Die enthemmende Wirkung von Penicillin...

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Do 31. Jan 2013, 17:24 - Beitrag #1

Die enthemmende Wirkung von Penicillin...

Auch ich war bislang der Meinung, die sog. sexuelle Revolution mit mehr Freizügigkeit und vor allem mehr auch gelebter "außerehelicher" Sexualität wäre erst Ende der 60er Jahre mit der Einführung der "Pille" entstanden.
Wie die SZ basierend auf der Studie einer amerikanischen Universitöt darlegt, ist dieser Effekt mindestens schon teilweise vorher in den 50ern durch Penicillin entstanden, weil damit die Syphillis ihren (oft tödlichen) Schrecken verlor.
"Es ist eine verbreitete Annahme, dass die sexuelle Revolution mit der freizügigeren Haltung der 60er-Jahre und der Entwicklung der Antibabypille begonnen habe", sagt Francis. "Die Sachlage deutet jedoch klar darauf hin, dass bereits der verbreitete Gebrauch von Penicillin und der dadurch bedingte Rückgang der Syphilis-Erkrankungen während der 50er die moderne sexuelle Ära startete."


Interessant bis erschreckend, eben weil hier keine kausale heilende Wirkung im Spiel ist, ist ein Vergleich in die Neuzeit:
Ökonom Francis sieht hier Parallelen zur gegenwärtigen Aids-Epidemie. Auch hier zeigen neuere Studien, dass der klinische Einsatz der neuen und wirksamen Hochaktiven Antiretroviralen Therapien (HAART) wieder zu einem riskanteren Sexualverhalten vor allem unter Männern geführt hat, weil eine HIV-Infektion jetzt behandelbar erscheint. Hier zeige sich wieder die Gültigkeit der Ökonomie, schreibt Francis: "Beide Beispiele bestätigen die Grundannahme, dass das Verhalten die Kosten einer Krankheit beeinflusst, und dass die Kosten einer Krankheit wiederum das Verhalten beeinflussen."

Ipsissimus
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Do 31. Jan 2013, 18:06 - Beitrag #2

ich sehe im Ausleben von Sexualität kein "Enthemmen" impliziert, also nehme ich auch die enthemmenden Wirkungen von Medikamenten nicht als solche wahr^^ überhaupt sehe ich nur sehr wenige sachlich relevante Verbindungen zwischen Moralphilosophie und Sexualität^^

dass bestimmte Medikamente als Erleichterung empfunden werden und damit direkte Rückwirkungen auf das Lebensgefühl haben, scheint mir evident. Aber sollen wir deswegen die Medikamente wegwerfen?

Außerdem bezweifele ich, dass die Welle der sexuellen Revolution mit der Entwicklung des Penicillin tatsächlich so massiv ins Rollen gekommen ist wie später mit der Antibabypille. Der Wunsch nach Babies und der Wunsch, frei in der Gegend herum zu vögeln, stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander, zumindest dann, wenn die eigenen Geldmittel begrenzt sind.

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Do 31. Jan 2013, 18:10 - Beitrag #3

Der Titel ist von mir bewusst etwas reißerisch satirisch gewählt worden.
Und natürlich bin auch ich gegend ie Verdammung heilbringender Medikamente, fand im verlinkten Beitrag aber schlüssig dargelegt, dass schon Pen9icillin und nicht erst die "Pille" bei der Überlegung "sexuelle Interaktion ja/nein" die Entscheidung für ja erleichterten, weil die möglichen unangenehmen Folgen unwahrscheinlicher wurden. Damit schwand sozusagen ein Hemmnis, und Penicillin ist somit "enthemmend" ohne im eigentlichen Sinne auf das Verhalten zu wirken.

Lykurg
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Do 31. Jan 2013, 21:48 - Beitrag #4

Möglicherweise das eine eher als männliches, das andere eher als weibliches Initialmoment, da die jeweiligen negativen Konsequenzen verringernd? Das würde dann aber nahelegen, daß die Pille der wirkungsvollere Einschnitt war, wenn man vom notwendigen Einverständnis beider Teile absieht.

Traitor
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Do 31. Jan 2013, 22:49 - Beitrag #5

Schon rein geisteswissenschaftlich-kulturgeschichtlich sollte sich inzwischen ja (wieder) herumgesprochen haben, dass vieles, was man den 68er-Hippies zuschreibt, schon von Rock'n'Rollern, Beat-Kultur etc. in den 50ern eingeleitet wurde.

Aber wenn man liest, allein wieviele Kulturschaffende sich in früheren Jahrzehnten Syphylis und andere klassische Geschlechtskrankheiten einhandelten, darf bezweifelt werden, ob diese wirklich eine so starke Abschreckungswirkung hatten.

Zu AIDS hat z.B. Leonard Cohen 1988 in "Everybody Knows" typisch ausgedrückt, als wie extrem die Bedrohung zeitweise empfunden wurde - was zum Glück so nicht eingetreten ist (oder zumindest nicht außerhalb Afrikas):
Zitat von Leonard Cohen:And everybody knows that the plague is coming
Everybody knows that it's moving fast
Everybody knows that the naked man and woman
Are just a shining artifact of the past

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Fr 1. Feb 2013, 01:37 - Beitrag #6

Auch wenn Wiki eine Grafik erst ab 1971 bietet gibt es der Text wohl doch her, dass Syphilis für heterosexuelle Frauen weniger das große Problem war/ist.
Überraschend, dass die Fallzahlen in den 00-er Jahren bei (lt Text wohl hauptsächlich homosexuellen) Männern doch wieder anstiegen.
Und obacht, in dem Artikel hat es auch Bilder zum Verlauf die nicht gerade angenehm zu betrachten sind.

Maglor
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So 3. Feb 2013, 12:11 - Beitrag #7

Seit bekannt wurde, dass Lamas Überträger der Syphilis sind, finden Kleinkamele unter Sodomisten keine Freunde mehr.

Kulturschaffende holen sich die Blattern übrigens nicht bei den Strichjungen, sondern erkranken ganz unschuldig im Feld-Lazarett aufgrund des dort verspritzten Heldenblutes.


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