Seite 1 von 1

ich wasche mir meine Zweifel weg ...

BeitragVerfasst: Fr 7. Mai 2010, 14:35
von Ipsissimus
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,693425,00.html

Ob im Restaurant, bei der Urlaubsplanung oder der Partnersuche: Immer wieder haben wir die Qual der Wahl zwischen ähnlich attraktiven Alternativen. Oft bleiben am Ende Zweifel, ob die getroffene Entscheidung die richtige war. Wer sich von derartigem Unbehagen befreien möchte, sollte sich einfach möglichst bald nach der Entscheidung die Hände waschen. Dabei werden offenbar neben dem Schmutz auch etwaige Restzweifel weggespült. Das klingt bizarr, doch Forscher wollen genau das mit Hilfe von Studien jetzt festgestellt haben.

Normalerweise versuchen Menschen nach knappen Entscheidungen, ihre Wahl zu rechtfertigen und Zweifel zu unterdrücken, indem sie die gewählte Variante auf- und die abgelehnte Variante abwerten. Kognitive Dissonanz bezeichnen Psychologen diesen Gefühlszustand. Er tritt auf, wenn sich nahezu gleichstarke Wünsche oder Meinungen nicht in Einklang bringen lassen.

Diverse Studien hatten in diesem Zusammenhang bereits gezeigt, dass Menschen, die in einem moralischen Dilemma stecken, sich von ihren Schuldgefühlen im Wortsinne reinwaschen können: Die physische Handlung wirkt sich unmittelbar auf die Psyche aus. Spike Lee und Norbert Schwarz von der University of Michigan interessierte nun, inwiefern Reinigungsrituale auch Restzweifel nach Entscheidungen beseitigen können, die jenseits moralischer Ansprüche getroffen werden.


ich kugele mich gerade vor lachen^^

BeitragVerfasst: Fr 7. Mai 2010, 14:45
von Lykurg
Das ist ja faszinierend - Henne oder Ei? Verhaltensmuster entsprechend Tradition und ethischen Konventionen, oder Nachprägung der entsprechenden Reinigungszeremonien entsprechend einem tieferen Bewußtsein um deren Wirksamkeit? (Pilatus; Judentum; Islam)
Oder natürlich gleich völliger Unsinn, warum auch immer? Mehr Fragen, eindeutig.

BeitragVerfasst: Fr 7. Mai 2010, 15:18
von Ipsissimus
ich stelle mir gerade die Pilatus-Szene vor. Da ist also ein Mensch, der eindeutig über dem religiösen Unfug steht, der ihm da zur Entscheidung vorgelegt wird, ein Mensch, dem zusätzlich weder der Angeklagte noch die Ankläger irgendetwas bedeuten. Er wird aber durch die Situation zu einer Entscheidung genötigt, und weder der Angeklagte noch die Ankläger agieren in irgendeiner Weise hilfreich.

Ich kann mir gut vorstellen, dass in so einer Situation das Händewaschen dann äußeres Abbild eines inneren Selbstreinigungsvorganges ist, nach dem Motto: "Was kümmert mich euer Dreck?"


Ich denke allerdings, dass bei komplizierteren Situationen, in denen z.B. wirkliche eigene ethische Prämissen auf dem Spiel stehen, das Händewaschen nicht ausreichen wird, um die ernsthafte innere Auseinandersetzung zu ersetzen. Über Schuldgefühle kommt mensch normalerweise nicht hinweg, indem er/sie diese wegschiebt, das geht höchstens bei Kleinigkeiten gut. Für diese Fälle mag es aber ein gutes Ritual sein, falls mensch auf Rituale steht.

BeitragVerfasst: Fr 7. Mai 2010, 23:49
von Lykurg
d'Accord zu Pilatus, ohnehin eine mir recht sympathische tragische Figur. Etwas bedeuten im emotionalen Sinne nicht unbedingt - das ist aber angesichts der 'Quellenlage' (bzw. wenn man die Geschichte als fiktional betrachtet, angesichts der Fokalisierung, die Pilatus' Innenleben nicht sichtbar macht) kaum zu beurteilen. Beide Seiten dürften für ihn vor allem ein Problem dargestellt haben, wie du sagst. Er sagt ziemlich deutlich, er fände keine Schuld an ihm...

Ich denke, im Sinne der Studie oder ihrer SpiegelBildlichen Wiedergabe meint "reinwaschen" nicht unbedingt, daß sämtliche Zweifel beseitigt würden, eher, daß es hilft, sie zu reduzieren. Das widerspricht jedenfalls nicht vollständig der persönlichen Empirie. ;)

BeitragVerfasst: Mo 10. Mai 2010, 09:44
von Ipsissimus
dass er keine Schuld an ihm findet, besagt ja nur, dass die Anklage albern ist und dass Pilatus das erkennt. Andererseits toppt die Albernheit der Verteidigung die Albernheit der Anklage noch. Was Pilatus damit meines Erachtens sagt, ist "Idioten auf beiden Seiten, und der eine mit offensichtlichem Todeswunsch. Erfüllen wir ihm halt diesen Wunsch". Menschenleben galten damals nicht eben wirklich viel ... hmm, wenig Änderung diesbezüglich seither^^