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Mensch/Tier

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 01:05
von Milena
Tiere sehen und fühlen mehr als der Mensch
Rote Mohnblumen sind nicht rot, frisch gebackene Brötchen stinken, und wenn wir glauben, dass es ganz still um uns herum ist, ist die Luft doch voller schriller Geräusche. Nur wir Menschen bekommen davon nichts mit. Tiere riechen, hören und fühlen Dinge, von denen wir nicht einmal träumen können. Von Maria Gerber

Die Welt ist nicht so, wie wir denken, dass sie ist. Rote Mohnblumen sind nicht rot, frisch gebackene Brötchen stinken, und wenn wir glauben, dass es ganz still um uns herum ist, schwirrt die Luft voller schriller Geräusche. All das ist Wirklichkeit, nur wir Menschen bekommen davon nichts mit, weil unsere Augen zu schlecht, unsere Nase zu stumpf und unsere Ohren beinah taub sind. Im Vergleich mit Tieren schneidet der Mensch bei der Sinneswahrnehmung ziemlich schlecht ab.

Für den Fangschreckenkrebs ist das menschliche Dasein bemitleidenswert. Im Vergleich zu seiner Welt müsste ihm ein Blick durch unsere Augen grau, eintönig, eindimensional erscheinen. Denn der Krebs sieht zehnmal so viele Farben wie wir. Einen exotischen Blumenmarkt in Bangkok mit gelben, pinkfarbenen, roten und getupften Orchideen und Lotusblüten würden wir wohl als bunt bezeichnen. Doch bei Lila hört bei uns der Regenbogen auf, beim Krebs geht es danach erst richtig los. Jenseits von Lila beginnt die ultraviolette Strahlung, die für das menschliche Auge unsichtbar ist, insofern ist es unmöglich, die Farben zu beschreiben, da kein Mensch sie je gesehen hat. Das bedeutet, dass ein Regenbogen in Wahrheit viel breiter und bunter ist - der Krebs könnte von schillerndsten Farben berichten.

Auch einzelne Farben sind nicht, was sie zu sein scheinen. Rot ist rot, was gibt es da zu diskutieren. Eine Ampel ist rot, eine Clownsnase und Mohnblüten im Kornfeld. Eben nicht. Für viele Insekten sehen die Blüten schwarz aus. Die Farbe Rot ist eine langwellige Strahlung, die Insekten nicht wahrnehmen können. Fliegt die Biene über eine Mohnblüte, sieht sie nichts, also schwarz. Im Sonnenlicht erscheint die Blüte allerdings fast weiß, weil die Mohnblüte sehr effizient UV-Licht reflektiert und die Biene das als helle Farbe wahrnimmt.

"Jedes Lebewesen lebt in seiner eigenen Welt. Wäre ich eine Zecke, dann könnte ich nur warm und kalt fühlen und Milchsäure riechen", sagt Jürgen Tautz, Professor für Biologie an der Universität Würzburg. Immerhin - im Vergleich zu einer Zecke, die nichts sieht, hört, kaum fühlt und nur einen einzigen Geruch wahrnimmt, ist die Welt des Menschen farbenprächtig und überladen mit Düften.

Es ist schwer vorstellbar, dass die Welt, wie wir sie sehen, nicht unbedingt die Welt ist, wie sie tatsächlich ist. Nur weil wir nachts keine Farben sehen können, heißt es noch lange nicht, dass Häuser, Bäume und Straßen grau sind. "Dieses Thema kann schnell philosophisch werden", sagt Biologe Tautz. "Wir können uns noch nicht einmal in die Sinneswelt eines anderen Menschen hineinversetzen, wie sollen wir da verstehen, was Tiere sehen, schmecken und riechen? Wichtig ist, dass sich die Sinneswelt an die Bedürfnisse jedes einzelnen Lebewesens anpasst", sagt Tautz.

In der Welt der Zecke reicht es völlig aus, nur Milchsäure riechen zu können und zwischen warm und kalt zu unterscheiden, denn für die Nahrungssuche braucht sie nicht mehr. Schwitzen Mensch oder Tier, setzen sie Milchsäure frei. Die Zecke riecht sofort: Beute ist im Anmarsch. Nähert sie sich, nimmt die Zecke eine minimale Erhöhung der Umgebungstemperatur wahr. Sie dockt an und saugt Blut aus ihrer Beute. In einer dunklen, vollkommen stillen Welt findet die Zecke alles, was sie zum Überleben braucht.

Auch das Thema Stille ist Ansichtssache. Wer schon einmal eine Höhlentour in das Innere eines Berges gemacht hat und für einige Minuten auf dem kalten Steinboden in einer Grotte saß, der weiß, was wirkliche Stille bedeutet. Kein Vogel zwitschert, kein Auto fährt vorbei, noch nicht einmal der Wind rauscht durch die Blätter. Absolute Stille. Glauben wir. Für eine Fledermaus surrt und quietscht es, die Luft ist erfüllt mit Zurufen und dem Echo des Schalls winziger Bewegungen.

Mit ihren Superohren hört die Fledermaus Töne, die der Mensch nicht wahrnehmen kann. Der Bereich zwischen der höchsten und der niedrigsten hörbaren Frequenz heißt Hörfläche und liegt beim Menschen zwischen 16 und 1800 Hertz. Töne, die darüber liegen, heißen Ultraschall, und diese Frequenz kann die Fledermaus nicht nur hören, sondern auch erzeugen. Um sich in der Nacht zu orientieren und auf die Jagd zu gehen, benutzt die Fledermaus die Echoortung. Sie sendet über ihre Nase oder ihr Maul Laute im Wellenbereich zwischen 9000 und 200 000 Hertz aus. Die Wellen treffen auf Insekten, die umherfliegen, und werden reflektiert. Die mit knorpeligen Erhebungen ausgestatteten Ohren fangen das Echo auf; Echos von oben treffen diese Falten an anderen Stellen als Echos von unten. Anhand der zurückgeworfenen Schallwellen erkennt die Fledermaus Größe, Form, Ort und Bewegungsrichtung des Insekts, und es ist ein Leichtes für sie, ihre Beute im Flug zu schnappen.

Der Ruf der Fledermaus ist für das menschliche Ohr zu hoch, und trotzdem existieren diese Geräusche. Aber nicht nur die Welt der Fledermäuse bleibt uns verschlossen, auch die Gespräche der Elefanten liegen außerhalb unserer Hörfläche. Sie kommunizieren im Infraschallbereich mit Frequenzen unterhalb von 16 Hertz. Die Laute sind für das menschliche Gehör zu tief. Wenn sich Elefanten verständigen, hört der Mensch entweder gar nichts, oder er spürt ein Pochen und Vibrieren der Luft. Nur wenn ein Elefant Angst hat oder sich aufregt, trompetet er. Deshalb dachten Forscher lange Zeit, das wäre ihre einzige Form der Kommunikation. Die Infraschallwellen blieben den Wissenschaftlern so lange verborgen, bis sie spezielle Messgeräte einsetzten.

Die Welt des Riechens bleibt der Wissenschaft bisher zum größten Teil verschlossen. Auch wenn Zellbiologen mit vielen Versuchen die olfaktorische Wahrnehmung verstehen wollen, konnten sie von rund 350 Riechrezeptoren in der menschlichen Nase erst eine Handvoll entschlüsseln. 30 Millionen Riechzellen transportieren Vanilleduft und Verwesungsgestank von der Außenwelt in unser Gehirn, und doch gibt es Tiere, die einen feineren Geruchssinn haben: die Polyphemus-Motte. Mit ihren Antennen können die Männchen sogar wahrnehmen, ob eine Artgenossin zur Eiablage bereit ist.

Es gibt sogar Tiere, die Dinge wahrnehmen können, für die Menschen noch nicht einmal ein Organ haben: Grubenottern haben beispielsweise einen Infrarotsensor, und Zitteraale spüren das elektrische Feld, das alle Lebewesen umgibt.

aus Axel Springer Verlag

demnächst erfolgt mein persönlicher kommentar dazu.....

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 10:29
von Lykurg
...zu ergänzen wären auch die Magnetfeldsensorik von Tauben und manchen Zugvögeln. Daß sogar ziemlich viele Tiere einen feineren Geruchssinn haben als der Mensch, ist eine Binsenweisheit, allerdings natürlich auch beim Menschen in gewissem Maße Trainingssache.

Die einführende Bemerkung zu schwarz und weiß bei der Mohnblüte aus Bienensicht finde ich fragwürdig dargestellt. Filtern Wolken UV-Licht so effektiv, daß im Restlicht das sichtbare Spektrum überwiegt, Bienen also im Nachteil sind und nur bei Sonne richtig gut sammeln können?

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 10:33
von Milena
...mir hat mein ehemaliger chef einmal gesagt, dass eigentlich das was wir sehen, in wirklichkeit nicht so ist, wie wir es wahrnehmen, (farbenmässig)..
nichts ist in wirklichkeit rot, wenn wir was rotes sehen und so weiter und so fort...
die welt sieht eigentlich ganz anders aus, als sie sich für uns menschen darstellt...

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 11:27
von Ipsissimus
es war, meines Wissens nach, Kant, der ein für alle Mal klarstellte, dass wir nicht an die Dinge "an sich", also wie sie aus sich selbst heraus sind, herankommen, sondern immer nur so, wie sie sich vermittels unserer Wahrnehmungen in unserem Bewusstsein darstellen.

Das gilt allerdings wohl nicht nur für uns. Dass viele Tiere aufgrund ihrer anders strukturierten Sinne und folglich Sinnesleistungen andere Aspekte der Wirklichkeit wahrnehmen, bedeutet nicht, dass irgendein Tier alle Aspekte der Wirklichkeit wahrnehmen würde. Ein solches Tier müsste schon kurz nach seinem Entstehen an Reizüberflutung gestorben sein. Ein begrenztes Sensorium ist auch ein Schutz, solange man nicht Gott ist.

Was mich in dem Kontext auch interessiert ist die Frage der Entsprechung menschlicher und tierischer Emotionen. Auch Tiere zeigen Angst, Wut, Zuneigung usw., aber wie weit lassen diese Gefühlslagen eines Tieres sich mit den analog bezeichneten Gefühlslagen eines Menschen vergleichen. Bedeuten sie für das Tier dasselbe? Und sind Tiere nur "vitaler" oder auch komplexer Emotionen fähig, die nichts mit dem aktuellen Körperstatus zu tun haben? Können Tiere z.B. "Zukunftsangst" entwickeln?

Sehr interessantes Thema, Schatz :-)

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 11:53
von Milena
...Wissenschaftler beobachten die verblüffende emotionale Seite unserer Vettern: Tiere, hin- und hergerissen zwischen Freude, Eifersucht und Trauer
Die Schimpansin Washoe erlernte als erstes nicht-menschliches Lebewesen die Zeichensprache für Taubstumme. Als Mutter hingegen hatte sie wenig Glück. Ihr erstes Baby starb vier Stunden nach der Geburt an einem Herzfehler. Drei Jahre später erlag ihre Tochter Sequoyah im Alter von zwei Monaten einer Lungenentzündung. Washoe war untröstlich. Ihr besorgter Betreuer, der Verhaltensforscher Roger Fout, beschloß, der trauernden Schimpansin ein Adoptivkind zu besorgen. Washoe sollte den zehn Monate alten Loulis aufziehen.

Als Fout 15 Tage nach Sequoyahs Tod in Washoes Gehege tritt und ihr per Zeichensprache „ich habe Baby für dich“ zu verstehen gibt, gerät sie in helle Aufregung. Die Haare stehen ihr zu Berge. Laut rufend läuft sie durchs Gehege, stolziert auf zwei Beinen und bildet wiederholt das Zeichen für ,Baby´. Dann aber, erzählt Fout, „bildete sie die Zeichen für ,mein Baby´, und wir wußten, es gibt Schwierigkeiten.“ Prompt zeigt sich Washoe bei Loulis´ Ankunft enttäuscht. Sie weigert sich, den Fremdling anzurühren, und wiederholt teilnahmslos „Baby, Baby“.

Ihre Ablehnung währt nur kurz. Noch am gleichen Abend versucht sie, Loulis wie früher Sequoyah in ihren Armen zu halten. Sie entpuppt sich als fürsorgliche Mutter und bringt ihrem Adoptivsohn die Zeichensprache bei.

In ihrer Krise als Mutter durchschritt Washoe Höhen und Tiefen. Ihre Stimmungsschwankungen empfinden wir als nur allzu verständlich. Waren dabei auch Trauer und Freude? Hoffnung und Enttäuschung?

Empfinden Tiere Gefühle? Ja, glaubt man den Geschichten, die Feldforscher und Zoologen in Tierparks immer zahlreicher zusammentragen. Theateraufführungen gleich, schildern die Erzählungen Hoffen und Bangen unserer tierischen Vettern. Einige haben die amerikanischen Psychiater Jeffrey Moussaieff Masson und Susan McCarthy jetzt in einem Buch gesammelt, in dem sie das emotionale Leben der Tiere untersuchen. In den USA hielt es sich mehrere Monate in den Bestsellerlisten. Im März bringt der Rowohlt-Verlag unter dem Titel „Wenn Tiere weinen“ eine deutsche Fassung heraus.

Gerade unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, legen soviel Empfindsamkeit, Sensibilität und sogar Raffinesse in ihr Auftreten, daß man gar nicht anders kann, als ihnen selbst die komplexesten Gefühle zuzuschreiben. Doch was jeder weiß, der mit Tieren umgeht, seien es Hund, Katze oder Wellensittich, ist für viele Wissenschaftler ein rotes Tuch.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, riskiert seine Glaubwürdigkeit. Die Schwierigkeit liegt in der Sache selbst: Gefühle lassen sich kaum exakt messen, sie sind eng mit dem persönlichen Erleben verknüpft und gelten deshalb als unerforschbar. Viele seiner Kollegen, meint der niederländische Primatenforscher Frans de Waal, stritten zwar nicht ab, daß Tiere Gefühle haben. Sie wüßten jedoch „mit dem Thema nichts anzufangen“.

Das war nicht immer so. Charles Darwin hat dem „Ausdruck von Gefühlen bei Mensch und Tier“ ein umfangreiches Buch gewidmet. Alfred Brehm, berühmt geworden durch sein gleichnamiges „Tierleben“, verlangte, „wie den Körper des Tieres auch seine Psyche zu fassen“.

Eine Ausnahme bildete auch der Begründer der modernen Verhaltensforschung, Konrad Lorenz. Seine Erzählungen von der Graugans Martina, die fünf Jahre lang den Tod ihres Gantergatten betrauerte, rührte die Herzen seiner Leser. Bei den Kollegen trugen sie dem späteren Nobelpreisträger zunächst jede Menge Spott ein. Kritik – heute ist sie tiefer Verehrung gewichen – erntete auch Jane Goodall, als sie vor 30 Jahren erstmals über die Stimmungen wilder Schimpansen berichtete. Sie kennt den Grund: „Ich beging die schlimmste Sünde der Verhaltensbiologie – Anthropomorphismus.“
...
Seit 20 Jahren beobachtet die Amerikanerin Cynthia Moss Elefanten im kenianischen Amboseli Nationalpark. Dabei hat sie reichlich Tränen fließen sehen – Freudentränen, die den Tieren aus Drüsen an den Schläfen rinnen.

Besonders in Familienangelegenheiten haben die Dickhäuter nah ans Wasser gebaut. Einmal wurden die Elefantin Emily und ihre beiden Jungen, Eudora und Emo, vom Rest der 14köpfigen Familie getrennt. Eine Woche später begegnen sich die beiden Gruppen wieder. Von weitem schon trompeten sie Grüße. Emily und ihre Jungen eilen rufend und triefend auf ihre Angehörigen zu. Emily schiebt ihre Jungen zur Seite, um Echo zu begrüßen, die Matriarchin der Familie. Die beiden erheben die Köpfe, stoßen die Stoßzähne klingend aneinander, umschlingen die Rüssel, heben und senken die Ohren. Sie brüllen, poltern und trompeten. Sie drehen sich umeinander, wirbeln im Kreis. Sie urinieren und defäkieren. Die anderen Familienmitglieder stimmen ein, der Lärm ist ohrenbetäubend.

Derart ausgeprägtes Gruppenleben kannten die Forscher bisher nur von unseren haarigen Vettern, den Menschenaffen. Die Verhaltensforscherin Sue Savage-Rumbaugh von der Georgia State University: „Mit Sicherheit erleben und äußern sie Ausgelassenheit, Freude, Schuld, Reue, Verachtung, Ungläubigkeit, Scheu, Traurigkeit, Staunen, Zärtlichkeit, Treue, Ärger, Mißtrauen und Liebe.“ Bei Primaten sind diese Emotionen wichtige soziale Botschaften, die den Zusammenhalt der Gruppe stärken. Mit der Mimik und der Gestik, aber auch mit Lauten geben sie ihren Gemütszustand preis.
...
Gefühle machen also Sinn. Jedoch nicht alle erfüllen einen klaren Zweck – bei Tieren genausowenig wie beim Menschen. Trauer um die Verstorbenen zum Beispiel scheint aus evolutionsbiologischer Sicht eher zu schaden als zu nutzen.

Und doch kennen Forscher Geschichten von Tieren, die auf den Verlust eines Sippenmitglieds mit allen Symptomen einer Depression reagieren. Elefantinnen beispielsweise tragen ein totes Kind tagelang mit sich herum und verzögern damit die Wanderungen der gesamten Familie. In Gefangenschaft gehaltene Delphine verlieren ihre Freude am Spiel und treten in den Hungerstreik, wenn ein Gefährte stirbt.

Der Schimpansenjunge Flint war gerade acht Jahre alt, als seine Mutter Flo starb. Stundenlang sitzt Flint neben Flos Leiche, zupft gelegentlich an ihrer Hand und schaut ins Leere. Von Tag zu Tag wird er lustloser. Einmal klettert er auf einen Baum und starrt auf das Schlafnest, das er mit seiner Mutter geteilt hat. Flint stirbt vier Wochen nach Flo. Vermutlich an einer Darminfektion. Jane Goodall hat den Ablauf der Tragödie verfolgt. In ihren wissenschaftlichen Berichten schreibt sie, daß Flint psychisch und körperlich geschwächt und deshalb anfälliger für Krankheiten geworden war. Zu einem Freund sagte sie: „Flint starb vor Gram.“
...
Tiere fühlen, darin ist sich die Mehrheit der Verhaltensforscher einig: „Es gibt keine Eigenschaft des Menschen“, erklärt Norbert Sachser von der Universität Münster, „die nicht als Vorform schon bei Tieren angelegt wäre.“ Nur: Es ist kaum ergründbar, welche Qualität die animalischen Emotionen haben....
Forschung und Technik: Die Gefühle der Tiere - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/wissen/natur/forschung-und-technik-die-gefuehle-der-tiere_aid_156760.html

wenn man den letzten abschnitt liest, könnte man meinen deine letzte frage wäre damit beantwortet spatz^^....

BeitragVerfasst: So 22. Jul 2012, 12:13
von Ipsissimus
na ja, Schatz, das Problem bleibt trotzdem dasselbe^^ wirklich vertraut, von innen her vertraut, sind uns nur unsere eigenen Gefühle. Das ist ja oft genug schon zwischen zwei Menschen ein Problem. In Bezug zu einem Tier scheinen mir da vielfältigste Möglichkeiten für Fehldeutungen gegeben - auch wenn ich nicht grundsätzlich bezweifele, dass Tiere komplexe Empfindungen haben können, bleibt die Frage ihrer Deutung.

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 01:03
von janw
Zitat von Lykurg:Die einführende Bemerkung zu schwarz und weiß bei der Mohnblüte aus Bienensicht finde ich fragwürdig dargestellt. Filtern Wolken UV-Licht so effektiv, daß im Restlicht das sichtbare Spektrum überwiegt, Bienen also im Nachteil sind und nur bei Sonne richtig gut sammeln können?

Der Beitrag stammt von einem Journalisten(n), noch dazu einem von Springer, was will man da erwarten^^
Wolken filtern UV-Licht, je dichter, desto mehr. An einem Tag mit ziehenden weißen oder hellgrauen Wolken dürfte das aber aufgrund des Streulichts kein Problem für die Bienen sein, deren Problem ist eher die bei starker Bewälkung herrschende Abkühlung, der oft stärkere Wind, Niederschlag als Flughindernis und letztlich die Tatsache, daß nicht wenige Blumen bei Lichtentzug die Blüten schließen.
Honigbienen sind hier offenbar empfindlicher als Wildbienen.
Beim Mohn spielt die dunkle Blütenmitte eine wichtige Rolle, da sie UV-Licht reflektiert und damit die Bienen zu den dort befindlichen Staubbeuteln und der Narbe lockt.

Zitat von Ipsissimus:Was mich in dem Kontext auch interessiert ist die Frage der Entsprechung menschlicher und tierischer Emotionen. Auch Tiere zeigen Angst, Wut, Zuneigung usw., aber wie weit lassen diese Gefühlslagen eines Tieres sich mit den analog bezeichneten Gefühlslagen eines Menschen vergleichen. Bedeuten sie für das Tier dasselbe? Und sind Tiere nur "vitaler" oder auch komplexer Emotionen fähig, die nichts mit dem aktuellen Körperstatus zu tun haben? Können Tiere z.B. "Zukunftsangst" entwickeln?

Man müsste sie fragen^^
Man könnte denken, daß die Fähigkeit zu Emotionen eine Leistung des Gehirns darstellt und insofern Teil des evolutiv erworbenen Merkmalspaketes der betreffenden Art ist. Andererseits sind Emotionen wohl Emergenzen der Hirntätigkeit und könnten insofern losgelöst von evolutiven Prozessen bei allen Lebewesen auftreten, deren Hirn eine hinreichende Leistungsfähigkeit aufweist.
Vielleicht morgen mehr dazu.

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 10:42
von Ipsissimus
Andererseits sind Emotionen wohl Emergenzen der Hirntätigkeit und könnten insofern losgelöst von evolutiven Prozessen bei allen Lebewesen auftreten, deren Hirn eine hinreichende Leistungsfähigkeit aufweist.


Teilweise ist das wohl so. Andererseits wissen wir, dass Emotionen jede Menge mit der Ausschüttung von Hormonen zu tun haben, also auf objektive, nichtemergente Funktionen des Körpers zurück gehen. Da auch Tiere über ein Hormonsystem verfügen, scheint es mir plausibel, dass es eine Schnittmenge gemeinsamer Emotionen gibt, auch wenn vielleicht deren Erlebnisqualitäten unterschiedlich sind - sind sie ja schon von Mensch zu Mensch.

Allerdings gibt es eben beim Menschen Emotionen, die aus der Überlagerung von primären Gefühlen mit intellektuellen Inhalten resultieren, die genannte Zukunftsangst wäre so eine Emotion. So etwas hat Voraussetzungen, z.B. muss es schon mal ein Konzept von Zukunft geben. Die Frage bleibt bestehen, tritt diese letztere Art von Emotionen auch bei Tieren auf?

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 11:23
von janw
Zitat von Ipsissmus:Teilweise ist das wohl so. Andererseits wissen wir, dass Emotionen jede Menge mit der Ausschüttung von Hormonen zu tun haben, also auf objektive, nichtemergente Funktionen des Körpers zurück gehen. Da auch Tiere über ein Hormonsystem verfügen, scheint es mir plausibel, dass es eine Schnittmenge gemeinsamer Emotionen gibt, auch wenn vielleicht deren Erlebnisqualitäten unterschiedlich sind - sind sie ja schon von Mensch zu Mensch.

Das ist für mich die Frage. Die Stresshormone sind Teil des vegetativen Systems und könnten quasi reflektorisch ausgeschüttet werden. Die damit assoziierten Emotionen könnten damit erst nachgelagert entstehen bzw. bewusst werden, so wie ja auch die Bewusstwerdung eines Reflexes nach der entsprechenden Reflexreaktion erfolgt.

Allerdings gibt es eben beim Menschen Emotionen, die aus der Überlagerung von primären Gefühlen mit intellektuellen Inhalten resultieren, die genannte Zukunftsangst wäre so eine Emotion. So etwas hat Voraussetzungen, z.B. muss es schon mal ein Konzept von Zukunft geben. Die Frage bleibt bestehen, tritt diese letztere Art von Emotionen auch bei Tieren auf?

Ich denke, diese Emotionen erfordern ein Gedächtnis, dessen Inhalte reflektiert werden, und ein Konzept von Zeitlichkeit.
Mit Emotionen verknüpftes Gedächtnis ist bei einigen Säugetieren anzunehmen, Elefanten, Wale und Menschenaffen sind Kandidaten. Man muss dabei aber denke ich aufpassen, dies nicht mit Konditionierung zu verwechseln, wie sie bei Hunden bekannt ist.
Ob diese Arten ein Konzept von Zeitlichkeit besitzen, das die Zukunft einbezieht, bin ich, bis auf vielleicht Menschenaffen, skeptisch.

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 12:10
von Ipsissimus
Die damit assoziierten Emotionen könnten damit erst nachgelagert entstehen bzw. bewusst werden


das ist wohl so, macht aber für die unmittelbare Erlebnisqualität keinen so großen Unterschied, oder? Wir empfinden ja nicht unmittelbar, dass in uns Hormone ausgeschüttet werden, wir erkennen das an deren Signatur, den Emotionen. Für das Wachbewusstsein fällt das also zusammen. So viel anders wird das bei Tieren auch nicht sein.

Deine Skepsis hinsichtlich Zukunftsbewusstheit teile ich, auch wenn es Spekulation bleibt. Andererseits ist von vielen Tieren bekannt, dass sie ihren bevorstehenden Tod über eine gewisse Zeit voraus ahnen und sich zurück ziehen. Möglicherweise ist das ein rudimentäres Zukunftsbewusstsein. Das Vermaledeite daran ist eben, dass wir nicht an die Bewusstseinsinhalte der Tiere herankommen.

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 15:51
von janw
Zitat von Ipsissimus:das ist wohl so, macht aber für die unmittelbare Erlebnisqualität keinen so großen Unterschied, oder? Wir empfinden ja nicht unmittelbar, dass in uns Hormone ausgeschüttet werden, wir erkennen das an deren Signatur, den Emotionen. Für das Wachbewusstsein fällt das also zusammen. So viel anders wird das bei Tieren auch nicht sein.

Die Frage ist, welchen zusätzlichen Nutzen es ergibt, die körperliche Reaktion auch noch bewusst werden zu lassen.

Deine Skepsis hinsichtlich Zukunftsbewusstheit teile ich, auch wenn es Spekulation bleibt. Andererseits ist von vielen Tieren bekannt, dass sie ihren bevorstehenden Tod über eine gewisse Zeit voraus ahnen und sich zurück ziehen. Möglicherweise ist das ein rudimentäres Zukunftsbewusstsein. Das Vermaledeite daran ist eben, dass wir nicht an die Bewusstseinsinhalte der Tiere herankommen.

Welche Tiere, und ahnen sie wirklich ihren Tod voraus?
Bei Elefanten ist irgendwann das Gebiss abgeschliffen, weshalb sie auf der Suche nach weicher Kost in die Sümpfe gehen...

BeitragVerfasst: Mo 23. Jul 2012, 22:25
von Maglor
Die Gefühle der Tiere sind schwer zu durchschauen.
Zu den besonderen Merkwürdigkeiten gehört, dass Katzen und Hunde eine dem Menschen scheinbar verständliche sprache erlernt haben.
Wölfe bellen nicht, sie haben es nicht nötig eine dem Menschen verständliche Laute von sich zu geben.
Ebenso haben sich Katzen das Miauen und Schnurren angewöhnt. Wie sie den Schnur-Laut erzeugen ist allerdings ein Rätsel der Wissenschaft. Wilde Katzen verständigen sich ausschließlich über Duftstoffe. Beachtlich ist hier noch die Zwei- oder Eindeutigkeit der Kommunikation, in der die Katze Gesten und Laute des Jungtiers oder eines rolligen Sexualpartners nachahmt und so um den Menschen wirbt.

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 01:20
von Lykurg
Zitat von janw:Welche Tiere, und ahnen sie wirklich ihren Tod voraus?
Gerade "Draußenkatzen" ziehen sich wohl, wenn sie die Möglichkeit haben, zum Sterben in den Wald zurück.

Aber ja, dieser Spracherwerb ist zu beobachten, natürlich auch mimisch-gestisch, das 'Betteln' zum Beispiel. Diese Anpassung der Tiere dürfte ein wesentlicher Grund für das 'Erfolgsmodell Haustier' sein.

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 09:25
von Ipsissimus
wobei speziell bzgl. Hunden wohl auch diskutiert wird, dass nicht sie die gezähmte Spezies sind^^

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 11:12
von Milena
..was Maglor und Lykurg schreiben, kann ich eindeutig bestätigen...
meine katze hat eine sprache angenommen, entwickelt, wie auch immer, um mit mir in verbindung zu treten...
ich werde das nie vergessen, als sie mich miauend vor die balkontür geführt hat und dort mich angeschaut hat und ganz laut miaut hat, was heissen sollte, mach mir endlich die balkontür auf....^^ das war so unmissverständlich...
aber auch leisere momente der sprache konnten verstanden werden, wenn man genau hingeschaut hat...
ich denke tierbesitzer nehmen eine besondere haltung dessen ein...sie schauen und hören genauer hin...die tiere ebenso...und mit der zeit sind sie beide aufeinander eingespielt in ihren gesten und in ihrer sprache und dessen deutung....

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 11:20
von Ipsissimus
wobei ich mich wirklich frage, Schatzel, ob es sich dabei um eine Sprache handelt oder um eine Form von Empathie, die sich aus der langjährigen Kenntnis und Vertrautheit der gegenseitigen Reaktionen entwickelt hat.

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 11:52
von Milena
...ist sprache nicht auch eine form von empathie?^^
sprache der menschen ist oft sowas von überflüssig, gar störend..wären wir mehr auf die körpersprache und mimik aus bzw würden wir mehr darauf
achten....

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 12:10
von Ipsissimus
na ja, ich würde Symbolsprache nicht gar zu sehr gering schätzen^^ ohne Symbolsprache kein Internet, wir hätten uns nie kennen gelernt, keine Bücher, kein Fernsehen, keine Zeitungen, keine Fahrpläne - es wäre eine völlig andere Welt

Sprache und Empathie halte ich eher für echte Kompartimente, sprich, sie ergänzen sich, haben aber jedes für sich Bereiche, in denen das jeweils andere nichts leistet.

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 12:45
von Milena
..ich meinte das jetzt nicht großflächig, da ist es schon klar, dass es notwendig ist..
ich meinte eher so im dialog, im tieferen, im stilleren zueinander...^^

BeitragVerfasst: Di 24. Jul 2012, 13:27
von janw
Zitat von Lykurg:Gerade "Draußenkatzen" ziehen sich wohl, wenn sie die Möglichkeit haben, zum Sterben in den Wald zurück.

Nur, daß ich das "zum Sterben" für anthropomorph gedacht halte. Es setzt ein Konzept vom Leben an sich und von dessen Endlichkeit und vom Tod als beendendem Ereignis voraus, das ich bei Katzen und sehr vielen anderen Tieren für nicht gegeben ansehe.
Ich denke, sie ziehen sich zurück, weil sie sich nicht gut fühlen. Wenn sie sich wieder besser fühlen, kommen sie wieder. Wenn es nicht besser geworden ist, bleiben sie dort.

Aber ja, dieser Spracherwerb ist zu beobachten, natürlich auch mimisch-gestisch, das 'Betteln' zum Beispiel. Diese Anpassung der Tiere dürfte ein wesentlicher Grund für das 'Erfolgsmodell Haustier' sein.

Das ist IMHO eines der letzten Geheimnisse der Domestikationsgeschichte.
Man weiß mittlerweile, daß es bestimmte Hirnareale gibt, die bei der Domestikation eine Rolle spielen, und die z.B. beim Pferd vorhanden sind und entsprechend funktionieren, beim sehr nah verwandten Zebra jedoch nicht. Iirc hat man es wohl sogar schon auf eine genetische Ursache zurückgeführt, ein Gen, das an- oder abgeschaltet ist oder in aktiven oder deaktivierten DNA-Bereichen lokalisiert ist.
Wie es dann zum Bellen des Hundes kam, wäre zu ergründen. Hier wäre wohl der Afrikanische Wildhund einzubeziehen. Bei der Katze müsste man als älteste Vorfahrin die Afrikanische Falbkatze heranziehen.

Vielleicht ist es hier in der Kontaktzone Mensch-Wildtier zu einer Mutation gekommen, die zur Zuchtwahl durch den Menschen geführt hat.