Eine neue Form der Staatswirtschaft?

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janw
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Di 17. Feb 2009, 00:11 - Beitrag #1

Eine neue Form der Staatswirtschaft?

Durch spekulative Anlagengeschäfte sind im letzten Jahr eine Reihe von Banken in eine Krise geraten oder gar zusammengebrochen, etliche dieser Banken haben danach finanzielle Hilfen ihrer Staaten in Form von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften in Anspruch genommen.
Im Falle einer dieser Banken, der HypoRealEstate, reichen diese Mittel nicht aus, hier wird nun eine staatliche Beteiligung am Kapital der Bank erwogen, die allerdings umstritten ist, da Vorbehalte gegen staatliche Einflussnahme auf Wirtschaftsunternehmen bestehen, teilweise werden Vergleiche zur Staatswirtschaft des ehemaligen Ostblocks bemüht.

Ich frage mich nun, was es an dieser Idee wirklich zu kritisieren gibt - abgesehen davon, daß hier ziemlich verantwortungsloser Umgang mit Risiken mit Steuergeldern bezahlt wird und die Verursacher ihre hohen Gehälter behalten dürfen.

In meinen Augen sollte die Beteiligung als Risikobeteiligung behandelt werden mit einer entsprechend hohen Verzinsung des geliehenen Geldes.
Als Problem sehe ich hierbei, daß Eigenkapital als ganzes eine Rendite erzielt, die dann anteilig auf die Anteilseigner entfällt, hier jedoch aufgrund des besonderen Risikos eine besonders hohe fixe Verzinsung der vom Staat gewährten Tranche zu fordern wäre, notfalls zulasten der Rendite der anderen Anteilseigner.

Ganz generell stelle ich mir die Frage, ob das Finanzsystem nicht deutlich strengere Regeln braucht, einschließlich des expliziten Verbots / der expliziten Genehmigungserfordernis für bestimmte Anlageformen.
Wozu sind z.B. Hedge-Fonds überhaupt notwendig, wodurch gerechtfertigt?
Weshalb eigentlich ist der Verstoß gegen Regeln wie jene, nie mehr Risiken einzugehen, als durch Sicherheiten gedeckt sind, nicht schon jetzt als Betrug strafbar?
Weshalb dürfen nach wie vor unsichere Kredite in gemischte Portfolios verpackt werden?
Was ist aus der Forderung geworden, Staaten, die sich nicht an die Regeln halten, die Briefkastenfirmen erlauben und Steueroasen darstellen, für den Bankenverkehr zu sperren?

Padreic
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Di 17. Feb 2009, 13:24 - Beitrag #2

@janw: Du wirfst da ein paar interessante Fragen auf. Die Materie ist allerdings zu komplex, als dass ich da viel qualifiziertes dazu sagen kann. [ein allgemeines Problem in vielen volkswirtschaftlichen Fragen, insbesondere, wenn noch komplexe Mechanismen aus dem Finanzmarkt hinzu kommen]

Auf ein paar Punkte will ich trotzdem noch gerne eingehen:

Bei der staatlichen Bankenbeteiligung ist ein etwaiges Problem, dass, wenn der Staat irgendeine Form von Rendite haben will, er gewisse Gesetze des Finanzmarkts und der Wirtschaft ändern muss, die Regulierungen in einer Form darstellen, die man zumindest in einer normalen Situation nicht haben will, da sie mögliche Investoren abschrecken könnten. (z. B. Enteignungsmöglichkeiten)

Weshalb eigentlich ist der Verstoß gegen Regeln wie jene, nie mehr Risiken einzugehen, als durch Sicherheiten gedeckt sind, nicht schon jetzt als Betrug strafbar?

Nunja, es dürfte für eine Bank nahezu ein Ding der Unmöglichkeiten sein, nicht mehr Risiken einzugehen als sie Sicherheiten hat. Was ist das Prinzip einer Bank? Sie leiht sich Geld von den Anlegern, um es anderswo zu investieren und anzulegen, dabei gewisse Gewinne zu machen, um dann einen Teil davon an die Anleger zurückzuzahlen. Das Problem ist nun, dass es vollkommenen risikolose Anlagen und Investementmöglichkeit kaum und sicherlich nicht im ausreichenden Maße gibt. Insbesondere gehört zu den Aufgaben einer Bank, Geld für Kredite zur Verfügung zu stellen (was eine volkswirtschaftlich absolut entscheidende Rolle ist!). Bei solchem Geld ist immer ein gewisses Risiko, dass es nicht zurückgezahlt wird. Legt eine Bank Geld in Aktien an, so besteht immer das Risiko eines Zusammenbruchs des Finanzmarktes (von dem beim jetzigen Zusammenbruch z. B. auch diejenigen betroffen sind, die eigentlich relativ konservativ investiert haben). Derart Risiken lassen sich nur vollständig abdecken, wenn man fast komplett auf Rendite verzichtet, was eine Bank natürlich nicht machen kann.
Was du vielleicht meinst, ist, dass eine Bank die Gefahr, dass ihre Risiken nicht durch Sicherheiten abgedeckt sind, äußerst gering halten muss. In gewissem Maße ist dies, denke ich, durchaus schon gesetzlich vorgeschrieben. Was man machen könnte, ist, die Gesetze bzgl. Risikomanagement zu verschärfen.

Wozu sind z.B. Hedge-Fonds überhaupt notwendig, wodurch gerechtfertigt?

Nun, da stellt sich erstmal die Frage, was so ein Hedgefond überhaupt ist. Wenn ich es recht verstehe, sind dies Fonds, die sich viel Fremdkapital leihen, den Fondmanager stark gewinnbeteiligen, eine risikoreiche Investementpolitik betreiben und dabei z. B. Leerverkäufe (d.h. sozusagen eine Wette auf sinkende Kurse in der Form, dass man Aktien verkauft, die man nicht hat, und sich verpflichtet, sie nachher zurückzukaufen) benutzt. Wie soll man so etwas verbieten?
Was man z. B. machen kann, ist, Leerverkäufe zu verbieten. Diese stellen aber gerade auch eine Methode da, Risiken auszugleichen, da man bei einem plötzlichen Fallen des Finanzmarkts nicht ganz so hart getroffen wird. Und genauso lassen sich, denke ich, fast alle Methoden, die Risiken lindern können (wie z. B. Optionsscheine), sich auch für Hedge-Fonds eignen. Wörtlich heißt 'to hedge' ja sogar absichern.
Rechtfertigen lassen sich Hedge-Fonds wie so ziemlich alle Spekulation. Man will sie vielleicht nicht haben, aber die Spekulanten nutzen halt Mechanismen aus, die andere gerechtfertigt und absolut volkswirtschaftlich sinnvoll nutzen.

Weshalb dürfen nach wie vor unsichere Kredite in gemischte Portfolios verpackt werden?

Ja, das finde ich auch fraglich. Allgemein sehe ich einen nicht unwesentlichen Teil der Schuld, bei jenen Banken, die diese Kredite überhaupt vergeben haben und dann mit Hilfe von Ratingagenturen in Anlageformen verpackt haben, denen man ihre Unsicherheit nicht mehr direkt ansehen konnte.

Maglor
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Di 17. Feb 2009, 15:09 - Beitrag #3

Ich will nur anmerken, dass Bayern-LB und KfW-Bank bereits vor staatswirtschaftlich waren. Bleibt doch alles beim Alten oder, etwa nicht?
Der Unterschied ist doch nur, dass Staatsbeteiligungen, staatliche Bürgschaften und Aufsichtsräte mit einem Mal in der breiten Öffentlichkeit bekannt werden.
Die Hypo-Real-Estate fände sich ja als teilweises Staatseigentum in bester Gesellschaft. Anteile der Deutschen Bank gehören neuerdings der Postbank. Die Postbank gehört der Post und die Post gehört dem Staat.
Das neue an der neuen Form der Staatswirtschaft ist doch, dass die Firmen nicht als lupenreine Staatsbetriebe daherkommen, sondern dass Vater Staat als undurchsichtiger Aktionär auftritt. :rolleyes:


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