Das Microsoft-Urteil

Das Forum für allgemeine Diskussionen! Alle Themen, die nicht in andere Bereiche passen, können hier diskutiert werden.
Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Di 18. Sep 2007, 04:31 - Beitrag #1

Das Microsoft-Urteil

Typische Präambel: Findet jemand einen alten Thread zur Erstverkündung der Strafe, oder wurde das nur mal irgendwo am Rande andiskutiert?

Zur Nachricht (siehe z.B. Spiegel Online): Ein europäischer Gerichtshof hat das Urteil der EU-Kommission, Microsoft eine Strafe von 500 Mio € aufzubrummen und sie dazu zu zwingen, diverse Auflagen einzuhalten (Verkauf einer Mediaplayer-losen Windows-Version, Offenlegung technischer Informationen), um ein Ausnutzen ihrer Marktposition einzuschränken.

Ich bin weiterhin der Ansicht, dass diese Strafe völliger Irrsinn ist. Bei allem wohlfeilen "MS ist böse" und Denken an kleine Mitbewerber, wenn man diese Argumentation zu Ende denkt, ist und bleibt es einfach absurd. Es ist also unsauberes Marktverhalten, den Mediaplayer an Windows zu koppeln, weil er Konkurrenzprogramme so verdrängt. Aha. Also muss es in Zukunft auch Windows-Versionen ohne Internet Explorer, ohne Paint, ohne Editor und Rechner geben, sprich, ohne jede Funktionalität abseits des reinen Betriebssystems, da es zu all dem arme untergebutterte Konkurrenten gibt. Und wo hört das eigentliche Betriebssystem denn auf? Ist sogar die graphische Oberfläche schon eine Bevormundung des Kunden?
Und diese Regelung ließe sich auch auf andere Branchen übertragen - Autos ohne Radio, Möbel ohne Schrauben, denn stets darf man den Kunden ja nicht davon abhalten, diese Komponenten lieber anderswo zu erwerben.

Für mich bleibt dies also ein undurchdachtes Urteil, das, da eine konsequente Umsetzung auf alle vergleichbaren Fälle einfach unmöglich ist, ein monolithischer Willkürakt bleiben wird. Die Kommentare mancher Medien hinsichtlich großer Auswirkungen auf die Softwarewelt sehe ich deshalb immerhin als übertrieben an, hieraus lässt sich keine irgendwie handhabbare allgemeine Rechtsgrundlage basteln. Und es zeigt mal wieder, wie völlig unverständig Politik und Rechtsbetrieb mit Computertechnik umgehen.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 18. Sep 2007, 11:16 - Beitrag #2

der springende Punkt ist der, dass Microsoft seine Zusatzkomponenten anbieten darf, aber nicht aufzwingen darf. Mir z.B. passt das DRM-System, welches mit dem Mediaplayer 10 einherkommt, absolut nicht; ich benutze ihn nicht, habe ihn nie benutzt und werde ihn nie benutzen. Ich möchte noch nicht mal, dass er auf meinem System überhaupt integriert ist. Gleiches gilt für den IE. Bisher war das ein Wunsch am Rande der Unmöglichkeit, und wer traut schon den Microsoft-eigenen Deinstallationsroutinen. In Zukunft - falls MS sich dem Urteil beugt - wird das möglich sein.

Nochmal - MS darf mich gerne fragen, ob ich sein Programmbundle, und mit welchen Modulen, haben möchte, aufzwingen können sollte es mir das nicht dürfen. Bei Autos ist es z.B. durchaus möglich, dass man mit dem Verkäufer ein anderes als das standardmäßige Radiomodell vereinbart.

Inwieweit eine grafische Oberfläche Teil des BS ist, darüber lässt sich trefflich streiten, jedoch ist die Verankerung da wohl nicht so trivial wie bei einfachen Programmen; insofern braucht man da auch nicht zu päpstlich zu sein^^ aber in Fällen einfacher Bequemlichkeitsprogramme ist das imo tatsächlich Monopolmissbrauch, was MS bisher betreibt.

GenomInc
Excellent Member
Excellent Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 633
Registriert: 30.08.2003
Di 18. Sep 2007, 12:47 - Beitrag #3

also ich finde Ipsissimus trift das schon richtig, von mir aus kann Windows X anwendungen mit bringen aber ich möchte als anwender entscheiden ob ich sie mit instaliert haben möchte oder Nicht. Den IE , mediaplayer oder noch schlimmer den liveplayer möchte ich NICHT auf dem rechner haben egal welche version aber man bekommt sie halt bei der grundinstalation von windows erstmal mit ob man sie braucht oder nicht :-(

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mi 19. Sep 2007, 01:26 - Beitrag #4

Ich denke auch, daß es einen entscheidenden Unterschied macht, ob die Installation des Betriebssystems quasi automatisch mit der gleichzeitigen Installation von Anwendungsprogrammen verbunden ist, die von demselben Hersteller stammen, oder ob vor oder nach der Installation des Betriebssystems ausgewählt werden kann, welche Programme installiert werden sollen oder auch nicht.
Auch, ob unabhängige Entwickler von Anwendungsprogrammen leicht erfahren können, auf welche Programmschnittstellen hin sie ihre Programme entwickeln müssen.

Die Benutzeroberfläche gehört für mich zum Betriebssystem dazu, weil sie dessen Bedienung durch Jedermann ermöglicht.

Ein Möbel benötigt Schrauben, ein Auto den Motor, Räder, Auspuff, Bremsen, Beleuchtung, Sicherheitssysteme, um als Auto im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen betrieben werden zu können. Das gehört zum nötigen Lieferumfang des Herstellers. Kindersitze, Navigationssysteme, Lautsprecher und Radio sind Beiwerk - man kann sie haben, muss man aber nicht. Sie müssen von beliebigen Anbietern geliefert und eingebaut werden können in meinen Augen.
Hier gibt es auch eine große Anzahl Anbieter mit verschiedenen Produkten, was nicht nur eine Fülle kleiner und mittlerer Unternehmen bedeutet, sondern auch eine befriedigung der vielfältigen Kundenwünsche, nicht nur ein Standardmodell.

Insofern bin ich ganz froh, daß die Europäische Kommission den Monopolisierungsvorstellungen einiger großer Konzerne entgegen tritt, und was die Mittel betrifft - nun, wie soll man Multi-Milliarden-Dollar-Konzerne treffen, wenn nicht mit finanziellen Sanktionen in entsprechender Höhe?

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Do 20. Sep 2007, 04:06 - Beitrag #5

Videoplayer, Internetbrowser und alle anderen Arten von Software können auch bei Mitlieferung einer Standardkomponente von Microsoft in beliebigen Mengen von beliebigen Anbietern dazuinstalliert werden. Und das großenteils sogar kostenlos. Dass schonmal eine Standardanwendung auf jeden Fall dabei ist, sorgt zumindest dafür, auf Fremd- oder vor allem öffentlichen Computern eine Mindestfunktionalität zur Verfügung zu haben. Und wer es will, kann 90% der MS-Programme auch wesentlich leichter entfernen und komplett ersetzen als dies in klassische Branchen üblich ist. Es wäre natürlich sehr nett, wenn dies auf 100% zuträfe und komplett ohne Tricks, sondern einfach bei der Installation möglich wäre, aber einen juristisch begründbar herstellbaren Zwang hierzu sehe ich nicht.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 20. Sep 2007, 09:55 - Beitrag #6

aber einen juristisch begründbar herstellbaren Zwang hierzu sehe ich nicht.


ich kann mir nicht vorstellen, Traitor, dass die Entscheidung des GERICHTES deswegen so ausgefallen ist, weil diese JURISTEN keine juristische Begründung gefunden haben.

Ich denke, deine Position ist die eines Computerfreaks, der sich statt auf Linux/Unix auf Windows eingeschworen hat und sein Spielzeug im Schlaf beherscht, so dass sich ihm natürlich kaum Hindernisse in den Weg stellen, sein System so einzurichten, wie er es will. Das ändert aber nichts an der Anmaßung seitens Microsoft, Anwendungsprogramm-Konfigurationen zu erzingen, statt anzubieten.

Was das leichte und vor allem vollständige Deinstallieren anbelangt - das hinzubekommen ist gerade die - imo beabsichtigte - Schwäche von Microsoftprodukten. Angefangen bei der anschwellenden Registry, bei der gerade Microsoft-Produkte eben nicht vollständig alle Schlüssel udgl wieder löschen, die ebenso anwachsende DLL-Bibliothek und alle die semi- bis ganzversteckten Spielereien mit Einträgen, die sich in den Tiefen der Verzeichnisstruktur des "Dokumente und Einstellungen"-Ordners abspielen.

Noriko
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5864
Registriert: 15.11.2001
Do 20. Sep 2007, 13:32 - Beitrag #7

Also den Zwang der Anbietung einer Verion die ohne den Mediaplayer im laden stht finde ich auch total albern, denn immerhin ist der MP ebenso ein kostenloses Programm, also würde eine Windos Lite genausoviel ksoten wie mit dem Ganzen schranz.

Das einzige was ich fidne was Microsoft anbietne soltle sit wirklich von vornerein die Auswahl bei der Installationsroutine, was man von ihrem Kram haben möchte, und was nicht. aber das verbieten von kostenlsoer Minimalsoftware ist irgendwie albern.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 20. Sep 2007, 15:32 - Beitrag #8

gerade der MP10 ist nicht trivial durch sein DRM-System, das tief in deine Autarkie als User eingreift

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 21. Sep 2007, 03:43 - Beitrag #9

ich kann mir nicht vorstellen, Traitor, dass die Entscheidung des GERICHTES deswegen so ausgefallen ist, weil diese JURISTEN keine juristische Begründung gefunden haben.
Anders ausgedrückt: ich sehe nicht, wie sich aus den allgemeinen Grundrechten, der generellen politischen Zielsetzung der Marktpolitik und elementarer Logik eine Regelung ableiten ließe, die diesen Sachverhalt verbietet. Dass es aus dem Wortlaut des aktuellen Gesamtgesetzkorpus möglich ist, dieses Urteil abzuleiten, bezweifle ich nicht. Aber das wäre auch seine genaue Verneinung oder die Entscheidung, dass die Sonne ab jetzt wieder um die Erde kreist. Wir sind doch schon lange an dem Punkt angekommen, an dem Gerichte Gesetze durch ihre Urteile und Interpretationen erst wirklich schreiben. Aber das führt wie üblich zu weit vom Thema weg.

und sein Spielzeug im Schlaf beherscht, so dass sich ihm natürlich kaum Hindernisse in den Weg stellen, sein System so einzurichten, wie er es will.
Ebensowenig, wie sich einem geübten Handwerker Hindernisse in den Weg stellen, sein Auto oder Möbelstück so umzubauen, wie er es will. Tendenziell ist für den in beidem gleich unbedarften Benutzer die Einrichtung des Computers sogar die leichter zu erlernende Maßnahme.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 21. Sep 2007, 10:35 - Beitrag #10

ich sehe es für MS nicht als Zumutung an, das Ganze so zu gestalten, wie Noriko es schrieb, nämlich auch hinsichtlich IE, MP und anderen Kleinigkeiten bei der Installation explizit zu fragen. Bei anderen Komponenten können sie das ja auch. Dann können bequeme User immer noch per Mausklick alles übernehmen, aber solche User, die kritischer eingestellt sind, haben die Möglichkeit, sich dem zu verweigern.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 23. Sep 2007, 06:01 - Beitrag #11

Nein, eine Zumutung wäre das sicher nicht, und wünschenswert wäre es allemal. Mir geht es nur darum, dass ich keinen hinreichenden Grund sehe, dies zu erzwingen. Dass man etwas gerne möchte, führt nicht automatisch dazu, dass man einen Anspruch darauf hat. Und dass eine Firma aufgrund großer Marktanteile plötzlich bestimmte Zwangsauflagen zu erfüllen hat, die sich auf das Produkt selbst und nicht auf die reine Marktpolitik beziehen, halte ich für arg fragwürdig. Oder zumindest müsste dies dann eben konsequent auf alle Produkte dieser Firma, ihrer Konkurrenten und anderer Branchen angewendet werden, und wenn das nicht geht, sieht man, dass es absurd war.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 25. Sep 2007, 02:08 - Beitrag #12

Das Problem und wohl letztlicher Stein des Anstoßes ist, daß microweich den nicht für jedermann leicht zu trennenden Bündelverkauf nicht nur aus Jux oder versehentlich betrieben hat, sondern absichtsvoll und systematisch und bis dahin, daß die Computerabteilungen vieler größerer Kaufhäuser mit microweich-Verkaufspersonal durchsetzt wurden - welche dann alle möglichen Vorzüge der jeweiligen Programme demonstreiren und anpreisen konnten, zugleich aber abgeblockt haben, wenn es um den Umstieg auf alternative Programme ging. "Warum wollen Sie das denn? Sehen Sie, das ist hier die sicherste Software die es dazu gerade gibt, wissen Sie, was Sie sich mit anderen, "freien" Programmen einhandeln? Ich kann Ihnen nur dringend davon abraten", so sinngemäß ein Verkaufsgespräch, das ich in einem örtlichen Kaufhaus erlebt habe zu Zeiten von XP.
Die Massenkundschaft lässt sich davon einlullen, und viele beginnende Zweifler lassen sich davon beeinflussen - und dadurch entsteht eine marktbeherrschende Stellung, die andere Programme aus dem Markt drängt.
Und das bei Programmen, die nun wirklich nicht ganz harmlos sind, wie der Mediaplayer mit dem DRM.


Zurück zu Diskussion

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast