Für mich die einzige offene Frage ist, ob die existierenden langfristigen Beziehungen allesamt mit Abhängigkeitsverhältnissen, Machtgefälle und Außendruck zu erklären sind, ob, anders gefragt, das Modell einer lebenslangen Partnerschaft ohnehin schon immer nur eine religiöse Verwirrung war, und ob der Anlage der Spezies die "Lebensabschnittspartnerschaft" nicht gemäßer ist. Oder gibt es Argumente, die eine lebenslängliche Partnerschaft außerhalb des Kontexts von Zwang plausibel machen?
Ja, die gibt es, es wird allerdings zunehmend schwerer. Brutpflege ist ein wichtiger Punkt; für die mir bekannten Ehepaare, die ihre goldene Hochzeit im Kreise ihrer Lieben feierten, scheint auch ein Leben ohne den Partner nicht denkbar und ein Leben mit jemand anders nicht, vermutlich sogar nie, gewünscht worden zu sein. Die Ansprüche müssen gering oder aber vom anderen erfüllbar sein; radikale Änderungen oder Selbstverwirklichungsphasen müssen relativ sozialverträglich ablaufen oder wegfallen; Lebensperspektiven müssen langfristig deckungsgleich sein oder werden. Es darf einem auch nicht allzuviel an der Phase der Verliebtheit liegen, sonst wird man wohl immer wieder dazu verführt, sich zu fragen, ob ein Wechsel nicht besser wäre, nicht, weil der neue Partner besser ist (wobei das natürlich auch der Fall sein kann), sondern, weil er anders ist. Man muss wohl ein gewisses Maß an Beständigkeit lieben. Außendruck ist nicht immer negativ; er kann einem auch helfen, das anzustreben, was für einen selbst am besten ist. Ganz ohne Außendruck wäre ich wohl nicht nach England gegangen und hätte wahrscheinlich auch deutlich langsamer studiert; dennoch ist beides für meine persönliche Entwicklung gut und richtig.
Ob es für jüngere Generationen so noch möglich ist, ist fraglich. Wir verändern uns viel schneller und stärker, als das meine Großeltern und Großtanten samt Ehepartnern beispielsweise tun; damit wird es unwahrscheinlicher, über 50 oder mehr Jahre zu demselben Partner kompatibel zu sein.