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Stamm mit zwei Zehen entdeckt

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 21:20
von Maglor
Von Alters her gab es im Abendland die Vorstellung, die Randzonen des Erdkreises seien von wunderlichen Geschöpfen wie Amazonen, Hundsköpfen (Kynokephalen), Einfüßlern (Skiapoden), Pygmäen usw.
Am Ufer des Zambesi im fernen Zimbabwe wurde tatsächlich ein derart merkwürdiges Volk entdeckt, dass bisher den Gelehrten entgangen ist - die Ektrodaktylen. Sie selbst nennen sich
Wadoma und zählen tausend Köpfe. Von den übrigen Völkern unterscheiden sie sich durch ihre gespaltenen Füße. Sie haben nur zwei Zehen an jedem Fuß und statt der mittleren drei Zehen eine breite Spalte.
Hoax! Eigentlich gibt nur eine einzige Familie der Wadoma mit erbliche Ektrodaktylie, sowie eine weitere unter den Taulonda in Botswana. Zusammen 24 Indiviuen mit derartigen Füßen, Stand 1985.


Verfasst:
So 29. Jan 2012, 22:04
von blobbfish
Hätte die moralische und inzuchtfreie westliche Welt diesen Stamm nur früher gefunden, welche Qualen wären ihnen erspart geblieben?

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 22:15
von Ipsissimus
Irgendetwas irritiert mich an dem Bild. Es wirkt wie ein Fake.
Na ja, also autosomal dominante Erbkrankheit durch Inzucht, in 2 Familien, bei insgesamt 24 Personen. Ich würde das nicht Stamm nennen, höchstens dass ein Teil des Stammes betroffen ist. Oder Wadoma ist Familienname^^
na ja, so ähnlich wie bei uns als "Inzucht-Dörfer" bekannte Ortschaften

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 22:16
von Maglor
Dieser
Zeitungsartikel aus dem Jahr 1969 berichtet über den isoliert lebenden Stamm im damaligen Rhodesien.
Entdeckt wurde sie von dem Portugiesen Dos Santos der erstmals 1947 über den Stamm veröffentliche und berichtet sie könnten mit ihrem Krebsfüßen sehr leicht auf Bäumen klettern.

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 23:11
von Lykurg
Das mit der Klettertauglichkeit der Füße kommt ja mehrfach. Wenn es stimmt, ist es eine interessante Eigenschaft, bei der die Frage wäre, inwieweit sie als Vorteil gesehen wurde (ohnehin, wie die Gesellschaft dort auf diese Ausformung reagiert). Eigenartig jedenfalls.

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 23:29
von Ipsissimus
Aber gerade das halte ich für fraglich. Damit sie mit diesen Zehen klettern können, müssten sie in der Lage sein, die Zehen von außen nach Innen mit Muskelkraft gegeneinander zu drücken. Na ja, gut, vielleicht lernt man das, genau wie man lernen kann, mit den Füßen zu schreiben. Aber ob das ein echter evolutionärer Vorteil ist? Diese Leute leben zwar im Urwald, aber letztlich doch am Boden und beflanzen ihre Felder.

Verfasst:
So 29. Jan 2012, 23:37
von Lykurg
Den Eindruck hatte ich ebenfalls, ich hatte mir nur noch keinen richtigen Reim drauf machen können. Allerdings meint neben Dos Santos auch ein rhodesischer Offizier, sie könnten besonders gut klettern (und schnell laufen). Hörensagen? Wer weiß; in den 50ern und 60ern war die Sichtweise auf die "Wilden" möglicherweise auch noch ziemlich stark voreingenommen. Woher hast du denn das mit dem Ackerbau? Der Artikel berichtete eher von Kleintierjagd.

Verfasst:
Mo 30. Jan 2012, 00:16
von Ipsissimus
das war nur eine Schlussfolgerung, jedoch keine sichere. Die Kleidung, die diese Leute auf dem Bild tragen, ist für die Jagd zu auffällig. Und für´s Klettern als ernsthafte Arbeit zu gut.

Verfasst:
Mo 30. Jan 2012, 00:58
von Lykurg
Ja, das stimmt natürlich - westliche Kleidung in (soweit erkennbar) gut gepflegtem Zustand, aber so frisch gewaschen, daß es auch nicht nach Feldarbeit aussieht. Vermutlich Sonntagskleidung fürs Foto, evtl. sogar extra ausstaffiert? Wäre allerdings widersinnig. Die im Artikel beschriebene Steinzeitgesellschaft erkenne ich darin jedenfalls nicht wieder.

Verfasst:
Mo 30. Jan 2012, 19:33
von Maglor
Ende der 1960er tauchten in Zeitungen reißerischer Artikel über einen rhodesischen Stamm mit Hummerfüßen auf. Bedenklich ist nicht nur die Qualität journalistischer Berichterstattung sondern die darwinistischen Aussagen rhodesischer Laien, die im Kontext des postkolonialen Regimes in Rhodesiens zu betrachten sind. 1979 behauptete die Presse es gäbe lediglich/immerhin 100 Personen mit jenem Defekt.
Nachforschungen in den 70er und 80er Jahren ergaben, dass der Defekt nur in einer Familie vorkommt. Die Wadoma war auch unbekannt, dass Ektrodaktylie mit ihrem Stamm verbunden wird.
Die Betroffenen konnten normal gehen und hatten keine wesentlichen Einschränkungen und besuchten die Regelschule. Die gespaltenen Füße und teilweise auch betroffenen Hände wurden von der Dorfbevölkerung als normal empfunden, da die Anomalie bereits seit Generationen weitervererbt d.h. altbekannt war.
In 1770 Jan Jacob Hartsinck, I a director of the Dutch East
India Company, made reference to the 'touvinga' or twofingered
tribe .from Dutch Guiana in South America. They
were slaves brought from central Africa who manifested ectrodactyly
or 'the split-hand and foot' syndrome. Hansinck's
report probably initiated the belief that an 'ostrich-footed'
tribe existed in this region.
At the turn of the century these rumours persisted and were
at first dismissed as mere superstitious fables or 'hunter's
tales', but in the 1960s newspapers published interviews2 with
unimpeachable witnesses who claimed to have first-hand
experience of the phenomenon. The situation was partly elucidated
in 1974 after Gelfand er al. 3 investigated a Wadoma
tribesman from the Kanyemba region of the Zambezi valley.
He was diagnosed as having the 'lobster-claw' deformity of
both feet. Two cousins were affected and it was postulated
that the abnormality was inherited as an 'irregular dominant'.
Trotz allem kursiert die Geschichte in der Version der sechziger Jahre weiterhin.


Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 00:38
von janw
Es spricht schon etwas für die Baumkletter-Geschichte, denn das Gebiet wird von Baumsavannen eingenommen, heute teils Ackerland.
Bei der Kleidung denke ich an Kosmetik für die Kamera, das war bis in die 90er Jahre bei Aufnahmen von indigenen Völkern gang und gäbe, ein vielschichtig problematisches Thema.

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 10:26
von Ipsissimus
ich frage mich trotzdem, inwiefern diese Fußanatomie das Klettern erleichtern soll. Den Stamm werden sie nicht umkrallen können und vermehrten Halt auf dünneren Ästen, na ja - ich bin früher viel auf Bäume geklettert und hatte nie das Gefühl, ich bräuchte Greif-Füße, um überall hinzukommen, wo ich hin wollte. Rein gefühlsmäßig würde ich sogar vermuten, dass diese Anatomie das Klettern stört, weil sie ein erhöhtes Gleichgewichtsgefühl nötig macht. Man müsste die Kletterleistung dieser Menschen mit der Kletterleistung anderer Menschen ihres Stammes, die mit den gleichen Aufgaben betraut sind, vergleichen. Dass sie im Vergleich zu den rudimentären Kletterfähigkeiten von Sesselmenschen natürlich sehr viel besser klettern, kann nicht der Maßstab sein.

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 13:54
von janw
Da hast Du sicher recht. Die Menschen werden auf Bäume geklettert sein, bei dünnen Bäumen könnte der Spalt zwischen den Zehen vielleicht etwas bringen, aber wichtiger wäre da eine Länge der Zehen, die ein Umgreifen erlaubt. Wahrscheinlich haben sich die Kolonialisten da etwas zusammen gereimt.

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 14:07
von Ipsissimus
eben, bei sehr dünnen Bäumen und einer unnatürlich starken Presskraft der Zehen könnte ich mir das noch vorstellen. Wenn du dir aber Standardbäume in Savannenlandschaften wie
Baobabs ansiehst, da findest du nirgendwo etwas, wo diese Anatomie hilfreich wäre.
Ich vermute mal, die Vorstellung hinter diesen Beschreibungen war, dass diese Menschen wie Faultiere mit den Greifzehen an den Ästen hängen, also eine Diffamierung. Und eine falsche Beobachtung, denn Faultiere umkrallen die Äste wie wir Menschen es mit unseren Händen und Fingern tun würden.

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 14:28
von janw
Baobabs sind sicher das eine, Akazien das andere Extrem. Sie sind teils recht dünn, dafür aber oft dornig.
Faultiere als Modell wären denkbar, wenn die Kolonialisten damals in der Fauna Südamerikas bewandert waren.
Zweifellos war der Blick auf diese Menschen eher ein Blick auf etwas ähnliches wie "Elemente der Fauna".

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 19:56
von Maglor
In diesem reißerischen
Youtube-Video wird behauptet, sie hätten Probleme mit dem Laufen.
Aufgrund des allgemeinen Bevölkerungswachstun in der Region und der zunehmenden Isolation der Gruppe, dürfte sich die Lage inzwischen weiter verschärft haben. Zwischen der Gegenwart und den oben zitierten Berichten liegen ja 40 - 60 Jahre.

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 20:06
von Katinka3
Wenn das so um die 100 Menschen sind, die diese Anomalie haben, ist das aber doch recht viel finde ich. Ob das vielleicht auch nur eine laune der Natur ist? Oder kann das auch sein, das so langsam eine Neue Menschenuntergruppe wächst. Denn irgendwann muss so was ja auch mal anfangen, in der Evolution?

Verfasst:
Di 31. Jan 2012, 21:42
von janw
Katinka, wenn diese Gruppe groß genug wäre, um nicht durch Inzucht auszusterben, und aufgrund ihrer Füße oder aus anderen Gründen vom Rest der Menschheit über hinreichende Zeit abgetrennt wäre, könnte daraus tatsächlich eine neue Art entstehen.
Das müsste aber wirklich eine lange Zeit sein. Zum Vergleich: die vom Rest der Menschheit ziemlich gut isolierten Aborigines in Australien sind selbst in den 40-50 000 Jahren ihrer Isolation nicht zu einer neuen Art geworden.

Verfasst:
Mi 1. Feb 2012, 12:47
von Katinka3
Dann scheint das ja eine laune der Natur zu sein? Oder muss man sowas als Krankheit erkennen? Anders aussehen ist ja nicht immer eine Krankheit, oder doch? Von unserer Entwicklung her sind wir Menschen ja doch Perfekt, alles Funktioniert, wenn es gesund ist perfekt. Die Evolution könnte ja auch mal andere Wege gehen, so das wir irgendwann, doch wieder anders aussehen als heute.

Verfasst:
Mi 1. Feb 2012, 13:08
von janw
Es ist eine Mutation, die immer mal vorkommt und die im Allgemeinen als nachteilig empfunden und deshalb behandelt wird.
Bei der Volksgruppe in Afrika gibt es nun aber keine Möglichkeit zur Behandlung, und die Menschen kommen auch mit der Mutation zurecht, von daher ist es etwas schwierig, von einem Leiden zu sprechen. Leiden ist aber die Voraussetzung, ein körperliches Merkmal als Krankheit einzustufen.
Letztlich ist es so, daß eine Mutation immer dann in einer Gruppe von Lebewesen erhalten bleibt, wenn sie mindestens neutral ist, besser noch, wenn sie Vorteile bietet. Wenn sie nachteilig ist, stirbt sie aus, weil ihre Träger sich weniger gut fortpflanzen als die Nicht-Träger.
So sind Mutationen also ein "Angebot" an die sich ständig wandelnden Umweltbedingungen in der Natur, auf daß die eine oder andere dabei günstig sein möge.