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e-noon
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Do 8. Okt 2009, 15:34 - Beitrag #1

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Ich fühle mich inspiriert, mal von meinen Überlegungen zu italienisch und lateinisch zu berichten. Wer irgendwelche interessanten Fakten oder gerne auch wilde Spekulationen bezüglich Indoeuropäischer Ursprache, Sprache allgemein oder ähnlichem kennt, kann die ebenfalls gerne vortragen :D

Also Vergleich Latein-Italienisch:

Das Italienische hat sich aus dem Vulgärlateinischen entwickelt. Letzteres stellte eine vereinfachte mündliche Form des klassischen Lateins da, die schon im 1. Jhd. verbreitet war (weiß man von Grammatikbüchern aus dieser Zeit sowie Inschriften mit typischen Fehlern).

Die komplizierten Kasusendungen waren größtenteils weggefallen, die Satzstellung weniger beliebig, um Beziehungen zwischen Satzgliedern dennoch eindeutig wiederzugeben. Viele lautliche Verschiebungen, allen voran Assimilation (z.B. factum --> fatto, ad casam --> a casa), haben die Aussprache dann "vereinfacht" (aus meiner Sicht). Dennoch hört man die weggefallenen Buchstaben zum Teil heute noch (!) durch die Verdoppelung des Konsonanten ("a casa" wird korrekt "akkkasa" ausgesprochen, mit langer Pause vor dem k). Das Italienische hat unglaublich viele Dialekte, die aufgrund der besonderen historischen Gegebenheit (späte Einheit Italiens) noch bis heute weit verbreitet sind (auch wenn jeder Standarditalienisch, dank TV, versteht).

Das Italienische ist diejenige der romanischen Sprachen, die dem Lateinischen am nächsten steht. Einflüsse anderer Sprachen (Arabisch, Englisch, Provenzalisch, Deutsch, Relatinisierung etc) sind vorhanden, aber gering; da das italienische nur 7 Vokale unterscheidet (a, e, offenes e, i, o, offenes o, u), haben Fremdwörter eine erhöhte Gefahr, einitalienischt zu werden (SPAM wird zum Beispiel nicht SPÄM, sondern S-Pamm ausgesprochen). "ü" und "ö" bei Italienern klingt lustig :D

Das Italienische kennt die Verbtempora Presente, passato prossimo (perfekt), trapassato prossimo (Plusquamperfekt), futuro semplice (I), futuro anteriore (II), imperfetto, passato remoto (historisches Perfekt), trapassato remoto (historisches Plusquamperfekt, sehr selten).

Das Passato remoto entspricht fast eins zu eins dem klassisch lateinischen Perfekt und wird wie dieses in Erzählformen, dh. Büchern, Romanen, verwendet (bei uns macht man das mit Imperfekt "er ging die Straße hinunter und sah eine Horde Delfine aus dem nahen Meer winken").

Das Passato remoto wird nur noch im Süden (Sizilien) gesprochen und ist meine Lieblingszeit ^^ Hier eine Gegenüberstellung Latein - Italienisch:

clamare (rufen)
clamavi, clamavisti, clamavit, clamavimus, clamavitis, clamaverunt

chiamai, chiamasti, chiamò, chiamammo, chiamaste, chiamarono
chiamare (rufen)

Wie man sieht, wird das v assimiliert, das cl- wird standardmäßig zu chi-, ansonsten wird weitgehend alles konserviert.

Soviel erstmal von mir ^^

009
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Fr 9. Okt 2009, 05:57 - Beitrag #2

Mal ein paar wilde Einwürfe von mir:

- Latein ist untot wohl zB im Vatikan, mit Neuerfindungen damals fehlender Vokabeln (wie Hubschrauber, der nebenbei bemerkt auf türkisch ja bekanntlich Dröhner Hebab heisst ;) )
- am bekanntesten dürften noch lateinische Zahlen, gern auch im Kinofilmvorspann sein
- Latein dürfte ein geeignetes Mittel sein, etwas als antik/römisch zu beschreiben (also jetzt zB Texttafel im Hintergrund bei Filmen oder Bildern)
- Italienisch wird wie Sachen, die an Italien erinnern, in der Werbung gerne genutzt (Isch abe gar kein Audo, Wagner La Pizza)
- beide Sprachen sind wenn ich nicht irre grundsätzlich Chartkompatibel (zB Gregorianische Choräle, die wohl auf Latein sind und zB Eros Ramazotti)
- wer Lindenstrasse guckt, könnte dazu neigen, Kosewörter usw. zu übernehmen, ohne genau zu wissen, was sie bedeuten
- mit Lamborghini und Audi finden sich Vokabeln/Namen beider Sprachen im Automobilbereich

Traitor
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So 11. Okt 2009, 16:31 - Beitrag #3

"a casa" wird korrekt "akkkasa" ausgesprochen, mit langer Pause vor dem k

Diese Lautschrift irritiert mich jetzt aber sehr. Ein Doppelkonsonant zeigt ja üblicherweise eine Kürzung des vorigen Vokals an, bei einem Dreifach-k würde ich also ein extrem kurzes a davor erwarten. Wie man aber nun einen ultrakurzen Vokal gebunden an das folgende Wort aussprechen soll, und dabei noch eine lange Pause machen? :confused:

Vom Wortschatz und vielleicht auch der Grammatik mag deine Einschätzung stimmen, Italienisch sei dem Lateinischen von den heutigen romanischen Sprachen am engsten verwandt. Sowohl vom Aussehen der geschriebenen Wörter als auch vom gesprochenen Klang her erscheint mir das Spanische aber als näher am Original. Italienisch wirkt gegenüber Latein sehr verniedlicht, vermutlich vor allem wegen des i- und o-Übergewichts, während im Spanischen die trockeneren e und a dominieren.

Wenn ich Aussprache-Vergleiche aufstelle, beziehe ich mich dabei natürlich auf die in Deutschland übliche Aussprache des Lateinischen. Gibt es hier, von Details wie Käsar vs. Zäsar abgesehen, eigentlich einen wissenschaftlichen, idealerweise sogar internationalen Konsens, wie die Sprache wirklich auszusprechen ist? Die deutsche Version mit einfachen Vokalen und Erhaltung aller Buchstaben erscheint mir als sehr viel glaubwürdiger als die englische, weitgehend absorbierende. Allerdings entspricht ja auch die deutsche recht eng unseren eigenen Gewohnheiten. Was Franzosen, Spanier oder Italiener davon halten, weiß ich gar nicht.

Maglor
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So 11. Okt 2009, 17:23 - Beitrag #4

Zitat von Traitor:Wenn ich Aussprache-Vergleiche aufstelle, beziehe ich mich dabei natürlich auf die in Deutschland übliche Aussprache des Lateinischen. Gibt es hier, von Details wie Käsar vs. Zäsar abgesehen, eigentlich einen wissenschaftlichen, idealerweise sogar internationalen Konsens, wie die Sprache wirklich auszusprechen ist?

Als ordentlicher Besserwesser muss ich hier natürlich ergänzen, dass es wissenschaftlicher Kosens ist, dass lateinisch Caesar in klassischer Zeit Kaisar ausgesprochen wurde. Durch Lautwandel wurde aus dem Diphtong der bekannte Monophtong e oder ä und aus dem k ein z. Welche Aussprache nun richtig, hängt von der jeweiligen Epoche ab. Im Mittelalter war die Ausprache Zäsar ganz sicher richtig!
Latein entwickelte sich also seit der Antike weiter, war keineswegs tot. Mittellatein, die Schreibsprache des Mittelalters, unterschied sich vom klassischen Latein in vielen Punkten: Aussprache, Grammatik, Fremdwörter...

Die Sprache entwickelte sich stetig weiter, bis ein paar humanistische Sprachpuristen daran machten das von den Pfaffen verdorbene Latein wieder zu säubern und mal eben 1000 Sprachwandel zu revidieren. So entstand auch diese pseudoklassische Ausprach von Caesar nämlich "Käsar", was weder klassisch noch mittellateinisch ist. Erst dadurch wurde Latein zur toten Sprache, der fortlaufende Wandel wurde durch sprachliche Pedanterie getötet.

e-noon
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So 11. Okt 2009, 17:52 - Beitrag #5

Zitat von Traitor:Diese Lautschrift irritiert mich jetzt aber sehr. Ein Doppelkonsonant zeigt ja üblicherweise eine Kürzung des vorigen Vokals an, bei einem Dreifach-k würde ich also ein extrem kurzes a davor erwarten. Wie man aber nun einen ultrakurzen Vokal gebunden an das folgende Wort aussprechen soll, und dabei noch eine lange Pause machen? :confused:
Stimmt, im Deutschen ist das so ^^ also wäre vielleicht a - kkasa besser. "Raddoppiamento sintattico", Konsonantenverdoppelung, nennt sich das und tritt oft, wie genannt, auf, wo ein lateinischer Doppelkonsonant assimiliert wurde. Ein "r" kann man natürlich leicht verdoppeln, einfach doppelt so lang rollen, während sich das bei plosiven Vokalen wie p, t, k durch eine Pause äußert.

Vom Wortschatz und vielleicht auch der Grammatik mag deine Einschätzung stimmen, Italienisch sei dem Lateinischen von den heutigen romanischen Sprachen am engsten verwandt. Sowohl vom Aussehen der geschriebenen Wörter als auch vom gesprochenen Klang her erscheint mir das Spanische aber als näher am Original. Italienisch wirkt gegenüber Latein sehr verniedlicht, vermutlich vor allem wegen des i- und o-Übergewichts, während im Spanischen die trockeneren e und a dominieren.
Den Eindruck der "Verniedlichung" hatte ich auch ganz stark. Wiki sagt:
Unter den großen romanischen Sprachen steht die italienische Sprache dem Lateinischen in Lautung und Vokabular am nächsten.

Das kann ich bestätigen -
z.B. Lat. universitas, italienisch università, spanisch universidad.
Zudem ist das ital. meines Wissens die einzige Sprache, die keinen Laut zum Lateinischen Alphabet hinzufügt - während das seltsame Zungen-s (=th?) der Spanier schon mal nicht im Lat. Alphabet vorkommt, soweit wir wissen. Manchmal klingt italienisch auch japanisch :D Und die Alltagssprache, dh. die am häufigsten benutzten Wörter, sind natürlich am stärksten "abgenutzt", dh. vom Lateinischen entfernt.

Wenn ich Aussprache-Vergleiche aufstelle, beziehe ich mich dabei natürlich auf die in Deutschland übliche Aussprache des Lateinischen. Gibt es hier, von Details wie Käsar vs. Zäsar abgesehen, eigentlich einen wissenschaftlichen, idealerweise sogar internationalen Konsens, wie die Sprache wirklich auszusprechen ist?
Jein. Siehe Maglor ^^ Die Italiener verwehren sich jedoch zumeist gegen jede lateinische Aussprache, die sich nicht strikt am Italienischen orientiert :D

Traitor
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So 11. Okt 2009, 18:14 - Beitrag #6

Zudem ist das ital. meines Wissens die einzige Sprache, die keinen Laut zum Lateinischen Alphabet hinzufügt - während das seltsame Zungen-s (=th?) der Spanier schon mal nicht im Lat. Alphabet vorkommt, soweit wir wissen.
Ja, im Spanischen gibt es einige Zusatzlaute, z.B. auch das ll(=ljj), die lustige b-w-Mischung, das cedille-c (dein Zungen-s?), lustige r-Varianten...
Aber im Italienischen doch auch. Zumindest habe ich noch nie mitbekommen, dass jemand im Latein Laute wie dsch (aus g) oder tsch (aus ch) verwendet.

Die verschiedenen Lateinformen sind mir bekannt. (Irgendwie bescheuert finde ich allerdings, dass Mittellatein nach Spätlatein kommt.) Für die Frage nach der Entfernung romanischer Sprachen von ihrem gemeinsamen Ursprung sind vor allem Klassisches und Spätlatein interessant, alle späteren Varianten weniger. Sind internationale Sprachwissenschaftler für diese Varianten denn nun mit unserer deutschen Aussprache einverstanden, oder gibt es eine andere Konvention?

e-noon
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So 11. Okt 2009, 20:23 - Beitrag #7

Zu dsch und tsch: Stimmt :D auch nj gibt's ja im Italienischen... aber das kommt mir irgendwie weniger spanisch vor, weiß auch nicht warum :D
Ist wahrscheinlich sehr subjektiv, was lautlich näher am lateinischen klingt, und man müsste natürlich auch jeweils die Standardaussprache des Lateinischen, die als Grundlage genommen wird, vergleichen.

Zur lateinischen Aussprache: Ich weiß es nicht. Unsere Professoren hatten uns versichert, dass die heutige reformierte Aussprache dem neuesten Forschungsstand entspricht. Das sei auch im Ausland anerkannt. Gleichzeitig weiß ich aber, dass beispielsweise die Italiener das größtenteils ignorieren. Die lachen sich kaputt, wenn man /fakkio/ sagt statt /fatscho/ (für facio). Inwieweit dieser angebliche neueste Forschungsstand international akzeptiert wird, kann ich dir nicht sagen.


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