Fühlt es sich an, ein Mann oder eine Frau zu sein?

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Maurice
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Di 4. Dez 2007, 18:58 - Beitrag #1

Fühlt es sich an, ein Mann oder eine Frau zu sein?

In letzter Zeit gab es ja den ein oder anderen Thread zu Persönlichkeitsstörungen. Beim Stöbern auf Yanapedia, fand ich folgende "Krankheit":
Geschlechtsidentitätsstörung (...) Menschen mit GID empfinden sich als einem anderen als ihrem körperlichem Geschlecht zugehörig.
Quelle:www.wikipedia.de


Ich schreibe "Krankheit" in Anführungszeichen, weil ich skeptisch bin, ob die Bedingungen der Möglichkeit, diese "Krankheit" zu besitzen, überhaupt gegeben sind (also eine Art von transzendentaler Kritik - nicht zu verwechseln mit "transzendent" ;)).
Mein Problem ist folgendes: Damit jemand überhaupt so eine GID besitzen kann, muss er ein biologisches Geschlecht besitzen, sich gleichzeitig aber diesem nicht zugehörig fühlen. Ignoriert man nun die wenigen radiakal konstruktivistischen Feministen und Feministinnen, die die Existenz eines biologischen Geschlechts leugnen, sollte die erst Bedinung, ein biologisches Geschlecht zu besitzen, kein Problem sein. Problematischer scheint mir dagegen die zweite Bedinung, nämlich das "Gefühl einem Geschlecht anzugehören".
Ganz plump gefragt: Wie fühlt sich Mann-Sein bzw. Frau-Sein an?
Etwas geschickter gefragt: Gibt es eine eigene emotionale Qualität, die zum jeweiligen Geschlecht gehört? Und selbst wenn, wie sollte diese nachgewiesen werden, werden die "gesunden" Menschen doch nur das Gefühl ihres Geschlechts kennen und nicht wie es ist, dem anderen Geschlecht anzugehören? Und wie soll jemand erkennen, dass er sich zum richtigen Geschlecht zugehörig fühlt, solange es sich nur einem Geschlecht zugehörig fühlt, wenn er doch nicht wissen kann, wie sich das andere Geschlecht anfühlt?

Mir erscheint es stattdessen so, dass es eine solche eigene emotionale Qualität des Mann- oder Frau-Seins nicht gibt, ja wahrscheinlich aus dem oben genannten Fragen resultieren wahrscheinlich gar nicht geben kann und selbst wenn nicht überprüfbar wäre. Was es stattdessen gibt, sind bestimmte Gefühlsregungen, Verhaltensweisen, Charakterzüge usw. die wir unserem sozialen Bild von Mann- und Frau-Sein zuschreiben. Wer diese Rollenvorgaben ausreichend verinnerlicht hat und meint, psychische Merkmale an sich festzustellen, die nicht der Rolle entspricht, die dem biologischen Geschlecht normativ zugeordnet wird, wird den Eindruck haben, dass etwas bei ihm nicht stimmt. Das psychische Gesammtbild passt nicht mit dem Rollenbild zusammen, was man mit dem eigenen biologischen Geschlecht verbindet und wird bezüglich der geschlechtlichen Selbstzuschreibung unsicher.


Ich glaube, wie hatten das Thema schon mal in irgendeinem Thread angesprochen, den ich aber auf Anhieb nicht mehr gefunden habe. Falls ich dasselbe Thema gerade wieder aufgemacht habe, kann man diesen Thread auch wieder schließen.
Ich war mir nicht sicher, ob ich das Thema hier oder in der Philo-Sektion eröffnen sollte. Wenn die Mods meinen, der Thread sei dort besser aufgehoben, können sie ihn gerne verschieben. Aber vielleicht sollten wir auch erstmal keine neuen Threads in der philo-Sektion eröffnen, bis wir geklärt haben, was Philosophie eigentlich ist. :D

Maglor
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Di 4. Dez 2007, 21:19 - Beitrag #2

Ich vermute mal die in den Geisteswissenschaften zur Zeit weit verbreitete Unterscheidung von gender und sex ist der Schlüssel zur Klärung.
Die Idee ist das es neben den biologischen Geschlecht auch auch ein soziales oder psychologisches Geschlecht gibt.
(Naja, das grammatische ist doch sowieso das wichtigste!) :crazy:
Praktischerweise kennt die englische Sprache eine Unterscheidung und nennt das biologische Geschlecht sex und das "andere" gender.
Eine Geschlechtsidentitätstörung träfe als ein, wenn gender und sex nicht zusammenpassen.
MfG Maglor :rolleyes:

Lykurg
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Mi 5. Dez 2007, 01:14 - Beitrag #3

Ignoriert man nun die wenigen radikal konstruktivistischen Feministen und Feministinnen, die die Existenz eines biologischen Geschlechts leugnen
(Sind die nicht sowieso im Aussterben begriffen, oder vermehren sie sich ungewollt?^^)
Was es stattdessen gibt, sind bestimmte Gefühlsregungen, Verhaltensweisen, Charakterzüge usw. die wir unserem sozialen Bild von Mann- und Frau-Sein zuschreiben. Wer diese Rollenvorgaben ausreichend verinnerlicht hat und meint, psychische Merkmale an sich festzustellen, die nicht der Rolle entspricht, die dem biologischen Geschlecht normativ zugeordnet wird, wird den Eindruck haben, dass etwas bei ihm nicht stimmt. Das psychische Gesamtbild passt nicht mit dem Rollenbild zusammen
Das Gefühl, daß etwas mit ihnen "nicht stimmt", wäre im Zweifel Voraussetzung für die Krankheitsdiagnose. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, daß jemand, der in verschiedener Hinsicht (von Kleidungspräferenz über Sozialverhalten bis hin zur sexuellen Orientierung) seinem geschlechterrollentypischen Verhalten entgegensteht, meint, glücklicher zu leben, wenn sein biologisches Geschlecht verändert wird - ebenso wie es offenbar auch Männer gibt, die eigentlich "schon immer" eine Frau sein wollten und umgekehrt. Eine "Krankheit" sehe ich hier nur im Sinne des Behandlungsbedarfs, wobei die Behandlung hier in einer umfassenden Beratung und ggf. Geschlechtsumwandlung bestehen müßte.

Maurice
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Mi 5. Dez 2007, 10:07 - Beitrag #4

@Maglor:
Eine Geschlechtsidentitätstörung träfe als ein, wenn gender und sex nicht zusammenpassen.

Aber ist das auch eine Krankheit? Ich meine, es gibt genug Fälle, in denne Menschen nicht gemäß des Rollenbilds handeln, das in der Gesellschaft dominat ist - und trotzdem kein Problem damit haben. (Voraussetzung ist natürlich, dass dieser jemand nicht zuviel Wert auf das Urteil des "man" legt.)
Und wenn jeder gleich "behandelt" werden würde, der sich nicht so verhält, wie es dem Rollenbild der anderen entspricht, wie sollte sich da gesellschaftlicher und in einigen Fällen auch individueller Wandel vorllziehen können?

@Lykurg:
ebenso wie es offenbar auch Männer gibt, die eigentlich "schon immer" eine Frau sein wollten und umgekehrt.

Ich frage mich bei sowas aber, ob diese Menschen auch dann ihr biologisches Geschlecht geändert haben wollten, wenn es keine Geschlechtersterotypen gäbe. Könnte jemand den Eindruck haben, "im falschen Körper" geboren zu sein, wenn Mann und Frau sich völlig ohne Druck für einen Lebensstil entscheiden könnten? Würde ein Mann auf die Idee kommen können, mit ihm Stimme etwas nicht, wenn er sich gerne schminkt und sich Kleider anzieht, wenn das in der Gesellschaft allgemein akzeptiert werden würde?

@radikale Konstruktivisten: Also die Judith Butler lebt glaub ich noch ^^ ... keine Ahnung, ob diese "ungewöhnlichen Denker" Zulauf bekommen, da fehlt mir der Überblick - und den möchte ich in dem Fall wohl auch nicht haben. ;)

Ist jetzt alles sehr spekulativ und müsste eigentlich die entsprechenden empirischen Untersuchungen bedürfen - für uns bleibt da nur die Möglichkeit, Mutmaßungen anzustellen.

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Mi 5. Dez 2007, 14:24 - Beitrag #5

Zitat von Maurice:Ich meine, es gibt genug Fälle, in denne Menschen nicht gemäß des Rollenbilds handeln, das in der Gesellschaft dominat ist - und trotzdem kein Problem damit haben.


Vielleicht liegt die Ursache des Problem-/Behandlungsbedarfs-Faktors dieser Thematik ja genau hier begraben....

Ipsissimus
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Mi 5. Dez 2007, 14:34 - Beitrag #6

na ja, wenn du beim Pinkeln stehenbleibst und den Strullermann in die Hand nimmst, oder dich hinsetzt und einfach so laufen lässt, das kann schon ein unterschiedliches Empfinden begründen. Wenn du jeden Tag deinen Bart rasierst, oder ob du einmal im Monat ein paar Tage blutest, so begründet auch das ein unterschiedliches Körpergefühl, ebenso wenn du nur eines oder ob du zwei Sexualhormone stemmen musst. Ich denke also schon, dass ausgeprägte und jeweils unterschiedliche Gefühle mit Mann- oder Frausein verbunden sind.

Und da in der Natur Homosexualität eine natürliche Varietät innerhalb der meisten Spezies ist, und die Natur manchmal sehr merkwürdig würfelt, halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, dass es zu "falschen" Kombinationen von sex und gender kommen kann.

Maurice
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Mi 5. Dez 2007, 17:49 - Beitrag #7

na ja, wenn du beim Pinkeln stehenbleibst und den Strullermann in die Hand nimmst, oder dich hinsetzt und einfach so laufen lässt, das kann schon ein unterschiedliches Empfinden begründen.

Willst du damit sagen, dass wenn ich eine Symptome einer GID aufweise, aufhören sollte, im Sitzen zu pinkeln, damit ich mich wieder mehr "als Mann fühle"? Eine solche Behauptung erschiene mir als Blödsinn.

Ich denke also schon, dass ausgeprägte und jeweils unterschiedliche Gefühle mit Mann- oder Frausein verbunden sind.

Klar sind mit der Regelblutung und dem Rasieren Gefühle verbunden (vor allem wenn man sich mal wieder geschnitten hat), aber trägt das zu einer eigenen emotionalen Qualität von "Mann-Sein" bzw. "Frau-Sein" bei? Angenommen eine frau würde sich die Eierstöcke entfernen lassen und (ich bin kein Mediziner, aber ich gehe davon aus) sie danach keine Regelblutung mehr hätte, würde sie dich auf Grund dessen weniger als Frau fühlen?
Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es ein Männlichkeits- bzw. Weiblichkeits-Gefühl gibt, bzw. dieses wohl auch nicht nachgewiesen werden könnte, sondern nur Zuschreibungen vorhanden sind, was für Emotionen, Verhaltensweisen und Charakterzüge ein Mensch mit Penis und ein Mensch mit Vagina besitzen sollten.

Maglor
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Mi 5. Dez 2007, 18:45 - Beitrag #8

Unsere Gefühlswelt beschränkt sich keineswegs auf den Kopf. Eine Entfernung von Hoden oder Eierstöcken, bringt den Kastraten in andere emotionale Welten. Hormone haben einen nicht gerade unbdeutenden Einfluß auf die Psyche, selbst Fehlfunktion der Schilddrüse können ja aufs Gemüt schlagen.
MfG Maglor :rolleyes:

Ipsissimus
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Do 6. Dez 2007, 11:43 - Beitrag #9

Willst du damit sagen, dass wenn ich eine Symptome einer GID aufweise, aufhören sollte, im Sitzen zu pinkeln, damit ich mich wieder mehr "als Mann fühle"? Eine solche Behauptung erschiene mir als Blödsinn.


eine solche Behauptung erschiene auch mir als Blödsinn^^ glücklicherweise habe ich nichts dergleichen behauptet^^

ich meine dass die Gesamtheit aller Emotionen und Körperwahrnehmungen, die ein Mensch nur dann empfinden kann, wenn er ein Mann ist, und die Gesamtheit aller Emotionen und Körperwahrnehmungen, die ein Mensch nur dann empfinden kann, wenn er eine Frau ist, das "sich als Mensch fühlen" einschlägig färben. Es gibt sicher genügend viele "geschlechtsneutrale" Empfindungen, die Frauen und Männer gleichermaßen zugänglich sind, aber schon ihre schiere Körperlichkeit versorgt beide Gruppen mit einer immensen Anzahl jeweils exklusiver Empfindungen.

Warum sollen diese exklusiven Empfindungen bitte nicht ein "männliches" oder "weibliches" Sekundärempfinden - sekundär nach dem primären "Menschsein" - generieren?

Dass das ganze dann noch durch rollenspezifische, also sozial und kulturell induzierte Empfindungen erweitert, teilweise korrigiert und gelegentlich in Frage gestellt wird, ist dazu sicher kein Widerspruch und wertet die spezifischen Empfindungen gegenüber dem Primärempfinden weder auf noch ab.

Maurice
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Do 6. Dez 2007, 11:52 - Beitrag #10

@Ipsi:
glücklicherweise habe ich nichts dergleichen behauptet

Das wollte ich dir auch nicht unterstellen. Ich war mir nicht sicher, ob ich die eine Aussage so interpretieren soll, aber es schien mir einfach äußerst abwegig, dass du soetwas behaupten wollen würdest.

das "sich als Mensch fühlen" einschlägig färben

Das würde ich nicht beschreiben - aber dann haben wir noch keine eigene Qualität des "Sich-als-Mann/Frau-Fühlens", sondern eher das, was ich schon geschrieben habe, als die Identifizierung mit bestimmten Merkmalen als "Mann/Frau-Sein". Abgesehen davon erscheint es mir auch als unwahrscheinlich, dass es eine eigene Qualität des "Sich-als-Mensch-Fühlens" gibt - aber das willst du, wenn ich dich richtig verstanden haben, auch nicht behaupten.

@Maglor:
Es scheint nicht klar zu werden, auf was ich hinaus will... Natürlich hat das Auswirkungen auf die Psyche, wenn man einem Mann kastriert, aber die Frage ist, ob das Auswirkungen auf ein spezielles eigenes Gefühl des "Mann-Seins" hat.

Naja, so einen wirklichen Diskussionscharakter hat das Thema auch eigentlich nicht.. sollte ja mehr so eine Katharsis-Funktion erfüllen...

Ipsissimus
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Do 6. Dez 2007, 12:59 - Beitrag #11

nun, ich fühle mich als Mensch - wie sollte ich mich sonst fühlen? Weder als Nashorn, noch als Krokodil, noch als Erdhörnchen oder anderes. Von daher gehe ich davon aus, dass mein Empfinden mit einer gewissen Schwankungsbreite entlang der Normalverteilung dem entspricht, was man mit "sich als Mensch fühlen" beschreiben kann.

Dass "sich als etwas fühlen" immer "Identifizierung bestimmter Merkmale mit einer bestimmten Bedeutung" heißt, ist in meinen Augen eine Selbstvertändlichkeit, spätestens seit Kant. Von daher steht deine Aussage imo nicht im Widerspruch zu einem geschlechterspezifischen Empfinden, nur die Schlussfogerungen, die du ziehst, basieren auf einem von meinem unterschiedlichen Referenzsystem

Maurice
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Do 6. Dez 2007, 18:57 - Beitrag #12

Mir scheint es einen Unterschied zu machen, ob ich ein Gefühl habe und sage "dieses Gefühl nenne ich XY" oder über eine Gruppe von Gefühlen sagen, dass zusammenen eine bestimmte Sache beschreiben. So könnte man Fragen, ob Liebe ein eigenes Gefühl ist oder eine Gruppe an Gefühlen, die wir, wenn sie zusammen auftreten als Gefühle beschreiben.
Meine Kritik an der GID-Sache ist, dass sie in meinen Augen suggiert, dass es ein Gefühl gibt, das einem "Mann-Sein-Gefühl" bzw. "Frau-Sein-Gefühl" entspricht, was es meiner Einschätzung nach nicht gibt. Dagegen gibt es wohl eine Reihe an Gefühlen, die wir zusammen als "Sich-als-Mann/Frau-Fühlen" bezeichnen, wobei diese Einteilung mir notwenig als sozial konstruiert erscheint. Die GID-Sache suggeriert also für mich, dass sowas wie ein natürliches a-priori Geschlechtsempfinden gibt, bei dem interveniert würden sollte, wenn es jemand so nicht besitzt, während in Wirklichkeit durch impliziten und expliziten sozialen Druck, dem Einzelnen vorgegeben wird, wie er sich auf Grund seines biologischen Geschlechts zu fühlen habe.

Ich muss jetzt leider schnell in die nächste Vorlesung. Vielleicht wurde trotzdem etwas klarer, was für mich das Problem ist.

Padreic
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Do 6. Dez 2007, 19:33 - Beitrag #13

@Maurice:
Meine Kritik an der GID-Sache ist, dass sie in meinen Augen suggiert, dass es ein Gefühl gibt, das einem "Mann-Sein-Gefühl" bzw. "Frau-Sein-Gefühl" entspricht, was es meiner Einschätzung nach nicht gibt. Dagegen gibt es wohl eine Reihe an Gefühlen, die wir zusammen als "Sich-als-Mann/Frau-Fühlen" bezeichnen, wobei diese Einteilung mir notwenig als sozial konstruiert erscheint.
Ich würde dir mit der Reihe an Gefühlen zustimmen. Mit dem sozial Konnotierten aber nicht gänzlich. Ich meine, es ist ja kein Zufall, dass die männlichen Stereotypen so sind wie sie sind. Bestimmte Teile (wenn natürlich auch keines in Gänze) werden sich vermutlich in so ziemlich allen Kulturen wiederfinden. D.h. das "Gender-Bild" hat schon eine gewisse nicht rein sozial konstituierte Komponente [eine biologische Komponente hat Maglor ja auch schon angedeutet].

Maurice
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Do 6. Dez 2007, 21:01 - Beitrag #14

Pad, klingt ja schon fast soziobiologisch deine Argumentation. Ich hoffe, du nimmst nicht alles wieder zurück, weil ich deiner Überlegung eine soziobiologische Tendenz unterstelle. Ist mir ja sehr symphatisch - ich wundere mich nur ein bisschen, sowas von dir zu hören. ;)

D.h. das "Gender-Bild" hat schon eine gewisse nicht rein sozial konstituierte Komponente

Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Natürlich ist das Gender-Bild nicht rein sozial bedingt, im Sinne von biologiefrei - jedes gesellschaftliche Phänomen braucht irgendwo seine biologischen Voraussetzungen. Ich habe ja auch kein Problem damit, dass es Gender-Stereotypen gibt - mein Problem ist, dass diese Stereotypen als für die entsprechenden Mitglieder eines biologischen Geschlechts allgemein verbindlich hochstilisiert werden. Also es wird nicht suggeriert "Wir stellen uns den Charakter eines Mannes für gewöhnlich so und so vor.", sondern "Ein Mann hat sich so und so zu verhalten oder er ist kein richtiger Mann.".
Wir haben nicht von Natur aus ein "Sich-als-Mann/Frau-fühlen"-Gefühl, sondern bekommen erst beigebracht, wie sich ein Mann oder eine frau zu fühlen habe (ein Mann muss stark sein, eine Frau soll einfühlsam sein usw.). Das tendenziell gerade diese Attribute von Individuum als verbindliche Gefühlswelt postuliert werden, wird wiederum biologische/evolutionäre Wurzeln haben. Das ändert aber nichts daran, dass wir "von Haus aus" kein eigenes Männlichkeits/Weiblichkeits-Gefühl entwickeln, noch dass das Gemenge an Gefühlen, dass fälschlicherweise für ein eigenes Männlichkeits/Weiblichkeits-Gefühl gehalten wird, notwendig so aufgebaut sein muss.

Aber mir fällt es schwer, das systematisch zu erläutern. Das Ganze hat wie gesagt mehr eine Khatarsis-Funktion... die schätzungsweise im Endeffekt viel zu gering ausfallen wird...

janw
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Fr 7. Dez 2007, 02:44 - Beitrag #15

Also erstmal, es fühlt sich recht sicher anders an, ein Mann zu sein als eine Frau. Worin das wie besteht, ist wohl kaum zu beschreiben, weil es eng damit verbunden ist, wie mensch sich als mensch selbst fühlt - und darin liegt, wie ich es verstehe, auch das Problem. Ein Mann oder eine Frau sein, biologisch, aber sich nicht als solche/r fühlen, sich in seiner/ihrer Haut unwohl fühlen, seine/ihre Männlichkeit/Weiblichkeit als "seins"/ihrs" annehmen, ist nach vielen Quellen für die so empfindenden ein recht deutliches Gefühl, und für viele von ihnen ein belastendes. Wobei ich an diesem Punkt der Belastungswahrnehmung den Begriff der Störung, des Leidens, der Erkrankung des betroffenen Menschen festmachen würde.

Woher kommt nun das Gefühl, männlich oder weiblich zu sein?
Ich denke, daß dies im Laufe der Kindheit und Jugend sukzessive entsteht, als Teil der Persönlichkeitsentwicklung, zu der auch die Entwicklung einer Beziehung zum eigenen Körper gehört und zum distinktes-Mensch-unter-anderen-Sein, womit mehr als nur eine Reihe sozialer Rollen gemeint ist.
Das bedeutet, daß sowohl geschlechtsspezifische Unterschiede wie Hormonlevel zu bestimmten Zeitpunkten als auch die Sozialisation hieran beteiligt sind, in welchem Umfang, ist wohl schwer zu bestimmen - rein sachlich, als auch, weil damit in weltanschauliche Überzeugungen hineingegriffen wird.
Iirc fängt die Entwicklung bereits in der Embryonalentwicklung damit an, daß der Embryo zunächst weiblich ist und dann beim genetisch männlichen Embryo Hormone ausgeschüttet werden, die zur Geschlechtsdifferenzierung führen. Irgendwo meine ich zu erinnern, daß Freud eine ähnliche Differenzierungsentwicklung auch für Kleinkinder postuliert hat, vielleicht weiß Ipsi da mehr?

Es gibt in den letzten Jahren den Befund, daß Jungen durch Schwierigkeiten stärker in ihren schulischen Leistungen geschwächt werden als Mädchen, was auf eine zunehmende (nur Rollen-?)Verunsicherung zurück geführt wird, für die eine mehr die "weiche" Seite der Jungen betonende Erziehung verantwortlich gemacht wird, auch ein vielfaches Fehlen der Väter als Bezugspersonen.
Es ist klar, daß diese Ursachenzuweisung deutlich konservative Züge trägt, aber die Sache ist vielleicht zu wichtig, um sie zu übergehen.

Letztlich geht dies aber mehr in den Bereich des genders im engeren Geschlechterrollen-Sinne, den Jungen fehlt damit noch lange nicht das Gefühl, Jungen zu sein, und daß das gut so ist.

Ich denke auch, daß die männlichen Homosexuellen nicht durchgängig in ihrem Geschlechtsidentitätsgefühl gestört sind, sondern sich schon als Männer fühlen, auf welche nur Frauen deutlich weniger Reiz ausüben als andere Männer.

Maurice
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Fr 7. Dez 2007, 14:08 - Beitrag #16

Also erstmal, es fühlt sich recht sicher anders an, ein Mann zu sein als eine Frau.

Aha und woher bist du dir da so sicher? Warst du auch schon mal eine Frau und kannst entsprechend vergleichen, wie sich dieses "Mann-Sein" im Vergleich zum "Frau-Sein" anfühlt?
Sorry, aber wie soll ich empirisch oder sprachanalytisch verifizieren, dass es eine eigene spezielle Qualität des "Sich-als-Mann/Frau-Fühlens" gibt?
Wenn ich mich so und so beschreibe und du so und so, kann man daraus schlussfolgern, dass es eine eigene spezielle Qualität des "Sich-als-Maurice/Jan-Fühlens" gibt? Wohl kaum...
Und immerhin meine ich, dass derjenige die größere Beweislast trägt, der eine positive Existenzbehauptung aufstellt und das ist in diesem Fall derjenige, der ein eigenes Geschlechts-Gefühl postuliert.

Also ich wüsste nicht, welche emotionale Regung ich bei mir als "Mann-Sein"-Gefühl identifizieren sollte... aber vielleicht ist das schon der Beweis, dass ich in dieser Hinsicht gestört bin und entsprechend nicht erfolgreich am Diskurs teilnehmen kann.

Maglor
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Fr 7. Dez 2007, 15:10 - Beitrag #17

Nun ja es soll auch Leute geben, die sich wie ein kaukasoider Knabe fühlen, aber in Wahrheit ein ausgewachsener Afro-Amerikaner sind. Gibt es alternative Behandlungenmethoden? Ist die plastische Chirurgie die einzige Lösung? Und wird Michael Jackson je mehr sein, als ein Peter Pan gefangen im Körper ein Wachsfigur?
Fragen, fragen nichts als Fragen... und keiner kennt die Antwort.
MfG Maglor :crazy:

Ipsissimus
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Fr 7. Dez 2007, 15:27 - Beitrag #18

Also ich wüsste nicht, welche emotionale Regung ich bei mir als "Mann-Sein"-Gefühl identifizieren sollte.


ich nehme an, du hast schon den einen oder anderen Orgasmus erlebt. Eine Frau kann sich anstrengen wie sie will, sie wird nie das Gefühl haben, dass Sperma aus ihr herausschießt.

Und du kannst dich anstrengen wie du willst, du wirst nie die Gefühle haben, die mit Schwangerschaft verbunden sind.

janw
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Fr 7. Dez 2007, 17:31 - Beitrag #19

Also zunächst glaube ich durchaus, daß Du und ich uns selbst schon verschieden anfühlen. Allein die verschiedenen Umfelder, in denen wir aufgewachsen sind - ich noch weitgehend "analog" und als Teil einer vierköpfigen Familie, Du mit wohl schon recht frühem Kontakt zu digitalen Medien, Virtualität usw. und mit wohl etwas anderen familiären Verhältnissen, das muss einfach Folgen haben.

Was die Unterschiede bei den Geschlechtern betrifft...die Unterschiede auf der Hirn-Ebene sind ja bekannt, und eine mehr ich-aktionsbezogene und analytische Weltsicht hat sicher ein anderes Selbstempfinden zur Folge als eine Weltsicht, die mehr auf Einfühlung und Kreativität und Flexibilität ausgerichtet ist.
Kommen die sexuellen Empfindungen hinzu, auf die Ipsi hingewiesen hat.

Lykurg
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Fr 7. Dez 2007, 18:38 - Beitrag #20

Ich sehe darin auch einen historischen Prozeß: Da die Geschlechterrollen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Konventionen (Etikette etc.) sich weitgehend angeglichen haben, dürfte sich das männliche und weibliche Rollenbewußtsein zumindest diesbezüglich zunehmend erledigen. Soweit sie allerdings auf physischen Unterschieden beruhen und weiterhin zutreffen (z.B. Beschützerrolle und -instinkt, vorausgesetzt, der Mann ist tatsächlich der "wehrhaftere" Teil eines in "Gefahr" geratenen Pärchens), dürften sie sich halten.

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