Dass Albi, Becker, Krings und Lindavia ordentliche Produkte herstellen, nur eingeschränkt auch Hohes C, Granini und Valensina, dass außerdem Aldis Rio d'Oro überraschend geschmackvoll ist, sonstige Discounter-Ware aber zu meiden ist, setze ich mal als Grundstufe der Geschmackserkenntnis voraus. Ebenso, dass Nektare nur akzeptabel sind, wenn purer Saft aus der entsprechenden Frucht physikalisch nicht machbar ist (Paradebeispiel Banane), und es sonst 100% Fruchtgehalt sein müssen, außerdem keine Nachsüßung.
Stufe zwei wäre dann der berühmte Eckes-Traubensaft, der für mich schon immer bevorzugte Silvester-Sekt-Alternative war. Stark gehobene Supermarktware ist auch die "Wilde Obstwiese" von Amecke in Sachen Apfel. Für Zitrusfrüchte hat Hitchcock diese Rolle inne, mein Orangen-Favorit, und das "Sunny Breakfast" ist für eben diesen Zweck ideal. Und Rewe, Real und Co bieten inzwischen einige Gourmet/Quality/bla-Sorten an, die teils nur umetikettierter Standardsuff, teils aber durchaus delikat sind.
Um echte Geschmackserlebnisse zu erringen, muss man aber über dieses Standardsortiment hinausgehen. Wer eine hohe Säuretoleranz hat und eine alkoholfreie Alternative zum Verdauungsschnaps nach dem Essen sucht, für den ist Cranberrysaft perfekt. Ich favorisiere hier den von Terschelling, ist aber natürlich in Deutschland nicht zu bekommen. OceanSpray ist indiskutabel, da meilenweit von 100% entfernt. Alternativen zum Hollandimport findet man ehestem im Bioladen, von Rabenhorst, Völkel oder Alnatura. Mildere Alternativen im Segment "dunkelrot, sauer und bekömmlich" wären Aronia, Granatapfel und Preiselbeere. Von Heidelbeere (Völkel) war ich eher enttäuscht, deutlich zu mild. Holunder ist nicht ganz meins, aber dafür ziemlich verbreitet.
Dann gibt es die Variante, durch hohe Qualität und insbesondere Sortenreinheit ganz neue Dimensionen aus bekannter Standardware wie Apfel-, Trauben- und Birnensaft herauszuholen.
Sortenreine Traubensäfte findet man ebenfalls im Bioladen, ebenso bei manchem Feinköstler. Am überzeugendsten fand ich bisher einen weißen Chardonnay von Hirschberger, ohne Sonderrabatt wäre der aber bei 10€ für 0,5l gewesen. (Ja, ich rede immer noch von Saft, nicht von Wein.

Für sortenreinen Apfelsaft ist Van Nahmen die unbestreitbare erste Adresse, auch wenn ich sie erst vor wenigen Monaten entdeckt habe. Zu kaufen gibt es deren Zeugs hier bei einem Bioladen, einem Feinköstler und einem Edeka, es kostet großenteils 3-4€ für 0,75l. Das Sortiment umfasst an von mir probierten Sorten "Rote Sternrenette", "Schöner von Boskoop", "Kaiser Wilhelm", "Topaz", "Jonagold", "Elstar". Mein klarer Favorit ist die Renette, übrigens auch im Saft mit einer faszinierend roten Farbe. Elstar und Boskoop sagten mir wie beim Frischobst auch sehr zu, Wilhelm und Jonagold sind etwas zu süß, Topaz auch ordentlich. Noch nicht probiert habe ich "Rubinette" und "Französische Herbsrenette".
Außer Apfelsaft bietet dieser Hersteller auch noch einige andere exotische Sachen. Zwetschge habe ich schon probiert, recht interessant. Quitte steht noch im Regal. Auf Holunder und Rhabarber werde ich verzichten, die Stachelbeere hat aber mein Interesse geweckt.
Noch zum Abschluss ein allgemeines Wort dazu, warum solche Edelsäfte so toll sind: das entscheidende ist für mich, dass sie nicht nach Obstsaft schmecken, sondern nach Obst. Billiger und auch mittelklassiger Apfelsaft hat ja einen ganz bestimmten Geschmack, der mit Äpfeln an sich nicht sonderlich viel zu tun hat, ebenso bei Traubensaft und Orangensaft. Edle, insbesondere sortenreine, Säfte dagegen schmecken tatsächlich so wie eine flüssige Form des zugrundeliegenden Obstes; bei den Van-Nahmen-Apfelsäften kann man genau die Charakteristika herausschmecken, die die einzelnen Sorten auch in fest ausmachen.
So, habe ich jemandem den Mund saftig, äh wässrig gemacht, sodass er nun auch einen Einkaufsamoklauf startet? Kennt jemand die gelobten Sorten bereits? Und, am wichtigsten - wer hat noch Empfehlungen für mich über die genannten hinaus? Oder möchte mich im Gegenteil jemand für Dekadenz verurteilen?
