischen Gegebenheiten.

Letztlich ist ein guter Teil der Ernährungskrisen in Afrika von Europa und Amerika verursacht, indem eben unsere Überschüsse dort die Märkte überschwemmen zu Preisen, bei denen die dortigen Bauern nicht mithalten können - ganz regulär wie aus Dakar beschrieben, aber auch aus der Katastrophenhilfe: Der Weizen geht auvh in gar nicht so dürregeplagte Regionen und kostet nichts im Vergleich zuir heimischen Hirse. Die Hirse wird am Ende gar nicht mehr abgenommen, sondern es wird nur noch Weizen gefordert, der aber in Afrika nicht erzeugt werden kann.

Die Eiweißversorgung in Afrika hängt außerdem viel stärker von Fisch ab als bei uns, was zunehmende Probleme verursacht, wo spanische Trawler llegal afrikanische Küstengewässer leer fischen - leer auch von Jungfischen. Der Fang landet als Fischmehl bei unseren Hühnern.

Ähnliche Beispiele lassen sich aus Asien finden - japanische Papierfirmen holzen Pazifikinseln ab für Zellstoff, fischen dort die Gewässer leer,... und letztlich auch aus Südamerika - unsere Taschentücher stammen aus Eukalyptusplantagen in Brasilien, und so weiter...

Lykurg
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Di 2. Mai 2006, 16:12 - Beitrag #5

Wobei die brasilianischen Eukalyptusplantagen wg. Nachwuchsgeschwindigkeit und zur Erosionsvermeidung immer noch besser sind als die Verwendung von Tropenhölzern zur Papierherstellung (etwa in Indonesien) oder eben, das Gelände brachliegen zu lassen. - Selbstverständlich gilt es, Rodungen zu verhindern.

Daß Nahrung verschwendet wird, während anderswo gehungert wird, hat es immer wieder gegeben, ist wirklich keine neue Feststellung. Ein Großonkel von mir mußte in Kriegsgefangenschaft 1945/46 die Linien eines Sportplatzes mit Mehl streuen, wie er in seinen Memoiren eindrucksvoll schildert.

Zum Wasser, Ceitlyn: Wenn du eine Quelle im Haus hast, mußt du nichts bezahlen. Da es Grundeigentum an Boden gibt... Du kannst dir auch einen Brunnen bohren, wenn du das möchtest. (Das ist nur vermutlich teurer, unsauberer und unzuverlässiger als die städtische Wasserversorgung).

Die Vernichtung der Überproduktion und der Export in Dritte-Welt-Länder und Verkauf sogar unter den dortigen Herstellungskosten ist, was hier noch nicht erwähnt wurde, eine direkte Folge der Agrarsubventionspolitik des Westens. Diese ist ein Grundübel, das sich in so absurden Formen wie, daß Mais als Brennstoff dient, oder daß die Massenschlachtung und Verbrennung von Rindern oder Schweinen so stark subventioniert werden, daß es sich lohnt, für den Scheiterhaufen zu produzieren, äußert. Letztlich zahlt der Bürger Steuern dafür, daß die Märkte in Drittweltstaaten systematisch zerstört und die Bevölkerung dieser Länder von unseren (möglicherweise auch noch schlechteren) Produkten abhängig gemacht werden.

Wenn der Film es verfehlt, diesen eigentlichen Grund des Skandals anzusprechen, ist das äußerst bedauerlich.
(Vom Spiegel war es allerdings kaum anders zu erwarten.^^)


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