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BeitragVerfasst: Do 22. Feb 2007, 12:59
von Yanāpaw
Da kann ich dir weitestgehend nur zustimmen, allerdings sind für mich Infantilität und unzureichende Verabreitung keine Synonyme, letzteres kann möglicherweise als ersteres missverstanden werden, denn unzureichende Verarbeitung ist die Kausalität, für emotionale Distanz. Emotionale Distanz, als Selbstschutz, als zwangsläufige Folge von unverarbeiteten Traumata, aber Infantilität ist nicht die zwangsläufige Folge emotionaler Distanz und auch sicher nicht die von Traumata, lediglich eine mögliche Folge extremen Schmerz'. Davon abgesehen ist Infantilität imo ein Wort, das genau wie Arier, Ketzer und Heide immer eine Selbstbewertung und dem Gegenüber die grenzlose Herabwürdigung des anderen impliziert, daran ändert auch die klinische Verwendung nichts. Und dieser Konnotationen sollte man sich meines Erachtens bewusst sein, wenn man sich solcher Klassifizierungs-Termini bedient.

BeitragVerfasst: Do 22. Feb 2007, 13:22
von Ipsissimus
deswegen lag mir ja daran, andere Termini zu benutzen, Yan^^

wobei der Terminus "Infantilität" trotzdem einen sachlichen Platz einhält. Wenn ein Trauma zu dem führt, was als "Abspaltung" bezeichnet wird, also zu einem psychischen "Bereich", der nicht mehr der bewußten Zugänglichkeit unterliegt, kommt es dazu, daß in diesem psychischen Bereich Verhaltensweisen konserviert und in das Wachbewußtsein eingespeist werden, die dem Entwicklungsstadium des Menschen zum Zeitpunkt des Traumas entsprechen (was natürlich gegenüber der Komplexität der realen Situation nur als bildhafte Darstellugn gelten kann). Wenn das Trauma, wie sehr häufig, in frühkindlichen Zeiten erfolgte, können auf diese Weise durchaus infantile Verhaltensmuster ins Erwachsenenleben eines Individuums gelangen.

BeitragVerfasst: Do 22. Feb 2007, 23:18
von henryN
Zitat von Ipsissimus: Wenn das Trauma, wie sehr häufig, in frühkindlichen Zeiten erfolgte, können auf diese Weise durchaus infantile Verhaltensmuster ins Erwachsenenleben eines Individuums gelangen.


?? sagen wir mal, es ist leider die Regel, der man fast täglich begegnet.....im privaten wie auch im gesellschaftlichem Sinne. Schließe mich davon nicht aus...

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 13:36
von C.G.B. Spender
"Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft."

Als ich heute dieses Sprichwort las, fiel mir sofort dieses Thema ein.

[align=center]-+-[/align]

Nicht jede Infantilität kaschiert etwas, das behauptet hier auch Niemand. Manchmal wächst sie auch einfach aus einer toten Seele heraus, wie giftige Früchte aus einem Giftbaum.

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 14:05
von Milena
...glaub ich nicht spender...^^

nicht nichts wächst aus wieder nichts heraus....
irgendwie liegt alles in irgendwas begründet......

selbst in einer toten seele...;)

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 14:06
von Yanāpaw
Ipsissimus,

da bin ich absolut deiner Meinung und zwar - und das dürfte Premiere sein - vorbehaltlos. ^^


Spender,

Und eine tote Seele ist genau wie definiert, sofern sie von pathologischen Ursächlichkeiten divergiert?

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 14:36
von Ipsissimus
hmm, bei "toter Seele" habe ich lange Zeit immer an KZ-Wärter gedacht, dumpfe, unempathische Sadisten, die ohne eigene Meinung stumpf abarbeiten, was andere ihnen befehlen.

Dann habe ich von Robert Merle "Der Tod ist mein Beruf" gelesen, ein Buch, das Merle nach einer über einjährigen Auseinandersetzung mit Rudolf Höß, dem ursprünglichen Lagerkommandanten von Auschwitz, geschrieben hat. Merle - der Reporter bei den Nürnberger Prozessen war - konnte damals viele Gespräche mit Höß führen, die er danach in dieses Buch fasste, welches, in Ich-Form geschrieben, der fiktiven Autobiografie Hößs entspricht und vollinhaltlich auf diesen zurückgeht. Das Buch ist das furchtbarste, was ich je gelesen habe; ich kenne nichts, was auch nur entfernt in seine Nähe kommt. Seither hat der Begriff "tote Seele" für mich einen Namen.

Ich kann das Buch übrigens nur jedem empfehlen, der sich auch nur andeutungsweise für das interessiert, was im Dritten Reich los war und warum es möglich war.

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 16:13
von Yanāpaw
Angesprochenes Werk wird seit wenigen Augenblicken in meiner 8 seitigen Wunschliste bei amazon geführt. ^^

Stumpf ist immer gut zu lesen und noch besser zu reflektieren, so stumpf, wie (insbesondere) der dritte Teil des Hexenhammers? Den finde ich so stumpf, dass es schon auf eine perverse Weise tragi-komisch ist. Allerdings wird eine lockere Herangehensweise an Verbrechen an der Menschlickeit oftmals mit Insensitivität gleichgesetzt...:rolleyes:

Was die Definition von "toter Seele" angeht, da wäre mir eine allgemeingültige abstrahierte Definition doch sympathischer als eine Person, schleßlich geht es um die Behauptung Infantilität erwachse aus einer toten Seele.

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 16:25
von Ipsissimus
nun, eine allgemeingültige abstrahierende Definition eines Begriffes, der maßgeblich über sein Assoziationsfeld verstanden wird, ist schwierig, zumal es sich definitiv nicht um einen standardisierten Begriff handelt^^ allgemein versteht man darunter

a) einen Menschen, dessen Lebenskraft, Lebensmut, Lebensfunke gebrochen wurde, der nur noch willenlos dahinvegetiert, ohne das Empfinden von Freude oder Schmerz oder

b) einen Menschen in der Art des angesprochenen KZ-Wärters, einen Folterknecht, der nichts mehr empfindet bei seinem Tun

BeitragVerfasst: Di 27. Feb 2007, 19:50
von henryN
c) ein Mensch der nur sich selbst kennt, die eigenen Bedürfnisse, Sehnsüchte, Gründe ohne die Herkunft dessen zu kennen, daher ohne Fähigkeit zur Verbindung mit der Außenwelt.

Was ohne "Verbindung" (Wahrnehmung, Emphatie, Zuwendung) ist seelenlos
bzw. hochgradig steuerbar, wenn ihm die vermissten "Potentiale" wie Zucker in den Mund gelegt werden......... schnell und leicht bekömmlich.... ;)

BeitragVerfasst: Mi 28. Feb 2007, 13:22
von Yanāpaw
Dann habe ich wohl auch schon kurzfristige Ausbrüche akuten Seelenexitus hinter mir, glücklicherweise war die CPR (macht mehr her als HW/HLW) stets erfolgreich ^^

Ich kann weder bei keiner der drei Definitionen eine Verbindung zu Infantilität erkennen, bleibe also folgerichtig dabei, dass Infantilität eine Folge nicht verarbeiteter Traumata im Kindesalter ist.