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Ist Fan-Kultur Kultur?

BeitragVerfasst: Fr 16. Jun 2006, 22:18
von janw
Im thread über die Leistung der deutschen Mannschaft in der Fußball WM 2006 hat sich die Frage ergeben, ob die Zusammenfügung der Begriffe "Fan" und "Kultur" sinnvoll ist, mithin, ob es so etwas wie "Fankultur" als ernstzunehmenden Gegenstand gibt.

Der Kulturbegriff hat seinen Ursprung im lat. cultura, was soviel wie Urbarmachung und Bebauung der Erde bedeutet.
In erster Näherung könnte man mit Kultur alle sozial normierten, variablen Komplexe von Verhaltensweisen unterschiedlicher menschlicher Gesellschaften bezeichnen (wieweit auch andere Tiere Kultur besitzen, ist dabei eine weiterführende Frage.)
Nun sind viele menschliche Gesellschaften komplex organisiert, mit verschiedenen Gruppierungen, die sich durch bestimmte differente Kulturmerkmale unterscheiden und definieren. Für diese Teilkulturen wurde im 20. JH der Begriff der Subkulturen geprägt und auf verschiedene Altersgruppen, politisch, weltanschaulich oder in anderer Hinsicht definierte Strömungen angewandt.
Nun ist auch die Entwicklung des "Fans", des begeisterten Anhängers einer Person oder Gruppe meist im Bereich von Musik, Theater, Film oder Sport ein Phänomen des 20. JH, und viele Fans gerade im Sportbereich organisieren sich und zeigen kollektive Verhaltensweisen, die jenen anderer Subkulturen nicht unähnlich sind.
In diesem Sinne erscheint es mir nicht völlig abwegig, von Fan-Kultur im Sinne einer Subkultur zu sprechen - wenn auch Vertreter des originären Kulturbereiches, also der Künste, dies mit Mißfallen goutieren mögen.

BeitragVerfasst: Sa 17. Jun 2006, 12:08
von C.G.B. Spender
Dabei fällt mir noch ein anderer Modeausdruck ein: Kultig.

"Kultig" ist ein Begriff, der möglicherweise durch Subkulturen entstanden ist und der das Wort "Kult" enthält. Kultig wird etwas anscheinend dann, wenn es sich von der gängigen Norm abhebt und außergewöhnlich ist.

Über die Qualität des Außergewöhnlichen läßt sich, genauso wie über den Geschmack und andere subjektive Dinge, natürlich immer streiten.

Für mich ist etwas erst dann zu einer Subkultur geworden, wenn die jeweilige Gesellschaftgruppe eine eigene Sprache entwickelt hat. Deswegen mag ich den Begriff "kultig" eher weniger und finde ihn lästig, denn längst nicht jede Form des Außergewöhnlichen erzeugt eine eigene Gesellschaftgruppierung mit eigenen Normen, eigenen Ausdrücken und somit eigener Sprache, etc. Bei Fankultur sehe ich das genauso. Fankulturen sind keine Subkulturen, es sei denn sie entwickeln eine eigene Sprache.

Mit eigener Sprache meine ich keineswegs eine komplett neue Sprache, sondern eher eine Menge der Muttersprache neu hinzu gefügter Ausdrücke und Umgangsformen, die aus einer anderen Landessprache stammen können, aber nicht müssen.

Ein Fußballverein alleine wird also eher seltener eine Subkultur für sich erzeugen, sondern die Gesamtheit der Anhänger des Fußballsports ist eine Subkultur, die, wenn man so will, in Fankulturen unterteilt wird. Andere Subkulturen wären der Radsport, oder der Motorsport, usw.

BeitragVerfasst: So 18. Jun 2006, 13:13
von Windsbraut
Naja, vielleicht wäre "Folklore" ein besserer Begriff: Die Anhänger eines Vereins kleiden sich in einer Art Tracht, haben eigene Lieder und Rituale und fühlen sich zu bestimmten Tagen (wenn ihre Mannschaft spielt) miteinander verbunden wie ein Heimatverein.

Kultur hat für mich auch immer etwas mit "kultiviert" zu tun. Und das passt meist nicht so recht zu Fußballfans. ;)

BeitragVerfasst: Mo 19. Jun 2006, 14:22
von C.G.B. Spender
Da muß ich dir recht geben, Windsbraut, irgendwie paßt kultiviert nun wirklich nicht zu Fußballfans. Folklore schon eher.