Amoklauf von Winnenden

Das Forum für allgemeine Diskussionen! Alle Themen, die nicht in andere Bereiche passen, können hier diskutiert werden.
Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 12. Mär 2009, 17:27 - Beitrag #1

Amoklauf von Winnenden

...ich dachte, hier passt es besser als im smalltalk....
schwer betroffen bin ich, nicht nur, weil es direkt vor meiner haustür stattfand, zumindest das ende......Bild http://magazine.web.de/de/themen/nachrichten/bildergalerien/7753158,image=1.html

befangen bin ich auch über die handyaufnahme eines passanten, das die letzten sekunden des täters wiedergibt......
er ist zwar täter und er hat ein grauen angerichtet, aber dennoch ist er auch ein mensch, genauso wie du und ich.....
und hat gelitten, gelebt, geweint und gelacht, wie wir alle......
und er hat seine tat angekündigt...
und da denke ich immer wieder...warum wird/wurde nicht zuvor reagiert...
wenn dein nachbar direkt oder ein unbekannter dir im forum mitteilt, sein leben macht ihm keinen sinn mehr und er wird morgen sich das leben nehmen,
dann schaust du doch nicht gelangweilt zur seite und unternimmst nichts, oder?
er hat doch im internet in einem forum seine tat angekündigt...
das war doch ein hilferuf....
und ganz egal, ob er in psych. behandlung war und ob er killerspiele zu hause hatte....
die umwelt hätte zuvor und schneller reagieren müssen........
Bild

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 12. Mär 2009, 18:03 - Beitrag #2

worüber ich bei aller Tragik immer wieder lachen muss, ist die treuherzige Versicherung, die Tat sei ganz und gar unbegreiflich und könne nicht verstanden werden. Doch, sie ist begreiflich und kann verstanden werden, aber in einer Gesellschaft, die zunehmend davon lebt, ihre eigenen Lügen zu glauben, ist es natürlich einfacher, die vom Unergründlichen Geplagten zu mimen.


http://www.stern.de/wissenschaft/mensch/:Kopfwelten-Wie-Amokl%E4ufer-Gewissen/640733.html

der Mann hat es recht gut erfasst


oder ein Zitat aus dem Zivilization-Forum

Ich hab auf SPON ein paar Kommentare von Winnender Anwohnern gelesen. Sätze wie: "dass sowas hier möglich ist?" und "Sonst kennt man das ja nur aus Amerika", mir ist fast schlecht geworden. Ohne es jetzt statistisch beweisen zu können, scheinen solche Amokläufe bevorzugt in ruhigen, 'sicheren' Vororten zu passieren.
Ich kann verstehen, warum sowas gerade an solchen Orten passiert. Ich selber hab bis zum 11. Lebensjahr in einer Großstadt gelebt, war so ein richtiges Ghettokid. Und dann sind meine Eltern in so ein verdammtes, verschissenes Vorort-Kaff gezogen. Ich musste in so ein 'alles-ist-gut'-Gymi gehen und habe es gehasst. Diese subtile Form der Gleichschaltung. Entweder man ist so wie alle anderen, oder man ist ein hoffnungsloser Außenseiter, der nur dadurch (seelisch) überleben kann, dass er eben 'zurückhaltend' ist und sich in Traumwelten flüchtet. Ich war so, und natürlich hat es Narben hinterlassen. In Großstädten gibt es für einen Jugendlichen immer irgendeine Subkultur die einen aufnimmt, in manchen Vororten gibt es nur EINE Kultur. Friss sie, oder stirb.

Ich will die Tat des Tim K. keinesfalls rechtfertigen, aber ich kann ihn in gewisserweise verstehen. In meiner Jugend gab es auch Abschnitte, wenn ich an eine Waffe gekommen wäre ... na egal. Aber ich wohne schon seit ich 18 war, nicht mehr dort, bin wieder ein Stadtmensch, und werde es wohl auch noch eine Weile bleiben. Mein Leben ist bunt, facettenreich, manchmal ein wenig subversiv und gerade deswegen um Welten besser, als damals. Ich meine, verdammt, ich bin morgen (also heute) auf der Titelseite meiner regionalen Tageszeitung , Tim wird auch drauf sein. Ich hab soviele Leute die mir helfen, und Leute denen ich helfen. Soviele Connections in verschiedene Richtungen, dass Leute aus der einen Richtung mir wohl nicht glauben würden, was ich an Leuten aus der anderen Richtung kenne. Tim scheint niemand gehabt zu haben, jedenfalls niemand, der ihn versteht oder ihm helfen konnte. Und vor ~9 Jahren hätte ich selber Tim sein können. Absurde Welt.

Genau das hätte vielleicht jemand Tim K. erzählen müssen, dass er das Leben noch vor sich hatte, und dass er diese ganze Scheiße hinter sich hätte lassen können. Aber wenn man nur ein Umwelt kennt, glaubt man oft nicht, dass es da draußen auch Orte gibt, die auf einen warten.

dmz
Diligent Member
Diligent Member

 
Beiträge: 205
Registriert: 29.02.2004
Do 12. Mär 2009, 18:05 - Beitrag #3

@Milena
.... und ich darf noch ergaenzen,
dass es wahrscheinlich noch mehr heimliche bzw potentielle 'Amoklaeufer' in der Gesellschaft gibt,
die mangels Zugang zu Waffen oder durch* gerade noch funktionierende Hemmschwelle
zurueckgehalten werden.
Ich bin manchmal erschrocken, wie sich gewisse Mitmenschen bisweilen aeuszern.
Da scheint der Schritt zum Aeuszersten nicht mehr weit zu sein.
:
Was mich betroffen gemacht hat,
sind die offiziellen Stellungnahmen der politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen,
angefangen beim Bundespraesidenten bis (runter) zum Polizeipraesidenten.
*Lippenbekenntnisse* ueber das Furchtbare, auf das die Medien
auch zur Kenntnisse genommen haben,
es waere nicht an ihnen (informativ) voruebergegangen: mE Ausdruck der Heuchelei.
Keine wichtigen politischen Botschaften dabei, wie es um die Gesellschaft steht
und wie man solche Untaten in der Zukunft verhindern koennte.
Oder ?
:
Heute in der regionalen Tageszeitung:
"Man koenne doch die Schulen nicht zu abgeschlossenen Einrichtungen machen."
Warum eigentlich nicht ?
An jedem Flughafen-Zugang stehen Monitore.
In unsere Kern-/Atomkraftwerke kommt *keiner* rein,
der nicht vorher ueber verschiedene Detektoren bzw. Monitore gegangen ist.
Der Taeter von Winnenden haette sein Werk nicht verrichten koennen,
denn der Monitor haette ihm den Zugang zur Schule nicht ermoeglicht.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 12. Mär 2009, 18:29 - Beitrag #4

http://r.web.de/f/hp/blickpunkt@default@pos1/t/themen/blickpunkt/w/magazine.web.de/de/themen/nachrichten/index,articleset=7758714,cc=000005479500077527384MZdpn.html

..über 100 schüsse hat er abgegeben......
über 100 schüsse zuviel......
über 100 mal hätte die umwelt zuvor mehr auf ihn reagieren müssen......17 jahre lang.......dann hätte es womöglich auch ein darüber hinaus gegeben.....
für ihn und für 15 anderer menschen.......

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 12. Mär 2009, 19:03 - Beitrag #5

Eine Runde Mitleid für den Täter...
Wenn die Welt total schrecklich ist und man nicht mehr in ihr leben möchte - Verständnis. Wenn man aber die Welt eh schon bescheuert findet, warum sie dann noch schlechter machen, bevor man sie sowieso verlässt!?
Kann sein, dass es die und die Gründe gibt, die zum Beispiel in dem Artikel stehen; auf dem Land gibt es keine Subkultur, die solche Mörder nutzen könnten, sie werden zu Außenseitern und wollen sich dafür rächen.
Und das soll der Staat Schuld sein? "Subkultur oder Leben"? Ist es vielleicht eine völlig natürliche Reaktion, hat der Täter vielleicht sogar richtig gehandelt, indem er sein Recht auf Schaffung einer Subkultur seiner Wahl einfordert?
Diese Argumentation finde ich mehr als seltsam...
Für mich ist es NICHT verständlich, dass jemand aus einer allgemeinen Wut oder Depression heraus (einer Depression, deren Behandlung ER abgebrochen hat) unschuldige Kinder und völlig Unbeteiligte kaltblütig ermordet, das A*****och!

Böse ist der, der böses tut...

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 12. Mär 2009, 19:11 - Beitrag #6

...dein standpunkt war mir von anfang an klar, bevor du auch nur ein wort geschrieben hättest, e-noon....

und außerdem geht es hier nicht um mitleid einer tat, um mitleid eines täters,
sondern um den ansatz des verstehens einer solchen tat.....

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 12. Mär 2009, 19:15 - Beitrag #7

und verstehen kann mensch nur, wenn die Bereitwilligkeit zum Verständnis gegeben ist.

Und nur dann wird man irgendwann einmal auch verhindern können

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 12. Mär 2009, 19:18 - Beitrag #8

Ich denke schon, dass ich verstehe, dass eine unglückliche Mischung aus psychischen Störungen und unsensiblem Umfeld Aggression hervorbringt. Ich könnte sogar noch verstehen, wenn er die Schüler umbringt, die ihn gehänselt haben. Was ich nicht verstehe, ist, warum man sich dann eine Waffe besorgt und unschuldiges Leben sinnlos auslöscht. Und selbst wenn ich es verstehen würde, würde es das nicht besser machen.

Natürlich bin ich für Prävention, aber wenn es eine Hölle gibt, dass soll dieser Mörder jetzt darin schmoren. Wenn jemand Verständnis für die Rachegedanken des Täters aufbringt, wird er es sicher auch für meine Rachegedanken aufbringen können, auch wenn ich NIEMALS Unschuldige in mein persönliches Leid mit hineinziehen würde.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 12. Mär 2009, 19:26 - Beitrag #9

...auch wenn ich NIEMALS Unschuldige in mein persönliches Leid mit hineinziehen würde.

...immer dieser sarkasmus.......und die einschlägige rational kalte betrachtungsweise.......

...mit sicherheit würdest du auch niemals präventiv einem schuldigen deine hilfe anbieten können.......

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 12. Mär 2009, 19:29 - Beitrag #10

e-noon, verstehen impliziert nicht gutheißen, und Menschen sind keine Maschinen. Fast alle relevanten Probleme eines Menschen resultieren aus unsauberen Mischungen verschiedener Einflussfaktoren. Wenn wir alle Einflussfaktoren untersuchen und jeden einzelnen als allein ausschlaggebenden Faktor ausschließen müssen, was bleibt dann am Ende? Wenn es keinen Mechanismus gibt, was dann?

Dann müssen wir den Prozess betrachten. Und in dieser Betrachtung stellt sich die Frage, inwieweit unser Sosein in dessen Tat mit- und weiterschwingt. Sicherlich in unerheblichem Ausmaß als individuelle Faktoren - sonst hätte er gezielt seine früheren Peiniger getötet. Aber die Summe aller individuellen Faktoren, wie sie sich als soziale Kälte, Ausgrenzung und dergleichen manifestieren - dürfen wir die pauschal ausschließen, nur weil wir nicht in den Spiegel sehen wollen?

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 12. Mär 2009, 19:33 - Beitrag #11

mit sicherheit würdest du auch niemals präventiv einem schuldigen deine hilfe anbieten können

Wenn du das sagst...
Allerdings hast du wahrscheinlich Recht, denn wenn ich PRÄVENTIV Hilfe anbiete, gibt es noch keinen Schuldigen.

Ich frage mich, ob du auch von der schweren Kindheit des Täters reden würdest, von seinem Lachen und Weinen, wenn du persönlich betroffen wärst. Ich fühle mich persönlich betroffen, ich habe Angst um Menschen, denen jederzeit dasselbe passieren könnte, aufgrund der Willkür eines Menschen, der meint, die Welt wäre Schuld an dem, was er tut.

Dass ich niemals Unschuldige töten würde, war übrigens NICHT sarkastisch gemeint. Ich denke auch nicht, dass ich rational kalt die ganze Lage betrachte, sondern wütend und verachtungsvoll, was man eigentlich an meinem Sprachgebrauch merken sollte.

Zitat Täter "Alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potenzial [...]"
Ganz klar: Jeder ist Schuld, nur er nicht, dass niemand sein Potenzial erkannt hat.

EDIT @Ipsi: Natürlich gibt es keine monokausale Erklärung. Es ist auch klar, dass viele Jugendliche einsam in ihrem Loch sitzen und nicht zu Tätern werden, und dass man denen helfen sollte, solange das noch möglich ist. Dennoch hat der Täter, und nicht nur dieser Täter, kaum echte Hilfsangebote genutzt - er hat eine Therapie abgebrochen, er erzählt einem Chatpartner aus Bayern von seinen Plänen anstatt seinen Eltern, und er hat offenbar nicht einmal darüber nachgedacht, welches Leid er völlig Unbeteiligten mit seinem Verhalten antun wird. Ich denke nicht, dass das Leid des Täters das der Angehörigen aufwiegt.
Hätte er sich selbst umgebracht, würde ich ihn bedauern. So aber hat er sich selbst zum schlimmsten Werkzeug einer Gesellschaft gemacht, gegen die er sich auflehnen wollte. Ich finde, A*****och passt da einfach am besten.
Nochmal EDIT: Du sagst selbst, er richtet sich nicht gegen seine Peiniger. Ich mache mich im Allgemeinen nicht über meine Mitmenschen lustig, daher fände ich es auch nicht berechtigt, wenn jemand mich erschießt, weil seine Kumpels über ihn gelacht haben. Aber da muss jeder selbst entscheiden, wie er das sieht.

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Do 12. Mär 2009, 20:06 - Beitrag #12

@e-noon: Ich kann Milena und Ipsissimus insofern beipflichten, als ich drei verschiedene Ebenen unterscheiden würde:
1. Verständnis im Sinne des Versuches, die Tat zu verstehen
2. Mitleid mit dem Täter
3. Rechtfertigen oder Gutheißen seines Verhaltens

Alle drei sind natürlich nicht unabhängig voneinander, aber es ist keinesfalls richtig, dass die ersten beiden irgendwie das dritte implizieren. Es kann gut sein, dass der Täter sein Recht auf Mitleid verspielt hat, sollte es so etwas überhaupt geben. Auch fühle ich persönlich kein Mitleid mit ihm - zu fremd ist mir seine Psyche und zu wenig habe ich mich versucht, in ihn hineinzuversetzen. Allgemein ist es natürlich schwieriger, mit jemandem mitzufühlen, der solche Schuld auf sich geladen hat.

Und doch würde ich keinen schelten, der Mitleid mit ihm hat. Ich halte Mitfühlen prinzipiell für etwas Gutes (auch wenn es nicht immer machbar ist). Mitfühlen bedeutet insbesondere auch weder, dass man die Tat nicht verurteilt, noch, dass man sie nicht bestraft.
Verständnis für Rache habe ich nur in einem psychologischen Sinne, nicht in dem Sinne, dass ich sie gutheißen könnte. Rache ist der Ausdruck des Widerwillens gegen das "Es war" der Zeit und ist verwurzelt in dem mythischen Glauben, dass man mit der Rache daran etwas ändern könnte. Sie entspringt, denke ich, einer Verwirrung des Geistes und des Gefühls. Aber sie macht sehr selten wirklich irgendetwas besser, denke ich, nicht einmal psychologisch - zumindest in unserer (zumindest meiner) kulturell-psychologischen Prägung, die primär gegen Rache eingestellt ist, was sich wohl nach einem Racheakt auch im Gewissen zeigen wird.
Rache ist, wie schon gesagt, Schwäche, das unabänderliche des "Es war" nicht ertragen zu können, eine Schwäche, bei der man die Güte haben sollte, sie zu bekämpfen.

In Kulturen, wo die Blutrache fest verwurzelt ist, hat sie vermutlich unter anderem auch die Rolle der Strafe in einem ansonsten nicht funktionierenden Rechtssystem. Das Gefühl der Rache verstärkt da sicherlich die Motivation, die durchaus nicht ganz ungefährliche strafende Aktion auszuführen. Strafe (gesamtgesellschaftlich gesprochen) sicher nicht im Sinne der Aussicht auf Besserung, sondern der der Abschreckung.

--

Entschuldigt diese leichte Abschweifung....ich drifte immer gerne in Grundsatzdiskussion ab. Insbesondere, weil ich wohl zu wenig oder die falsche Art von Herz zu haben, um bei einem solchen Thema wirklich starke dauerhaftere Emotionen zu entwickeln.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Do 12. Mär 2009, 20:14 - Beitrag #13

Zitat von e-noon:Wenn man aber die Welt eh schon bescheuert findet, warum sie dann noch schlechter machen, bevor man sie sowieso verlässt!?

Vielleicht geht es ja um einfach um Bedeutung...
Immer wieder zeigte sich bei früheren Amok-Lüfen, dass die Täter danach strebten sich selbst ins Licht der Öffentlichkeit. Sicher spielt der Suizidgedanke eine Hauptrolle, aber warum die "anderen" mit in den Tod genommen werden ist doch klar. Es ist ja nicht, dass die Sache für den Täter unbegreiflich ist. Er ist ja nicht plötzlich von einer fremden Macht wie der wahnsinnige seine Kinder mordende Herakles oder handelt im Affekt, nein im Gegenteil wurden die bisherigen Schulmassaker lange vorbereitet und geplant.
Um es in den Worten des Dramatikers William Mastrosimone auszurücken: Er ist wie der Weihnachtsmann, er prüft seine Liste zweimal.
Ich denke wir haben mit Menschen zu tun, die sich über Monate und Jahre selbst zu Mördern erzogen, indem sie sich nach und nach in die Tat hineingesteigert haben, bis sie schließlich der einzige im Leben wurde, das einzige, was die Person bedeutend macht. Naja, für die Monate nach der Tat erreicht man auch internationale Berühmtheit, die aber schon bald abflacht und in Vergessenheit gerät und bis der Amoklauf nach Jahren nur noch Zeugen und Angehörige bewegt.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 12. Mär 2009, 20:25 - Beitrag #14

@Padreic: Ich kann Mitleid mit dem Menschen haben, der der Täter einmal war, aber ich denke, dass man Mitleid durchaus auch verspielen kann. Wenn ich Hitler erlebt hätte, wie er sich als Fünfjähriger weh tut und weint, hätte ich vielleicht auch Mitleid gehabt, aber wenn ich auf sein Gesamtwerk schaue, habe ich kein Mitleid mit ihm, auch wenn er sich am Ende gezwungen sah, sich das Leben zu nehmen.

Ich meine auch nicht, dass deine ersten beiden Punkte das dritte implizieren (gute Aufteilung übrigens), dennoch ist man, wenn man der Gesellschaft gleiche oder größere Schuld zuspricht als dem Täter, eher beim Rechtfertigen als beim Täter, finde ich. Man könnte natürlich die Gesellschaft als Ganzes ändern und damit eventuell auch Erfolg ändern; aber ebensogut könnte man (zumindest theoretisch, irgendwann vielleicht auch praktisch wie bei minority report) die Mitglieder der Gesellschaft, die andere ermorden wollen, aus dem Verkehr ziehen, und hätte damit auch schon deutlich mehr Lebensqualität erreicht.
Am besten wäre imo beides.

@Maglor: Und was bringt internationale Berühmtheit, WENN MAN TOT IST!?? :crazy:

Lani
Experienced Member
Experienced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 575
Registriert: 08.01.2006
Do 12. Mär 2009, 20:51 - Beitrag #15

Jetzt mal allgemein gesagt und nicht gegen die User hier gerichtet...
Mich nervt dieser ganze Hype, der jetzt darum gemacht wird, inklusive des allgemeinen Betroffenheitsgetue von den Medien. Ich hasse es, wie fast jeder jetzt aus seiner Ecke gekrochen kommt und den großartigen Hobbypsychologen spielt und darüber nachgrübelt, wer der Täter wohl gewesen sein könnte, warum, wieso, weshalb, warum gerade jetzt, warum nicht erst nächste Woche?!
Menschen haben diese lästige Angewohnheit um jeden Preis alles wissen zu wollen. Dann haben wir halt mal keine Ahnung, warum der Typ das gemacht hat, mal im Ernst, wem helfen diese wilden Spekulationen weiter? Fühlt man sich dann besser, weil man versucht den "Bösen" zu verstehen? Wo man sonst doch selbst gerne Leute in Schubladen steckt, die einem nicht passen?
Ich nehme mich aus den meisten Sachen nicht raus, nur muss ich mir eingestehen, dass mich Beweggründe manchmal wirklich nicht interessieren. Das ist bestimmt oft von Nachteil, aber in diesem Fall bin ich wirklich glücklich darüber.

Das war's von meiner Seite, sry, aber auf Diskussionen habe ich wirklich keine Lust, wollte das nur mal loswerden. Denn es geht mir irgendwie echt auf den Geist. =/

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 12. Mär 2009, 21:23 - Beitrag #16

@Lani: Bin grade im Schulpraktikum und da wollen die Schüler berechtigterweise auch von einem wissen, warum der das gemacht hat, darüber reden, um mit ihren Ängsten klarzukommen, und als Lehrperson möchte man auch wissen, ob und was man tun kann, ob man das hätte erkennen können, welche Faktoren das verstärkt haben etc. Der allgemeine Konsens ist ein mehr an Schulpsychologen und Präventionsteams, und den Versuch wäre es auf jeden Fall wert (allein schon weil z.B. auch Suizid unter jungen Menschen die zweithäufigste Todesursache ist und auch sonst es Jugendliche seelisch oft schwer haben).

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Do 12. Mär 2009, 21:55 - Beitrag #17

...kann ich gut verstehen, Lani....
mir gehen viele dinge des lebens, viele diskussionen hier oder auch woanders regelrecht am allerwertesten vorbei...
dieses thema jetzt halt nicht....
und es zwingt dich hier keinen, einen beitrag/meinung abgeben zu müssen...^^
auf der schule meiner tochter (sie selbst ist auch tief betroffen) wurde viel darüber geredet, auch nicht wirklich unterrichtet und die schüler konnten sich in einem buch eintragen und kondulieren (?richtig?), das dann in diese schule geschickt wird....
ich finde es als keinen fehler, dass darüber geredet, aufgeklärt, manches reflektiert wird, etc...auf schulen, zu hause, in foren....
jedem das seine.....
ich denke, wäre es unmittelbar in deiner nähe passiert oder deine freundin davon betroffen, würdest du anders reagieren....
das ist bei mir auch oft der fall....
ich interessiere mich für ganz wenige dinge des lebens, weil ich zum grössten teil keinen einfluss drauf habe oder sie mich schlichtweg nicht interessieren.....
von dem her.....einfach übergehen...^^

Kalvin
Active Newbie
Active Newbie

 
Beiträge: 14
Registriert: 19.09.2006
Fr 13. Mär 2009, 00:12 - Beitrag #18

Zitat von .Lani:Menschen haben diese lästige Angewohnheit um jeden Preis alles wissen zu wollen. Dann haben wir halt mal keine Ahnung, warum der Typ das gemacht hat, mal im Ernst, wem helfen diese wilden Spekulationen weiter?

Im Wesentlichen sind sie eine hervorragende Inspirationsquelle für potentielle Nachahmungstäter. Ein lesenswerter längerer Artikel:

Mörderische Wut


Der stille Jugendliche, der in einem Haus voller Schusswaffen lebt, die sein Vater besaß, kompensierte seine Schüchternheit also zunächst imaginär – und schließlich auch real als Untergangsdrama, mit dem er gleichzeitig berühmt wird – wozu die Medien gestern kräftig mit pausen- und atemloser Berichterstattung mitgeholfen haben. Obgleich die Verantwortlichen wissen, dass ausgedehnte Berichterstattung über die Tat und die Folgen möglichen Nachfolgern deutlich vor Augen führen, welche Macht sie ausüben und welche Aufmerksamkeit sie finden könne, wird ungeniert als Komplize gehandelt und das Ereignis schamlos ausgebeutet.

(...)

Die Gefährlichkeit des Aufmerksamkeitsterrorismus liegt aber vor allem darin, dass er in einer medienorientierten Gesellschaft, in der Prominenz alles ist, sich durch Infektion oder Nachahmung weiter ausbreiten wird. Anschläge sind gewissermaßen die asymmetrischen Mittel des unzufriedenen "kleinen Mannes", sich schnell in eine Öffentlichkeit katapultieren und Prominenz erwerben zu können, nachdem in unserer Mediengesellschaft das Versprechen kultiviert wird, dass jeder prominent werden kann, während die Logik der Prominenz natürlich gerade darin besteht, dass dies stets nur Wenige sein können. Verstärkt wird dieser Trend zum Aufmerksamkeitsterrorismus nicht nur durch die Eigengesetzlichkeit der Medien, die Aufmerksamkeit lenken und Prominenz schaffen und benötigen, sondern auch durch eine Politik, die genau auf die Angst vor dem Terror setzt, um sich an der Macht zu halten und eigene Interessen durchzusetzen.

Schweigen hilft nichts, ausweiden schadet.

Übrigens beginnen mittlerweile auch die größeren Medienanstalten, die eigene Berichterstattung ein wenig kritischer zu bewerten. Bemerkenswert, wie viele Amokläufe und Menschenleben für diese Einsicht notwendig waren.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Fr 13. Mär 2009, 01:04 - Beitrag #19

Vielleicht weihen deswegen Menschen, die gegen das Leben und die Ungerechtigkeit revoltieren, sich und ihre Mitmenschen dem Tod, um eine Veränderung herbeizuführen, um die Welt in Ordnung zu halten, um für die Schuld des Lebens zu bezahlen, um das Leben der Überlebenden freizukaufen. Und Überlebende sind wir alle [...]


Der Artikel wird mir gegen Ende ein bisschen zu schwülstig... schreibt da ein Fan!??

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 13. Mär 2009, 10:40 - Beitrag #20

es dürfte wohl niemanden überraschen, dass ich den Rötzer-Artikel für Schwachsinn halte. Gewisse Einzelaspekte, die er benennt, mögen unter Umständen für jugendliche Amokläufer am Rande eine Rolle spielen, das Gesamtszenario, das er entwirft, ist aber nur das des Selbstfreispruchs einer Gesellschaft, die wild entschlossen ist, nicht in den Spiegel zu schauen. Die inhaltliche Zusammenführung von Selbstmordattentätern und schulischen Amokläufern ist derart grotesk, dass ich nur noch den Kopf schütteln kann. Da ist noch nicht mal ansatzweise der Versuch zu erkennen, irgendetwas zu verstehen.

Nächste

Zurück zu Diskussion

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast