Von der Liebe bleibt der moderne Mensch verschont

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Ipsissimus
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Mo 6. Mai 2013, 12:35 - Beitrag #1

Von der Liebe bleibt der moderne Mensch verschont

ein Gastbeitrag von Norbert Blüm bei der Süddeutschen

http://www.sueddeutsche.de/politik/ehe-und-familie-von-der-liebe-bleibt-der-moderne-mensch-verschont-1.1666123

Ehe und Familie sind die großen Stabilisatoren der Evolution. Selbst den Katastrophen der Natur und in den revolutionären Umbrüchen hielt der familiäre Kern des Zusammenlebens stand. Weder Robespierre noch Hitler, Stalin, Mao oder Pol Pot schafften es, die Familien zu eliminieren, so sehr sie sich auch darum bemühten. Ehe und Familie haben alle Frontalangriffe überlebt.

Bedrohlicher als die gewaltsamen Versuche von gestern sind möglicherweise die lautlosen Unterminierungen von heute. Entfunktionalisierung durch Outsourcing lässt von Ehe und Familie nur noch eine ausgelaugte Hülle übrig. Für was aber sollen Ehe und Familie noch gut sein?


Eine interessante Perspektive, die Blüm auf insgesamt 3 Seiten ausbreitet, sehr konservativ zwar, aber mit jeder Menge Pointen.

Traitor
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Mo 6. Mai 2013, 14:26 - Beitrag #2

Ich würde ja zu gerne lesen, wie Nobby seinen Begriff von "Evolution" ausführlich erklärt, sodass er in diesem Eröffnungssatz Sinn ergibt. ;)

Später wird es aber immerhin sinnvoller, stimmt. Ein paar Entgegnungen:

"keine Familie" -> "kein sozialer Zusammenhalt" ist ein wilder Sprung, es kann viele Formen des Zusammenhalts in anderen Gruppen geben.

Kinderbetreuung in einer gut funktionierenden Familie erscheint auch mir weiterhin als Ideal. Seine Argumentation, dies würde durch staatlichen Eingriff abgelöst, geht aber fehl, da es chronologisch andersherum war - erst zerbröckelten (durch die moderne Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, aber ohne direkten obrigkeitlichen Eingriff) die Familien, jetzt wird mit staatlichen Angeboten versucht, Notlösungen zu finden.

Dass eine "stabile Gesellschaft" gerade für einen Konservativen ein Albtraum zu sein scheint, ist faszinierend. Dass in der Vergangenheit und in anderen Ländern gerade rigide Familienstrukturen ein Garant der Stabilität unmenschlicher und sozial undurchlässiger Verhältnisse waren/sind, muss aber dringend erwähnt werden.

Bei seinen Ausführungen zu Frauen als Verlierer der Zeitehen scheint er den statistisch nicht ganz unwesentlichen Aspekt Lebenserwartung völlig zu vergessen. Kein Wort gleichzeitig zu dem unschätzbaren Freiheitsgewinn, den das liberale Scheidungsrecht gerade für Frauen eben doch bedeutete.

Zitat von Blüm:Ehe ist im modernen Verständnis die Addition von zwei selbständigen Individuen, während sie im alten Sinn eine Gemeinschaft bildet, die mehr als die Summe ihrer Teile ist (Aristoteles).
Dass Aristoteles das auf die Ehe bezogen hat, wäre mir nicht bekannt. Und im Idealfall mag das bei "der alten Ehe" so gewesen sein, aber wie viele Beispiele gab es im Gegenzug dafür, dass die Gemeinschaft weniger war als die Summe ihrer Teile, weil sie sich das Leben gegenseitig zur Hölle machten oder zumindest ihren Entfaltungsraum stärker einschränkten, als sie sich Unterstützung geben konnten?

Noch was albernes:
Zitat von Blüm:Ehen werden nicht auf Lebenszeit geschlossen, sondern nur noch, "bis etwas Besseres" kommt. Deshalb wandelt sich die dauerhafte Ehe "bis der Tod euch scheidet" in [...]
Böse zusammengefasst: in den alten Ehen war der Tod das einzig Bessere, auf das man überhaupt noch hoffen konnte. ;)

Maglor
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Mo 6. Mai 2013, 19:24 - Beitrag #3

Der Kommentar ist unverblümt naiv, ahistorisch und eurozentrisch, gerade durch die Erwähnung Maos.
Mao hat die Familie nicht zerstört, er hat es nicht einmal versucht. Ene Familie im europäischen Sinne hat es zur der Zeit in China nicht gegeben, genauso wenig wie Ehen im herkömmlichen Sinne. Es war nie etwas dabei ein Kind auf dem Markt zu verkaufen, sich ein paar Konkubinen anzulachen ... Es ist auch nichts dabei, wenn die Hauptfrau nach dem Tod des Gatten die Konkubinen samt ihrer Brut aus dem Haus wirft. Das Mao bereits mit 14 nach chinesischer Sitte zur Ehe gezwungen wurde, bedeutet wohl nicht, verdeutlicht aber vielleicht welche Art der Familie er nicht zerstören konnte. Arrangierte Ehen sind noch heute in China üblich. Von der Liebe bleibt also niemand verschont.
Dass Adolf Hitler eine uneheliches Kind war, ist der kleinen unverblümten Licht sicher unbekannt und unvorstellbar. Uneheliche Kinder waren zu allen Zeiten möglich. Dass das keine Schande mehr ist, ist sicher einer der großen Fortschritte unserer Gesellschaft.
Stalins Eltern waren zwar verheiratet, lebten aber trotzdem getrennt. Zeit seines Lebens blieb er ein Muttersöhnchen, obwohl sieihn nötigte das Priesterseminar zu besuchen.
Schlimmer noch war nur das Schicksal des jungen Pol Pot, der gleich mit 6 Jahren ins Kloster abgeschoben wurde.
Noch weniger wurde Robespierre von seinen Eltern erzogen. Er war schon früh Vollwaise. In derart gehobenen Kreisen war das nicht weiter schlimm, denn es war durchaus üblich, das Kind ins Internat zu schicken, wenn sie der Brust der Amme entwöhnt waren. Weite Teilen der Gesellschaft hat solche Möglichkeiten natürlich nicht, sondern mussten ihre Kinder selbst schlagen - und wenn die Eltern eben tot waren gingen sie eben vor die Hunde oder wurden wie Märchen von bösen der bösen Stiefmutter ausgebeutet.

Nicht verschwiegen werden darf die Sklaverei, durch die Familien für immer auseinander gerissen wurden. Auf der anderen Seit ersetzten natürlich Haussklaven und Gesinde die Rolle der Eltern.

Familiäre Fürsorge ist eine Erfindung der 50er, genauso wie das Bild der Mutter, die nichts anderes tut als Kinder zu hüten.
Früher gab es weder ein soziales Netz, noch ein Nest, in das stets zurückgeflüchtet werden konnte.
Man hat sich nicht um die Erziehung bemüht, sondern die Kinder zum Brautpreis abgegeben und danach nie wieder gesehen. Es war auch immer gut, wenn die lieben kleinen mit 14 Jahren das Haus verließen und in Stellung oder die Lehre gehen.
Ansonsten ja, Blüm ist völlig irre. Wahrscheinlich wuchsen zur Jetztzeit ohne große Kriege und unter medizinischer Fürsorge so viele Kinder mit beiden Elternteilen auf wie nie zuvor.
Das Leid der Waisen ist natürlich klein gegen das Schicksal der Scheidungskinder. ;)

Im übrigen ist der Alte auch nicht mehr auf dem neusten Stand. Die CSU hat ja bewiesen, dass auch auch Doppeldiener eine 24-Stunden-Ehe führen können.
Im übrigen ist es ja auch so, dass neuere Gesetze durch versuchen, die Familie in die Pflicht zu nehmen. Man denke etwa daran, dass und 25-Jährige keinen eigenständigen Hartz-IV-Anspruch erlangen können, oder an die leidliche Unwirksamkeit von BAFöG-Antragen von Kindern aus nicht armen Hause oder die vielfältigen Möglichkeiten der Unterhaltsklagen, die nicht selten vom Sozial- oder Jugendamt geführt werden.
Es gibt kein Outsourcing aus der Familie an den Staat oder warum gibt es keinen schulischen Förderunterricht mehr?

Aristoteles und die Ehe ist ein Thema für sich. Ich muss da nun an die schöne Phyllis denken, wie sie auf dem alten Weisen ausreitet. :crazy:
Ansonsten dürfte der verblümte Pseudoaristotelismus der "Addition von zwei selbständigen Individuen" eher auf Matthäus 19,6 - "So sind sie [die Eheleute] nun nicht zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden." - beruhen, aber Aristoteles als guttenberg' scher Beweis klingt natürlich auch nett. ;)
(Könnte natürlich auch sein, dass der geheime Christus mit seiner Ein-Fleisch-Ideologie an die platonischen Kugelmenschen dachte.)
Im übrigen würde ich den alten Griechen alles unterstellen, nur eben kein bürgerliches Bild von Ehe, Familie und Liebe. Wenn man sich mal gepflegt unterhalten möchte, geht in den Puff zur Hetäre, für die wahre Liebe wählt man einen Knaben und der Rest erledigt die Frau und sobald ihre Leibesfrucht ans icht kommt, setzt man den Abkömmling im Wald aus. :P


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