Vegetarier sind auch Mörder

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Ipsissimus
Dämmerung
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Do 30. Jan 2014, 12:12 - Beitrag #1

Vegetarier sind auch Mörder


blobbfish
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Do 30. Jan 2014, 13:14 - Beitrag #2

Der Herr ist doch noch glimpflich davon gekommen, immerhin lässt er insbesondere in seinen Nachträgen ja auch kaum eine Gelegenheit aus, seine Leser zu beleidigen (jaja, ich weiß, geht nur gegen die, die seinen Text eh nicht lesen).

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 30. Jan 2014, 13:26 - Beitrag #3

ist das, was er schreibt, sachlich korrekt?

e-noon
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Do 30. Jan 2014, 14:53 - Beitrag #4

Ach Gottchen, hier auch noch mal.

Der Artikel/Blog nervt mich sehr. Er ist ziemlich provokativ geschrieben; allein schon die Einleitung "wer es sich so einfach macht..." ist einfach nur ätzend, wenn man weiß, wie viel Umstellung Vegetarismus und vor allem Veganismus bedeutet.
Dass Weidehaltung in Australien oder Amerika ein probates Mittel sein mag (was aber das Problem der Massenschlachtung nicht löst), wäre zu beweisen - in Ländern mit weniger unbewohnter Ackerfläche könnte man damit nie den Bedarf stillen, insbesondere, wenn der Artikel sogar in die Richtung geht, wieder MEHR Fleisch zu essen. Er schafft also eine scheinbare Alternative zum Vegetarismus, die aber eben nur funktioniert, solange sich NICHT viele dafür entscheiden.
Dann spricht er von den Umweltschäden und den armen Mäuschen, die bei der Umwandlung von Brachland in Ackerland draufgehen. Dabei ignoriert er meiner Ansicht nach, dass die allermeisten Ackerflächen schon lange bestehen - wenn da also einmal Acker ist, kann man nichts daran ändern, dass irgendwann kleine Mäusebabies, nach ihren Müttern singend (!) (der lässt nichts aus), qualvoll verhungert sind, was definitiv nicht in Ordnung ist, dann ist das jetzt auch schon Jahrzehnte her und es spricht vom Tierschutz her nichts dagegen, jetzt Pflanzen anzubauen. Dass das kein gesundes Ökosystem ist, ist klar. Aber darum geht es ja hier nicht, sondern darum, dass keine Tiere geschädigt werden, und das ist, denke ich, bei den meisten schon existierenden Ackerflächen der Fall. Pestizide sind vielleicht auch direkt schädlich für die Lebewesen, die dort leben - dann sollte man gegen Pestizide vorgehen und nicht gegen Ackerflächen. Und dass die Mäusebabies von Raubtieren gefressen werden - mal ehrlich, was hätte die Muttermaus, die vom bösen Bauern getötet wurde, denn tun sollen, wenn auf einmal ein Kater oder ein Fuchs vor dem Nest steht!??

Ganz schlimm finde ich dann das hier:
Veganismus bezieht sich in der Regel nur auf fühlende Wesen. Eine oft bequeme, jedoch willkürlich gezogene Grenze, um letztlich beispielsweise zu Heuschrecken als Nahrungsquelle greifen zu können – dies schließt freilich auch Milchsäurebakterien aus fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut ein.
(Quelle: Urgeschmack)

Natürlich bezieht sich Veganismus auf fühlende Wesen - der Plan ist schließlich, unnötiges Leid zu verhindern. Bakteriensterben hingegen KANN MAN NICHT VERHINDERN. Da sterben beim Zähneputzen sicher mehr, als beim Essen von Milchsäurebakterien aus fermentierten Lebensmitteln. Und wenn man davon ausgeht, dass Bakterien schützenswertes Leben sind, kann man sich eigentlich gleich hinlegen und sterben - dass hingegen Kühe, Schafe und Schweine fühlende und intelligente Lebewesen sind, ist unmittelbar einsichtig.

Das Fazit, lokal zu essen, ist so einsichtig, dass es sehr schwer zu verstehen ist, warum er so einen provokanten, rechthaberischen Artikel davorsetzt... aber der sympathischste scheint er auch nicht zu sein, an den Reaktionen zu sehen...

Maglor
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Do 30. Jan 2014, 15:16 - Beitrag #5

Die Einschätzung, dass die Haltung von Weidetieren im Freiland eher im Einklang mit der Natur ist als der Ackerbau, ist insoweit richtig. Dass beim Bestellen der Felder die ein oder andere Maus und sicher auch mancher Wurm draufgeht, ist auch nicht mehr als eine Pointe, die höchstens Stadtkinder oder Jains erschrecken mag. Derartige Tiere dürften nicht nur bei dem Umwandlung von Brachland in Ackerland zu schaden kommen, sondern auch bei der jährlichen Feldbestellung.
Übrigens dürfte es auch bei der in Verbindung mit Viehhaltung üblichen Heuernte zu erhebliche Schäden kommen, manches Rehkitz oder Brutgelege findet sein Ende im Mähbalken.

Eine Alternative für Deutschland ist es nicht. Hier sind die meisten Flächen für den Ackerbau geeignet. Es gibt in Deutschland nicht genug Fläche um den vorhandenden Fleischhunger auf diese Weise zu stillen.

Allerdings ist es so, dass die extensive Haltung von Tieren keineswegs harmlos ist, sondern einen massiven Eingriff in das Ökosystem darstellt.
Überweidung ist eine der Hauptursache der Verwüstung ganzer Landstriche. Vor allem freiherumlaufende Ziegen und Schweine, die vom Mensch in die weite Welt gebracht wurden, sind für die Ausrottung etlicher Tier- und Pflanzenarten verantwortlich.
Auch in den Great-Plains. Da musste ja erst mal durch die Büffeljäger Tabula rasa geschaffen werden. In Neuseeland und Australien benötigten die Weidetiere nicht einmal die Hilfe menschlicher Jäger.

Lykurg
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Do 30. Jan 2014, 15:41 - Beitrag #6

Ihr habt es im Prinzip schon geschrieben - der Blogeintrag ist äußerst provokant formulierter und ärgerlicher Unsinn.
Er zieht sich hinter 'Weidehaltung' zurück, aber für wieviel Prozent des hierzulande verzehrten Fleisches (und Olschewski lebt doch wohl in Deutschland?) mag das gelten? Auch er selbst bezeichnet die Massentierhaltung mit Mais/Soja als falsch (da leiderzeugend und hochgradig ineffizient); dabei handelt es sich aber um den Löwenanteil des hierzulande verkauften und verzehrten Fleischs, und solange das so ist, braucht man seine These nicht zu diskutieren. Wer Fleisch verzehrt, setzt damit Tierleid zwingend voraus; daß beim Ackerbau Lebewesen leiden bzw. zu Schaden kommen läßt sich ebensowenig verhindern wie daß ein Kartoffellaster auch mal ein Kind überfährt. Das habe ich dann dennoch nicht gewollt, anders als der, der sich ein Steak in die Pfanne haut.

Übrigens legen die mir bekannten ethischen Vegetarier/Veganer meist auch Wert auf kontrolliert biologischen Anbau und lokale/regionale Herkunft, was hinsichtlich Pestizideinsatz etc. auch weniger Tierleid verursachen sollte als der Bevölkerungsdurchschnitt. Allerdings ließe sich gerade hinsichtlich regionaler Herkunft auch einwenden, daß es da Optimierung geben kann, etwa die Schiffsfracht Bananen aufgrund der schieren Masse nicht klimaschädlicher ist als per LKW herumkutschierte Orangen oder Äpfel (bzw. Schweine und Rinder); auch da ließe sich also sein mageres Ergebnis in Zweifel ziehen.

blobbfish
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Do 30. Jan 2014, 18:16 - Beitrag #7

Zitat von El noon:Dabei ignoriert er meiner Ansicht nach, dass die allermeisten Ackerflächen schon lange bestehen - wenn da also einmal Acker ist, kann man nichts daran ändern, dass irgendwann kleine Mäusebabies, nach ihren Müttern singend (!) (der lässt nichts aus), qualvoll verhungert sind, was definitiv nicht in Ordnung ist, dann ist das jetzt auch schon Jahrzehnte her und es spricht vom Tierschutz her nichts dagegen, jetzt Pflanzen anzubauen.

Liebe Leserin, lese den Beitrag doch bitte richtig durch. :D. Er behandelt doch konventionelle Landwirtschaft, wo Mäuse durch die Pestizide und Herbizide umkommen. Das ist auch eine ganz andere Klasse von Kollateralschaden als etwa im Bioanbau oder beim Ernten mit Sensen.

Regionalversorgung klingt gut, für eine konsequente Umsetzung müsste man aber Großstdädte verbieten oder Bananen nur mehr auf dem Fischmarkt verkaufen und - so ungern ich das formuliere - weit mehr Idealsimus an den Tag legen, als den einzelnen Verbraucher, respektive Bürger, in die (moralische) Pflicht zu nehmen. Ein Standardcontainer etwa auf den großen Maersk-Schiffen soll mit rund anderthalb bis zwei Litern Schiffsdiesel auf 100 Kilometern bewegt werden können, das ist auch nicht gerade klima- oder umweltfreundlich, besonders wenn man sich mal die Zusammensetzung des Schiffs'diesel' anschaut.

janw
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Fr 31. Jan 2014, 00:57 - Beitrag #8

In meinen Augen mag der Artikel von seiner Diktion her für manche provozierend wirken, ist aber inhaltlich nicht zu beanstanden.
Es stimmt, Anbauflächen für pflanzliche Lebensmittel sind mehr oder weniger ökologische Wüsten, auch im Bio-Anbau - ganz einfach, weil das Ertragsinteresse auf einem ganz kleinen Teil der Pflanze liegt, mal Blättern, öfters Wurzeln, meist Samen oder Früchten.
Diese soll die Pflanze besonders gut ausgeprägt und ohne Schäden hervorbringen.
Das kann sie nur, wenn sie möglichst frei von Konkurrenten ("Unkraut") gehalten wird und möglichst wenig andere Lebewesen ihr zu Leibe rücken.
Man muss also vor dem Anbau möglichst tabula rasa machen und dann ständig hacken und jäten und - töten. Gelbtafeln führen zum Untergang der darauf gelenkten Insekten. Will man in einem nassen Sommer Salat essen, muss man etwas gegen Schnecken tun, und seien es Bierfallen.
Oft genug, auch in Mitteleuropa, müssen erst ganze Ökosysteme zerstört werden, um pflanzliche Lebensmittel anbauen zu können, mit Absenkung des Grundwassers und Schädigung grundwasserbeeinflusster Böden.
Ein Schaf oder Rind kann hier dagegen den ganzen Aufwuchs einer Wiese in Fleisch oder Milch verwandeln, wobei nebenbei eine Fülle an Schmetterlingen, Heuschrecken, Vögeln und anderen Tieren einen Lebensraum erhält und ein naturnaher Wasserhaushalt erhalten wird.

Es geht dem Autor aber nicht darum, eine vorrangig tierische Ernährung zu propagieren - die würde, schon vom Platzbedarf her, und auch aus ernährungsphysiologischen Gründen (gesättigte Fette, Cholesterin) schnell an ihre Grenzen stoßen - sondern die vegetarische/vegane Ernährung hinsichtlich ihrer vorgeblichen moralischen und ökologischen Güte zu entzaubern.
Angemessenheit ist das, worauf der Artikel gedanklich hinaus läuft - Herstellung der Lebensmittel mit angemessenem Aufwand, und jeweils der Lebensmittel, die in dem Gebiet am besten herzustellen sind.

Ich empfinde das nicht als ärgerlichen Unsinn.

Ipsissimus
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Fr 31. Jan 2014, 10:46 - Beitrag #9

danke, Jan, ich dachte mir schon so was in der Art, war mir aber nicht sicher

Traitor
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Fr 31. Jan 2014, 11:14 - Beitrag #10

Weder völliger Unsinn, noch eine sachliche, runde, neutrale oder vollständige Darstellung. Jan, da ist durchaus inhaltlich eine Menge zu beanstanden. Wie Lykurg darstellt, fehlt völlig jede Abschätzung, wieviele Menschen (und bei welchem Konsumanteil) "extensive Tierhaltung" versorgen könnte. Ebenso fehlt - bis auf einen kurzen Exkurs, dass Standard-Bio auch nicht reicht - jede Diskussion extensiven Ackerbaus. Er erweckt, wenn auch nur durch Auslassungen, gezielt den Eindruck, 100%ige "Weidefleisch"-Ernährung sei eine, nein, DIE, gültige Alternative zu Industriefleischkonsum oder Industrieveganismus.

Wie Maglor anmerkt, ist zudem Beweidung an sich kein Heilmittel, sondern es muss schon sehr kleinskalige Beweidung sein. Und damit kann sie nur noch maximal eine umweltverträgliche Beiproduktion von Luxusnahrungsmitteln sein, kein ernsthafter Beitrag zur Grundversorgung.

Korrekt und meiner Einschätzung nach sogar trotz der albernen Provokativität auch in dieser Form nützlich ist der Artikel aber im Hinweis auf die Schädlichkeit industriellen Ackerbaus. Die Mäuschen (@e-noon: siehe blobbfish, da bezieht er sich durchaus auch auf Dauerzustände) sind mir dabei wesentlich weniger wichtig als die Ökosysteme insgesamt, Klima- und Wetterschädlichkeit und fortschreitende Vergiftung der Umwelt auch außerhalb der Anbaugebiete. Das ist zwar in keinster Weise etwas Neues, aber Wachrütteltexte können durchaus nützlich sein.

Letztlich fürchte ich, dass uns mittelfristig nichts anderes übrig bleibt, als den Basisanteil unserer Ernährung auf Algentankzucht umzustellen. Obwohl da noch einige, nicht nur Detail-, Fragen bei der technischen Umsetzung zu klären sind, ist es von der grundlegenden Energie-, Rohstoff- und Flächenbilanz her die einzige Option, die wirklich funktionieren kann. Dazu Fisch/Weichtiere/Krustentiere/Insekten (je nach Anlegen von Effizienz- und Empathieschwellen), ebenfalls aus optimierter Zucht in geschlossenen Systemen. Ackerfrüchte in auf die aktuell genutzten Flächen begrenztem (strengen) ökologischem Anbau, der dann eben nicht mehr so viel produziert wie aktuell, aber auch nicht mehr allein die Grundlast tragen muss. Und Fleisch höherer Tiere nur aus kleinskaliger Haltung und als Luxus.

Zitat von Lykurg:Übrigens legen die mir bekannten ethischen Vegetarier/Veganer meist auch Wert auf kontrolliert biologischen Anbau und lokale/regionale Herkunft
Diese dir bekannte Stichprobe kann anhand der Massen von Industrie-China-Tofu im Handel aber nicht repräsentativ sein.

Maglor
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Fr 31. Jan 2014, 14:17 - Beitrag #11

Zitat von janw:Ein Schaf oder Rind kann hier dagegen den ganzen Aufwuchs einer Wiese in Fleisch oder Milch verwandeln, wobei nebenbei eine Fülle an Schmetterlingen, Heuschrecken, Vögeln und anderen Tieren einen Lebensraum erhält und ein naturnaher Wasserhaushalt erhalten wird.

Da ist so ganz sicher falsch.
Eine Wiese ist kein Naturraum. Ohne regelmäßiges Mähen setzen sich sehr schnell unerwünschte Kräuter durch. Wenn ein paar Jahre lang nicht gemäht wird, besteht eine Wiese in Mitteleuropa nur noch aus Brennesseln, Disteln oder Johannes-Kreuz-Kraut. Das ist gewissermaßen natürliche Selektion. Die Pflanzen, die die Rinder nicht fressen, vermehren sich am besten und setzen sich durch, während die Rinder nur ins wohlschmeckende Gras beißen.
Mit Verbuschung ist auch zu rechnen. Gerne wird angenommen, dies könne durch bloße Beweidung verhindert werden, aber an Disteln und Dornen wagen sich die Ziegen erst, wenn der Rest schon kahl gefressen ist. Dieser Kahlschlag, als Folge der Überweidung, wird dann als Landschaftspflege zum Erhalt der Kulturlandschaft betrachtet. Die gleiche Methoden dürften an anderer Stelle zur Ausbreitung der Wüsten führen.
Naturnah ist da gar nichts.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Beweidung ist eher gering. Dadurch, dass die Weidetiere in der Regel nicht von dem Gras fressen, auf den sie ihre Haufen gelegt haben, wird nicht die gesamte Biomasse aufgefressen.
Von der Freilandhaltung von Milchvieh wird heute in der Regel abgesehen. Das wäre ja auch sehr arbeitsaufwendig. Ebenso findet die Bullenmast in aller Regel in Ställen statt, schon aus Sicherheitsgründen.

Ipsissimus
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Fr 31. Jan 2014, 16:02 - Beitrag #12

ich glaube, der Fokus der hiesigen Diskussion ist ein anderer als das Anliegen des Blogautoren. Die Diskussion hier ist mittlerweile zu einer Apologetik des Status quo geraten. Aber Olschewski geht es weder darum, alle Vegetarier oder Veganer wieder zu Fleischessern zu konvertieren, noch darum, alle Agrarflächen in Weideland umzuwandeln. Er zeigt im Prinzip - so verstehe ich ihn jedenfalls - dass es aufgrund der Anzahl der Menschen, die ernährt werden müssen, keine verallgemeinerbar ethisch und ernährungsphysiologisch vertretbaren Möglichkeiten mehr gibt, an Nahrung zu gelangen. Wo dies noch möglich ist, geht es zurück auf Zufälligkeiten der lokalen Gegebenheiten.

Damit tritt er natürlich jenen Vegetariern und Veganern auf die Füße, denen ihre Ernährungsweise als per se und unhinterfragbar ethisch überlegen gilt.

Lykurg
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Fr 31. Jan 2014, 16:43 - Beitrag #13

Daß die Diskussion hier einen anderen Verlauf nimmt, mag auch damit zusammenhängen, daß hier nicht der Autor selbst schreibt, keine Veganer antworten, und du seine ein wenig reißerische Überschrift "Verursachen Vegetarier mehr Blutvergießen als Fleischesser?" entschärft hast zu "Vegetarier sind auch Mörder" (hust). Die naheliegende Folge für mich war eine Argumentation, die zwischen fahrlässiger Tötung (seitens Vegetariern) und Mord (seitens Fleischessern) unterscheidet - da du es ja offenbar so wolltest, von selbst würde ich das nicht so ausdrücken. ;)

Das, was du ihm aber als Ergebnis zu entnehmen glaubst, ist meines Erachtens schlichtweg falsch, da bei Nahrungsproduktion über das 'Zwischenprodukt' Fleischvieh ein Vielfaches an Pflanzen und Wasser verbraucht wird wie für vegetarische Ernährung; verlautbarte Zahlen schwanken zwischen Faktor 10 und Faktor 25. Der Argumentation, daß Vieh in Freilandhaltung wesentlich schonender sei als monokulturelle Landwirtschaft, hat Maglor deutlich widersprochen, zudem bleibt, daß diese wenig praktiziert wird und auch schlichtweg nicht ausreichen würde, relevant zur Ernährung beizutragen (vgl. Traitor).

Die Argumentationskette, daß jeder Mensch gelegentlich den Tod von Tieren mitverschulde, daher also eine rein vegetarisch/vegane Lebensweise gar nicht möglich, also sinnlos, also falsch und gar nicht erst zu erstreben wäre, ist übrigens eine der ca. 10 regelmäßigen Blödbehauptungen, die man regelmäßig bis ständig zu hören bekommt, gleich nach "das ist doch ungesund" und "das ist doch nicht normal [das war doch noch nie so]". ;)

Traitor
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Fr 31. Jan 2014, 16:45 - Beitrag #14

Zitat von Ipsissimus:Die Diskussion hier ist mittlerweile zu einer Apologetik des Status quo geraten.
Das lese ich aus niemandes Beiträgen heraus. Bitte belegen.

Zitat von Ipsissimus:Er zeigt im Prinzip - so verstehe ich ihn jedenfalls - dass es aufgrund der Anzahl der Menschen, die ernährt werden müssen, keine verallgemeinerbar ethisch und ernährungsphysiologisch vertretbaren Möglichkeiten mehr gibt, an Nahrung zu gelangen.
Das schreibt er so als Fazit hin, ja. Der ganze Artikel irrt aber zwischen diesem Aspekt und der Weidefleisch-Werbung hin und her. Da braucht es nicht gerade notwendigerweise mangelndes Leseverständnis, um den zweiten Punkt als eigentliches Hauptanliegen herauszudestillieren.

Ein ganz, ganz böses Argumentationsstilmittel ist übrigens der Pseudoumgang mit Statistiken:
Zitat von Olscheswki:Ob sie nun besser oder schlechter als die Produktion tierischer Lebensmittel ist, sei dahingestellt. Statistikfans und -Verbieger mögen sich daran wund streiten, wobei die verfügbaren Zahlen eine eindeutige Sprache sprechen.
[...]
Wie ich im Artikel auch ausdrücklich schreibe, halte ich es für müßig die konkreten Zahlen auszudiskutieren.
Er muss also keine Zahlen diskutieren, das ist eine Aufgabe für "Verbieger". Aber natürlich sprechen die Zahlen trotzdem eine eindeutige Sprache, auch, ohne dass er sie dafür überhaupt diskutieren muss. Bitte?

Beim nochmaligen Lesen habe ich übrigens immerhin doch noch einen einzigen Satz, im Abschnitt vorm Fazit, zu nachhaltiger Pflanzerei bemerkt, der mir zuvor entgangen war:
Zitat von Olscheswki:Permakulturen und der Einsatz mehrjähriger Pflanzen zeigen, dass nachhaltige Ernährung auf Pflanzenbasis durchaus möglich ist.

Also doch kein komplettes Verschweigen, nur An-den-Rand-drängen. (Bindestriche nachträglich eingefügt, um Verwechslung mit den Grenzgebieten südamerikanischer Gebirge zu vermeiden. ;))

Ipsissimus
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Fr 31. Jan 2014, 16:46 - Beitrag #15

der Titel geht darauf zurück, dass ich erst die Besprechung in der Süddeutschen gelesen hatte^^

Ipsissimus
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Fr 31. Jan 2014, 16:52 - Beitrag #16

und der Weidefleisch-Werbung

die ich so nicht herausgelesen habe; vor allem in dem letzten Absatz vor seinem Fazit listet er auf, was er sich eigentlich vorstellt - die Berücksichtigung lokaler Gegenheiten

janw
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Sa 1. Feb 2014, 01:35 - Beitrag #17

Meine inhaltliche Beurteilung bezog sich weniger auf die statistischen Fakten als auf die Grundfeststellung, daß vegetarische bzw. vegane Ernährung keineswegs ohne tierische Kollateralschäden abgeht, und auf das im Fazit ausgedrückte Angemessenheitsparadigma.

Die Reaktionen in dem Blog wirken auf mich deutlich weltanschaulich getönt, Ernährung wird für manche zur Glaubenssache.

Zur Frage des Für und Wider von Ackerbau und Viehzucht mache ich mal einen getrennten thread auf.

Lykurg
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Sa 1. Feb 2014, 10:05 - Beitrag #18

janw, unsere Gesellschaft setzt Tierleid so zwingend und selbstverständlich voraus, daß Veganer tagtäglich "selbstverständliche" Dinge hinterfragen müssen. Undeklarierte tierische Zutaten in Etikettenkleber, in Medikamenten, teilweise natürlich auch in Nahrungsmitteln; Leder, Seide und Wolle allerorten erzwingen besondere Vorsicht und mainstreamabweichendes Verhalten. Das bezeichnen andere dann gern als Ideologie oder gar Pseudoreligion, tatsächlich ist es einfach nur Folge eines konsequenten ethischen Prinzips. Und der Rigorismus wird ja regelmäßig - gedanklich auch in diesem Blog, in dieser Diskussion und gerade jetzt von dir - komischerweise gerade von denjenigen Außenstehenden eingefordert, die für sich selbst keineswegs vergleichbares geltendmachen würden - und die 'weltanschauliche Tönung' wird dann gleich mit unterstellt, ohne die Menschen selbst zu kennen, die dahinterstehen.

Daß der Blogeintrag nervend, provokant, beleidigend und in seinen Aussagen fehlerhaft ist, haben hier ja bereits mehrere Nichtvegetarier festgestellt. Daß Veganer, die ein und dieselben Behauptungen in ihrem Leben bereits viele hundert, wenn nicht tausend Male gehört haben (durch das Zusammenleben mit einer Veganerin kann ich wirklich nicht mehr mitzählen, wie oft man von Außenstehenden ungefragt in solche Diskussionen verwickelt wird) darauf entsprechend gereizt reagieren, wenn man sie provozieren und als dumm darstellen will, finde ich nicht weiter verwunderlich. Komischerweise werden regelmäßig die Veganer aufgefordert, ihr Verhalten zu rechtfertigen; wenn sie es dann tun, wirft man ihnen Fanatismus vor. Oftmals hat man den Eindruck, daß die den Streit eröffnenden Fleischesser sich irgendwie angegriffen fühlen. Wovon eigentlich? Möglicherweise, der Eindruck liegt für mich zumindest nahe, von dem Gefühl eines unausgesprochenen Vorwurfs gegen sie, vielleicht sogar dem unbewußten Gefühl einer ethischen Minderwertigkeit der eigenen Position - die dann in verbaler Aggression sublimiert wird ("Was fällt dir ein, mir meine Lebensweise schlechtzumachen dadurch, daß du wagst, es anders zu machen.") Ein wenig mehr Toleranz wäre sehr angebracht.

Traitor
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Sa 1. Feb 2014, 13:05 - Beitrag #19

@Ipsissimus: Wie gesagt, das Fazit scheint mir nicht vollständig zum Artikel zu passen. Ich vermute aber, dass der durch nachträgliche Änderungen deutlich zerfasert ist. Die Ursprungsintention könnte also sogar eine andere gewesen sein als das, was man jetzt rausliest. Andererseits ist der Titel eben (dies auch @Jan) "Verursachen Vegetarier mehr Blutvergießen als Fleischesser?" und nicht "Ernährt euch bewusst, regional und extensiv!". Das ist für mich schon ein sehr starkes Anzeichen für die Hauptbotschaft.

@Jan: Dieses Für und Wider finde ich hier durchaus angemessen, da der sachlich nützliche Hinweis des Blogeintrags ("daß vegetarische bzw. vegane Ernährung keineswegs ohne tierische Kollateralschäden abgeht") ja eben ein solches Wider ist.

Antworten auf Lykurgs Interpretationshintergrundserklärung passen dagegen wohl besser in die alten Veganismus- und Vegetarismus-Threads.

Lykurg
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So 2. Feb 2014, 21:48 - Beitrag #20

Noch eine Randanmerkung zum Originalbeitrag:
Zitat von Urgeschmack:Veganismus bezieht sich in der Regel nur auf fühlende Wesen. Eine oft bequeme, jedoch willkürlich gezogene Grenze, um letztlich beispielsweise zu Heuschrecken als Nahrungsquelle greifen zu können [...] Sind Spinnen und Insekten wirklich gefühllos und ohne Bewusstsein?
Ich frage mich, wo er das herhat. Ich kenne zumindest keine Veganer, die Heuschrecken essen würden; sie essen ja auch keinen Honig. Wers ernstnimmt, nutzt auch kein Bienenwachs. - Spinnen setze ich vor die Tür; meine Freundin erschlägt auch keine Mücken (soweit gehe ich nicht, aber die Grenzen muß halt jeder für sich ziehen). -
Zu fragen wäre aber auch, was seine hochgelobten Weiderinder im Winter fressen - und ob er wirklich glaubt, daß ins gemähte Heu keine Mäuse und gehäckselte Kröten geraten sind. Im besten Fall wohlgemerkt, denn daß sie im Normalfall Soja kriegen, sollte ja klar sein.

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