Begnadete Körper - Selbstwahrnehmung

Erlebnisse und Erfahrungen aus den schönsten und den traurigsten Stunden des Lebens. Träume von der perfekten Liebe und ein Kummerkasten für ihr Scheitern.
Fr.Doktor
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 67
Registriert: 26.09.2001
Do 22. Dez 2005, 21:35 - Beitrag #1

Hier habe ich mal einen neuen Thread "angesetzt", da die folgenden Beiträge zu interessant sind, um sie im "Mister-Web-Matrix"-Mega versauern zu lassen.

Feuerkopf




Regt nur ein paar USA Bewohner auf, die ja keinen Sex vor der Ehe haben und weil sie durch mangelnde Aufklärung von Sex nix wissen ist auch die Rate der Teenagerschwangerschaften so gering. :rolleyes:

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Do 22. Dez 2005, 21:49 - Beitrag #2

Und wer ist schuld? Die Religion.
Die USA müsste mal gründlich säkularisiert werden. :rolleyes:

C.G.B. Spender
Elite Member
Elite Member

 
Beiträge: 1105
Registriert: 21.10.2004
Do 22. Dez 2005, 22:05 - Beitrag #3

Du, Fr. Doktor, ich weiß schon warum ich sie verehre. :)

Zwar hat mich deine Offenheit schon einige Male getroffen, und manchmal vielleicht auch zurecht; dennoch war sie meistens sehr hilfreich. So wie jetzt.

Teenagerschwangerschaften sollten vermieden werden und Aufklärung ist dabei sicher der richtige Weg. Zudem ist es sicher wichtig, seinen eigenen Körper zu kennen, bei Frauen wohl noch mehr, als bei Männern. Onanie ist ein Teil des natürlichen Kennenlernens, leider bei Vielen behaftet mit Unmengen von Scham, was sicher auf die Erziehung und die Religion zurück geht.

Zu große Scham ist wie ein verstümmeltes Bein, dass jedes noch so stolze Rennpferd hinken läßt.

Maurice: Das mit der Säkularisierung der USA schlag dir aus dem Kopf. Das geht im Mittleren Osten viel leichter von der Hand, als dort. ;)

Fr.Doktor
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 67
Registriert: 26.09.2001
Do 29. Dez 2005, 08:28 - Beitrag #4

Begnadete Körper

Zudem ist es sicher wichtig, seinen eigenen Körper zu kennen, bei Frauen wohl noch mehr, als bei Männern.


Das halte ich auch für wichtig. Ich denke auch, dass man Mädchen Mut machen sollte ihren Körper und dessen Ausdruck und Empfindungen zu entdecken.
Jungs haben da sicher einen anatomischen Vorteil, der durchaus auch gepflegt wird.
Dennoch und das sollte nicht aus den Augen verloren werden, auch Jungs sind sich bezüglich ihrer Sexualität in Bezug auf das andere Geschlecht oft unsicher und der Zugang zu den eigenen Gefühlen und Empfindungen fällt vielen Jungen und auch Männern nicht immer leicht.
In diesem Sinne glaube ich, dass eine gute sexualpädagogische Arbeit von großem Nutzen sein kann.
Das ist auch für die Eltern von Kindern eine echte Herausforderung.
Eine nicht einfache Sache.
Besonders in Zeiten, in denen gerne und schnell mal "Missbrauch" gerufen wird.

So steht z.B. in einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Sexualität von Jungen im Kleinkindalter, man solle den lustvollen Umgang mit den Geschlechtsteilen befördern, so weit kein Problem. Weiter heißt es, dass die meisten Eltern den Körper des Babys streicheln und liebkosen, nur die Geschlechtsteile werden davon, meistens automatisch, ausgenommen.
Eine andere Aufklärungsbroschüre zur kindlichen Sexualität schreibt dagegen, man solle sich davor hüten, sein Kind an den Geschlechtsteilen weiter als bis zur Reinigung anzufassen oder gar zu erregen.

Was nun?

Was erscheint uns als richtig, was als falsch?

Wovon ist das Verhalten abhängig?

Sicherlich eine Mischung aus persönlichen Einstellungen, Erfahrungen und Zeitgeist.

Windsbraut
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 413
Registriert: 11.08.2001
Do 29. Dez 2005, 10:03 - Beitrag #5

In einem solchen Fall halte ich das Verhalten für natürlich, das einem auch natürlich erscheint. Viele Dinge weiß/spürt man doch einfach, ohne einschlägige Literatur wälzen zu müssen, oder? Alles andere wäre doch schon wieder krampfig und unnatürlich, weil man es nur tut, weil's in einem "schlauen" Buch steht.

Ich glaube, man sollte sich da ruhig mal auf seinen Instinkt verlassen, der ist meistens gar nicht so doof...

Aydee
Excellent Member
Excellent Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 637
Registriert: 17.12.2004
Do 29. Dez 2005, 11:44 - Beitrag #6

wenn es nur so einfach wäre ;-)
Instinkt ist was Wunderbares, wenn ihm die Möglichkeit der Entfaltung gewährt wurde/wird :-)

Es gibt sicherlich Menschen die "einfach" spühren und spühren können, was richtig.... natürlich.... kreatürlich... für sie ist. Es gibt aber auch Menschen die derart "sozialisiert" sind, dass sie den Zugang zu ihrer Kreatürlichkeit kaum mehr finden und dementsprechend recht verkrampft reagieren. Es dürfte dann doch dauern ehe diese Erziehung abgelegt werden kann.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 29. Dez 2005, 18:28 - Beitrag #7

Aydee, ich finde, hier hast du absolut Recht. Es ist sehr schwierig, sich auf seinen Instinkt verlassen zu müssen; präzisere Hinweise halte ich für sehr hilfreich. Außerdem ist es rechtlich mE problematisch, denn Mißbrauchsopfer hätten so keine Möglichkeit, sich zu schützen oder auch nur eine gesellschaftliche Anerkennung eines an ihnen verübten Unrechts zu erreichen. Schließlich hätte der mißbrauchende Elternteil ja nur "seinen Instinkten gemäß" gehandelt...

Fr.Doktor, der Verhaltenswandel in Abhängigkeit vom Zeitgeist ist zwar auch ein Anzeichen dafür, daß derzeitiger Umgang mit kindlicher Sexualität immer noch verkrampft ist, möglicherweise einer gesunden Entwicklung hinderlich, kann aber auch als Hinweis darauf verstanden werden, daß auch unsere derzeitigen liberaleren Tendenzen nicht der Weisheit letzter Schluß sein müssen.

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Do 29. Dez 2005, 19:06 - Beitrag #8

Wenn ich die Windsbraut richtig verstanden habe, so meint sie "gesunde" Instinkte, nicht irgend etwas abwegiges.

Als meine Kinder klein waren, durften sie unbekleidet rumstrampeln, wurden massiert und geknuddelt. Abgesehen davon gibt es nichts knuddelwürdigeres als ein Baby. ;) Ich wäre allerdings niemals auf die Idee gekommen, ihnen sozusagen ihre Sexualität bewusst zu machen, in dem ich an ihnen rummanipuliert hätte.
Mir war es wichtig, dass ihnen ihr Körper sympathisch war. Ihre Genitalien waren immer ihre Privatsphäre, bis auf das Saubermachen.
Als sie älter wurden und entsprechende Fragen stellten, bekamen sie die möglichst altersgemäßen Antworten.

Wichtig finde ich für Eltern, dass sie spüren, ab wann die Kinder Schamgefühl entwickeln und dieses auch zu respektieren.

Aydee
Excellent Member
Excellent Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 637
Registriert: 17.12.2004
Do 29. Dez 2005, 19:28 - Beitrag #9

In einem solchen Fall halte ich das Verhalten für natürlich, das einem auch natürlich erscheint. Viele Dinge weiß/spürt man doch einfach.....

Mir war es wichtig, dass ihnen ihr Körper sympathisch war.
bzw ihr So-Sein. Ja :-) dem kann ich zustimmen ;-))


@Lykurg.
Ich habe das Gefühl dass du das etwas anders meinst als ich.
Ich empfinde es nicht als schwierig sich auf seinen Instinkt verlassen zu können und zu mögen. Kein Müssen, verstehst du? sondern ein Wollen und Können. Es scheint mir sogar natürliche Selbstverständlichkeit dies zu tun.
Jedoch empfinde ich es als extrem schwierig, mich auf meinen Instinkt besinnen (und verlassen) zu wollen, wenn mir dies in der Kindheit "ausgetrieben" wurde. Ein solcher Mensch vertraut auf Logik und Regeln etc. - er braucht sie womöglich sogar, aber auf seinen Instinkt verlassen würde ein solches Mensch extrem unsicher, imo


Und imo gibt es Erziehungs-Einstellungen... -Vorstellungen.... vielleicht sogar unbewusst übernommen, kopiert.... die einer solchen Natürlichkeit widersprechen. Und wie kann ein Mensch das selbst nicht im Bewusst-Sein seiner Natürlichkeit aufgewachsen ist, dies einem anderen Menschen vermitteln wollen... bzw nicht wollen sondern können....?


Deinen Hinweis auf Missbrauchsopfer, Lykurg, verstehe ich hier irgendwie nicht in diesem Zusammenhang .-( Kannst du da ein bisschen draufeingehen....?



gesund ist für mich in diesem Zusammenhang die ursprünglichste Natur eines Menschen. Und je nachdem wie diese Mensch aufwächst, gelingt es ihm seine Natur zu leben und wachsen zu lassen. ....oder auch nicht...

@Feuerkopf.
Was ist Scham(gefühl)?
Ich wüsste gern von dir was du mit "respektieren" meinst, wenn du als Mutter feststellst, in dieser Situaion X schämt mein Kind sich. Wie reagierst du....? Was bedeutet es dir als Mutter DASS dein Kind sich schämt...?

(Situation X = frei wählbar ;-))

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 29. Dez 2005, 19:52 - Beitrag #10

Ich empfinde es nicht als schwierig sich auf seinen Instinkt verlassen zu können und zu mögen. [...] Jedoch empfinde ich es als extrem schwierig, mich auf meinen Instinkt besinnen (und verlassen) zu wollen, wenn mir dies in der Kindheit "ausgetrieben" wurde. Ein solcher Mensch vertraut auf Logik und Regeln etc. - er braucht sie womöglich sogar, aber auf seinen Instinkt verlassen würde ein solches Mensch extrem unsicher, imo
Aydee, genau darauf bezog ich mich, auf den schleichenden Übergang zwischen unvoreingenommenem, "gesundem" Instinkt und anerzogenem Verhalten. Ich bin der Überzeugung, daß ich ein Kind in dieser Hinsicht "richtig" behandeln könnte. Aber worauf beruht meine Gewißheit? Ich empfinde das Verhalten als "normal" und "richtig", das meine Eltern mir gegenüber zur Anwendung brachten. Nun gut, ich reflektiere darüber, aber andere Menschen können unreflektiert ebenso handeln - und ihre Kinder in einer Weise behandeln, die in meinen Augen schädlich für das Kind sein könnte. Wenn sie ausschließlich ihr Empfinden zum Maßstab ihres Handelns machen sollen, fehlt hier jegliche normative Kraft. Und eben hier kommen die Mißbrauchsfälle zum Tragen. Menschen, die in ihrer Kindheit mißbraucht wurden, das nicht verarbeitet haben und ihre Kinder genauso behandeln, haben eventuell kein Wissen um die Folgen ihres Tuns, dementsprechend auch kein Schuldbewußtsein.

Ich führte damit gewissermaßen eine dritte Kategorie ein:
-Menschen, die nach "gesundem Instinkt" handeln
-Menschen, die sich lieber auf gedruckte Leitfäden oder ärztlichen Rat verlassen
-Menschen, die nur irrig meinen, nach "gesundem Instinkt" zu handeln.

Und da die dritte Gruppe von der ersten kaum abzugrenzen ist, sollte man die zweite nicht als "krampfig und unnatürlich" (Windsbraut) diskreditieren.

aleanjre
Moderatorin im Ruhestand
Moderatorin im Ruhestand

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2071
Registriert: 10.05.2004
Do 29. Dez 2005, 20:45 - Beitrag #11

Kurz mal wegen Schamgefühl bei Kindern:

Irgendwann zwischen 5 - 7 Jahren ist es soweit. Das Kind hat gelernt, dass Nacktheit gesellschaftlich nicht anerkannt ist, dass Toilettengang nicht beobachtet werden sollte, und das es einen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein gibt. Dann wollen kleine Mädchen nicht mehr von ihrem Papa geduscht werden. Und mal eben schnell umziehen, egal wo man steht, ist indiskutabel, selbst wenn es nur der Pulli ist.
Gut zu erkennen bei meinen beiden Töchtern. Die Kleine, wird im Frühjahr 5, hat bis jetzt Null Schamempfinden und rennt auch dann nackt durch die Wohnung, wenn fremder Besuch da ist (und wundert sich, dass wir sie dann aus dem Raum bringen! - Schamgefühl ist anerzogen). Die 7jährige hingegen würde ausflippen, wenn jemand auf der Toilette sieht.
Das muss respektiert werden, aber auch in sinnvolle Bahnen gelenkt. Schamempfinden darf nicht zu einem verkrampften Körperverständnis ausarten. Recht schwierig, wie jedes Erziehungskapitel eben, wie Fr. Doktor schon erwähnte.

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Fr 30. Dez 2005, 00:58 - Beitrag #12

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Schamgefühl wirklich eine rein anerzogene Haltung ist. Wenn ich mich an die beginnende Pubertät bei meinen beiden Kindern erinnere, so wurden sie ungeheuer empfindlich. Türen wurden plötzlich abgeschlossen, unbekleidet bekam ich die zwei seitdem gar nicht mehr zu sehen, obwohl weder mein Mann noch ich größere Probleme mit dem Nacktsein haben.

Mit der Selbstwahrnehmung als junge Frau bzw. als junger Mann wurden offenbar auch wir als selbstständige erwachsene Menschen erkannt und akzeptiert. Das ist wohl der Moment, wo man als Eltern eine neue, zusätzliche Rolle zugewiesen bekommt. Den Kindern wird klar, dass wir keine asexuellen Wesen (mehr) sind.

Wenn ich zurückdenke, so erinnere ich mich, dass mir diese Erkenntnis ungeheuer peinlich war. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Eltern als Erwachsene sehen konnte, die in einer Liebesbeziehung lebten.
Manchen Teenagern ist es geradezu widerlich, sich ihre Eltern beim Sex vorzustellen. So schlimm war es bei mir nicht. ;)

aleanjre
Moderatorin im Ruhestand
Moderatorin im Ruhestand

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2071
Registriert: 10.05.2004
Fr 30. Dez 2005, 10:06 - Beitrag #13

Schamgefühl erzieht die gesamte Gesellschaft, nicht nur die Eltern. Naturvölker, die quasi nackt durch die Gegend laufen, haben andere Themen als "Tabu". So wären Gesellschaften denkbar, in denen sämtliche körperliche Vorgänge einschließlich Sex in aller Öffentlichkeit stattfinden dürfen, aber öffentliches Beten eine große Peinlichkeit wäre.

Und damit wären wir am Punkt. Denn Schamgefühl ist notwendig, um sich als Individuum in einer Gruppe abzugrenzen. Familie ist durchaus auch eine Gruppe.

Aydee
Excellent Member
Excellent Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 637
Registriert: 17.12.2004
Fr 30. Dez 2005, 11:47 - Beitrag #14

Schamgefühl ist also etwas wofür ich mich schäme, etwas dass ich als falsch und unangemessen, unangebracht empfinde...? Warum...?

Warum empfindet ein Kind sein Verhalten, bis dato natürlich und unbeschwert gelebt, "plötzlich" als verschämt....?

Ich bin mir wirklich nicht sicher OB es ein natürliches Schamgefühl, Schamempfinden überhaupt gibt, oder ob Scham nicht ein Produkt, eine Folge von Das-gehört-sich-nicht- und Das-tut-man-nicht-Regeln.
Mir ist bewusst, DASS diese unsere (westliche) Gesellschaft gar nicht mehr ohne Scham auskommen kann, und es fällt mir schwer von einer natürlichen Scham ausgehen zu können...

aleanjre
Moderatorin im Ruhestand
Moderatorin im Ruhestand

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2071
Registriert: 10.05.2004
Fr 30. Dez 2005, 12:34 - Beitrag #15

Es ist ein Prozess des Erwachsenwerdens, die Tabus der Umwelt zu erkennen und sich anzueignen.
Für ein Kleinkind ist es völlig normal, sich nackt zu zeigen. Für unsere Gesellschaft nicht. Nun wäre es denkbar, dass ein Kind bei Eltern aufwächst, die grundsätzlich, egal welche Außentemperatur herrscht, in der Wohnung nackt rumlaufen. Das Kind würde also auch nackt bleiben und das normal finden. Aber sein Leben findet nicht ausschließlich in der Elternwohnung statt. Es wird in den Kindergarten gehen, es wird draußen einkaufen gehen. Und lernen: sobald ich die Wohnung verlasse, muss ich Kleidung tragen.
Es wird erleben, dass es auch IN der Wohnung angezogen wird, sobald andere Menschen zu Besuch kommen. Und es wird lernen: stoße ich mit Nicht - Eltern zusammen, muss ich Kleidung tragen.
Es wird Freunde besuchen und mit Gleichaltrigen reden. Und erfahren: alle anderen Menschen sind grundsätzlich immer bekleidet.
Und irgendwann wird es zu seinen Eltern gehen und fordern, dass sie aufhören, in der Wohnung nackt rumzulaufen, denn das wäre peinlich. Oder, falls es ein introvertiertes Temperament hat, wird es schweigen und sich still für seine Eltern schämen. Denn es wird seine Eltern als annormal erleben.

Dieses Empfinden für gesellschaftliche Normen und Schamempfinden, wenn gegen die Normen verstoßen wird, gehört zu der sozialen Ausrüstung des Menschen. Es ermöglicht ein Zusammenleben in der Gruppe.

Einfaches Beispiel.
Du, Aydee, wie würdest du dich fühlen, wenn es an der Tür klingelt, und ein besonders schick angezogenes Ehepaar kommt zu dir herein: er trägt Anzug, Krawatte, geschniegelte Schuhe, duftet nach teurem After Shave, sie hat die Haare perfekt frisiert, ist zart geschminkt, schwebt in einem atemberaubendem Abendkleid herein - und du stehst in Unterhose und BH da, die Haare ungekämmt, deine Wohnung ist chaotisch.
Das wäre beschämend, denn sie würden in deine Privatssphäre eindringen, wenn du nicht darauf vorbereitet bist, und durch Kleidung und Aufmachung demonstrieren, dass sie sehr wohl vorbereitet waren, dir als überlegen zu begegnen.
Während das gleiche Ehepaar für dich überhaupt nichts peinliches bedeuten würde, wenn du sie nackt in der Sauna triffst. An einem Ort, an dem Nacktheit Pflicht ist. Würde der Mann dich dabei allerdings anhaltend anstarren, wäre dies peinlich. Denn es widerspricht dem Anstandscodex, einen anderen Menschen anzustarren.

All diese Regeln werden einem Kind anerzogen, ja. Aber das Bedürfnis nach diesen Regeln ist angeboren. Setze ein Rudel Kleinkinder zusammen, greife nicht ein, und sie werden innerhalb weniger Minuten Hierarchien bestimmen (wer hat das sagen, wer wird ausgeschlossen, wer bleibt schweigend am Rand) und Regeln festlegen.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 30. Dez 2005, 12:41 - Beitrag #16

Ein Vergleich mit anderen Kulturen wäre interessant...

In den Tropen wird teilweise sehr selbstverständlich mit Nacktheit umgegangen, wenn ich mir manche Indios ansehe, Polynesien weiß ich gerade nicht. In Papua Neuguinea haben/hatten die Männer ein besonderes Kleidungsstück, das Penisfutteral. Ansonsten waren sie nackt, wenn man von Körperbemalungen absieht. Die Frauen dort? Hüftgurte, Baströcke iirc.

Ich denke, daß es soetwas wie ein Schamgefühl auch dort gibt, nur muß diesem Gefühl nicht unbedingt mit Bekleidung begegnet werden.
Das Schamgefühl ist in dem Sinne das Empfinden, daß es zwischen den Menschen zusätzlich zu den Grenzen zwischen ich und du eine Grenze gibt zwischen ich Mann/Frau und du Mann/Frau, was mit Aspekten wie Begierde, Macht, Liebe und dergleichen verbunden ist.
Wenn das Klima eher bekleidungsfeindlich ist, dann mag es soziale Konventionen geben, die in der Wirkung ihr entsprechen, getrennte Arbeitsbereiche, Aufenthaltsorte, kodices, usw.
Die Penisfutterale und auch irgendwelche Hüftgurte können auch eine Schutzfunktion haben für die doch etwas empfindlichen Körperpartien.

Unsere Bekleidung ist dagegen schon aus klimatischen Gründen erforderlich.
Sie mit dem Schamgefühl zu begründen, ist eben die "europäische" kulturelle Reaktion darauf...

Windsbraut
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 413
Registriert: 11.08.2001
Fr 30. Dez 2005, 12:43 - Beitrag #17

Mit meinem Beitrag meinte ich natürlich nicht, dass Perverse ihre kranken Instinkte ungestraft an Kindern austoben dürfen. :stupid: (Hätte nicht gedacht, dass ich das extra erwähnen muss...)

Ich finde nur, man kann deutlich zuviel "Geschiss" - wie wir im Ruhrgebiet sagen *g* - um alles machen. Sehr viele Dinge weiß, fühlt oder lernt man einfach, wenn das Kind da ist. Ich fänd's sehr seltsam, wenn jemand plötzlich seine Kinder an den Geschlechtsteilen berührte, nur weil in einem Buch steht, dass er ihre Sexualität fördern soll. Das ist für mich schon mehr als grenzwertig...

Was das Schamgefühl von Kindern betrifft, gibt es eine Phase, in denen ihnen überhaupt alles peinlich ist. Und ich glaube, dass man da auch mit der offensten und aufgeklärtesten Erziehung nix gegen tun kann. ;)

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Fr 30. Dez 2005, 13:59 - Beitrag #18

Mir fiel spontan die Paradies-Geschichte von Adam und Eva ein, die vom Baum der Erkenntnis aßen und plötzlich feststellten, dass sie nackt waren. Sie verbargen sich und bedeckten ihre Blöße mit Feigenblättern.

Dieses Gleichnis beschreibt sehr gut das Gewahrwerden von eigener Körperlichkeit, von Nacksein, vom Erwachen eines Schamgefühls und dem Wunsch, die eigene Verletzlichkeit zu bedecken. Adam und Eva verloren ihre Unschuld, den selbstverständlichen Umgang mit ihrem nackten Körper. Sie fingen an, mehr zu verstehen, nämlich, dass sie erwachsen waren und eigenständige Persönlichkeiten. Sie wollten sich keine Blöße mehr geben, dem bisher allsehenden und allwissenden Schöpfer gegenüber.

Eine gute Beschreibung der Pubertät, denke ich.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 30. Dez 2005, 14:15 - Beitrag #19

Windsbraut, wir drehen uns ein bißchen im Kreis... Daß du das nicht meintest, war eigentlich klar, mE war die ausdrückliche Erwähnung nicht notwendig. Aber der von mir aufgestellte schleichende Übergang macht eben das problematisch. Wenn nur über den Instinkt (der eigentlich keiner ist, wir sprechen hier schließlich über angelernte soziale Verhaltensweisen) entscheidet: "Dieses Verhalten ist normal; jenes ist pervers", hat wohl kaum eine Gewißheit, daß seine Einschätzung von einer Mehrheit der Menschen seines Kulturkreises geteilt wird. Und selbst das bedeutet ja noch lange nicht, daß es dem Wohl des Kindes dient.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 30. Dez 2005, 19:48 - Beitrag #20

**meinen dummen Kopf versuche, zu zwingen, sich an einen Film zu erinnern**

ja, das war ein Film über Ludwig XiV, den Sonnenkönig, eine Dokumentation, die - ohne daß ich den Anspruch erheben könn, das überprüfen zu können - den Anspruch erhob, eine realistische Rekonstruktion anhand von Dokumenten und derart eine Dokumentation zu sein.

L14 wurde bis zu seinem 5 Lebensjahr so ziemlich alles gewährt, wonach ihm gelüstete; es war sebstverständlich, daß er nackt im Palast rumlief; ob die Säuberung seiner Genitalien IMMER streng gemäß pädagogischen Gesichtspunkte erfolge, mag in einem Zeitalter, in dem das Kind als "kleiner Erwachsener" galt, zumindest hinterfragbar erscheinen; daß er mit den "Mösen und Möpsen" seiner Kinderfrauen "vertrauten Umgang pflegte" war selbstverständlich.

Mit 5 war das Paradies vorbei. Laut seinen Eigenbekundungen hat er auch als Erwachsener nie verstanden, warum diese wunderbaree, freudvolle Zeit plötzlich zu Ende war, weswegen alles, was vorher schön, herrlich und und natürlich erschien, plotzlich sündig und unrein war.

Verstehen wir es heute besser?

Zum besseren Verständnis, was ich meine: in Deutschland wird jedes 3te Mädchen und jeder 7te Junge bis zum Eintreten der Pubertät mindest einmal Opfer massiver(!) sexuelle Übergriffe. Die Übergriffe erfolgen quer durch alle sozialen Schichten; 90% davon bleiben unverfolgt - das soll nicht das Thema sein. Vielmehr:

Sex mit Kinder ist ein Grundbedürfnis der allermeisten Erwachsenen^^

Nächste

Zurück zu Liebe & Romantik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste