Yanapaw, ich teile deine Einschätzung hinsichtlich der juristischen Fehlleistung im Fall Uwe K. Trotzdem sind nicht die Uwe Ks. das Problem.
Das Problem ist die Verlagerung der Aufmerksamkeit von der Prävention auf die Bestrafung. Ich postuliere folgende These: die Gesellschaft kann mit noch so vielen und noch so grausam behandelten Opfern gut leben. In der Bestrafung der Täter findet sie jenes Alibi, das sie benutzen kann, um vor sich selbst zu verschleiern, daß sie nicht bereit ist, ihre Strukturen so zu verändern, daß die Anzahl der Personen minimiert wird, die psychisch zu derartigen katastrophalen Fehlleistungen entgleisen.
Die 90% Dunkelziffer, die seitens der Experten eingestanden wird, ist - wiederum nicht nur - meines Erachtens immer noch nicht annähernd in der Nähe der realen Anzahl, die sich in den Diskussionen von Selbsthilfegruppen ehemaliger Opfer widerspiegelt. Sexuell motivierte Übergriffe auf Kinder sind Massensport in Deutschland, nicht nur da, natürlich. Dies bekommt man nicht in den Griff, wenn man schärfere Gesetze hervorbringt, schärfere Strafen verhängt, und erhöhte Überwachung betreibt. Dies bekommt man nur dadurch in den Griff, daß man den "Entgleisungsdruck" von Menschen nimmt, indem man die Strukturen, unter denen Menschen leben und leiden, so verändert, daß sie mehr leben und weniger leiden müssen. In einer Gesellschaft mit einer zunehmenden Durchkommmerzialisierung aller Lebensbereiche, einschließlich der privatesten, mit einer zunehmenden und überbordenden Anzahl von Verlierern und einer für die Betroffenen ins Unerträgliche wachsenden sozialen Kälte ist die Zahl der Entgleisungen nicht verwunderlich, sondern selbstverständlich.
Solange unsere Gesellschaft darauf besteht, "gut" zu sein, so wie sie ist, bleibt alles mögliche verwunderlich, aber nicht die zunehmende Menge der Aussetzer. Solange eine Gesellschaft nicht bereit ist, sich entsprechend zu ändern, kann sie mit den Opfern immer noch besser leben, als zu verhindern, daß es überhaupt erst Opfer werden. Daß Strafen dafür nichts bringen, zeigt das Beispiel der USA überdeutlich.
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