Ich hatte auch nicht an das Datum gedacht, allerdings ist hierzulande manch einem meiner Kommilitonen kaum noch bekannt, daß es die DDR gab - was soll dann so ein Jahrestag für sie? Wenn doch selbst der Tag von Königgrätz in Vergessenheit gerät...
An und für sich habe ich eine gewisse Hochachtung vor dem Aufstand des 17. Juni als ein Zeichen dafür, daß es wenigstens einmal gelang, größere Menschenmengen gegen den zweiten Totalitarismus zu mobilisieren. Ich habe aber ein ganz massives Problem mit diesem Aufstand - denn Forderungen, die aus diesem Aufstand ein denkwürdiges Ereignis machten, wie die nach freien Wahlen kamen erst nachträglich dazu. Der eigentliche Anlaß des Aufstands waren die am 11. Juni angekündigten zehnprozentigen Normenerhöhungen. Mit denen hatte das ZK der SED gehofft, die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung der DDR aufzuhalten und die Produktion der in der BRD anzunähern.
Die Schwierigkeiten waren zugegebenermaßen immens: Gleichzeitig sollten massiv aufgerüstet, eine überdimensionierte Schwerindustrie aufgebaut und Reparationsleistungen an die UdSSR erbracht werden. Dazu kam - weniger plangemäß - der nicht endenwollende Strom von Republikflüchtlingen. In dieser Lage erschien eine Erhöhung der Arbeitsnormen der Parteiführung als einziger Weg, wenigstens einige der Probleme zu lösen. - Mit Grotewohls Verkündung der Rücknahme dieses Vorstoßes noch am 17. Juni selbst endete der Aufstand. Zugleich endete damit die Hoffnung der DDR auf eine irgendwie geartete wirtschaftliche Überlebensfähigkeit.
Insofern könnte man den 17. Juni als einen
Aufstand der Unwilligen bezeichnen. Die Verklärung zu einem
politischen Aufstand geschah durch die DDR-Propaganda, die ihn als (faschistisch-)konterrevolutionär bezeichnete; durch dessen dankbare Aufnahme in der BRD, der ein vermeintlich politischer Inhalt nur allzu gelegen kam; durch die sicherheitshalber aufgefahrenen Sowjetpanzer und besonders durch die nachfolgenden echten Aufstände in Ungarn '56 und der Tschechoslowakei '68.