Original geschrieben von Traitor
Auch gibt es wenig Kreuzbeeinflussung zwischen verschiedenen Werken, da eigentlich mit Tolkien DAS Werk an sich längst geschrieben ist und alle anderen Autoren sich nur noch an ihm messen.
Für viele Fantasy-Autoren ist Tolkien gewiss ein erdrückender Übervater. Trotzdem würde ich dieser 'Schuldzuweisung' nicht ganz zustimmen. Vor allem in USA gibt es eine Fantasy-Tradition abseits von Tolkien, eine die sich viel eher auf die Autoren der alten Groschenmagazine beruft, auf Pulpautoren wie Robert E.Howard und auch auf Fritz Leiber - GenomInc hat die beiden gleich eingangs genannt. Die zweifelhaften, exterm sexualneurotischen Gor-Romane von John Norman entstammen etwa ohne Umweg über Tolkien direkt dieser Tradition.
Es scheint mir da also noch ein anderer kreativitätshemmender Prozess am Werk, ein eher marktwirtschaftlicher. Fantasy ist früh als arme (und ein wenig blöde) kleine Schwester von SF behandelt worden, als reaktionäre Schnullerlektüre für Leute, die unwillig waren, sich mit den komplexeren Konzepten der Science Fiction auseinander zu setzen.
Die Haltung der Verlagsmanager schien mir immer ein wenig zu sein, dass die clevereren Leser, die anregungsreiche Fluchtlektüre suchen, SF lesen, und andere Leser, die Symbolisches und Suggestives suchen, sich bei der 'ernsthaften' phantastischen Literatur bedienen, die das Marketingetikett SF nicht tragen will, dass zudem eine gewisse moderne, tolkienferne Schule der Fantasy unter dem Label Horror firmiert (Stephen King z.B.): dass man also unter dem Markenzeichen Fantasy am besten ein relativ normiertes Produkt anbietet.
Spätetens nach der zweiten Manuskriptablehnung opder dem ersten Gespräch mit dem Lektorat oder einfach nach Studium des Fantasyregals in der supermarktartigen Großbuchhandlung merken Jungautoren dann, was akzeptiert wird und was nicht.
Darf ich in diesem Zusammenhang z.B. an das fulminante Talent Neil Gaiman erinnern, einen Fantasygroßautor reinsten Wassers, der aber selten so tituliert wird? Jonathan Carroll wiederum wäre ein anderer hochorigineller Fantasyautor, der aber von der Literaturkritik gepriesen und durchinterpretiert wird, dem also niemand die Kategorisierung Fanatsy zuzumuten wagt. Weil in vielen Köpfen eben die High Fantasy a la Tolkien, die Barbarenfantasy a la Howard oder Sword & Sorcery a la Leiber den Begriff prägt.
Das Marketingetikett SF ist da aus historischen Gründen schlicht viel flexibler.