Massengentests

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Ipsissimus
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Mo 17. Feb 2014, 15:10 - Beitrag #1

Massengentests


Lykurg
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Mo 17. Feb 2014, 15:42 - Beitrag #2

Nicht verweigern. Solange die Testergebnisse tatsächlich zeitnah vernichtet werden - oder aber eine Gesetzesänderung langfristige Speicherung erlaubt - halte ich es für sinnvoll und akzeptabel, sich an der Maßnahme zu beteiligen, um das Verdachtsfeld einzuschränken und damit die notwendige Arbeit der Ermittler zu erleichtern.

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Mo 17. Feb 2014, 15:46 - Beitrag #3

diese beiden Punkte werden ja gerade bezweifelt, Lykurg

Lykurg
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Mo 17. Feb 2014, 15:51 - Beitrag #4

Das habe ich gelesen, ja. - An dieser Stelle setzt halt institutionelles Vertrauen ein, gepaart mit der Forderung, daß ein unabhängiges Kontrollorgan ein Auge darauf haben möge, daß die Regeln eingehalten werden. Mit den diffusen Ängsten von ein paar befragten Kneipengängern kann ich allerdings, was das angeht, wenig anfangen.

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Mo 17. Feb 2014, 15:56 - Beitrag #5

na ja, 1700 von 3000 geladenen Gästen sind nicht gerade ein paar wenige verweigernde Kneipengänger^^ die werden nicht alle an dem Verbrechen beteiligt gewesen sein

Zwei Dinge frage ich mich: darf die Polizei das rein rechtlich und was erhofft sie sich davon? Dass alle bis auf einen kommen? Das wäre naiv. Und offenbar werden ja die, die sich verweigern, keiner gesteigerten Untersuchung ausgesetzt, das wäre vermutlich tatsächlich rechtswidrig.

Lykurg
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Mo 17. Feb 2014, 16:39 - Beitrag #6

Mögliche Gründe, warum man so zu einem Fahndungserfolg kommen könnte:

- Idiotie/Dreistigkeit: der Täter glaubt, sie hätten keine DNA-Spuren von ihm, nur von einem Komplizen oder irgendwas anderes.
[Kann sogar funktionieren, siehe Wattestäbchenphantom]
- Ähnlichkeit: Tests ergeben, daß es sich wahrscheinlich um einen Blutsverwandten eines Teilnehmers handelt. Ethische Grauzone, zugegebenermaßen - aber derjenige, der seine Probe abgibt, tut es in dem Wunsch, daß der Täter gefunden wird, unabhängig davon, wer es ist.
- Reduzierung der Komplexität: Wenn von 30 Verdächtigen durch den Test 13 relativ gesichert ausscheiden, macht das die Ermittlung schonmal deutlich einfacher. Ich she übrigens nicht recht, warum die intensivere Ermittlung bei Verweigerern - bzw. eine reduzierte Untersuchung der Entlasteten - nicht zuöässig sein sollte. Angenommen es verweigert sich nur ein Einzelner - darf der dann auch nur im Rahmen von gleichbehandelnden Serienüberlegungen miterwogen werden, ohne gezielte Ermittlung, Zeugenbefragung etc.? Finde ich ebenfalls schwierig.

Ipsissimus
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Mo 17. Feb 2014, 17:22 - Beitrag #7

na ja, du gehst wahrscheinlich stärker als ich davon aus, dass unsere Ermittlungsbehörden ein Muster an Rechtsstaatlichkeit sind, oder vielleicht sogar umgekehrt, dass alles, was unsere Ermittlungsbehörden sich erlauben, als rechtsstaatlich aufgefasst werden muss. Dieses Vertrauen hege ich bekanntermaßen nicht. Daher würde ich an das Verhalten von Staaten und Organisationen deutlich höhere formale Ansprüche anlegen als an individuelles Verhalten (sofern es nicht in Organsationen eingebunden ist).

Ich she übrigens nicht recht, warum die intensivere Ermittlung bei Verweigerern - bzw. eine reduzierte Untersuchung der Entlasteten - nicht zuöässig sein sollte.

Weil es - was die Frage war - verboten ist? Weil es verboten ist, damit es nicht in Willkür und reine Ermessensentscheide ausartet, denen die Rechtsstaatlichkeit scheißegal ist? Zumindest wirken die Tests vor dem Hintergrund der unmittelbaren Folgenlosigkeit bei Nichterscheinen nicht sonderlich legitimiert, sowas würden sie nicht auf sich beruhen lassen, wenn sie eine gesetzliche Handhabe hätten. Das Nichterscheinen begründet offenbar formal keinen Anfangsverdacht. Blieben noch Idiotie des/der Täter und der Aspekt der Blutsverwandtschaft, einverstanden. Aber ob das schwer genug wiegt, die Grenzüberschreitung zu legitimieren?

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Mo 17. Feb 2014, 17:33 - Beitrag #8

Zitat von Ihro Gnaden Don Lykurgo:Ethische Grauzone, zugegebenermaßen - aber derjenige, der seine Probe abgibt, tut es in dem Wunsch, daß der Täter gefunden wird, unabhängig davon, wer es ist.

Was aber auch nur ein rudimentäres Interesse sein kann; der Wunsch aus dem Blickfeld der Ermittler zu geraten kann auch ein Antrieb sein. Ein sozialer Zwang mag aber auch ein Motiv sein: Freunde oder Familie könnten auf die Idee kommen, man möchte etwas verheimlichen.

Zitat von Ihro Gnaden Don Lykurgo:Angenommen es verweigert sich nur ein Einzelner - darf der dann auch nur im Rahmen von gleichbehandelnden Serienüberlegungen miterwogen werden, ohne gezielte Ermittlung, Zeugenbefragung etc.? Finde ich ebenfalls schwierig.

Prinzipiell spricht nichts dagegen, wenn er von der Polizei als tatverdächtig gilt sofern seine Unschuld nicht ausgeschlossen werden kann. Gerade im Falle eines Bekanntwerdens von (wenigen) Verweigerern sind aber tragische Einzelschicksale nicht ausgeschlossen. Ist aber nun tatsächlich verboten oder eine Mutmaßung, Donna Ipsissima?

Darauf aufbauend stellt sich auch die Frage, ob sich nicht Situationen ergeben, in denen statt Schuld (seitens der Polizei) nachzuweisen, es erforderlich ist, seine Unschuld nachzuweisen.

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Di 18. Feb 2014, 11:08 - Beitrag #9

Es ist eine Vermutung, fish, allerdings eine plausible. Es gibt formale gesetzliche Kriterien dafür, was einen "Anfangsverdacht" ausmacht, der es erlaubt, bei Offizialdelikten gegen Verdächtige vorzugehen. Wenn diese Kriterien durch das Fernbleiben von einem freiwilligen DNA-Test erfüllt wären, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Polizei danach untätig bliebe.

Und der Umstand, dass die DNA-Proben bzw. die ermittelte genetische Signatur offenbar nicht vernichtet werden, sondern lediglich "versichert" wird, dass sie niemals nie nicht nie wieder verwendet werden, scheint mir in Zeiten allgegenwärtiger Überwachung ein zusätzliches valides Argument gegen die freiwillige Beteiligung zu sein. Nur die allerdümmsten Kälber lecken ihren Metzgern auch noch die Hand.

Darauf aufbauend stellt sich auch die Frage, ob sich nicht Situationen ergeben, in denen statt Schuld (seitens der Polizei) nachzuweisen, es erforderlich ist, seine Unschuld nachzuweisen.

Das nennt sich "Beweislastumkehr" und kommt in Deutschland nur zivilrechtlich in bestimmten Fällen bei Produkthaftung und ärztlicher Haftung zu tragen. Für die Strafgesetzgebung wird es immer mal wieder gefordert, aber ich bin wirklich dankbar, dass sich Karlsruhe immer wieder gegen diese Tretmine gesperrt hat. Nicht auszudenken, wenn jede Schuldbehauptung bereits als Schuldbeweis gewertet wird, solange man seine Unschuld nicht eindeutig beweisen kann. Wer ist schon rund um die Uhr videoüberwacht oder lückenlos in Gegenwart anderer Personen, die sich auch an ihn erinnern? Und wer wollte es sein? Beweise mal, dass du nachts alleine geschlafen hast. Und selbst wenn jemand neben dir liegt, beweise, dass du nicht unbemerkt für eine Stunde weg warst.

janw
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Di 18. Feb 2014, 22:03 - Beitrag #10

Zuerst mal die Rechtsgrundlage:
Zitat von dejure.org:§ 81h StPO

(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist, dürfen Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit ihrer schriftlichen Einwilligung
1. Körperzellen entnommen,
2. diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts molekulargenetisch untersucht und
3. die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert abgeglichen werden,

soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von diesen Personen stammt, und die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.

(2) Eine Maßnahme nach Absatz 1 bedarf der gerichtlichen Anordnung. Diese ergeht schriftlich. Sie muss die betroffenen Personen anhand bestimmter Prüfungsmerkmale bezeichnen und ist zu begründen. Einer vorherigen Anhörung der betroffenen Personen bedarf es nicht. Die Entscheidung, mit der die Maßnahme angeordnet wird, ist nicht anfechtbar.

(3) Für die Durchführung der Maßnahme gelten § 81f Abs. 2 und § 81g Abs. 2 entsprechend. Soweit die Aufzeichnungen über die durch die Maßnahme festgestellten DNA-Identifizierungsmuster zur Aufklärung des Verbrechens nicht mehr erforderlich sind, sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren.

(4) Die betroffenen Personen sind schriftlich darüber zu belehren, dass die Maßnahme nur mit ihrer Einwilligung durchgeführt werden darf. Hierbei sind sie auch darauf hinzuweisen, dass
1. die entnommenen Körperzellen ausschließlich für die Untersuchung nach Absatz 1 verwendet und unverzüglich vernichtet werden, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind, und
2. die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster nicht zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren beim Bundeskriminalamt gespeichert werden.


Das heißt, es muss zuerst ein hinreichender Verdacht einer Straftat gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung einer Person bestehen.
Dann müssen bestimmte Prüfungsmerkmale bestehen, die vermutlich auf den Täter zutreffen (welche in diesem Zusammenhang genetischer Natur sein müssen).
Personen, auf die diese Prüfungsmerkmale zutreffen, dürfen auf gerichtliche Anordnung um die Abgabe einer genetischen Probe gebeten werden.
Hierbei müssen sie darüber aufgeklärt werden, daß sie diese Probe nur freiwillig abgeben dürfen, daß die Probe nur für den in Rede stehenden Fall verwendet wird und danach vernichtet wird und daß die genetische Signatur nicht gespeichert und/oder in etwaigen anderen Strafverfahren verwendet wird.
Die Informationen aus dem Test müssen am Ende gelöscht und die Löschung dokumentiert werden.

Man kann also als Person, die offenbar bestimmte Suchkriterien erfüllt, mit dem Fall aber nichts zu tun hat, sich aus den weiteren Ermittlungen heraus halten, indem man an dem Test teilnimmt - die kleine Möglichkeit einer doppelt vorkommenden Tätersignatur mal ausgelassen.
Wenn man den Test verweigert, bleibt man naturgemäß weiter im Suchfeld, so lange dieses nicht durch weitere Erkenntnisse verändert wird und man damit herausfällt.

In dem vorliegenden Falle wurde offenbar die spätere Löschung der Daten nicht hinreichend deutlich gemacht, oder die befragten Leute haben dies nicht richtig wiedergegeben.

Was würde ich machen?
Viele Fälle sind so furchtbar, daß man den Opfern eine schnelle Aufklärung wünschen kann, und wenn der Test dazu beitragen kann, warum nicht?
Andererseits sind bestimmte Vorgänge wie z.B. bei der Staatsanwaltschaft Hannover nicht unbedingt geeignet, Vertrauen zu säen, daß mit den Daten richtig umgegangen wird.
Von daher würde ich es wohl vom Fall abhängig machen.

Ipsissimus
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Mi 19. Feb 2014, 11:07 - Beitrag #11

okay, eine gewisse Rechtsgrundlage existiert somit; für mein Empfinden ist darin aber schon eine gewisse Schizophrenie angelegt: die Aufforderung darf ergehen, die Befolgung ist aber freiwillig und Konsequenzen der Nichtbefolgung gibt es nicht, zumindest nicht nach Maßgabe des Gesetzes.

Der Knackpunkt ist m.E. in Punkt 1
Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen
Da fragt mensch sich natürlich, woher die Polizei weiß, welche Prüfungsmerkmale vermutlich erfüllt sind, wenn gar kein Täter bekannt ist.

Viele Fälle sind so furchtbar, daß man den Opfern eine schnelle Aufklärung wünschen kann, und wenn der Test dazu beitragen kann, warum nicht?

Na ja, ich gehe mal davon aus, dass die meisten Menschen wissen, ob sie eine Entführung mit Mord begangen haben oder nicht. Und wenn ich weiß, dass ich das nicht getan habe, brauche ich das auch nicht wirklich zu beweisen, solange ich nicht konkret unter falschen Verdacht gerate. Und sobald das geschieht, wird meine DNA ohnehin getestet. Auf jeden Fall aber schon ganz schön fürsorglich von den Ermittlern, allen Leuten die Möglichkeit zu geben, sich aus dem Ermittlungsfeld auszuklinken, wo sie doch gar nicht verdächtigt werden.

Der erhoffte Erkenntnisgewinn für die Ermittler ist auch nicht so gewaltig, wie es sich anhört. Was machen sie, wenn sie alle 3000 Leute überprüft haben und keiner der Mörder ist? Dumm gucken.

na ja, egal^^ ist wohl eine Vertrauenssache^^

janw
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Mi 19. Feb 2014, 11:55 - Beitrag #12

Zitat von Ipsissmus:Da fragt mensch sich natürlich, woher die Polizei weiß, welche Prüfungsmerkmale vermutlich erfüllt sind, wenn gar kein Täter bekannt ist.

Prüfungsmerkmale sind Täterspuren. Vergewaltigte Frau erinnert sich, daß der Täter im roten Corolla angerauscht kam, mit BQ im Kennzeichen.
Dann wird man alle möglichen Fahrer eines roten Corolla mit BQ ins Visier nehmen und zum Test bitten.

Na ja, ich gehe mal davon aus, dass die meisten Menschen wissen, ob sie eine Entführung mit Mord begangen haben oder nicht. Und wenn ich weiß, dass ich das nicht getan habe, brauche ich das auch nicht wirklich zu beweisen, solange ich nicht konkret unter falschen Verdacht gerate. Und sobald das geschieht, wird meine DNA ohnehin getestet. Auf jeden Fall aber schon ganz schön fürsorglich von den Ermittlern, allen Leuten die Möglichkeit zu geben, sich aus dem Ermittlungsfeld auszuklinken, wo sie doch gar nicht verdächtigt werden.

Je schneller das Feld eingeengt werden kann, umso eher kann man den Täter eingrenzen, und ihn damit vielleicht auch schneller finden.
Gerade bei solchen Taten, wo Opfer weitere Übergriffe der noch frei herumlaufenden Täter fürchten, nicht ohne Reiz.

Der erhoffte Erkenntnisgewinn für die Ermittler ist auch nicht so gewaltig, wie es sich anhört. Was machen sie, wenn sie alle 3000 Leute überprüft haben und keiner der Mörder ist? Dumm gucken.

Nun, dann wissen sie, daß die verfolgte Spur falsch war. Vielleicht gibt es eine andere.

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Mi 19. Feb 2014, 12:15 - Beitrag #13

Zum Beispiel männlich und so grob zwischen 15 und 65. Darüber hinaus wohl Angaben zu Haut-, Haar- und Augenfarbe und eventuell sogar ungefähre Körpergröße?

Und natürlich ist es ein wichtiges Ergebnis, wenn man die 3000 Leute, die zuerst verdächtigt wurden, mit großer Sicherheit ausschließen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß ein Großteil der Vergewaltigungen in der mittelbaren Nachbarschaft verübt werden; wenn man aber das Wohnumfeld ausschließen kann, verändert das sowohl den Charakter der Ermittlungen massiv, als auch das Sicherheitsempfinden innerhalb des Ortes, die permanente gegenseitige Verdächtigung kann dann aufhören.

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Mi 19. Feb 2014, 14:18 - Beitrag #14

Prüfungsmerkmale sind Täterspuren. Vergewaltigte Frau erinnert sich, daß der Täter im roten Corolla angerauscht kam, mit BQ im Kennzeichen. Dann wird man alle möglichen Fahrer eines roten Corolla mit BQ ins Visier nehmen und zum Test bitten.

Das ist aber eine etwas andere Situation, nämlich die eines gezielten, konkreten Verdachts mit überlebendem Opfer, also auch vorhandener Zeugin. Normale Ermittler-Tätigkeit. Wieviele rote Corollas wird es in BQ schon geben? Keine Notwendigkeit zu Massengentests, sondern Überprüfung konkreter Verdachtsmomente. Einfache Gegenüberstellung.

Das ist nämlich die Gefahr bei Massentests. Man gießt einfach das große Regenfass über alle aus und nimmt in Kauf, dass die zarten Pflänzchen der Bürgerrechte mit ersäuft werden, statt geeignetere kleinere Kannen zu verwenden.

Je schneller das Feld eingeengt werden kann, umso eher kann man den Täter eingrenzen

Sofern der Täter im ursprünglichen Feld enthalten ist. Und: Das ist die Ermittler-Perspektive. Das beantwortet die Frage nicht, warum ich als Einzelner, der ich weiß, dass ich mit dem Fall nichts zu tun habe, diese Perspektive einnehmen und dabei meine Bürgerrechte in den Wind schießen soll, die ohnehin überall angeknabbert werden, mit unendlich vielen angeblich guten Gründen.


Nun, dann wissen sie, daß die verfolgte Spur falsch war. Vielleicht gibt es eine andere.

Gleiches Problem. Ich weiß ja, dass die verfolgte Spur in Bezug auf mich falsch ist. Sie brauchen also nur meiner Aussage zu glauben. Auch keine größere Zumutung, als mich einem Massengentest zu unterziehen.

Nee, das ist einfach nur Klopfen im Busch.


Lykurg, ich glaube, in England würde es dir derzeit gut gefallen^^

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Mi 19. Feb 2014, 18:34 - Beitrag #15

Ich glaube nicht, Ipsissimus. Dort gehen die entsprechenden Entwicklungen insbesondere hinsichtlich staatlicher Überwachung deutlich weiter, als ich es gutheißen könnte.

Andererseits frage ich mich schon ein bißchen, warum eine eherne Grenze bestehen soll zwischen meinem Äußeren, das etwa in Form von Fotos gespeichert und zu Fahndungszwecken eingesetzt werden kann, meinem Fingerabdruck, für den letztlich dasselbe gilt, und den genetischen Informationen, die unter keinen Umständen länger verwahrt werden sollen (von mißbräuchlicher Nutzung einmal abgesehen; auch mein Foto ließe sich vielfältig mißbrauchen).

janw
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Mi 19. Feb 2014, 22:17 - Beitrag #16

Zitat von Ipsissmus:Das ist aber eine etwas andere Situation, nämlich die eines gezielten, konkreten Verdachts mit überlebendem Opfer, also auch vorhandener Zeugin. Normale Ermittler-Tätigkeit. Wieviele rote Corollas wird es in BQ schon geben? Keine Notwendigkeit zu Massengentests, sondern Überprüfung konkreter Verdachtsmomente. Einfache Gegenüberstellung.

Vielleicht hatte ich ein zu enges Kriterium gewählt, wobei ich aber bei BQ auch an anderer Stelle im Kennzeichen dachte, was, was den Raum wieder aufweitet.
Es gibt genügend Fallkonstellationen, in denen man Spuren hat, die auf einen recht großen Kreis zutreffen können, so daß eine Einengung den Ermittlungserfolg verbessern kann.

Das ist nämlich die Gefahr bei Massentests. Man gießt einfach das große Regenfass über alle aus und nimmt in Kauf, dass die zarten Pflänzchen der Bürgerrechte mit ersäuft werden, statt geeignetere kleinere Kannen zu verwenden.

Zum Schutz der Bürgerrechte soll eben die Erfordernis der richterlichen Anordnung dienen, ebenso der Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit des Mittels zur Schwere der Tat und der sonstigen Ermittlungsansätze, außerdem die Erfordernis der dokumentierten Vernichtung der Testergebnisse.

Ich habe hier, wie gesagt, auch gewisse Vorbehalte, insbesondere durch rezente Vorgänge bei einer bestimmten Staatsanwaltschaft dieses Bundeslandes.

Sofern der Täter im ursprünglichen Feld enthalten ist. Und: Das ist die Ermittler-Perspektive. Das beantwortet die Frage nicht, warum ich als Einzelner, der ich weiß, dass ich mit dem Fall nichts zu tun habe, diese Perspektive einnehmen und dabei meine Bürgerrechte in den Wind schießen soll, die ohnehin überall angeknabbert werden, mit unendlich vielen angeblich guten Gründen.

Naja, Du musst ja nicht teilnehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in jedem Falle teilnehmen würde, für mich wäre die Opfer-Perspektive relevant - möglichst schnell Gewissheit haben, daß man dem Täter nicht wieder über den Weg läuft, und das kann durch schnelles Lichten des Feldes möglicher Personen beschleunigt werden.

Gleiches Problem. Ich weiß ja, dass die verfolgte Spur in Bezug auf mich falsch ist. Sie brauchen also nur meiner Aussage zu glauben. Auch keine größere Zumutung, als mich einem Massengentest zu unterziehen.

Sie anderweitig zum Glauben zu bringen, kann auch eine Zumutung sein.

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Do 20. Feb 2014, 12:12 - Beitrag #17

Na ja, ist letztlich wahrscheinlich doch eine Mentalitätsfrage. Man kann viele Feststellungen zu Arbeitsnotwendigkeiten von Ermittlern treffen, und je nach persönlichem Hintergrund sind die alle völlig harmlos oder höchst verdächtig. Ich neige zunehmend weniger zu Vertrauen in staatliche Institutionen, wobei die Information, dass Justizminister ermittelnden Beamten gegenüber weisungsbefugt sind, nicht wirklich dazu beiträgt, meine Vorbehalte zu beschwichtigen. Unter Gewaltenteilung habe ich mir immer etwas anderes vorgestellt.

Aber was soll´s^^ passt zur allgemeinen Aushöhlung der Bürgerrechte. Es gibt ja keine Alternativen.

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Do 20. Feb 2014, 12:29 - Beitrag #18

Nein, lass mal, ich gebe Dir ja nicht Unrecht. Jeder Spielraum für die Macht neigt dazu, missbraucht zu werden, und von daher wäre es für mich sehr vom Einzelfall abhängig, ob ich bei einem solchen Test mitmache oder nicht.

janw
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Do 20. Feb 2014, 16:18 - Beitrag #19

Mir kam ersten noch etwas in den Sinn...

Ipsi, stell Dir vor, Du bist von so einem Typen missbraucht worden, er hat Spermaspuren hinterlassen und Flusen von seinem grünen Cashmere-Schal, und Du hast gesehen, daß er eine graue Cordhose trug und etwa 30 war, und am Ende hat er Dir gedroht, er wisse, daß Du bei der Firma xy arbeitest.

Du hast Dich überwunden, zur Polizei zu gehen, wo man die Spuren gesichert hat, trotz aller Umsicht der Beamtinnen eine Prozedur zum abgewöhnen.
Die Polizei könnte jetzt alle um-30-Jährigen mit grauen Cordhosen in dem Ort befragen, wobei der Täter wahrscheinlich auf Jeans umgestiegen ist, und der Besitz von grünen Cashmereschals ist auch nicht ohne Weiteres zu ermitteln, Kleiderschränke sind noch offline.
Was spricht dann dagegen, die genetischen Spuren zu nutzen?

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Fr 21. Feb 2014, 13:09 - Beitrag #20

Andererseits frage ich mich schon ein bißchen, warum eine eherne Grenze bestehen soll zwischen meinem Äußeren, das etwa in Form von Fotos gespeichert und zu Fahndungszwecken eingesetzt werden kann, meinem Fingerabdruck, für den letztlich dasselbe gilt, und den genetischen Informationen


Es gibt da keine eherne Grenze, Lykurg. Die Kritik gilt der Pauschalbehandlung ohne konkrete Verdachtsmomente, nicht den Maßnahmen bei gezieltem Verdacht.


Was spricht dann dagegen, die genetischen Spuren zu nutzen?


Gar nichts spricht dagegen, Jan, diese Informationen zu nutzen, wenn es in einer angemessenen Weise erfolgt. Wenn ein konkreter Verdacht besteht, aber anhand der Indizienlage nicht einwandfrei nachgewiesen werden kann, werde ich ganz gewiss nichts gegen die Verwendung genetischen Materials zur Absicherung - oder Widerlegung - der Ergebnisse einwenden. Meine Kritik bezieht sich nur auf die verdachtsunabhängige Erhebung von DNA-Proben, das verdachtsunabhängige Filmen oder Photographieren von Passanten und überhaupt jegliche verdachtsunabhängige Erhebung von Daten in strafrechtlichen Kontexten, die nicht einem exakt spezifizierten UND legitimen Zweck dient.

Wenn dieser Zweck im gegebenen Fall so ganz und gar und völlig unverdächtig wäre, glaube ich nicht, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hätte, die Befolgung des Aufrufs zur freiwilligen Abgabe verbindlich vorzuschreiben. Ich denke von daher, dass diese "freiwilligen Tests" eher der Lobbyarbeit von Polizeifunktionären mit fraglicher rechtsstaatlicher Fundierung zu verdanken ist, und damit auch ein sehr deutlichen Hinweis auf die rechtsstaatliche Fundierung der Polizei überhaupt enthalten. Ich glaube auch, dass diese Freiwilligkeit, falls sich nicht bald eine vergleichbar starke Gegenlobby findet, schon sehr bald Vergangenheit sein wird, worauf sich dann derartige Diskussionen erübrigt haben werden.

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