Spiegel.de: Das Leiden der jungen Männer

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Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 12:44 - Beitrag #1

Spiegel.de: Das Leiden der jungen Männer

http://www.spiegel.de./politik/debatte/0,1518,485236,00.html

Ein paar Gründe für die Verunsicherung vieler junger Männer wurden ja schon genannt:
1. Tendenziell höhere und vor allem heterogenere Erwartungen an sie, als an junge Frauen.
2. Fehlen einer "männlichen Philosophie".

Ich fasse Punkt 1 gerne folgendermaßen zusammen: Frauen dürfen alles. Männer müssen alles.
Frauen können heute stark und eigensinnig sein oder verletzlich und romantisch oder alles zusammen oder welcher Mix gerade vorhanden ist. Natürlich wird die ein oder andere Konzeption immer mal wieder kritisiert, aber insgesamt herrscht der unausgesprochene Grundtenor, dass Frauen in ihrem Persönlichkeitsbild alle Freiheiten der Welt haben.
Männer hingegen sollen alles sein, von romantisch, sensibel, kommunikativ, über abenteuerlustig, stark, intelligent, lustig usw. Kein Wunder, dass Mann sich leichter überfordert fühlt, wenn er viel mehr Erwartungen zu erfüllen hat. Und wenn eine Seite zuwenig ausgeprägt ist gibts Schelte für das "Weichei" oder den "Macho".

Was genau der Autor mit Punkt 2 sagen will, ist mir unklar. Vielleicht ist mein geschlechterstereotypisches Denken nicht ausgeprägt genug, um mir heutzutage noch eine sinnvolle "männliche" und "weibliche Philosophie" vorstellen zu können. Ich denke, wenn es um Lebensphilosophie und Ethik geht an Menschen, nicht an Frauen und Männer.

Meiner Meinung nach hinzu kommt noch, dass bestimmte Rollenkonzepte für Männer noch problematisch sind, die für Frauen insgesamt akzeptiert sind. Frauen können Karriere machen oder Hausfrau werden oder versuchen beides zu vereinen. Männer aber die Hausmänner sind oder gar als Wunsch angeben, mal Hausmänner zu werden, stoßen auf wenig Akzeptanz.

Ein weiter wichtiger Punkt ist, dass die Frauen in den Medien tendenziell deutlich besser abschneiden als Männer. Jungs sind faul, unbegabt, haben mangelndes Einfühlungsvermögen, sind streitlustig usw. Mächen hingegen sind intelligent, sprachbegabt, kommunizieren gerne, sind fleißig, brav usw. Solche Geschlechterstereotypen können sich im Gehirn festsetzen...
Ein Beispiel für diese diskriminierende Berichterstattung habe ich erst kürzlich im Unispiegel lesen dürfen -> http://www.spiegel.de./unispiegel/jobundberuf/0,1518,480883,00.html

e-noon
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Mo 28. Mai 2007, 13:06 - Beitrag #2

Ich finde nicht, dass Männer oder Frauen hinsichtlich ihrer Rollenbilder bevorteilt sind... Karrierefrauen sind Rabenmütter oder kommen ihren Pflichten nicht nach, Hausfrauen sind dumme Heimchen, die die Wirtschaft schädigen, Männer sind eben widerliche Machos oder unerotische Weicheier... Der übliche Unsinn, wenn Menschen über Menschen urteilen.

Es gibt genug Menschen, da gibts für jeden eine Nische und für jeden Topf den passenden Deckel, nach Belieben auch ein Topf für zwei Deckel oder zwei Töpfe mit einem Deckel oder was auch immer. Sich das Leben schwer zu machen, indem man darauf hört, ist das dümmste, was man tun kann, außer vielleicht vergammelten Fisch zu essen.

Frauen können Karriere machen oder Hausfrau werden oder versuchen beides zu vereinen
Das bezweifle ich, dass sich da alle so einig sind. Mir ist es total egal, wer was macht, solange alle damit zufrieden sind. Aber allgemein gibt es bei Frauen ebenso viele Einschränkungen von Seiten der Möchtegern-alleswisser wie bei Männern.

Jungs sind faul, unbegabt, haben mangelndes Einfühlungsvermögen, sind streitlustig usw. Mächen hingegen sind intelligent, sprachbegabt, kommunizieren gerne, sind fleißig, brav usw.
Wo stellst du das fest? Statistisch gesehen ist der Durchschnitt der Mädchen vielleicht besser in der Schule als der Durchschnitt der Jungen. Statistisch gesehen sind Jungs vielleicht auch gewaltbereiter als Mädchen, dann ist das eben ein Fakt. Ich glaube aber nicht, dass jemand behauptet, alle Mädchen seien fleißig und brav (mir fallen etliche Berichte über saufende, auf die Straße pinkelnde Mädchen ein oder weibliche Jugendbanden), oder dass jemand behauptet, alle Jungs seien unbegabt und faul (ich erinnere mich an viele Bücher, Filme etc mit intelligenten und einfühlsamen Jungen in der Hauptrolle...). Ich sehe die Problematik einfach nicht... :confused:

Edit: Den Artikel finde ich nicht so schlimm. Klar, am Anfang die üblichen Verallgemeinerungen und Einzelschicksale, aber liest man weiter, wird schon gesagt, dass das Statistiken sind und es somit auch andere Ergebnisse gibt.

In der Gesamtwertung haben sie ihre männlichen Mitstreiter bereits abgehängt - die Abschlussnote deutscher Abiturientinnen ist im Schnitt besser.

Der Artikel hat die Diskriminierung von Frauen zum Thema - obwohl Frauen - im Schnitt - die besseren Leistungen bringen - obwohl sie im Schnitt die besseren Abschlüsse haben - verdienen sie danach im Schnitt schlechter :confused: Diese Art Diskriminierung ist doch viel schlimmer...
Es würde ja niemand behaupten, dass du kein Abitur hast, weil es mehr Jungen gibt, die die Schule abbrechen, oder? Dass diese Verallgemeinerungen auftauchen, ist ärgerlich, aber im Grunde ist es jedem klar, dass es Ausnahmen gibt, sogar eher viele Ausnahmen. Dass jedoch Frauen bei gleicher Qualifikation weniger Geld bekommen - das ist ein Fakt, der mir mehr Sorge bereitet als Verallgemeinerungen, die es zu jedem Thema gibt.

Yanāpaw
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Mo 28. Mai 2007, 13:44 - Beitrag #3

Der Artikel hat die Diskriminierung von Frauen zum Thema - obwohl Frauen - im Schnitt - die besseren Leistungen bringen - obwohl sie im Schnitt die besseren Abschlüsse haben - verdienen sie danach im Schnitt schlechter Diese Art Diskriminierung ist doch viel schlimmer...


Das Procedere an sich ist keine Diskriminierung, das ist die Kombination von Kosten-Nutzenkalkulation und Wahrnehmung. Aber die Art der Berichterstattung und Nicht-Recherche kennen wir ja vom Deppen-Spiegel. Abgesehen davon, dass der Schluss bessere schulissche Leistungen sprächen für größere Intelligenz wiedermal so typisch Spiegel ist, so ein debiles Schundmagazin. Bild-Magazin für Pseudos, mehr nicht...

Anaeyon
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Mo 28. Mai 2007, 13:54 - Beitrag #4

Mh, ich kann den ersten Artikel nachvollziehen.

- Ich habe das Gefühl, so schnell wie möglich Schule, Ausbildung durchmachen zu müssen wie möglich und auch noch sofort den für mich passenden Beruf zu finden. "rumbaumeln", mal hier und mal da ein Praktikum zu machen oder verschiedenes zu studieren ist in meiner Wertung (von aussen her impliziert?) schon sehr negativ.

- Ich weis wie es ist, einen Vater zu haben, der fast nie zu Hause ist. Also will ich einerseits für den Fall, mal eine Familie zu haben, kein Workaholic sein, dennoch will ich keinen Halbtagsjob, denn wenn zu wenig Geld da ist, sehe ich vorranging mich (Mann) als den, der das ausgleichen sollte.

- Ich habe immer den Gedanken, dass - egal welchen Job ich mal ausüben werde - ich dennoch irgendwie unglücklich damit sein werde und mein Leben nicht so leben kann, wie ich es möchte. Dass ich meine gewünschte Rollenverteilung nicht mit der des Systems in dem ich lebe vereinen kann.

- Ich sehe in der Rolle des Manns nicht nur den Geldverdiener, den Jäger, der Beute nach Hause bringt, sondern auch den Beschützer der Familie, des Nachwuchses, den zärtlichen Zuhörer, wai.
Wenn ich jedoch beides, Jäger und Schützer zu vereinen versuche, kann ich von beidem keine 100% haben und fühle mich in beiden Aufgaben zur Hälfte gescheitert.

Warscheinlich machen viele dieser Ängste wirklich keinen Sinn und ich wäre klüger, sie zu ignorieren, nur wie? ^^ Gefühle haben auch ihre Berechtigung.

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 14:45 - Beitrag #5

Anaeyon zeigt, dass es mindestens eine männliche Person gibt, auf die die Beschreibung des Autors zuzutreffen scheinen. ;)

Ich schreibe jetzt nicht viel, da ich die meisten Missverständnisse mit Sarah schon per Telefon geregelt habe. Einen wichtigen Punkt bezüglich des Beispielartikels zur Männerdiskriminierung will ich aber nochmal betonen: Es geht nicht um die Frage, ob Männer oder Frauen ungerecht im Berufsleben behandelt werden, sondern ob eines der beiden Geschlechter in den Medien tendenziell als höherwertig dargestellt wird. Und letzteres ist meiner Meinung nach der Fall.

@Seriösität vom Spiegel: Ich lese das Blatt auch nicht, sondern nutzte die Internetseite als schnellen Nachrichtenüberblick (neben anderen Nachrichten-HPs). Ich habe jetzt gerade auf die Spiegel-Artikel verwiesen, da sie aktuell online sind. Artikel mit ähnlichen Inhalten habe ich aber in der Vergangenheit schon häufiger an anderen Stellen gelesen. Frag mich jetzt nicht, wo das im Detail war. ;)

abv
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Mo 28. Mai 2007, 15:13 - Beitrag #6

mir kommt es auch manchmal irgendwie immer mehr so vor als ob frauen nicht nur gleichberechtigt sein wollen sondern eher bevorzugt werden wollen. Es könnte ja sein das der "spieß" ganz unauffällig und langsam umgedreht wird^^. Naja und ein problem ist nätürlich wieder das frauen männer eigentlich garnicht verstehen, genauso wie männer frauen nicht verstehen, weil sie halt nicht wissen wie es ist ein mann zu sein^^.
nebenbei, ich will nicht spammen aber das passt so gut zum thema:
http://www.dmax.de/emea/film.htm

e-noon
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Mo 28. Mai 2007, 15:19 - Beitrag #7

@Anaeyon: Das Gefühl habe ich auch, und ich halte es auch für berechtigt - Vor dem Abi hatte ich zum Beispiel ein schlechtes Gewissen, weil ich in meinen FERIEN nicht gelernt habe :stupid: Wir leben eben in einer Leistungsgesellschaft. Ausspannen kann man nur, wenn man es irgendwie mit anderem kombiniert, "Auslandserfahrung sammeln" etwa... aber auch da kann man nicht einfach längere Zeit ausruhen... Irgendwie fällt relativ früh die Kindheit weg (ich habe eine sehr positive Vorstellung von "Kindheit", genau gesagt ewiges Chillen), man hechelt von einem Ziel zum anderen... jetzt muss ich ein gutes Zehner-Zeugnis haben, gute Klausurnoten, ein gutes Abi, ein gutes Studium, Beruf... :rolleyes:
Aber glaubst du, dass dieses Problem ein ausschließlich männliches ist?

Dass ich meine gewünschte Rollenverteilung nicht mit der des Systems in dem ich lebe vereinen kann.
Wiederum: Ein vorwiegend männliches Problem?

@Beschützer der Familie, Zuhörer... von jeder Frau, die arbeiten geht, wird vermutlich auch verlangt, dass sie ihrem Partner danach noch zuhören kann und will ;) Allerdings ist dein Rollenbild eher traditionell, habe ich den Eindruck, warum sollte deine Frau nicht dafür sorgen, dass ihr genug Geld habt? Tatsächliche Bedenken oder nur das Gefühl, dass es nicht ins Bild passt?

Edit: Danke für den link ;) Ist das jetzt ironisch oder gibt es das Programm wirklich...?

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 15:36 - Beitrag #8

abv der Clip ist ja herrlich! Wunderbar selbstironisch und deshalb so erfreulich. Besonders gefiel mir "100% aller Feuerwehrmänner sind Männer" <- ach was! :D
*gleich Link abspeicher*

weil sie halt nicht wissen wie es ist ein mann zu sein

Das ist imo eine nicht unproblematische Aussage. Ich weiß nicht, inwiefern wir sie hier ausreichend thematisieren können, wenn wir sie intensiver diskutieren woll. Mein Problem an der Aussage:
Gibt es ein bestimmtes Gefühl "Mann-Sein" und ein bestimmtes Gefühl "Frau-Sein", das sich grundlegend unterscheidet? Wie soll man das prüfen, wenn doch jeder nur Man oder Frau sein kann? Wie soll man ein möglicher grundsätzliches Geschlechtergefühl untersuchen, wenn jeder nur zu einem Gefühl Zugang hat? Und was heißt es eigentlich sich als Mann oder als Frau zu fühlen? Sind das genetische Grundtendenzen oder wurden uns bestimmte Rollenbilder anerzogen, anhand wir beurteilen, welche Gefühle für und die richtigen seien und welche nicht?
Ich tendiere zu letzteren...

Anaeyon
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Mo 28. Mai 2007, 16:06 - Beitrag #9

Mh, traditionell ist mein Geschlechter-Bild wohl schon. Ich orientiere mich sehr an diesem Modell: "Frau bringt Leben hervor und kümmert sich tiefgehend um dieses, Mann beschützt Leben und Lebensbringerin vor äusseren Einflüssen".
Also ziemlich..mh, Steinzeitmäßig ^^. Ich denke oft, dass es einen Menschen unglücklich macht, wenn er seinen Trieben nicht genug nachgehen kann sondern sich möglichst uni-sexuell an das System hält.

Und deshalb fühle ich mich eher zu der Aufgabe hingezogen, einer Frau die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken, heutzutage indem ich Geld aufs Konto jage, gleichbedeutend wie das Jagen damals. Einkaufen (sammeln) kann dann ja die Frau, dazu scheinen zumindest viele Frauen einen großen Hang zu haben, und wie "damals" kann man dazu auch das Kind mitnehmen Bild

Da die Triebe der Menschen afaik alles andere als up-to-date sind, gehe ich eben auch davon aus, das "Frau" heutzutage noch kein Jäger ist.

Natürlich ist mit ausreichend Willenskraft der Trieb halbwegs kontrollierbar, und Frau würde wohl auch ein Jäger sein können, aber ob das tatsächlich so ist..mh..gibts dazu Statistiken?

@Maurice: Ich denke schon, dass es verschiedene Gefühle sind, die nicht komplett aus Erziehung entstehen. Auch hier wieder: Triebe.
Warscheinlich entsteht aus unserer Erziehung nur eine größeres Unverständniss des jeweils anderen Geschlechts..ich glaube, dass Mann und Frau in vielen Bereichen des Fühlens praktisch identisch sind.

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 16:15 - Beitrag #10

Wäre Frau Merkel nicht eine erfolgreiceh Jägerin? Immerhin hat sies bis zur Bundeskanzlerin geschafft und das stelle ich mir nicht gerade einfach vor.
Oder man denke man an Frau Clinton, die bald vielleicht schon Präsidentin der USA ist. Aber selbst bei ihrer jetztigen Stellung als Senatorin muss ich sagen: Respekt!

@Triebe: Meinst du, dass Männer und Frauen z.T. grundsätzlich verschiedene Triebe haben? Ich gehe davon aus, dass Männer und Frau (verallgemeinert gesprochen) die selben Triebe haben. Sie sind bei den Angehörigen des einen Geschlecht nur tendenziell graduell anders ausgeprägt als beim anderen. Aber es gibt ja z.B. auch Frauen, die deutlich sexhungriger sind als manche Männer. Als "männlicher" würde ich diese Frauen dann aber nicht bezeichnen.
Ich halte die Existenz biologischer Geschlechter für offensichtlich, doch bin ich äußerst kritisch gegenüber angeblich typisch "weiblichen" und "männlichen Eigenschaften" allein auf Grund des biologischen Geschlechts. Dafür sind die Inidivuen einfach zu verschieden.

Lykurg
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Mo 28. Mai 2007, 16:23 - Beitrag #11

Ja, wirklich ein *sehr* amüsanter Werbefilm - und ja, e-noon, den Sender gibt es wirklich.

Ich kann die Gedanken des Artikels nachvollziehen, wenn ich sie auch nicht komplett teile und die 'Einleitung' mißlungen finde, da ich zwischen Gewaltpotential junger Gesellschaften mit Männerüberschuß insbesondere in Weimar (!? - was ist mit der fehlenden bzw. traumatisierten Weltkriegsgeneration? Hier wird zu stark vereinfacht!) bzw. im heutigen Nahen Osten einerseits und dem Erwartungsdruck an heutige Frauen- und Männerbilder andererseits eine unvereinbare inhaltliche Trennung sehe.

Der für eine kritische Erweiterung wesentliche Aspekt ist der einer sich stark erweiternden sozialen Erwartungshaltung gegenüber dem Mann, zweifellos aber auch der Frau, die fast selbstverständlich Karriere und Familie in sich vereinen soll. Bei aller Schwierigkeit der Doppelrolle für miterziehende und mithaushaltende Männer gilt dieser Interessenkonflikt ebenso für Frauen, hat aber vielleicht nur deswegen nicht dieselben Konsequenzen für die Psyche, weil er Frauen schon länger und mit größerer Selbstverständlichkeit zugemutet wurde.

Aufgrund der immer größeren Inanspruchnahme durch gesellschaftliche Verpflichtungen fehlt uns die Zeit, ein Leben nach unseren Vorstellungen zu führen (und hätten wir die Zeit, fehlten uns die Mittel). Die Möglichkeit, wirklich auszuspannen, die Gedanken mehr als ein paar Minuten lang in die Weite schweifen zu lassen, dem Leben außerhalb der fremdgesetzten Zweckbestimmung die höhere Priorität zuzuweisen, fehlt uns. Zumindest gemäß literarischen Berichten älterer Zeiten stellte sich das in früheren Zeiten sehr anders dar; die gesellschaftliche Quasiakzeptanz der Bohème als künstlerische, aber auch studentische Lebensform bzw. der Kaffeehauskultur als bürgerliche Selbstverständlichkeit ist dahin; was im 18. und 19. Jh. als "Bildungsreise" und "Wanderjahre" charakterprägend, Quelle unendlicher Inspiration und Kenntnisse war, bedeutete heute den Verlust der entscheidenden Jahre, außerdem das Stigma eines merkwürdigen bis verdächtigen Aussteigers. Wo hat Goethe in seinen zwei Jahren in Italien gearbeitet, was für Fortbildungen, Praktika und Sprachkurse gemacht? ;)
Auf einer anderen Ebene reichen die Veränderungen bis in den Nachklang der "Samstags gehört Vati mir"-Forderung (1956): Heute mögen zwar viele Väter mehr zuhause sein; durch weiter wachsende Möglichkeiten zur Fernarbeit dürfte sich da auch einiges verändern; das bedeutet zugleich aber eine weitere Verfügbarkeit, ein Nieenden des Dienstes. Ein guter Tageszeitungsjournalist ist praktisch durchgehend auf der Suche nach Themen, beim Recherchieren (hoffentlich überhaupt, eben soviel Zeit wie er dafür hat), lesen, schreiben... In den wissenschaftlichen Berufen kann es sich der nach Erfolg strebende Neuankömmling (und nicht nur der) unmöglich leisten, die Beschäftigung mit seinen Themen einmal abreißen
zu lassen; die Kreativen sind es ohnehin längst gewohnt, daß die besten Einfälle im Schlaf oder auf der Toilette kommen, was bei entsprechender Dauerbeanspruchung auch zusammentreffen kann. ;)

Ich kann Anaeyons Gedanken gut nachvollziehen; meine lebensplanerische Konsequenz daraus war die vielleicht mehr als gewagte Gegenentscheidung der Flucht ins Brotlose, getragen vom Wunsche, etwas aus dem Leben zu machen, und von der Hoffnung, von dem, was daraus gemacht werde, möglicherweise auch irgendwann einmal leben zu können.

Anaeyon
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Mo 28. Mai 2007, 16:25 - Beitrag #12

Von typischen Eigenschaften habe ich auch nichts gesagt, sondern von Trieben. Bild Und ich sagte ja auch, dass auch eine Frau Jägerin sein könnte. Ich gehe nur davon aus, dass viele es nicht sind und sich damit vielleicht auch eher gegen ihre Triebe stellen würden, als ein Mann.

Und ja, ich denke schon, dass wir verschiedene Triebe haben. Zugegeben, ich habe mich mit "Trieben" noch nie genauer beschäftigt, aber falls sie das sind, was ich drunter verstehe, also etwas, das unser Verhalten beeinflusst, jedoch nicht komplett steuert, dann glaube ich da schon an Unterschiede. Bzw., wie du es sagtest, in unterschiedliche Ausprägungen dieser Triebe.

Mal über den Kamm geschoren: Ich glaube, Frauen sind diplomatischer als Männer. Zumindest die Ausprägung der Triebe, natürlich können sich viele Frauen auch ganz anders verhalten.
Die Verhaltensweise bei einem Konflikt - würde man nur die Triebe entscheiden lassen, würde denke ich so ausfallen, dass Mann zuschlägt (der stärkere gewinnt) und Frau den Konflikt diplomatisch zu lösen versucht.

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 16:35 - Beitrag #13

Ich könnte jetzt noch weiter bezüglich der Triebe nachfragen, aber das wird dann doch langsam zu ot, wie es mir scheint. Lassen wir es also erstmal hierbei. Nur noch eine Frage für dich auf den Weg: Wie kann man erkennen, ob eine Verhaltensweise genetisch oder gesellschaftlich verursacht ist? ;)
(Wie gesagt, das soll hier jetzt nicht weiter diskutiert werden, aber falls du nochmal ein bisschen mehr über Triebe nachdenken willst.)

abv
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Mo 28. Mai 2007, 19:19 - Beitrag #14

mh die frage ist gut, aber meinst du das eine verhaltensweise beim menschen jeweils nur genetisch oder nur gesellschaftlich verursacht werden kann?
ich denke das das eher ein zusammenspiele von beidem ist... aber naja wie du meinst lassen wir das erstmal.^^

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 19:26 - Beitrag #15

Ok, soviel noch dazu: Ich sehe das so wie du. Eine Verhaltensweise ist weder 100% genetisch bestimmt, noch 100% erlernt/anerzogen (abgesehen von bestimmten Reflexen, die ich aber nicht als "Verhalten" bezeichnen würde). Ich kann nur lernen, was meine Gene prinzipell ermöglichen. Wenn ich z.B. nicht genetisch dazu dispositioniert wäre, Sprechen zu lernen, könnte ich keine Sprache erlernen. Dieses Potential bleibt aber ohne Input ungenutzt. Es liegt also nicht in meinen Genen, ob ich Deutsch oder Chinesisch lerne. Aber dass ich überhaupt eine Sprache lernen kann, bedarf bestimmter genetischer Voraussetzungen.
Das ist meines Wissens nach momentan biologischer comon sense und für mich ist das auch sehr einleuchtend.
Meine Fragestellung war also in gewisser Weise eine Fangfrage an Anaeyon, durch die er auf die Idee kommen sollte, dass kein Verhalten rein genetisch determiniert sein kann.

So nun aber endlich btt! Falls am Gene/Gesellschaft-Thema weiteres Interesse besteht, kann derjenige ja einen passenden Thread aufmachen. ;)

Feuerkopf
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Mo 28. Mai 2007, 20:50 - Beitrag #16

Für mich stellt sich das Problem etwas anders dar.
Frauen wurden über einen sehr langen Zeitraum ziemlich an der kurzen Leine gehalten. Erst unter ökonomischem Druck, mit dem Beginn der Industrialisierung, kam man auf die Idee, ihr Potenzial zu nutzen und gewährte ihnen (Aus)bildung.

Nun ist aber Wissen wie die Büchse der Pandora: Man kann sie nicht einfach wieder schließen.
Frauen wollten nach und nach mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und zwar nicht dank willkürlicher Großzügigkeit, sondern per Gesetz.
So fingen Frauen an, sich zu organisieren. (Ähnliches war auch bei den Arbeitern.) Es gab Frauen, die in der Lage waren, die gesellschaftlichen Mechanismen zu durchschauen, zu analysieren und gesellschaftliche Veränderungen zu fordern. Ohne die Frauenbewegung, die schon über 100 Jahre existiert, wären die Frauen in unserer Gesellschaft nicht dort, wo sie jetzt sind.

Männer hatten diesen "Leidensdruck" nicht. Sie haben zwar Politik bestimmt, aber nicht unter gendertypischen Gesichtspunkten. Das rächt sich jetzt.
Es hat sich herausgestellt, dass Frauen durchaus fast alles so gut wie Männer erledigen können. (Es gibt übrigens inzwischen auch weibliche Berufsfeuerwehrfrauen.) Das hat das weibliche Selbstverständnis verändert und "uns" ermöglicht, unter einer Vielzahl von Lebensentwürfen zu wählen.

Männer haben versäumt, sich unter einander mal ehrlich über ihr Selbsbild und ihr Verständnis von Partnerschaft und Gesellschaft zu verständigen. Diese Kontroverse fand und findet bis heute nicht wirklich statt.
Oft sind es Frauen, die sich Gedanken darüber machen, wie Männer sein könnten, welche Möglichkeiten der ehemalige Jäger noch hätte.

Ich finde es viel verlangt, wenn Frauen Ideen für den Mann des 21. Jahrhunderts entwickeln müssten. Das ist etwas, was die "Männerabteilung" leisten sollte, finde nicht nur ich, denn sonst wäre es ein übergestülptes Männermodell.

Von meiner Warte aus sehe ich, dank der häufigen finanziellen Unabhängigkeit der Frauen, die Möglichkeit zu gleichberechtigter Partnerschaft, zu weniger Stress für die Männer, für mehr Teilung der Verantwortung, für eine Vielzahl von Lebens- und Berufsmodellen, auch für Männer. Ich bin überzeugt, dass es nur miteinander geht.

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 21:28 - Beitrag #17

Zitat von Feuerkopf:Nun ist aber Wissen wie die Büchse der Pandora: Man kann sie nicht einfach wieder schließen.

Das will hier auch bestimmt niemand. Zumindest mich würde es ärgern, wenn versucht werden würde, Frauen ihr Recht auf Bildung wieder zu nehmen.

Männer hatten diesen "Leidensdruck" nicht. Sie haben zwar Politik bestimmt, aber nicht unter gendertypischen Gesichtspunkten. Das rächt sich jetzt.

Eine sehr interessante Überlegung, über die ich wohl noch nicht intensiv nachgedacht habe...

Es hat sich herausgestellt, dass Frauen durchaus fast alles so gut wie Männer erledigen können.

Das würde ich so nicht sagen. Manche Frauen können Tätigkeit X besser als manche Männer, während andere Männer wiederum X besser können als andere Frauen usw. Ich würde nur von einer Tendenz oder besonderen Potential sprechen (z.B. Muskelkraft) das bei bei den meisten genetisch angelegt ist. Aber dieses Potential wird wiederum unterschiedlich genutzt.
Sorry, wenn ich wieder zu haarspalterisch bin, aber ich habe einen sehr starken inneren Widerstand gegen All-Aussagen die für mich nach Geschlechterstereotypen klingen. Ich weiß, dass du sehr differenziert über Geschlechterfragen denkst, siehe meine Äußerung also mehr als Versuch der Ergänzung. :)

Es gibt übrigens inzwischen auch weibliche Berufsfeuerwehrfrauen.

... aber keine Frauen, die Feuerwehrmänner sind. Die Aussage "100% der Feuerwehrmänner sind Männer" fand ich darum so amüsant, weil es eine Tautologie war. Genauso gut könnte man sagen "100% aller Junggesellen sind unverheiratet". :D

Das hat das weibliche Selbstverständnis verändert und "uns" ermöglicht, unter einer Vielzahl von Lebensentwürfen zu wählen.

Gemäß deiner These weiter oben, muss sich dann wohl auch das männliche Selbstverständnis noch ändern, damit wir in gleichem Maße wählen können.

Ich finde es viel verlangt, wenn Frauen Ideen für den Mann des 21. Jahrhunderts entwickeln müssten. Das ist etwas, was die "Männerabteilung" leisten sollte, finde nicht nur ich, denn sonst wäre es ein übergestülptes Männermodell.

Wäre es nicht am besten, wenn Männer UND Frauen sich Gedanken über Männer- UND Frauenmodelle machen würden?

Ich bin überzeugt, dass es nur miteinander geht.

Das sehe ich auch so. :)

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Mo 28. Mai 2007, 21:58 - Beitrag #18

Zitat von Maurice:Das würde ich so nicht sagen. Manche Frauen können Tätigkeit X besser als manche Männer, während andere Männer wiederum X besser können als andere Frauen usw. Ich würde nur von einer Tendenz oder besonderen Potential sprechen (z.B. Muskelkraft) das bei bei den meisten genetisch angelegt ist. Aber dieses Potential wird wiederum unterschiedlich genutzt.
Sorry, wenn ich wieder zu haarspalterisch bin, aber ich habe einen sehr starken inneren Widerstand gegen All-Aussagen die für mich nach Geschlechterstereotypen klingen. Ich weiß, dass du sehr differenziert über Geschlechterfragen denkst, siehe meine Äußerung also mehr als Versuch der Ergänzung. :)


Ich wollte auch gar nicht ins Detail gehen. Du hast natürlich recht, allerdings können wir die bestehenden Geschlechterstereotypen auch nicht einfach ignorieren, denn sie sind Bestandteil des Denkens bei vielen Menschen.
Ich denke, dass sehr viele Frauen (immer auf westlichen Standard bezogen) zumindest die weiblichen Stereotypen über nun viele Jahrzehnte zur Diskussion und Disposition gestellt haben, sonst könnten sie gar nicht andere Lebensformen und Verhaltensweisen ausprobieren.
Wie es aussieht, müssen sehr viele Männer diesen Schritt im Bezug auf männerbezogene Stereotypen noch machen, wenn sie nicht in alten Rollenbildern verhaftet bleiben wollen.


... aber keine Frauen, die Feuerwehrmänner sind. Die Aussage "100% der Feuerwehrmänner sind Männer" fand ich darum so amüsant, weil es eine Tautologie war. Genauso gut könnte man sagen "100% aller Junggesellen sind unverheiratet". :D


Äx. Dieser Scherz entging mir.:blush:


Gemäß deiner These weiter oben, muss sich dann wohl auch das männliche Selbstverständnis noch ändern, damit wir in gleichem Maße wählen können.


Wie weiter oben gesagt.


Wäre es nicht am besten, wenn Männer UND Frauen sich Gedanken über Männer- UND Frauenmodelle machen würden?


Ja, dabei entstünde eine andere Gesellschaft. Eine interessante Herausforderung.

Maurice
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Mo 28. Mai 2007, 22:41 - Beitrag #19

Wie es aussieht, müssen sehr viele Männer diesen Schritt im Bezug auf männerbezogene Stereotypen noch machen, wenn sie nicht in alten Rollenbildern verhaftet bleiben wollen.

Da habe ich noch ein Problem. Ich glaube insgesamt sehr frei von Stereotypen zu sein, wenn es um andere geht, mir gegenüber aber nicht. Ich habe den instinktiven Drang auf bestimme "männlichen Idealen" zu blicken, die ich nicht zu erfüllen meine. Das bereitet mir Unbehagen. So sehr manchmal sogar, dass ich überlege, ob man es schon als "Geschlechtsidentitätsstörung" bezeichnen kann. Ich weiß, dass es falsch ist, diese Ideale zu haben, aber ich werde sie nicht so einfach los...
Aber das ist wohl etwas ot, weil es jetzt sehr persönlich wird...

Feuerkopf
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Mo 28. Mai 2007, 22:50 - Beitrag #20

Es ist von Interesse für die meisten Männer, grundsätzlich mal über ihr Selbstverständnis nachzudenken und sich vor allem mal auszutauschen!
Männer reden über so viel, aber da scheint es eine Sperre zu geben.
Ist es peinlich oder ehrenrührig, sich mit sich selbst auf diese Weise zu beschäftigen?

Wenn du, Maurice, dich von Stereotypen frei fühlst, bzw. sie gut erkennst und benennen kannst, dann wärest du eigentlich ideal geeignet, dich mal näher damit zu befassen.

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