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Bedingungslose Grundsicherung

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 12:38
von e-noon
Die Frage ist einfach:

Stellt euch vor, es gibt eine staatlich garantierte Grundsicherung von mindestens 1000 Euro im Monat. Diese wird ausgezahlt völlig unabhängig von eurem Arbeitswillen und eurem Ausbildungsstand. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Lebenshaltungskosten nicht steigen; zum Vergleich: In Köln kann man von 600 Euro im Monat relativ gut leben.

Würdet ihr unter diesen Umständen eine Vollzeitstelle für etwas mehr als 1000 Euro annehmen, sagen wir 1300? Würdet ihr gar eine Vollzeitstelle annehmen, für die ihr weniger als 1000 Euro bekommt? Würdet ihr wie vorher in eure Ausbildung investieren? Oder würdet ihr gar nicht arbeiten gehen wollen?

Antwortmöglichkeiten siehe Umfrage, falls ich was vergesse, einfach posten.

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 12:48
von Ipsissimus
ich habe mich noch nie über die Arbeit definiert, die ich leiste. Von daher gibt es für mich genau zwei Gründe, weswegen ich arbeite: Geld zur Lebenssicherung und Zeitvertreib. Wenn das Geld zur Grundabsicherung aus einer anderen Quelle stammt, würde ich daher nur dann weiter arbeiten, wenn ich entweder angemessen viel - für MEIN Empfinden angemessen viel - Geld für eine unangenehme, aber nicht zu unangenehme Tätigkeit, oder genug für eine Tätigkeit erhielte, die erfüllender ist als meine Hobbies es sind

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 13:15
von Lykurg
Die Tätigkeit müßte mich reizen und gut bezahlt sein. Allerdings würde ich mich sicherlich darum bemühen, meine Ausbildung abzuschließen und eine entsprechend gutbezahlte, sichere Stelle zu finden - einerseits weil ich einen erheblichen Teil meines Selbstgefühls aus dem beziehe, was ich mache; dann, weil es unter den beschriebenen Umständen nicht mehr allzu schwierig sein dürfte, das entsprechende zu finden, weil vermutlich viele andere den Willen nicht mehr zeigen; und als letzten Punkt und vor allem, weil ich davon ausgehen müßte, daß das System nicht lange hält, jedenfalls nicht bis zu meinem Ruhestandsalter, und mir also dringend Gedanken für ein "Danach" machen sollte. Vernünftige Investition überschüssiger Einkünfte aus dem Bürgergeld in krisensichere Anlageformen (die mittelfristig zu erwartende Implosion der dt. Wirtschaft dürfte erhebliche Folgen haben) und vielleicht ein Häuschen im Ausland wäre anzustreben.

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 15:57
von e-noon
@Lykurg: Wenn ich das richtig deute, bist du der Meinung, ein solches System könne nicht funktionieren (solange ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung in langweiligen, unterbezahlten Jobs beschäftigt ist). Der Meinung bin ich ebenfalls.

@Ipsi: Selbst du würdest also wahrscheinlich nur weiterarbeiten, wenn du etwas deutlich besseres finden würdest. Die Zahlen, die ich für das Nettodurchschnittseinkommen gefunden habe, waren für den Westen 1217 € und den Osten 1008 €.
Es liegt nahe, dass viele dieser Beschäftigten (wenn sie nicht Lykurg's Weitblick besitzen) mit 1000 Euro fürs Nichtstun äußerst zufrieden wären (so wie ich), und daher nicht mehr arbeiten würden.

Das Problem ist nun: Wo sollen die 1000 Euro für alle Nichtbeschäftigten herkommen, wenn diese Nichtsbeschäftigen auf einmal die Hälfte der Bevölkerung stellen? Soll die eine Hälfte für die andere arbeiten?

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 18:38
von blobbfish
Naja, soweit ich das sehe ist in dem System auch ein Mindestlohn enthalten, was Jobs unter den 1000 Euro eher rar machen dürfte, bzw. nicht zum Standard gehörend. Prinzipiell finde ich ein bedingungsloses Einkommen nicht erstrebenswert in der Höhe, vielmehr etwas flexibleres, wehre mich aber im Gegenzug auch einer "Erpressung" wie man mancherorts liest was bei uns der z.Z. der Fall ist.

Die Nettowerte sind über welche Einkommen gemittelt? Das wäre noch interessant zu sehen/wissen, vor allem die Verteilungskurve.

Lösung kann es aber jedenfalls nicht sein, nach Köln zu ziehen und von 600 im Monat zu leben. Mit lykurgschem Weitblick würde man das tunlichst lassen weil die Wohnungspreise in kürzester Zeit explodieren würden. Nein im Ernst: Je nachdem wo du wohnst ist es unterschiedlich teuer. Frankfurter Cafés zum plaudern aufsuchen würde man wohl mit 600 Euro eher weniger, München steht wohl im Ruf sehr teure Wohnungen zu haben, Univeristätsstädte sind mitunter auch nicht gerade billig. Im (nahen) Umland ist es ohne Auto idR auch nicht so toll. Überlandbusse sind zwar oft klimatisiert, brauchen aber trotzdem ewig. Vertrackte Sacher aber auch.

Lokal würde ich womöglich sogar unter Wert arbeiten, z.B. Promotion. BAT2-halbe wirft meines Wissen was um die 800 bis 900 Euro ab. Dauerhaft aber wohl eher nicht, bestenfalls es findet sich ein Partner mit Geld und es ist eine halbe Stelle mit der Möglichkeit der Verwirklichung von Selbstzweck. ;)

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 22:25
von 009
Mittelfristog sähe ich bei mir die Gefahr, nicht arbeiten zu gehen - um mich langfristig doch zu ärgern, nicht mich weiter ausgebildet zu haben und was dolles machen zu können, was auch deutlich mehr Geld gibt - um eben nicht nur so überleben zu können.
Isset eischentlich Absoicht, dass man mehrere Alternativen ankreuzen kann?

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 22:34
von Lykurg
Gäbe es eine weitere, zusammenfassende Möglichkeit "Nur wenn es hinreichend interessant oder gut genug bezahlt ist", hätte wohl Einfachauswahl gereicht. So ist offensichtlich die Kombination von #2 und #3 eine willkommene Möglichkeit.

- Und ja, realistisch gesehen kann das mir natürlich auch passieren, 009. Vernunft ist nur ein Teil meines Charakters, und nicht unbedingt immer der vorherrschende.^^

BeitragVerfasst: Mo 28. Sep 2009, 22:55
von Maglor
Ein Leben als Kleingärtner und Privatgelehrter ist durchaus erstrebenswert und wenn dann der Staat für Krankenversicherung und ähnliches und meine wenigen Laster aufkommen würde... das Paradies naht.
Wußte nicht schon der alte Cicero: "Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen."
Dann könnte ich mich beruhigt mit Brot und Spielen zurücklehnen und wie die alten Plebejer den allgemeinen Verfall beobachten, der dann wahrscheinlich eintritt. Oder Workokolics und Personen mit Helfer-Syndrom zu ihrem Fleiß beglückwünschen. :crazy:

BeitragVerfasst: Di 29. Sep 2009, 00:11
von Makeda
Ja, ich würde auch unter 1000 Euro arbeiten. Ja, aber die Arbeit müsste Spaß machen und nein ich würde wahrscheinlich nicht arbeiten gehen.

Und das ist mir egal ob ich ein Grundeinkommen bekomme oder nicht. Für unter 1000Euro oder aber auch um sonst habe ich schon gearbeitet. Wenn ich mit Kollegen oder der Arbeit ansich nicht klar kam, hab ich halt wieder aufgehört. Mein Motto, ich schenke den Leuten sehr viel Zeit und verbringe auch sehr viel Zeit in der Firma und dann muss es einfach Stimmen. Denn ich steh nicht so darauf, mieß gelaunt von der arbeit zu kommen, weil es dort nur Probleme gibt, dann lieber aufhören und sich was Neues suchen!

Und nein, ich würde wahrscheinlich aufhören zu arbeiten. Tja, das werd wahrscheinlich passieren, da ich dann viele Kinder bekommen werde :D !

Abgesehen davon, wird ja bei Grundeinkommen auch ein anreizt gegeben zu Arbeiten, und zwar, dass man sich nicht mehr alles Leisten kann, da die Güter in Lebensnotwendig und Luxus eingestuft werden würden. Die Luxusgüter würden dann extrem besteuert werden um sich ein Grundeinkommen leisten zu können u.ä.

BeitragVerfasst: Di 29. Sep 2009, 10:14
von Ipsissimus
Zitat von e-noon:@Ipsi: Selbst du würdest also wahrscheinlich nur weiterarbeiten, wenn du etwas deutlich besseres finden würdest. Die Zahlen, die ich für das Nettodurchschnittseinkommen gefunden habe, waren für den Westen 1217 € und den Osten 1008 €.
Es liegt nahe, dass viele dieser Beschäftigten (wenn sie nicht Lykurg's Weitblick besitzen) mit 1000 Euro fürs Nichtstun äußerst zufrieden wären (so wie ich), und daher nicht mehr arbeiten würden.

Das Problem ist nun: Wo sollen die 1000 Euro für alle Nichtbeschäftigten herkommen, wenn diese Nichtsbeschäftigen auf einmal die Hälfte der Bevölkerung stellen? Soll die eine Hälfte für die andere arbeiten?


zunächst mal, auf welche implizite Moralvorstellung oder welchen impiziten Konsens rekurrierst du eigentlich? Jedenfalls auf nichts, was ich mittrage, soweit ich sehen kann^^

sodann, du starrst wie das Kaninchen auf die Schlange, wenn du immer wieder fragst, woher das Geld für eine derartige Grundsicherung kommen soll. Diese ganze Geschichte ist ein Multikontextproblem. Unser gesamtes Gesellschaftssystem wurde über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren einschlägig derart manipuliert, dass die gegenwärtige Situation entstehen konnte, ja musste. Im Rahmen des status quo ist dieses Problem genauso wenig zu lösen wie viele andere drängende Probleme. Nur: für die Dimension der Probleme ist der langsam und allmählich in die Gesellschaft eingesickerte Neoliberalismus zuständig, der es immer selbstverständlicher gemacht hat, dass sich alles, buchstäblich alles, an kommerziellen Interessen zu orientieren habe. Wie kommst du auf die Idee, dass das, was die Probleme vorsätzlich herbeigeführt hat, in irgendeiner Weise Konzepte bereithält, die Probleme zu lösen?

Was wir brauchen, ist ein Systemwechsel. Nicht weg von Demokratie oder dem, was wir uns dafür verkaufen lassen. Aber weg von Lobbyismus, weg von der Macht der Wirtschaftsbosse und hin zu einer insgesamt sehr viel wirksameren Kontrolle über die Macht der Mächtigen. Danach, und erst danach, können diese Probleme überhaupt gelöst werden. Ohne massive Umverteilung läuft mittelfristig gar nichts mehr, außer das die Gier immer weniger Menschen mit immer mehr Geld, aber um sich greifender Verelendung befriedigt wird.