Ich habe heute einen sehrt interessanten Artikel im "Stern" gefunden. Der zwar nicht 100%ig passt, aber dennoch genug wahrheiten beinhaltet.
Man sollte sie krankschreiben. Für sechs bis acht Wochen mindestens. So lange, bis das Allerschlimmste vorbei ist. Bis man sich wieder vernünftig mit ihnen unterhalten kann, sie sich wieder für das aktuelle Tagesgeschehen interessieren und nicht mehr mit vollkommen anlassunabhängigem, ozeanischem Grinsen durchs Leben schweben. Frisch Verliebte. Sie sind eine Zumutung für alle Alleinstehenden und für Paare, die schon seit geraumer Zeit keine »Heute vor genau dreieinhalb Monaten haben wir uns kennen gelernt«-Tage mehr feiern. Entweder sie gehen allen auf den Wecker, oder sie melden sich wochenlang überhaupt nicht. Und wenn man sie anruft, liegen sie entweder, egal zu welcher Tageszeit, im Bett oder sind gerade auf dem Sprung in ein verlängertes Wochenende am Meer. Auch wenn es November ist und für die Jahreszeit ungewöhnlich kalt.
Verliebtheit ist eine Form schwerer geistiger Umnachtung. Das ist biologisch bewiesen: Der Serotoninwert im verliebten Hirn sinkt 40 Prozent unter den Normalwert, das Erregungsniveau ist erhöht, Appetit und Schlafbedürfnis gehen gegen Null, die Wahrnehmung ist total gestört. Nur so ist es zu erklären, dass Marion B. - ihr wirklicher Name ist der Redaktion bekannt, wird aber verändert für den Fall, dass sie sich irgendwann für ihr absurdes Verhalten schämt - neuerdings eine ausgiebige männliche Nackenbehaarung erotisch findet. Und der affenartig zugewucherte Typ namens Hendrik S. schwört Marion im Gegenzug, dass er an ihren Oberschenkeln nicht einen Hauch von Orangenhaut erspähen könne. Diese Menschen sind krank, sie können nichts dafür.
Wenn sie zusammenbleiben, wird sie selbstverständlich irgendwann von ihm erwarten, dass er sich den Nacken rasiert. Und er wird nicht mehr behaupten, sie habe regelmäßige Besuche im Bauch-Beine-Po-Kurs doch nicht nötig. Aber bis es so weit ist - allerspätestens nach einem halben Jahr nehmen verliebte Paare wieder Vernunft an -, erleben sie die Zeit, an die sie sich noch nach 20 Jahren gerne und wehmütig erinnern werden.
Alles geschieht zum ersten Mal. Der erste Kuss, die erste Nacht. Knutschen im Kino. Der erste Liebesbrief, altmodisch, hinter den Scheibenwischer geklemmt. Modern: die erste SMS, für immer gespeichert, 160 Zeichen Versprechungen für die Ewigkeit. Berührungen sind Sensationen. In Augen baden gehen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen: 46 Prozent der Frauen bevorzugen beim Mann blaue Augen. Braune Rehaugen kommen nur bei 21 Prozent gut an. Das nur am Rande. Verabschieden im Auto. Stundenlang. Reden und reden, zwei Leben wollen erzählt werden. Was derweil im Radio läuft, vergisst man nie. Später heißt das: Hör mal, unser Lied. Auch wenn es von der Kelly Family ist.
»I'm in love with an alien
I'm in love with her eyes ...»
Jede zwanzigste Frau bezieht ihr Bett vor einer Verabredung frisch. Und höchstwahrscheinlich, dazu gibt es keine Umfragen, legt sie auch noch ihre drei arg mitgenommenen Stofftiere in den Kleiderschrank und eine weniger mitgenommene Nietzsche-Biografie auf den Nachttisch. Dann noch die Beine rasieren, vielleicht ein hautstraffendes Ganzkörperpeeling, die edle Unterwäsche. Und während sie aufs Taxi wartet, denkt sie sich Vornamen für die zukünftigen Kinder aus. Ob er was dagegen hat, sie katholisch zu taufen? Ob er Boxershorts trägt? Ob er auch gern wandert? Wie heißt er noch mal mit Nachnamen? Es ist eine herrliche Zeit.
Sie beginnt in den ersten 30 Sekunden einer Begegnung. Eine halbe Minute, in der wir entscheiden, ob uns unser Gegenüber sympathisch ist oder nicht. Geruch, Aussehen, Stimme - wenn die Eckdaten stimmen, kann mehr draus werden. Nach neun Minuten wird der Kontakt intensiver, die beiden beginnen, sich synchron zu bewegen, greifen zur gleichen Zeit zum Glas, zur Zigarette, sie lachen und lächeln aufeinander abgestimmt. Forscher haben es längst bewiesen: Ähnlichkeit macht sympathisch. Wir mögen das, was uns bekannt ist.
Professor Manfred Hassebrauck hat ein kluges Buch geschrieben über die Gesetze der Partnerwahl: »Warum wir aufeinander fliegen«. Darin heißt es: »Partner sind im allgemeinen umso zufriedener mit ihrer Beziehung, je mehr Ähnlichkeiten sie an sich wahrnehmen. Schon Schulkinder finden Klassenkameraden, die ihnen ähnlich sind, netter als unähnliche.«
Ein Experiment des Partnerschaftsforschers Georg Felser beweist, wie leicht wir unsere Gunst verschenken, wenn wir das Gefühl haben, auf etwas Vertrautes zu stoßen: Testpersonen werden gefragt, ob Rasputin eine eher positive oder negative Person der Zeitgeschichte war. Nun war dieser »heilige Teufel« am Zarenhof eine wirklich absolut unheimliche Gestalt. »Negativ« lautet demnach die einhellige Antwort. Wenn der Versuchsleiter aber im Vorgespräch beiläufig einstreut: »Der Rasputin hat übrigens am selben Tag Geburtstag wie Sie« - was geschieht? Ratzfatz finden die Versuchspersonen den fiesen Typen ganz sympathisch. Kein Wunder, dass Menschen auf der Partnersuche vor allem auch nach Gemeinsamkeiten suchen. Und es wird ganz gern nachgeholfen, wenn sich auf Anhieb keine finden lassen.
Für mehr als die Hälfte aller Männer und Frauen hat das erste Rendezvous eine große Bedeutung für die spätere Beziehung - da prahlt man schon mal mit nicht vorhandenen Muskeln, rundet das Monatsgehalt großzügig auf oder macht aus einem zweiwöchigen Cluburlaub »meine Zeit in Südamerika«.
Verliebtsein ist Marketing. Wenn man irgendwann geliebt wird, kann man sich so zeigen, wie man ist. Aber bis dahin sollten Frauen den schäbigen Frotteeschlafanzug geheim halten und sich im sündhaft-unbequemen seidigen Nichts präsentieren. Und Männer sollten nicht darauf bestehen, »ran« weiterzugucken, wenn sie sich gerade halb nackt und schnurrend vor den Bildschirm schiebt. Ehrlichkeit kann zu unschönen Verstimmungen in der Anfangsphase führen. Sollte man lassen. Für Fußball ist später noch Zeit genug. Ein Leben lang, wenn alles gut geht.
Die amerikanische Wissenschaftlerin Helen Fisher hat festgestellt, dass gleiche Gewohnheiten, ähnliche Interessen und Wertbegriffe beste Voraussetzungen für eine stabile Beziehung sind. Und Heike Olbrich schreibt in ihrem gerade erschienenen Buch »Manchmal ist es pure Lust«: »Die meisten Frauen flirten nur mit Männern, die nach ihrer Werteinschätzung auf ungefähr dem gleichen Level liegen wie sie selbst. Da sich kaum jemand gerne unter Wert verkauft, tun sich meist zwei zusammen, die ähnlich attraktiv sind. Die klassische Ausnahme - reicher Mann und schöne Frau - ist nur eine andere Variante des gleichen Handels.« Oder, um es mit den Worten von Zsa Zsa Gabor zu sagen: »Ein Mann mit einem hohen Bankkonto kann gar nicht hässlich sein.«
Na prima. Bist du hübsch, etwas blöde und schlecht verdienend, hast du allerbeste Chancen, heute Abend nicht allein nach Hause zu gehen. Wenn du nur lange genug auf deinem Barhocker durchhältst, kann eigentlich nichts schief gehen. Studien haben nämlich gezeigt: Je näher die Sperrstunde rückt, desto attraktiver finden männliche Gäste die anwesenden Frauen. Statistisch gesehen landest du also zur Geisterstunde im Bett eines wohlhabenden, hässlichen Typen mit Lust auf einen vierten Frühling. Aber freu dich nicht zu früh: Reiche Männer sind untreu. Bei einem Jahreseinkommen von mehr als 50.000 Euro liegt die statistische Wahrscheinlichkeit der Untreue bei 70 Prozent.
Wenn es dann endlich so weit ist, dass man sich sympathisch findet, geht der Stress erst richtig los: Sex. Das erste Mal ist symbolbeladen. Es sollte irre geil sein, dennoch zärtlich, und ein gemeinsamer Höhepunkt wäre auch schön - wieder was, was man gemeinsam hat. So isses natürlich nicht. Der erste Sex, seien wir ehrlich, ist in unserer Vorstellung meist weit besser als in der Realität.
»Männer erzählen, wie extrem stressig Sex, besonders erste Nächte, für sie sind. Die Erwartungen an sie sind gigantisch, genauso wie ihre Angst, zu versagen oder Defizite zuzugeben. Sie klagen vehement über den Leistungsdruck in den Betten«, schreibt Olbrich. Nun sieht man es Männern - das zum Thema Penisneid - ja auf den ersten Blick an, wenn's nicht recht klappt. Hassebrauck beruhigt: »Eigentlich sind Schwierigkeiten im Bett nicht weiter verwunderlich, handelt es sich beim Sex doch, laut jüngstem Kinsey-Report, um ein ziemlich kompliziertes ,sensorisch-motorisch-neurohormonal-vaskulär-psychosozio-kulturelles interpersonales Ereignis'.« Für Frauen kommt erschwerend hinzu, dass sie immer noch glauben, sich mit uralten Fragen rumschlagen zu müssen: »Bin ich sexy, und warum wiege ich nicht dreieinhalb Kilo weniger?« Dabei steht es in Olbrichs Buch schwarz auf weiß: »Übergewichtige Frauen haben deutlich mehr Spaß am Sex als Frauen mit Idealgewicht. Und je dünner die Frauen sind, desto weniger Vergnügen haben sie im Bett!« Endlich mal 'ne gute Nachricht.
Obschon der erste Sex, wie wir nun wissen, eigentlich nur schief gehen kann, markiert er einen neuen Abschnitt in der Beziehung zwischen zwei Menschen. Nämlich, ob daraus überhaupt eine Beziehung werden kann. Die meisten Frauen wissen danach, ob es »was Ernstes« werden könnte. Im schlechtesten Fall redet man sich - soll ja nicht ganz umsonst gewesen sein - eine Weile ein, man sei verliebt. Frauen sind Spezialisten in Beziehungssimulation und sagen dann später so dumme Sachen wie: »Mit dem war ich zwei Wochen zusammen.«
Aber wenn es eine Frau richtig erwischt, gibt es kein Halten mehr. Dann beschmiert sie seine Windschutzscheibe mit Lippenstift-Herzchen und schenkt ihm ständig unnütze Dinge aus Plastik. Der Wiener Verhaltensforscher Karl Grammer bestätigt: »Sind Frauen verliebt, tendieren sie mehr zur Offenbarung ihrer Gefühle als Männer, haben größere Konzentrationsschwierigkeiten, sind euphorischer, kurz: Sie zeigen sich engagierter.«
Männer scheinen hingegen froh zu sein, die Phase des Werbens erfolgreich abgeschlossen zu haben. Die Kuh ist vom Eis - jetzt schön Bundesliga gucken. Und sich freuen, dass man wieder in festen Händen ist und seine Ruhe hat. Einer sagt: »Als ich aufhörte, ständig nur an Sex mit ihr zu denken, war mir klar, dass ich verliebt bin.«
Allmählich normalisiert sich die Lage. Leider. Gott sei Dank. Verliebtsein hält man auf Dauer nicht durch. Hassebrauck über den Werdegang des euphorischen Gefühls: »Nach nur sechs Monaten sieht es dann aber ganz anders aus. Die Verliebten sind schon nach dieser kurzen Zeitspanne deutlich weniger mit der Beziehung zufrieden. Sie nehmen in einem etwas abgekühlteren Zustand eine gründlichere Bewertung ihrer Beziehung vor.«
Und wenn sie die übersteht ... ja, ja. Serielle Monogamie und so weiter. Jede dritte Ehe wird geschieden. Wissen wir alles. Trotzdem. Wenn die Liebe, die wirkliche Liebe beginnt, dann ist sie für immer.
Jedes Mal.
Und irgendwann, Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte später, sitzt ihr im Auto. Marion B. und Hendrik S. Oder wie auch immer ihr heißt. Vielleicht müsst ihr noch Hakle Feucht kaufen oder Dinkelflocken oder Wick Vaporup für die kranke Tochter. Und dann hört ihr euer Lied im Radio, ein Oldie mittlerweile.
»I fell in love with an alien,
fell in love with her eyes,
she sent me her love, her love to me
and then we did grow a big family ...»
Und ihr seid verliebt und verrückt wie am ersten Tag. Als ihm noch Haare wuchsen aus dem Hemdkragen und noch keine aus den Ohren. Als deine Oberschenkel angeblich noch makellos waren. An der roten Ampel knutschen. Wie früher. Vielleicht nur für Sekunden. Du würdest ihn immer wieder nehmen. Verliebtheit ist eine Krankheit. Eine chronische. Dem Himmel sei Dank.
Ich frage mich oft weshalb wir uns, wenn wir verliebt sind anders verhalten als sonst?